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AfD: Die letzte Chance der Machteinhegung? | Von Tom J. Wellbrock

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Ein Standpunkt von Tom J. Wellbrock.

Es ist eine Frage, die die Menschheit seit ihrem Bestehen begleitet: Wie lässt sich Macht einhegen? Teilweise sind die Versuche, dies zu tun, gelungen, teilweise nicht. Doch die derzeitigen Machtstrukturen sind bis tief in die Gesellschaft hinein verwurzelt und nur schwer zu entflechten. Ist womöglich die AfD die letzte Möglichkeit der Machtkontrolle?

Menschliche Bedürfnisse unterliegen einer natürlichen Regulierung. Niemand kann pausenlos Sex haben oder unentwegt essen oder trinken. Doch beim Bedürfnis nach Macht und Machtausbau verhält es sich anders. Da dieses Problem den Menschen schon lange bekannt ist, waren sie in allen Epochen bemüht, die grenzenlose Ausdehnung von Macht zu verhindern. Heute scheint dieses Vorhaben schwieriger denn je, denn die Art der Macht ist diffizil geworden und gibt sich möglichst nicht zu erkennen.

Wertfreie Macht

Macht ist nicht per se schlecht. Sie kann auch nützlich sein, etwa, wenn ein Mensch einer Gruppe mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet ist und diese nutzt, um dem Rest der Gruppe zu Verbesserungen zu verhelfen. Dafür gibt es in der Geschichte unzählige Beispiele. Eines davon ist der Umgang mit Schrift. Heute können noch immer viele Menschen nicht lesen, sie sind unter dem Aspekt der Macht in einer schwachen Rolle.

Doch auch wer lesen kann, erhält dadurch nicht automatisch Macht. Es sind diejenigen, die mit der Schrift, mit Inhalten, besonders gut umgehen können, die Macht entfalten können. Sie sind in der Lage, Gedanken oder Theorien zu formulieren, die dann in Schriftform große Auswirkungen auf eine größere Gruppe haben. Wissen ist also in der Tat Macht, wenngleich nicht jeder mit großem Wissen in der Lage sein muss, daraus Kapital zu schlagen, also Macht zu entwickeln. Dazu sind wiederum andere Fähigkeiten notwendig.

Macht und Machtgier

Wenn aus Macht Machtgier wird, kann man sie nicht mehr neutral oder wertfrei betrachten, denn aufgrund fehlender Selbstregulierung ist diese Form der Macht gefährlich. Sie ist nicht mehr darauf ausgerichtet, sich selbst und der Gruppe zu helfen oder Verbesserungen zu erzielen, sondern einzig dem eigenen Vorteil. Dieser Egoismus führt zur Skrupellosigkeit und lässt beim Einsatz der Mittel zur Machtvergrößerung auch solche zu, die anderen schaden.

Geld ist oft Ausgangspunkt für Machtgier, aber nicht der einzige und erst recht nicht der Endpunkt. Die Anhäufung von Geld ist ihrem Sinn nach begrenzt. Ab einem gewissen Punkt ist es schon rein technisch nicht mehr möglich, all sein Geld auszugeben. Wenn der Konsum nicht mehr ausreicht, um sein Geld auszugeben, kommt der Einfluss auf Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft ins Spiel. Und an diesem Punkt wird die regulierende Grenze der Geldmenge überwunden.

Im Gegensatz zur natürlichen Konsumgrenze gibt es bei der Machtausübung keine Grenze, oder eine sehr abstrakte. Wenn die Machtgier begonnen hat, entwickelt sich der Wunsch, ein Mehr davon zu erzeugen. Die reichsten Menschen der Welt widmen nur wenig Zeit dem Einkaufen, zumindest die nicht, die sich für die gesellschaftliche Einflussnahme entschieden haben. Sie tun in aller Regel auch nichts für die Allgemeinheit, sondern beeinflussen diese lediglich in ihrem Sinne, also zum Ausbau ihrer Macht.

Es wäre dringend erforderlich, dieses Prinzip einzugrenzen und so die Machtgier nicht ausufern zu lassen. Doch die Politik ist Bestandteil dieser Gier geworden, sie partizipiert daran und zeigt dementsprechend kein Interesse an der Lösung des Problems.

Macht im Schafspelz

Nach außen tritt die Machtgier kaum in Erscheinung, im Gegenteil. Die wahren Entscheider agieren im Hintergrund und scheuen das Tageslicht. Die politischen Köpfe, deren Aufgabe es ist, die Mächtigen zu schützen und dafür Leckerlies in Empfang zu nehmen, spielen die Rolle der Gerechten, um gleichzeitig Ungerechtigkeit zuzulassen. Der vermeintliche Kampf für die Demokratie, für die Rechte "queerer" Menschen und auch der für die angeblichen Demokratiebewegungen im Ausland verdecken die Arbeit für die Machthaber im Hintergrund.

