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Das Ende der Kolonialgeschichte: Der Reset naht, aber wie? | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Noch ist der Kolonialismus nicht überwunden. Wie ich in vergangenen Beiträgen oft genug aufzeigte, versuchen die Kolonialländer immer noch, ehemalige Kolonien mit scheinbarer Hilfe in Abhängigkeit zu halten, zu dominieren und ihre Entwicklung zu verhindern. Dass diese Phase aber durch die Entwicklung der Multipolarität überwunden werden wird, deutet die Tatsache an, dass die OPEC+ Länder sich einstimmig defacto als Verbündete Russlands positionierten, gegen Sanktionspolitik und Wirtschaftskrieg. Darüber kann auch die Abstimmung in der UNO, in der die Militäraktion Russlands verurteilt wird, nicht hinwegtäuschen (geheime Abstimmung verhinderten die USA). Deshalb sind die Chancen groß, dass nach dem zu erwartenden Zusammenbruch des vom Westen dominierten Finanzsystems, wie er durch die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) indirekt vorausgesagt wird, nicht das von westlichen Oligarchen gewünschte Ergebnis bringen wird.

Nahen Osten gespalten, Afrika unten halten

Auf die erfolgreiche Bekämpfung des arabischen Nationalismus durch die Kolonialländer, der sich möglicherweise auch bald dem Ende zuneigt, will ich an dieser Stelle nicht eingehen, sondern auf das bisherige Verhindern eines sich entwickelnden Kontinents, Afrika. 

Die meisten dürften eine Ahnung davon haben, was das Buch „Bekenntnisse eines Economic Hitman“ nachweist, nämlich die Art und Weise, wie die westlichen Großmächte, allen voran die USA sich entwickelnde Staaten in Schulden stürzen, die sie in fast unendliche Abhängigkeit bringen, und effektvoll verhindern, dass sich Wertschöpfung aus den eigenen Rohstoffressoucen aufbauen lässt.

Im Gegensatz dazu hatte bisher China und auch die Entwicklungsbank der BRICS+ Staaten im Fall von schief gegangenen Verschuldungen weder Bedingungen an eine Umschuldung gebunden, noch die Konditionen verschlechtert, sondern eher verbessert. Aber dazu hatte ich auch schon genug geschrieben. Die UNCTAD bestätigt nun mit diplomatischen Umschreibungen und Auflistungen, was die „Verschwörungstheoretiker“ seit langer Zeit erklären. Die tolle Analystin Dagmar Henn hat in Artikeln den Bericht einmal so erklärt, dass ihn auch Otto Normalverbraucher versteht. Daher möchte ich mich nun auf ihren Artikel (1) stützen.

Sie zeigt auf, dass der Bericht festhält, wie die Maßnahmen der Industrieländer während der Corona-Krise, welche auch auf die sich entwickelnden Länder aufgezwungen wurde, schlimmere Auswirkungen hatte als die Bankenkrise im September 2008, als nach einigen Bankenzusammenbrüchen der globale Handel für fast drei Monate zu Erliegen gekommen war. Nun war, wie Pepe Escobar einmal vermutete, der Versuch zwar misslungen, durch die Verschuldung zum Kauf von Impfstoffen, die Länder des globalen Südens und Ostens gefügig zu halten. Aber die Auswirkungen der Maßnahmen hatten diese Länder trotzdem wesentlich stärker getroffen als die Industrieländer. Der UNCTAD-Bericht konstatiert demnach:

„Wie im letztjährigen Bericht beschrieben, verursachte die Pandemie in den Entwicklungsländern größere wirtschaftliche Schäden als die Finanzmarktkrise.“

Gemeint ist wohl nicht die „Pandemie“, sondern die staatlichen Maßnahmen während der Corona-Krise. Dagmar Henn weist darauf hin, dass die Schuldenlast so angewachsen war, weil durch die Etablierung des Petrodollar-Systems und durch die Hochzinsphase in den USA, die dort die Inflation bekämpfen sollte, der Dollar einen Höhenflug machte und dagegen die lokalen Währungen keine Chance hatten.

Die Autorin erklärt, dass schon die Banken-Krise eine erfolgreiche Abwälzung eines US-Problems auf Lateinamerika war. Wodurch die Länder für Jahrzehnte abhängig wurden von Weltbank und IWF, und damit auch deren Bedingungen und Auflagen. (5)

Was also damals passierte, so Dagmar Henn weiter, wird nun durch eine Kombination aus Pandemie-Maßnahmen und steigenden Rohstoffpreisen erzeugt. Sie weist darauf hin, dass der Bericht für 69 Länder eine zweistellige Inflation im Juli feststellt, nur Russland habe sich relativ stabil gezeigt, wobei selbst Deutschland bei 10 Prozent landete, und, so müsste man hinzufügen, China muss man ausnehmen.

