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Ampelpolitik für Reiche | Von Susan Bonath

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Mit moralinsaurer Propaganda verteilt die Bundesregierung nach oben um und verschärft damit die Armut.

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Wenn die Ampel im Bundestag von „sozial“ spricht, bezieht sie das wohl auf ihre eigene Klientel: das betuchte Großstadtbürgertum mit sicheren und hoch dotierten Posten in staatlichen Apparaten und geförderten NGOs. Von der Lebensrealität der übrigen Bevölkerung ist die regierende Kaste weiter entfernt als der Mars von der Erde. Selbstgerecht und ohne Rücksicht auf Verluste ziehen die Politiker ihre Projekte durch, als wollten sie absichtlich Massen in die Armut treiben.

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Es betrifft eigentlich alles, was diese „grün“ verkleidete, in Wahrheit hart neoliberale Regierung so treibt. Angefangen bei ihren Bestrebungen zur „Energiewende“ bis hin zu ihrer Gesundheits-, Sozial- und Kriegspolitik. Verpackt in hübsche Gesetzesnamen und viel moralinsaures Geschwätz ruinieren diese Politiker und ihre Funktionäre mit Volldampf große Teile der Bevölkerung.

Umverteilung nach oben

Beginnen wir mit der geplanten Novelle des sogenannten Gebäudeenergiegesetzes, abgekürzt GEG, ab kommendem Jahr. Hauseigentümer sollen danach verpflichtend veraltete Gas- und Ölheizungen ― womit die allermeisten gemeint sind ― durch neue ersetzen, am besten durch eine sogenannte Wärmepumpe, also ein eigenes kleines Kraftwerk. Sie sollen binnen zwei Jahren die Fußböden, Wände und Dächer energieeffizient dämmen und Heizungsrohre in Kellern verkleiden.

Abgesehen davon, dass dies in vielen alten Häusern gar nicht möglich ist: Laut einer Umfrage des Verbandes der Immobilienverwalter verfügen nur 4 Prozent der Eigentümergemeinschaften über genügend Mittel, wie die Welt berichtete. Anders herum: 96 Prozent der Wohnungseigentümer können sich das wohl schlicht nicht leisten. Nicht jeder Eigenheimbesitzer ist schließlich Millionär, der, wie etwa Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), mal eben eine Villa in bester Lage erwerben kann.

Überhaupt verfügen nur gut 40 Prozent der Einwohner Deutschlands über Wohneigentum. Der größte Teil der Bevölkerung lebt also zur Miete. Die großen Immobilienkonzerne dürften sich die neuen Heiz- und Dämmvorschriften noch am ehesten leisten können. Ihnen wird wohl auch das größte Stück vom Kuchen geplanter staatlicher Fördermittel aus dem Steuertopf zuteilwerden. Mehr noch: Vermieter dürfen zusätzlich ein Drittel ihrer Sanierungskosten auf die Mieter umlegen.

So müssen fast 60 Prozent der Einwohner Deutschlands damit rechnen, dass ihre Kaltmieten weiter explodieren. Das tun sie schon länger, und zwar viel schneller, als die Löhne und Sozialleistungen steigen. Sehr viele Mieter gehören ohnehin zum ärmeren Teil der Bevölkerung.

Geht die Gesetzesänderung wie geplant durch, wird die Energiewende vor allem auf ihren Rücken ausgetragen ― wieder einmal. Will die Ampel etwa noch mehr Obdachlose produzieren? Bekanntermaßen sind auch Notunterkünfte rar.

Zugespitzt kann man getrost konstatieren: Dieses Gesetz wird vor allem noch mehr Geld nach oben auf die Konten großer Immobilienhaie spülen und einen Großteil der Bevölkerung in eine finanzielle Misere treiben. Das gut betuchte Bürgertum wird mittelfristig profitieren, der Rest in die sprichwörtliche Röhre gucken. Es ist also wie immer: Umverteilung nach oben.

Kein Ticket für Arme

Weiter geht es mit dem sogenannten 49-Euro-Ticket ab Mai. Die Ampel verkauft es als soziale Wohltat. Doch ihre Tricks und Kniffe, um die Ärmsten von der Nutzung auszuschließen, sind mannigfaltig. Es fängt schon mit dem Preis und inkludiertem Abozwang an. Wer wirklich arm ist, kann es sich nicht leisten, jeden Monat 49 Euro abzudrücken. Selbst in das Bürgergeld sind nur 45 Euro für Verkehrsmittel eingepreist.

Wie bekannt ist, befinden sich zugleich die Lebensmittelpreise auf Rekordniveau, Heizung und Strom sind trotz „Preisbremsen“ so teuer wie nie. Die Leute müssen das irgendwie ausgleichen.

Auch gibt es tatsächlich Arme, die aus Kostengründen gar kein Smartphone besitzen. Auch viele Rentner kommen damit nicht mehr klar. Als die Regierung das begriffen hatte, ermöglichte sie es ihnen praktisch in letzter Minute, das Ticket am Schalter als Chipkarte zu erwerben.

Die nächste Hürde sind Kinder. Auf allen anderen Fahrkarten können Eltern sie kostenlos mitnehmen, sofern sie noch keine 14 Jahre alt sind. Bei der neuen „Wohltat“ ist das nicht mehr möglich. Es bräuchte also jedes Familienmitglied ein eigenes 49-Euro-Ticket. Alleinerziehende mit zwei, drei Kindern, die sich das leisten können, dürften rar gesät sein. Selbst bei vielen Doppelverdienern mit mehreren Kindern wird es sicher eng. Verbände sind mit ihrer Forderung nach einem bundesweiten Sozialticket für Arme allerdings kläglich gescheitert.