Die Mächtigen sitzen auf keinem Thron und breiten befehlend die Arme aus, sie verstecken sich lieber und agieren still und leise, dafür aber extrem effizient. Die Machtgier beschränkt sich längst nicht mehr auf das Inland, sie breitet sich aus, unreguliert und gut vorbereitet. Denn zuvor wurden entsprechende Umdeutungen etabliert, etwa was bestimmte Begriffe angeht. Man kann das sehr gut an der Ukraine und an Israel festmachen. Im Namen der "Verteidigung" lassen sich Taten umdeuten, die noch vor einigen Jahren breitflächig verurteilt worden wären. So kann die israelische Regierung sich nicht nur offen faschistisch zeigen, sondern weitgehend ungestört Massenmorde verüben. So kann die Ukraine, die nichts weiter als ein NATO-Brückenkopf ist, als Hort der Freiheit und der Demokratie bezeichnet werden.

Viele Deutsche lassen sich von den Erzählungen über Länder wie die Ukraine, Russland, China oder Israel blenden, meist schlicht, weil das Hintergrundwissen fehlt und der Gedanke vorherrscht, gut informiert zu sein. Erst kürzlich konnte der SPD-Politiker Michael Roth auf "X" verkünden, den Krieg zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008 habe Russland begonnen. Viele Kommentatoren sind auf diese historische Lüge zwar nicht hereingefallen, doch diese Reaktionen sind eingepreist, sie haben nur minimale Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung. Seit dem 24. Februar 2022, als der aktuelle Ukraine-Krieg begann, hat sich zudem das Märchen etabliert, es sei in erster Linie die Ukraine gewesen, die Deutschland vom Hitler-Faschismus befreit habe. Durch die Macht(gier) der Wiederholung hat sich diese Lüge bereits in Teilen der deutschen Bevölkerung etabliert.

Letzte Chance der Machtbegrenzung?

Es sieht so aus, als sei der Machtgier nichts entgegenzusetzen. Die Strukturen der Macht haben sich bis in die letzte Ecke der Gesellschaft und ihrer Institutionen eingebrannt, während der Corona-Episode konnte man zudem beobachten, dass selbst das Bundesverfassungsgericht nur der verlängerte Arm der Politik war und vermutlich immer noch ist.

Dennoch: Die Erzählungen über das Ausland mögen zwar alles in allem gut funktionieren, die Narrative im Inland aber stocken. Das hängt mit dem großen Misstrauen und der Abneigung immer weiterer Teile der Bevölkerung gegenüber der Politik zusammen. Der Lebensstandard verschlechtert sich spürbar, und die Verantwortung dafür wird berechtigterweise der herrschenden Politik zugeschrieben (auch wenn tragischerweise die Außenpolitik damit nur selten verbunden wird).

In der Parteienlandschaft haben sich die alten Parteien weitgehend aufeinander eingeschworen, eine Opposition ist dort nicht mehr erkennbar. Selbst "die LINKE", die eine Weile durchaus ein wenig systemkritisch war, ist zu einem zahmen Tiger verkommen, der immer mehr Positionen der ehemals bekämpften Parteien auf- und annimmt und/oder sich mit Wokeness und Identitätspolitik von den Wählern entfernt.

Einzig die AfD - und möglicherweise in Zukunft die Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) - ragt aus dem Parteiensumpf hervor. Anders als bei den Grünen und der Partei "die LINKE" wurden bei der AfD bislang keine Versuche unternommen, sie "einzugemeinden" und durch Posten und Ämter zu zähmen. Stattdessen wird auf die Verteufelung der Partei gesetzt und eine weitere Erzählung benutzt. Einmal mehr führen sich die Mächtigen als Kämpfer für die Demokratie und die Freiheit auf und drücken der AfD den Faschismus-Stempel auf.

Die Feindseligkeit der AfD gegenüber ist vermutlich durch ihre hohen Zustimmungswerte bei Teilen der Bevölkerung zu erklären. Außerdem steht ihre Programmatik in wichtigen Punkten (längst nicht in allen!) der der alten Parteien entgegen. Schon der Ansatz, ein friedliches Miteinander mit Russland zu finden, kann den Mächtigen, die im Wesentlichen durch US-Interessen gesteuert werden, nicht gefallen.

Ob die AfD in Regierungsverantwortung tatsächlich eine Politik machen würde, die sich merklich von der jetzigen unterscheidet und für die Verbesserung der Lage im Land arbeiten würde, soll hier nicht beantwortet werden. Die beiden gegensätzlichen Fraktionen, die das meinen tun zu können, betreiben Kaffeesatzleserei, die hier nicht fortgeführt werden soll. Entscheidender scheint die Frage, ob die AfD tatsächlich ein wirkmächtiges Gegengewicht zur etablierten und festgefahrenen Politik der Machtgier bilden kann.

Die Antwort lautet: sie muss! Auch wenn es dem Autor dieses Textes fast schon körperliche Schmerzen bereitet, diese Antwort zu geben. Das liegt an unterschiedlichen programmatischen Punkten, doch in erster Linie an der Haltung der AfD zur Politik Israels, die zutiefst verabscheuungswürdig ist und von der AfD unterstützt wird.

Aber wenn das derzeitige System keine Grenzen aufgezeigt bekommt, wird es sich bis zur Selbstzerstörung weiter ausdehnen und bis dahin eine unerträgliche Destruktivität entwickeln, die zu unfassbarem Leid führen wird. Die Frage, wie glaubwürdig die AfD ist und ob sie letztlich tatsächlich eine bessere Politik machen wird, ist für den Moment zweitrangig. Es ist vielmehr zu hoffen, dass der Punkt kommen wird, an dem diese Frage beantwortet werden kann.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: nitpicker / shutterstock


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