Henn zitiert dann aus dem Bericht und übersetzt den diplomatisch verklausulierten Text, indem sie sagt, dass Konzerne mit marktbeherrschenden Stellungen die Gelegenheit genutzt hatten, ihre Preise massiv zu erhöhen. Was man auch im Zuge der Impfkampagne habe beobachten können. Wobei die drastischen Preiserhöhungen für Energie laut UNCTAD in allererster Linie auf Spekulationen zurück zu führen seien.

Mit einem weiteren Zitat erklärt sie, dass durch die Zinserhöhungen der Zentralbanken die bereits begonnene Rezession noch verstärkt wurde, wodurch Lohnerhöhungen, welche die Inflation eigentlich ausgleichen sollten, weitgehend nicht durchsetzbar waren. Also werden wieder die Arbeitnehmer die Hauptlast der Konsolidierung tragen.

Dann bedauert die Autorin die fehlenden Investitionen, was nicht nur zur Degeneration der Infrastruktur führe, sondern auch die Volkswirtschaften belaste. Die 100 Milliarden für Rüstung und wie sie sagt die „Rettungspakete“ um die Explosion der Energiekosten abzufedern, „sind Geldausgaben, die keine realen Werte erzeugen und daher auch günstigenfalls mit dem ausgegebenen Betrag, im ungünstigen Fall aber mit weit weniger zum Inlandsprodukt beitragen, während wirkliche Investitionen sich immer mit einem Faktor über 1 abbilden.“ (1)

Die Versprechungen aus der Krise von 2008, die Banken besser zu kontrollieren, seien nicht eingehalten worden. Weder wurde die Kontrolle ernsthaft verschärft, noch Schattenbanken beseitigt oder hohe Hebel, also Geschäfte, die mit viel Kredit und wenig Eigenkapital zu Spekulationszwecken getätigt werden, verboten. Außerdem gab es keine Entflechtung der Banken, durch welche das Risiko für ihre Kunden hätte reduziert werden sollen.

Interessanterweise, so stellt sie fest, weise der Bericht indirekt darauf hin, dass das „politisch Unakzeptable“, nämlich die Kontrolle von Preisen und Handelsspannen, eigentlich die wirklich dringend notwendige Politik wäre, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen.

Der Artikel kritisiert dann die von den Zentralbanken der Industriestaaten begonnenen Zinserhöhungen, welche dramatische Folgen für die Länder des Südens haben. Sie zitiert den Bericht: „Diese Politikempfehlungen, zusammen mit Aufrufen zu Sparmaßnahmen, um die Sorgen der Investoren durch eine Bereinigung der öffentlichen Haushalte zu verringern, erinnern sehr an die vorherrschenden Politikempfehlungen der frühen 1980er, und diese erwiesen sich als katastrophal, insbesondere für Entwicklungsländer, in Hinsicht auf Wirtschaftswachstum, Ungleichheit und Armut.“ (1)

Dagmar Henn wird noch deutlicher und stellt fest, dass Zinserhöhungen in den Kernländern des Westens dafür sorgen, dass die Inflation, die dort bekämpft wird, schlicht in die ärmsten Länder exportiert wird. Was, wie aus der Geschichte von 2008 gelernt wurde, die Länder wieder fester unter die Kontrolle der Kolonialländer bringen. Durch Kredite und die damit verbundenen Bedingungen. Für ein Wirtschaftssystem, das auf Ausbeutung basiere, wäre es der letzte Rettungsanker, meint sie.

Allerdings, so stellt die Autorin fest, was ich auch in dieser Serie von PodCasts immer wieder betont habe, sei die Situation heute anders als vor vierzig Jahren. Denn nun gebe es Alternativen zum IWF, Weltbank und Co. Und genau das sei der Punkt, warum es gerade zu dieser gefährlichen geopolitischen Auseinandersetzung komme.

