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Buchrezension: «Kleines Erste-Hilfe-Büchlein gegen Propaganda»

Buchrezension: «Kleines Erste-Hilfe-Büchlein gegen Propaganda»


Eine Anregung zum selbständigen Denken

Eine Rezension von Eugen Zentner.

Propaganda gibt es nur in Autokratien wie Russland oder Türkei. So zumindest lautet das Narrativ im sogenannten Wertewesten. Allerdings ist spätestens mit der Corona-Krise klargeworden, dass auch hier die öffentliche Meinung mithilfe der Massenmedien nicht nur gelenkt, sondern auch manipuliert wird. Das Arsenal der Soft-Power-Instrumente wächst stetig, wobei die Erkenntnisse aus Soziologie und Psychologie in deren Entwicklung einfließen. Wissenschaftler wie Rainer Mausfeld oder Jonas Tögel haben dies in ihren Büchern eindrucksvoll dargelegt. Während sie die moderne Propaganda in einen größeren gesellschaftlichen Kontext einbetteten, stellte Johannes Menath einzelne Methoden vor, damit die Leser sie in ihrem Lebensalltag erkennen und sich dadurch der Meinungslenkung entziehen.

Nach so einem Nachschlagewerk klingt auch die jüngste Publikation der australischen Journalistin Caitlin Johnstone. «Kleines Erste-Hilfe-Büchlein gegen Propaganda heißt sie und weckt große Erwartungen. Wer jedoch hineinschaut, findet keinen nach Stichworten gegliederten Werkzeugkasten, sondern mehrere Artikel aus dem letzten Jahr. Das Datum ist jedem Beitrag vorangestellt. Daraufhin folgen jeweils kritische Auseinandersetzungen mit dem Zustand der westlichen Gesellschaften. Johnstone spricht dabei brisante Fragen an, etwa danach, ob unsere Demokratien wirklich auf den Willen des Volkes ausgerichtet sind, ob die Bürger wirklich an der Wahlurne Gestaltungseinfluss haben oder ob die Entscheidungen nicht eher durch Interessengruppen und Lobbyisten getroffen werden. Ihr Ton ist durchweg scharf. Mit spitzer Feder analysiert sie die gesellschaftspolitischen Ereignisse der letzten Jahre und warnt dabei vor den Auswirkungen einer Mentalität, die nicht auf selbständigem Denken beruht.

Die australische Journalistin schreibt schon seit Jahren über US-Politik und -Medien. Dieses Wissen ist in dieses Büchlein eingeflossen. In ihren Analysen bezieht sich Johnstone oftmals auf US-amerikanische Institutionen und Persönlichkeiten, die in der selbsternannten „Vorzeigedemokratie“ den Ton angeben. Viel Raum verwendet sie für die zahlreichen Verflechtungen. Außenpolitische Denkfabriken bezeichnet sie etwa als „Einflussoperationen für den militärisch-industriellen Komplex“. Diese Institutionen würden nicht mehr nur von der Kriegsindustrie finanziert, lautet eine Kernaussage, sondern „direkt von der Kriegsindustrie geleitet“.

Ähnliche Zustände beschreibt die Journalistin im Medienbereich. Die wichtigsten Häuser seien im Besitz und unter der Kontrolle von „Plutokraten“, deren „Reichtum und Macht auf dem Status quo beruhen, von dem sie profitieren“. Wer in den letzten Jahren die Ereignisse kritisch verfolgt hat, dürfte in diesen Aussagen keinen großen Mehrwert erkennen. Mit ihrem Buch will Johnstone jedoch eine andere Zielgruppe erreichen, Menschen, die lediglich an der Oberfläche kratzen. Das Informationsumfeld des globalen Nordens würde sich erheblich verbessern, wenn sich mehr Leute der Zusammenhänge bewusst wären, die sie im Buch beschreibt, lautet eine ihrer zentralen Thesen.

Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie bloß Behauptungen aufstellt, versieht die Journalisten ihre Ausführungen mit Screenshots diverser Kurznachrichten auf der Plattform X. Zu Wort kommt dabei das Who is Who des US-amerikanischen Establishments – im Originalton und ungeschminkt. So manche Aussagen klingen geradezu wie Eingeständnisse. Johnstone seziert sie messerscharf, um dem Titel ihres Buchs doch noch gerecht zu werden. Sie arbeitet verschiedene Aspekte der heutigen Propaganda heraus, indem sie die Mechanismen des Medienbetriebs beschreibt.

