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Cancel Culture in der Kulturbranche - Positive Wende im Fall Uli Masuth

Cancel Culture in der Kulturbranche - Positive Wende im Fall Uli Masuth


 Ein Meinungsbeitrag von Eugen Zentner.

Der Kabarettist Uli Masuth hat in den letzten knapp vier Jahren einschneidende Erfahrungen mit der Cancel Culture gemacht. Wie alle unbequemen Künstler wird er nicht nur öffentlich diffamiert, sondern verliert auch Auftritte – oftmals nach Intervention willfähriger Journalisten. Was ihn für sie „unbequem“ macht, ist seine Meinung zu brisanten Themen unserer Zeit. Masuth kritisiert bis heute die Corona-Politik und hinterfragt die Rolle des Westens im Ukraine-Konflikt, indem er beispielsweise auf dessen Ursprünge verweist – auch in seinem aktuellen Programm «Lügen und andere Wahrheiten». Diese Abweichung von der herrschenden Meinung reicht für die journalistischen Sniper aus, um ihn bei den Veranstaltern anzuschwärzen.

Das geschah unter anderem in der Stadt Ettlingen, wie apolut berichtete. Dort hatte das Regionalblatt „Badische Neueste Nachrichten“ den Kulturamtsleiter dazu veranlasst, einen lange geplanten Auftritt Masuths am 24. Februar 2024 zu „canceln“, wie es in der Pressemitteilung hieß. „Für diese Art des Kabaretts ist Ettlingen keine Adresse“, so die damalige Begründung. Doch nun gibt es in dem Fall eine Wende, an der sich ablesen lässt, dass die Bürger allmählich gegen die Cancel Culture aufzubegehren beginnen. Nachdem der Auftritt in Ettlingen abgesagt worden war, meldeten sich bei Masuth mehrere Menschen mit wohlwollenden Zuschriften. Unter ihnen befanden sich auch ein Dirigent und Vertreter unterschiedlicher Parteien. Einer echauffierte sich derart über den Vorfall, dass er umgehend sein Abonnement bei dem besagten Regionalblatt kündigte und an Ettlingens Kulturamtsleiter und Oberbürgermeister einen Beschwerdebrief schrieb.

Der Unmut sei groß gewesen, erinnert sich Masuth – insbesondere über den Bruch mit dem fünften Grundgesetzartikel, der die Zensur verbietet. Die Folge war, dass sich Privatpersonen und Politiker miteinander vernetzten und nach Wegen suchten, den Auftritt doch noch zu ermöglichen – als Privatinitiative, nicht unter dem Logo von Parteien. Und sie machten Nägel mit Köpfen. Sie fanden einen Veranstaltungsort, mieteten die Räumlichkeiten und betrieben kräftig Werbung, sodass sich die Angelegenheit in der Region herumsprach. Nun soll der Auftritt am 24. Februar im Kasino stattfinden, an genau dem Tag, der in Ettlingen ursprünglich vorgesehen war, bevor das Blatt „Badische Neueste Nachrichten“ den Kabarettisten denunziert hatte.

Von der glücklichen Fügung erfuhr schließlich auch der Pforzheimer Stadtrat Andreas Kubisch, der Masuth prompt fragte, ob dieser am Tag darauf nicht auch in seiner Stadt auftreten wolle. Der Kabarettist wollte. Kurze Zeit später war der kleine Saal des CongressCentrums Pforzheim (CCP) für die Veranstaltung gebucht. Für die vermeintlich rechtschaffenen und ach so toleranten Verteidiger der Meinungsfreiheit ist das eine klare Niederlage, weshalb sie umgehend damit begonnen haben, gegen die geplanten Veranstaltungen Sturm zu laufen. Ganz vorne mit dabei sind wieder einmal die Journalisten der Regionalblätter, die nach bewährtem Muster zunächst zum Mittel der Denunziation griffen. Sie meldeten den Vorfall beim Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) und drängten ihn dazu, von der Vermietung der Räumlichkeiten zurückzutreten.