Außerdem, so der Bericht weiter, unterscheide sich die Krise von der Situation in den 1970er Jahren, da der Anteil der Energiekosten an den Produktpreisen gesunken ist, und die Inflation für langlebige Güter weiter unter der von Nahrungsmitteln und Energie sei. Aber der Organisationsgrad der Beschäftigten sei gesunken, so dass es wieder unwahrscheinlich erscheine, dass Lohnerhöhungen die Inflation werden ausgleichen können. Hinzu komme, dass sowohl die Staaten, als auch die Menschen selbst deutlich höher verschuldet seien. Dabei seien die Schulden der Entwicklungsländer meist in Fremdwährung und nicht langfristig und damit besonders riskant.

Bei einer ganzen Reihe von Ländern des Südens liegen die Lasten des Schuldendienstes bei 30 bis 40% der Staatseinnahmen, im Fall von Somalia bei 90%, was ein Grund für die erneute Hungersnot sei. Die die neoliberale Politik habe die Lohnquote weltweit reduziert. In den entwickelnden Ländern war dies natürlich stärker möglich als in den ohnehin niedrigen in den Entwicklungsländern.

Dadurch seien Gewinne entstanden die nun irgendwie gewinnbringend angelegt werden müssen. An dieser Stelle sei daher auf die ständige Forderung der Privatisierung hingewiesen. Die nichts anderes darstellt, als der Versuch, die immensen Gewinne der großen Besitzenden von Zahlen auf einem Konto in Realwerte zu überführen. Aber der UNCTAD-Bericht und Dagmar Henn sehen eine weitere wichtige Folge. Das Fließen „überschüssiger“ Profite in Spekulationsprojekte.

Schattenbanken, Spekulationen und Monopole

Dagmar Henn erklärt, dass die Versprechungen aus der Finanzmarktkrise nicht eingehalten wurden. Nie habe es mehr Spekulation gegeben als heutzutage. Und noch nie sei diese so gefährlich für die Weltwirtschaft gewesen.

Der UNCTAD-Bericht habe noch einmal darauf hingewiesen, dass der Unterschied zu 1980 außerdem im entstandenen Schattenbanksystem liege. Das seien Finanzdienstleister, die Geld schöpfen durch Kredite, aber nicht durch Zentralbanken kontrolliert werden. Dazu gehören Investmentfonds, Wertpapierhändler und Holdings. Außerdem, so Henn, gehören die Hypothekenbanken, deren Zusammenbruch die Krise von 2008 einleiteten, nun zum Schattenbanksystem.

Die Autorin zitiert dann Daten aus dem Bericht, die ein erschreckendes Wachstum der Schattenbankanlagen aufzeigen. Sie machen fast die Hälft der gesamten US-Dollar Anlagen aus. Man erinnere sich, so die Autorin, dass nach der Finanzkrise 2008 die Eigenkapitalanforderungen an Banken erhöht werden sollten. Was durch Schattenbanken und Spekulanten umgangen werde.

Ich möchte hinzufügen, dass in Deutschland die kleinen lokalen Kreditinstitute, Sparkassen und Raiffeisenbanken, zum größten Teil relativ gut aus der Finanzmarkt-Krise hervorgegangen waren und dadurch Deutschland weniger belastet aus der Krise herauskam. Aber ausgerechnet die, welche sich nie etwas hatten zu Schulden kommen lassen, trafen dann die Anforderungen, welche unter den Begriffen Basel II und Basel III bekannt sind, besonders heftig. Aber der Versuch, kleine regionale Kreditinstitute zu zerstören ist eine andere Geschichte.

Zurück zum Artikel, der dann erklärt, dass die Versuche, die Möglichkeiten der Banken, Geschäfte auf eigene Rechnung zu machen, ohne Erfolg blieb. Das Zauberwort heiße „Hebel“. Der Hebel ist das das Verhältnis zwischen vorhandenem Eigenkapital und verwendetem Fremdkapital bei einem bestimmten Geschäft. Einfache Erklärung im Anhang. (2)

Das Problem beginne, wenn der Spekulant sich irrt. Während man im Gewinnfall aus einhundert Euro einhunderttausend Euro machen kann, fänden die Gläubiger, sollte er einen Verlust erleiden, nur 100 Euro als Sicherheit.

Henn stellt dann die Frage, ob solche Gewinne noch irgendetwas mit der Realwirtschaft zu tun haben, denn wirkliche Produktion vertausendfache sich nicht über Nacht. Dabei sei aber klar, dass Verluste, wenn sie passieren, in einem Dominoeffekt das ganze System zum Zusammenbruch bringen können, was ja auch 2008 passiert war.