Mithilfe der Screenshots wird gezeigt, dass Journalisten aus den Mainstream-Medien es gelernt hätten, „welche Art von Output ihrem Aufstieg auf der Karriereleiter hilft und welche ihn behindert“, schreibt Johnstone – und fügt hinzu: „ohne dass sie ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen“. Damit räumt sie mit der verbreiteten Meinung auf, dass die Berichterstattung von oben diktiert wird. Das ist oftmals nicht der Fall. Viel mehr ist im Journalismus eine Art unsichtbare Hand am Werk. Deren Wirkweise beschreibt Johnstone so: „Es geht nicht unbedingt darum, dass einem jemand vorschreibt, wie man seine Berichterstattung zu gestalten hat, sondern darum, dass man, wenn man seine Berichterstattung auf diese Art und Weise gestalten würde, in dieser Einrichtung nicht eingestellt würde.“

In den Redaktionen entsteht eine bestimmte Stimmung, ein bestimmtes Gruppendenken. Wer sich dem nicht füge, so Johnstone, werde zermürbt und hinausgedrängt. Und Mitarbeiter, „die zu weit aus der Reihe tanzen, werden entlassen“. Das ganze System sei darauf ausgerichtet, die absolut schlimmsten Leute zu fördern. Die Missstände des propagandistischen Journalismus veranschaulicht die Autoren auch anhand des sogenannten Expertentums. Wer im Fernsehen vor die Kamera tritt, ist vorab gut ausgewählt. In den Vereinigten Staaten, schreibt Johnstone, stellten Denkfabriken eine wichtige Quelle für Medien dar, wenn es darum gehe, Expertenmeinungen zu dringenden politischen Fragen einzuholen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, auf den die Autorin verweist, ist die Verflechtung zwischen manchen Journalisten und den Geheimdiensten. Johnstone erinnert unter anderem an einen Fall aus dem Jahr 2014, als ein bekannter NBC-Reporter dabei erwischt wurde, wie er bei seiner Berichterstattung „eng mit der CIA zusammenarbeitete und ihr den Artikel zur Genehmigung und Änderung vor der Veröffentlichung zuschickte“. Diese Verflechtung zeige sich auch darin, dass die Massenmedien heute „ganz offen Geheimdienstveteranen“ beschäftigten. Johnstone nennt sie sogar namentlich und erstellt eine beachtliche Liste, die bei den Lesern weitere Denkprozesse in Gang setzen dürfte.

Solche Passagen machen das „Erste-Hilfe-Büchlein“ zu einer anregenden Lektüre, zumal es fulminant geschrieben ist. Johnstone überzeugt mit scharfen Beobachtungen, klugen Schlüssen und treffenden Formulierungen. Diese finden sich vor allem dort, wo die Journalistin sich mit der ungerechten Strafverfolgung ihres Kollegen Julian Assange beschäftigt. Dieser habe viele unbequeme Tatsachen über das US-Imperium aufgedeckt“, schreibt sie an einer Stelle, um anschließend die Pointe zu präsentieren: „aber keine war so unbequem wie das, was er dadurch ans Licht gebracht hat, dass er es gezwungen hat, ihn zu verfolgen und sein wahres Gesicht zu enthüllen, indem es den größten Journalisten der Welt in einer so schamlosen Verfolgungsjagd niederrang.“

Johnstone schlägt in ihrem Buch Alarm und fordert auf zum selbständigen Denken. An manchen Stellen beweist sie aber auch sehr viel Humor. In ihren Ausführungen schimmert immer wieder Ironie durch. Am deutlichsten kommt sie am Ende jedes Beitrags zum Vorschein, wenn Johnstone augenzwinkernd solche Ratschläge gibt: „Machen Sie doch immer mal eine kurze Atempause – tiefes Ein- und Ausatmen hilft, auch den größten Schwachsinn zu ertragen!“ Angesichts der heutigen Propaganda ist das keine schlechte Empfehlung.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Pogorelova Olga / Shutterstock.com


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