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Bundeskanzler Scholz: Die Bankenrepublik Deutschland | Von Thomas Röper

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Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Die Blindheit der deutschen "Qualitätsmedien" in Bezug auf den neuen Bundeskanzler Scholz war schon im Wahlkampf faszinierend. Jetzt, wo er Kanzler geworden ist, wird das allerdings gefährlich.

Olaf Scholz war in seiner Zeit als Hamburger Oberbürgermeister tief in den Cum-Ex-Skandal verstrickt, bei dem der Staat – also die Allgemeinheit – von den Banken um eine große zweistellige Milliardensumme betrogen wurde. Als das Hamburger Finanzamt von der Warburg Bank die zu Unrecht kassierten Steuerrückzahlungen einfordern wollte, wurde das Finanzamt von der Hamburger Regierung zurückgepfiffen.

Das sind die Fakten, Streitpunkt im Untersuchungsausschuss ist nur, wer dafür verantwortlich war. Dabei beteuern die damaligen Entscheidungsträger, darunter der heutige Bundeskanzler Scholz und sein damaliger Finanzsenator und heutiger Hamburger Oberbürgermeister Tschentscher, ihre Unschuld, obwohl sie durch Einträge in ihren Dienstkalendern schwer belastet werden. Aber keiner will es gewesen sein.

Bei dem Untersuchungsausschuss wird nichts herauskommen, das hat Tradition und darauf sind Untersuchungsausschüsse auch angelegt. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse werden in Deutschland immer dann einberufen, wenn Politiker Straftaten begangen haben, oder wenn zumindest der Verdacht besteht. Dann darf nicht der Staatsanwalt ermitteln, dann wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss einberufen, in dem Politiker über Politiker „zu Gericht sitzen“ und selbst wenn dabei „schweres Fehlverhalten“ festgestellt wird, hat das keine Konsequenzen. Es wird nach Jahren ein Bericht verfasst, in dem sinngemäß geschrieben steht: „Dumm gelaufen, kommt nicht wieder vor“ und das war’s.

Dafür gibt es viele Beispiele, wie ich hier und hier am Beispiel des Beraterskandals im Verteidigungsministerium aufgezeigt habe. Untersuchungsausschüsse sind nichts weiter als Bespaßung für das dumme Volk, mit denen davon abgelenkt wird, dass Politiker keine strafrechtliche Konsequenzen fürchten müssen.

Scholz und das Schweigen der Medien

Im Bundestagswahlkampf haben die Medien auf zwei der drei Parteien, die Chancen auf das Bundeskanzleramt hatten, herumgehackt. Zuerst wurde die CDU wegen der Maskenaffäre geschlachtet. Bei der Maskenaffäre haben sich Bundestagsabgeordnete schmieren lassen, um Geschäfte mit dem Gesundheitsministerium einzufädeln. Die Medien haben daraus einen Skandal gemacht, aber nicht erwähnt, dass Schmiergeldzahlungen an Abgeordnete in Deutschland legal sind, weshalb am Ende auch niemand bestraft wurde.

Dann haben die Medien noch auf dem Kanzlerkandidaten der Union herumgeprügelt und damit war die CDU aus dem Rennen.

Als die Grünen in den Umfragen in Führung lagen und eine Bundeskanzlerin Baerbock drohte, haben die Medien auch sie verhindert, indem sie – wenn auch sehr zärtlich – die Lügen in ihrem Lebenslauf und ihr von anderen aus Plagiaten zusammengezimmertes Buch thematisiert haben. Dafür müsste man den Medien sogar dankbar sein, denn damit wurde Baerbock als Kanzlerin verhindert.

Die einzige Partei, die im Wahlkampf keine Prügel von den Medien bekommen hat, war die SPD. Auch ihr Kandidat Scholz bekam nichts ab, er wurde im Gegenteil als eine Art Merkel Junior hingestellt, der ruhig und besonnen ist und daher von allen Kandidaten als der seriöseste dargestellt wurde.

Das ist deshalb bemerkenswert, weil es ja durchaus einiges zu berichten gegeben hätte. Während des Wahlkampfes gab es im Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex durchaus kritische Fragen in Richtung Scholz, aber die Medien haben darüber gnädig hinweggesehen und nicht thematisiert, dass Scholz offenbar versucht hat, der Warburg Bank hunderte Millionen an Steuergeldern zu schenken.

Bankenfilz bei Scholz

Was ich gar nicht wusste ist, dass Scholz nach seinem Wechsel aus Hamburg nach Berlin dem Bankenfilz treu ergeben geblieben ist. Als er Finanzminister wurde, hat er sich Jörg Kukies als Staatssekretär geholt. Sie kennen Jörg Kukies nicht?

Jörg Kukies war vor seiner Zeit als Staatssekretär Co-Vorsitzender des Vorstands von Goldman Sachs in Deutschland und Österreich. Im Finanzministerium von Scholz war Kukies dann ausgerechnet für die Themen Europa und Finanzmarkt zuständig.