Das Hauptgeschäft der Schattenbanken, so der Artikel weiter, sei vor allem die sehr kurzfristige Anlage (teilweise in Sekunden bemessen, im sogenannten Hochfrequenzhandel) mit einem sehr großen Hebel. Sie investieren auch weniger in Aktien, sondern eher in Optionspapiere und Derivate. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929 waren solche Instrumente lange verboten; Optionen tauchten beispielsweise in Deutschland erst in den 1980ern wieder auf. Aber während nach 1929 tatsächlich dieser Spekulationsmarkt geschlossen wurde und es in den USA beispielsweise bis Anfang der 1970er Banken streng untersagt war, sich an Unternehmen zu beteiligen oder im eigenen Namen Börsengeschäfte zu tätigen, waren solche Regeln nach 2008 nicht mehr durchsetzbar, erklärt Dagmar Henn.

Als Folge wurden die Schulden, die bei den Banken gelandet waren, von den Staaten übernommen und seitdem laufe die Geldschöpfung über den Rückkauf von Staatsanleihen durch die Zentralbanken auf Hochtouren. Anders gesagt: Das Problem, das sich mit der Finanzmarktkrise 2008 zeigte, wurde nie gelöst, sondern nur auf Pump vertagt.

Der Artikel führt dann aus, dass die politischen Empfehlungen der UNCTAD im völligen Gegensatz zu neoliberalen Glaubenssätzen stehen, wie sie auch in dem ökonomischen Ermächtigungsgesetz der EU-Kommission SMEI, verwirklicht wurde. (3)

Wenn wir das aufmerksam lesen, sehen wir einiges davon in Russland verwirklicht, was unter Anderem die Auswirkungen der Sanktionen des Westens konterkarieren konnte, aber hier natürlich als „Autoritarismus“ verteufelt wird. Dabei ist es nur der Beweis, dass in Russland die Oligarchen unter der Kontrolle des Staates stehen. Aber zurück zum Artikel.

Die „Gaspreisbremse“ habe nichts mit den geforderten Maßnahmen zu tun. Denn der erste erforderliche Schritt wäre, wie die UNCTAD das so nett formuliere, „spekulativen Handel in Schlüsselmärkten zu verringern“, also die von der EU eingeführten Spotmärkte für Gas und Strom aufzulösen und zu langfristigen Verträgen zurückzukehren. Was von Russland gefordert wird, sollte man hinzufügen.

Was jedoch in Deutschland geplant sei, bedeute lediglich, die spekulativen Preise an diesen Börsen unangetastet zu lassen, um sie dann für die Verbraucher mit staatlichem Geld auf eine erträglichere Höhe (immer noch das Vierfache des letztjährigen Preises) herunter zu subventionieren. Was letztlich nichts anderes bedeutet, als dass dieses Geld bei den Spekulanten auf den Spotmärkten landet.

Der Bericht erklärt dann, dass die Entwicklung es unwahrscheinlich mache, dass man bis 2030 eine „bessere Welt“ erreiche. Dagmar Henn fragt dann, wieweit ein solches Ziel jemals existiert habe, wenn man betrachte, welche Folgen z.B. die „Klimapolitik“ tatsächlich für Entwicklungsländer hat. Wie das Modell Sri Lanka belegt habe, führe die Befolgung dieser Vorgaben unmittelbar in die Katastrophe. Das Verbot von Kunstdünger hatte logischerweise eine Hungersnot zur Folge, und die Umstellung auf erneuerbare Energien brachte die Energieversorgung zum Zusammenbruch; gleichzeitig stieg die Verschuldung massiv. Genauso wie die Verbote der Entwicklung von fossilen Rohstoffvorkommen zeige dieser Fall, dass der „Klimaschutz“ ein Versuch ist, Abhängigkeit künstlich zu verlängern.

Also auch hier wieder die Bestätigung der kolonialen Politik, wie wir sie in der letzten Woche am Beispiel der Anti-Pipeline-Politik der EU gegen Afrika hörten.