Doch die Antwort fiel anders aus als erwünscht: „In der Abwägung gilt es zu entscheiden, ob Auftritte mit gegebenenfalls fragwürdigen Aussagen noch als künstlerische Freiheit zu bewerten sind“, ließ die Pressestelle der Stadt Pforzheim wissen. „Beim Kabarettisten Masuth hat sich das CCP entschieden, ebendiesen Aspekt als maßgeblich zu berücksichtigen und somit nicht vom Vermietungsvertrag der Räumlichkeiten zurückzutreten, zumal die Buchungsanfrage zunächst mittelbar über den Veranstalter erfolgte und erst vor einigen Tagen ersichtlich wurde, um welches konkrete ‚kabarettistische Programm‘ es sich handelt.“ Weil das denunziatorische Mittel keine Früchte getragen hat, gehen die „Verteidiger der Meinungsfreiheit“ dazu über, ihre Forderung im Namen wohlklingender Organisationen zu verbreiten. Als lautstarke Initiatoren treten vor allem die Evangelische Kirche Pforzheim, der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Martin Müller, das Bündnis „#zusammenhalten in der Gesellschaft Pforzheim“ sowie das „Bündnis Pforzheim nazifrei“ auf. Was Letzteres an Masuth auszusetzen hat, entzieht sich jeder Logik – wenn ihr Hauptzweck darin besteht, gegen Nazis vorzugehen.

Aber vermutlich ist das Teil der Framing-Strategie, um Masuth Merkmale anzudichten, die ihn in der Außendarstellung unsympathisch aussehen lassen. Die Lokalpresse geht ähnlich vor: „Es sind keine Wohlfühl-Botschaften, die Uli Masuth in seinem Kabarett-Programm ‚Lügen und andere Wahrheiten‘ verbreitet“, heißt es dort unter anderem. „Wer sich seine Mitschnitte bei Youtube einmal anhört, der erkennt eher vermeintlich offen gestellte Fragen aus dem Querdenker-Spektrum. Fragen nach Corona-Maßnahmen, nach der Rolle des Westens beim Ukraine-Krieg und dergleichen.“ Die tüchtigen Journalisten der Mainstream-Blätter haben vor lauter Kampf gegen die „falsche“ Meinung wohl vergessen, was Kabarett ist. Dessen Aufgabe besteht nicht darin, „Wohlfühl-Botschaften“ zu verbreiten, sondern Fragen zu stellen, in überspitzter, polemischer und provokanter Form – eben damit die Menschen angeregt werden, über die verhandelten Themen nachzudenken.

Das Mittel der Satire dient dazu, andere Perspektiven auf ein Thema zu zeigen. Genau das macht Masuth, wenn er in seinem Programm die Corona-Maßnahmen oder den Ukraine-Krieg behandelt. Das ist sein Job; deswegen ist er Kabarettist geworden. Worin das Wesen dieser Form der Kleinkunst besteht, scheint in den Redaktionen hiesiger Lokalblätter nicht sonderlich verbreitet zu sein. So schreibt etwa die Pforzheimer Zeitung, dass Masuth sein aktuelles Programm dazu nutze, „unter anderem gegen die Regierung, Kirchen und Medien auszuteilen“. Ein herrlicheres Eigentor kann man nicht schießen. Satire ist per definitionem eine Kunstform, bei der Kritik an der Obrigkeit formuliert wird – in allen relevanten Gesellschaftsbereichen. Oder, um es mit Kurt Tucholsky zu sagen:

„Politische Satire steht immer in der Opposition.“

Politische Opposition – das ist eigentlich auch die Aufgabe des Journalismus. Doch der verbreitet heute regierungsnahe Narrative und hilft dabei, Andersdenkende mundtot zu machen. Also müssen die Bürger selbst für Meinungsfreiheit und Pluralismus kämpfen. Und die Initiativen in Ettlingen und Pforzheim zeigen, dass sie sich dieser Aufgabe bewusst sind. Auch Masuth beobachtet eine neue Entwicklung. „Dass Privatleute aufstehen, sich öffentlich zu einem Künstler bekennen und Briefe an die Städte schreiben, um Veranstaltungen vor der Cancel Culture zu retten – das hätte es vor zwei Jahren noch nicht gegeben“, sagt der Kabarettist. Er sei glücklich darüber, dass er in Ettlingen und Pforzheim auftreten kann.

„Das ist großartig, und ich würde mich freuen, wenn die Leute zu der Veranstaltung kämen, die gegen mich anschreiben, so Masuth. „Dann würden sie auch erfahren, was ich da wirklich mache.“

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Uli Masuth


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