Damit hatte Scholz den Bock zum Gärtner gemacht, denn Kukies hatte vorher bei Goldman Sachs Millionen verdient und weiß natürlich, wem seine Treue gehört. Und seine Macht im Finanzministerium war groß, denn er wurde auch stellvertretendes Verwaltungsratsmitglied der KfW Bankengruppe, Aufsichtsrat der KfW IPEX-Bank GmbH, Direktor und stellvertretender Gouverneur des European Stability Mechanism, Direktor der European Financial Stability Facility, Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, stellvertretender Gouverneur der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und Verwaltungsratsvorsitzender der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Und das waren nur die als „wesentliche Tätigkeiten“ bezeichneten Posten, die Kukies „nebenbei“ bekleidet hat.

Der Mann hat also eine enorme Macht im Finanzmarkt und bei der Regulierung der Finanzbranche bekommen. Die Bankenlobby hatte ihren Mann an einer Schlüsselstelle im Finanzministerium platziert, das wiederum von einem Finanzminister geleitet wurde, der einer großen Bank hunderte Millionen Euro an Steuergeldern schenken wollte.

Das ist doch mal eine gelungene Kombination. Nicht für Sie, für die Banken natürlich.

Aber die Medien waren im Wahlkampf nicht der Meinung, dass Sie und ich davon erfahren sollten. Was sagt das eigentlich über die „Qualitätsmedien“ in Deutschland aus?

Die Medien machen munter weiter

Auf diese Geschichte bin ich gestoßen, als ich einen Spiegel-Artikel mit der Überschrift „Jörg Kukies als zentraler Scholz-Berater – Der steile Weg des Ex-Goldman-Bankers ins Kanzleramt“ gefunden habe, den der Spiegel am 7. Dezember 2021 veröffentlicht hat.

Aber glauben Sie nur nicht, dass der Spiegel nun – nachdem die Wahl gelaufen und es sowieso zu spät ist – über diese offen zu Tage liegenden Interessenkonflikte im Finanzministerium von Scholz berichtet hätte. Die Überschrift hat mehr versprochen als der Artikel gehalten hat. Der Artikel war stattdessen ein Machwerk auf dem Niveau des niedersten Boulevard-Journalismus und der Artikel begann folgendermaßen:

„Zu den Heimspielen seines geliebten FSV Mainz 05 wird Jörg Kukies in Zukunft wohl deutlich seltener im Stadion auftauchen. Der Spitzenbeamte, bislang Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF) mit Zuständigkeit für Europapolitik und Finanzmärkte, soll Wirtschaftsberater des künftigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) werden.“

Wir erfahren dann, dass er nun viel reisen wird, weil er seinen Job als wichtigster Berater von Bundeskanzler Scholz so ernst nimmt und anderen Blödsinn, den auch die „Bunte“ über ein Starlett hätte schreiben können. Die erste Hälfte des Spiegel-Artikels endet mit dem Absatz:

„Zwangsläufig wird mit dem neuen Job weniger Zeit bleiben für Privates, für die Familie, aber auch die Besuche auf dem Sportplatz. Das wird Dauerkartenbesitzer Kukies schmerzen. Erst am vergangenen Samstag saß er mit Frau und Tochter im Stadion und freute sich über den 3:0-Sieg seiner Mannschaft über den VfL Wolfsburg.“

Wie rührselig! Der „Zahlenmensch“ von der „renommierten“ Bank

Die zweite Hälfte des Spiegel-Artikels ist ein wahres Loblied auf Kukies, denn er wird als detailverliebter Zahlenmensch beschrieben:

„Derartige Detailversessenheit lässt der 53-Jährige auch bei der Arbeit erkennen. Wichtige Kennziffern, von denen es in seinem Job viele gibt, hat er meist im Kopf. Davon wird er künftig noch ein paar mehr auswendig lernen müssen. Denn als Wirtschaftsberater des Kanzlers bereitet er nicht allein die internationalen Gipfel vor, er ist auch zuständig für die gesamte Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung. Seine Abteilung im Kanzleramt überwacht die Arbeit sowohl des Finanzministeriums wie auch des Wirtschaftsministeriums.“

Die Banken wird es freuen, dass ihr Mann nun nicht mehr nur einen Teilbereich des Finanzministeriums kontrolliert, sondern gleich die Arbeit des ganzen Finanzministeriums. Und die des Wirtschaftsministeriums noch als Bonus dazu.

Der Spiegel findet das übrigens super:

„Zugleich ist er erster Ansprechpartner der heimischen Unternehmen, wenn sie ihre Wünsche, Vorstellungen oder Bedenken beim Regierungschef vorbringen wollen. Mit dem neuen Job nimmt Kukies also eine der wichtigsten Schlüsselstellungen der neuen Regierung ein.“

Damit haben die „heimischen Unternehmen“ einen Ansprechpartner, der einen direkten Draht zum Kanzler hat. „Heimische Unternehmen“ klingt toll, oder? Viel besser, als „Konzernlobbyisten“, finden Sie nicht auch?