Der Bericht liefere an vielen Stellen einen sehr deutlichen Blick auf den ökonomischen Zustand. So werde das Verhalten großer globaler Konzerne nach 2008 beschrieben, und sie zitiert:

„Dank ihrer Marktmacht, haben sie öfter Einkommen durch die Erzeugung von Mangel als durch die Herstellung von Gütern oder Dienstleistungen generiert. Die Verbreitung solchen Verhaltens (…) wurde von systematischer Steuervermeidung begleitet, einschließlich der Kanalisierung von Profiten durch Offshore-Steuerparadiese, das begleitende Wachstum illegaler Finanzströme und die weit verbreitete Nutzung gehebelter Übernahmen und Aktienrückkäufe. In vielen Fällen hat das zu einem Auseinanderklaffen zwischen großen, im Geld schwimmenden Konzernen und kleinen, an Geldnot leidenden Firmen geführt und einer gleichzeitigen Tendenz hin zu noch höher konzentrierten Märkten.“

Henn weist dann darauf hin, dass in den Entwicklungsländern dies durch die vom IWF vorgegebenen Liberalisierungen und die dadurch verursachte Verhinderung industrieller Entwicklung noch verschärft wurde, so dass sich die Abhängigkeit von Rohstoffexporten als Devisenquelle erhöht habe. Was meiner Meinung nach auch nicht ganz unbeabsichtigt ist.

Die Menge des Geldes, das sich in den Händen der Großkonzerne und Schattenbanken befinde, so der Artikel weiter, wurde während Corona noch einmal gewaltig erhöht. Im Verlauf des Jahres 2020 haben die führenden Zentralbanken insgesamt 9 Billionen US-Dollar in die Finanzmärkte gepumpt; „annähernd das Neunfache des Betrags, der Ende 2008 bis Ende 2009 injiziert wurde“.

Henn erklärt dann: 2008 bis 2009 war Bankenrettung I. Die „Eurokrise“ war dann Bankenrettung II, weil die Staatsdefizite der Schuldnerländer das Ergebnis von weiteren Bankenrettungen waren (in Irland beispielsweise wieder einer Tochter der Deutschen Bank). Während Corona lief folglich bereits Bankenrettung III, mit von Runde zu Runde steigenden Beträgen, und die „Rettungspakete“, die augenblicklich in Europa geschnürt werden, um die Gaspreise zu senken, und die letztlich in den Taschen der Spekulanten landen, können dann wohl als Bankenrettung IV gezählt werden. Denn das wirkliche Ziel dieser Pakete seien nicht die Haushalte, sondern die Energieversorger, die mit unzähligen Milliarden von Optionen in der Kreide stehen und zusammenbrechen würden, woraufhin dann deren Banken… man kenne das Spiel, es werde nur ein weiteres Mal wiederholt.

Es sei normal in kapitalistischen Gesellschaften, dass Geld dorthin fließe, wo der höchste Gewinn erzielt wird, erklärt Henn. Monopole oder Kartelle im Bereich High-Tech und Pharma versprechen das Meiste, weil sie durch ihre Macht (die die Voraussetzung dafür ist, sich dauerhaft Steuern entziehen zu können) und den extremen Abstand zwischen materiellem Wert ihrer Produkte und deren Preis die besten Gewinne versprechen.

Die Extraprofite insbesondere dieser Monopole, die alle auf „geistigem Eigentum“ beruhen, also auf Markennamen, Patenten etc., seien aber völlig abhängig davon, sie auch durchsetzen zu können. In den Ländern, in denen sie die Ökonomie dominieren, also den Kernländern des Westens, sei das kein Problem. Aber im größeren Rest der Welt gebe es nur zwei Faktoren, die das sichern können: entweder überwältigende ökonomische oder militärische Macht.

Der Westen verliere gerade beides. Und der UNCTAD-Bericht belege, dass sämtliche Maßnahmen, die krisenbekämpfend wirken sollten, tatsächlich dieses Problem immer weiter verschärft haben. Der Mangel an realen Investitionen und die immer extremere Verlagerung hin zu diesen Monopolen habe der wirklichen Produktion gewissermaßen die Füße unter dem Leib weggezogen.

Was Dagmar Henn zu Monopolen, Hunger und Staatsbankrotte erklärt, und was ihr Fazit ist, lesen Sie bitte im Anhang. Es lohnt sich, würde aber hier das Format sprengen.

Die Inflationsseuche

John Ross macht in einem Artikel in greenleft.org noch einmal verstärkend klar, dass nicht die Ukraine-Krise, sondern die USA für den inflationären Tsunami verantwortlich sind, welche die Welt derzeit heimsucht.

Die Ursache, so die Erklärung, war im Prinzip die ungehemmte Geldvermehrung durch Kreditaufnahme des US-Staates. Dabei stieg das US-Haushaltsdefizit auf 26 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), und die jährliche Zunahme der US-Geldmenge erreichte 27 % - beides die mit Abstand höchsten Werte in der Geschichte der USA in Friedenszeiten.