In Deutschland leben rund 14 Millionen Menschen, darunter zwei Millionen Kinder, unter der Armutsgrenze. Nicht so wenige von ihnen dürften verschuldet sein und einen Eintrag bei der Schufa haben. Auch diesen Menschen verkauft die Bahn das 49-Euro-Ticket nicht― aus Sicherheitsgründen, versteht sich. Für all die Betroffenen heißt es wohl weiterhin: zu Hause bleiben. Das ist ihr Los in der Klassengesellschaft, das künftig wahrscheinlich immer mehr Menschen werden teilen müssen.

Preisbremsen für Reiche

Man kann sich weitere Gesetzesvorstöße der Ampel im Rückblick ansehen: Die elfprozentige Erhöhung der Grundsicherung bei der Umstellung von „Hartz IV“ auf das „Bürgergeld“ ― was immerhin hübscher klingt ― hat die Inflation nicht ansatzweise ausgeglichen. Was bedeutet: Die Menschen wurden ärmer. Genauso lief es mit den völlig unzureichenden Erhöhungen des Wohngeldes, des Bafögs für Studenten, der Renten und der Berufsausbildungsbeihilfen.

Die Energiepreisbremsen sind ein Tropfen auf den heißen Stein, die ebenfalls die Armen stark benachteiligen. Denn wer beim Heizen aus Finanznot schon vorher sparen musste, erhält viel weniger erstattet als wohlhabende Vielverbraucher. Denn die 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs beim Heizen und beim Strom, für die der Deckel gilt, sind bei ihnen im Volumen viel geringer. Weitere Einsparmöglichkeiten haben diese Menschen in aller Regel nicht.

Abzocke von Kranken

Mitten in diesem Dilemma kommen „Experten“ mit kruden Vorschlägen um die Ecke. Bekanntermaßen ist das deutsche Gesundheitssystem recht mangelhaft aufgestellt.

Der Markt hat Effizienz gefordert, was bedeutet: Private und kommunale Klinikbetreiber nähten die Personaldecken auf Kante. Arbeitsüberlastung und dann der Impfzwang im letzten Jahr trieb eine Menge Fachkräfte in die Flucht.

Und auch die Zweiklassenmedizin ist kein Geheimnis: Gesetzlich Versicherte stehen seit vielen Jahren hintan.

Marktgerecht verbannten immer mehr Krankenhäuser wenig lukrative Sparten. Sie schlossen Geburts- und Kinderkliniken, Frauenstationen, Labore und Notaufnahmen. Bereitschaftsärzte und schnelle Rettungswagen sind vor allem auf dem Lande längst Mangelware. In diese Misere, die sich trotz anderslautender Corona-Versprechen immer weiter ausbreitet, platzte nun also Andreas Gassen mit einer Forderung hinein: Wer unvorangemeldet eine Notaufnahme aufsucht, soll Gebühren zahlen.

Gassen ist Chef des Kassenärzteverbandes. Als solcher hat er offenbar nicht mitbekommen, was vor allem in sogenannten strukturschwachen Regionen ― also dort, wo sich Ärmere gerade so die Miete noch leisten können ― so los ist. Wer dort nämlich am Wochenende krank wird, hat keine andere Chance, als entweder einen Rettungswagen zu rufen, wenn es sehr schlimm ist, oder in die Notaufnahme zu gehen.

Steuergeschenke und Gehirnwäsche

Während die Ampel an den Armen ― und am sozialen Frieden ― rege spart und die Mittelschicht mit Pseudohäppchen zusehends in den Ruin treibt, haben sie und die Vorgängerregierung Pharmakonzernen wie BioNTech die Taschen mit Steuergeld prall gefüllt, unter anderem durch eine massive Überbestellung ihrer inzwischen zu Ladenhütern gewordenen mRNA-Produkte.

Auch Rüstungskonzerne wie Rheinmetall laben sich fürstlich an der Spendierfreudigkeit der Bundesregierung. Denn Waffen für die Ukraine müssen her und die Bundeswehr aufgerüstet werden. Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ zählt dabei offensichtlich nichts, denn munter fließt Rheinmetalls Gewinn aus Deutschland in die USA ab. Mit viel Kriegsgeschrei, Sündenbocksuche und Panikmache vor Russen, Viren oder Wetterkapriolen floriert die Umverteilung nach oben ziemlich reibungslos.

Die altbekannte Propagandapraxis ist mit neuen technologischen Mitteln zu einem Gehirnwäsche-Dauerfeuer geworden, die selbst die ärmsten Stuben erreicht ― hier wie dort. Man kann nur hoffen, dass die „kleinen Leute“ bald damit aufhören, gegeneinander zu kämpfen, und den Blick gemeinsam nach oben richten ― nicht nur in Deutschland.

Anmerkungen und Quellen:

Susan Bonath, geboren in der DDR, arbeitet seit 2004 als freie Journalistin und berichtet seit 2010 für die junge Welt. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Kapitalismuskritik, Arbeit und Soziales. Sie lebt in Sachsen-Anhalt.

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Dank an die Autorin und manova für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 15.04.2023 bei manova.news +++ Bildquelle: Nick Starichenko / shutterstock


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