Dem Lobbyismus wird ein weiteres Tor in Deutschland geöffnet. Dass es dabei wahrscheinlich vor allem um die Bankenlobby gehen wird, erfahren wir auch beim Spiegel. Aber beim Spiegel klingt es viel freundlicher als bei mir:

„Besonders gute Verbindungen pflegt der Ex-Banker in die Finanzbranche. Vor seiner Berufung ins Finanzministerium arbeitete er als Co-Chef für Deutschland bei der renommierten Investmentbank Goldman Sachs.“

Die „renommierte Investmentbank Goldman Sachs“ klingt viel netter als die „berüchtigte Heuschrecke Goldman Sachs“. Der Spiegel weiß eben, wie man mit Worten spielen muss, wenn man seine Leser verarschen will.

Cum-Ex, Wirecard, Kukies

Erinnern Sie sich noch an den Wirecard-Skandal? Da hat die Staatsanwaltschaft sogar Unterabteilungen des Finanzministeriums von Scholz durchsucht, ohne dass die Medien das ausgeschlachtet hätten, obwohl Wahlkampf war. Am Ende klang es in den Medien nach einer Kampagne des politischen Gegners gegen den ach so korrekten Scholz. An die Verwicklungen von Scholz in den Cum-Ex-Skandal haben sich die „Qualitätsmedien“ in dem Zusammenhang hingegen nicht erinnert. Die Leser hätten ja den Eindruck bekommen können, dass sowas bei Scholz quasi dazu gehört.

Eine Schlüsselfigur im Wirecard-Skandal war wer? Richtig: Jörg Kukies. Das klingt im aktuellen Spiegel-Artikel allerdings anders:

„Nicht völlig unumstritten ist seine Rolle im Wirecard-Skandal. So tauchte Kukies am 50. Geburtstag eines der Hauptverdächtigen in der Konzernzentrale auf, später versuchte er die staatliche KfW davon zu überzeugen, dem Pleiteunternehmen vielleicht doch noch einen Kredit einzuräumen.“

Das hat der Spiegel freundlicherweise weichgespült. Im März 2021 klang das im Spiegel noch dramatischer, da waren die Machenschaften von Kukies dem Spiegel sogar einen eigenen im Schriftbeitrag verlinkten Artikel wert. Aber im weiteren Verlauf des Wahlkampfes fand der Spiegel das nicht mehr allzu wichtig und heute schreibt er über Kukies, der nun einer der mächtigsten Strippenzieher in der neuen Regierung wird, einen Artikel, den man nur als Lobhudelei bezeichnen kann.

Natürlich keinerlei Interessenkonflikte

Der letzte Absatz des Spiegel-Artikels wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre: „Kukies dürfte es vergleichsweise egal sein, ob er als Staatssekretär im Bundeskanzleramt einrückt, oder, wie sein Vorgänger Röller, im niedrigeren Range eines Ministerialdirektors, was für Abteilungsleiter im Kanzleramt üblich ist. Den Gehaltsverzicht könnte er problemlos verkraften. Als er im Finanzministerium anfing, verkaufte er, um Interessenkonflikte zu beseitigen, Aktien und Firmenbeteiligungen. Damit soll er etliche Millionen erlöst haben.“

Kukies hat schon Millionen von den Banken bekommen, wie soll es da einen Interessenkonflikt verhindern, dass er seine Aktien versilbert und höchstwahrscheinlich einfach andere Aktien gekauft hat? Er wird das Geld schließlich kaum unter sein Kopfkissen gelegt oder brav auf das gute alte Sparbuch eingezahlt haben, bei dem heute sogar Negativzinsen drohen.

Anders gefragt: Stellen wir uns vor, ein russischer Bauunternehmer wird eine Schlüsselfigur bei wichtigen Bauprojekten der russischen Regierung. Würde der Spiegel dann von Filz, Korruption und Vetternwirtschaft in Russland berichten? Und würde der Spiegel es als eine Beseitigung von Interessenkonflikten akzeptieren, wenn der Mann seine Anteile an dem Baukonzern verkauft?

Der Spiegel würde wühlen und graben, um herauszufinden, was der Mann mit seinem Geld macht, ob er davon Anteile an anderen Baukonzernen gekauft hat, ob der seine Anteile an seine Frau verkauft hat und so weiter. Aber bei Kukies stellt der Spiegel keine Fragen. Das ist ausgesprochen freundlich vom Spiegel. So stellt man sich kritischen Journalismus vor.

Auf den Spiegel ist eben Verlass – sagen die Banken…+++ Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 09. Dezember 2021 auf dem Blog anti-spiegel. +++ Bildquelle: Alexandros Michailidis / shutterstock


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