Die Militärausgaben der USA in Höhe von 3,7 % des US-BIP könnten reduziert werden, ohne dass der Lebensstandard in den USA sinke. Die USA, so der Artikel weiter, geben einen höheren Anteil ihrer Wirtschaftsleistung für die Gesundheitsversorgung aus als jede andere Volkswirtschaft der Welt, aber die Lebenserwartung in den USA beträgt nur 77 Jahre, während sie in anderen Ländern mit hohem Einkommen durchschnittlich 83 Jahre beträgt.

Aber die Regierung denke weder daran, die Rüstungsausgaben zu senken, noch das Gesundheitssystem zu reformieren. Eine Senkung der US-Militärausgaben würde eine Abschwächung ihrer aggressiven Militärpolitik in Übersee erzwingen. Eine Rationalisierung des US-Gesundheitswesens würde den Übergang zu einem öffentlichen Gesundheitssystem bedeuten, wie es in anderen Ländern erfolgreicher praktiziert wird, aber die Gewinne der großen privaten Gesundheitsunternehmen schmälern.

Wenn aber keine Maßnahmen gegen diese Interessen ergriffen werden, dann bestehe die einzige Alternative zur Ausgabenkürzung darin, den Lebensstandard der Arbeitnehmer zu senken, und so muss man hinzufügen, der Export der Inflation in schwächere Länder. Genau das geschehe während der Inflation.

Fazit

Die ganze Entwicklung deutet darauf hin, dass der Moment des „Great Reset“, des Zusammenbruchs des internationalen Finanzsystems und eines Neustartes zwar bevorsteht, aber möglicherweise nicht den Erfolg zeigen wird, den sich die westlichen Oligarchen erhoffen. Zu sehr zeigen die sich entwickelnden Staaten zunehmend autonom und folgen nicht mehr den Anweisungen aus Washington und zu stark wurde die Wirtschaft, und zu schlagkräftig die Hebel der Rohstoffe produzierenden Länder. Leider ist zu befürchten, dass Deutschland als bedingungsloser Vasall der USA den Absprung in ein neues, von Washington unabhängiges Finanzsystem nicht schaffen wird, der größere Teil der Welt aber schon.

  1. https://www.freidenker.org/?p=14408
  2. Dagmar Henn erklärt es einfacher: „Sagen wir einmal, ich habe hundert Euro, ich nehme zu diesen hundert Euro einen Kredit von weiteren neunhundert Euro auf, zu einem regulären Zinssatz, bin dann besonders gut informiert und kaufe, sagen wir, BioNTech-Aktien am Tag, ehe die EU einen Impfstoffvertrag von hunderten Millionen verkündet, verkaufe diese Aktien am nächsten Tag wieder und streiche die Differenz abzüglich der für den Kredit zu zahlenden Zinsen ein. Wenn ich für das Geld statt der Aktien selbst Optionen auf diese Aktien kaufe, also das Recht, sie zu einem späteren Zeitpunkt für den Kurs des heutigen Tages zu erwerben, steigt die Summe, die ich dadurch bewege, weiter, weil ich für denselben Betrag das Zehn- bis Hundertfache an Aktien wandern lasse. Im Falle eines Kaufs von Optionen (das sind die sogenannten „Futures“) steigt mein Hebel ins Unermessliche.“ (1)
  3. „Politiker sollten ernsthaft alternative Handlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen, um die Inflation auf sozial wünschbare Weise zu senken, einschließlich strategischer Marktpreiskontrollen, besserer Regeln, um spekulativen Handel in Schlüsselmärkten zu verringern, gezielte Einkommenshilfen für verwundbare Gruppen und Entschuldung.“ (1)
  4. https://www.greenleft.org.au/content/global-inflationary-tsunami-made-us-not-ukraine
  5. „In den USA lag im Jahr 1980 die Inflation bei bis zu 15 Prozent, und die Fed (US-Zentralbank-System) erhöhte, um diese Inflation zu beenden, die Zinsen in den USA auf bis zu 20 Prozent (eine Geldpolitik, die heute wirklich die Inflation kontrollieren wollte, müsste den damaligen Zinssatz noch übertreffen). Das führte dort zu einer Rezession und zu hoher Arbeitslosigkeit. Aber die Folgen für Lateinamerika waren noch weitaus gravierender, weil die US-amerikanischen Zinsen auch dort die Zinsen nach oben trieben. Und was in den USA der Einstieg in den Abstieg der Arbeiterschaft war (die Löhne erreichten real nie wieder die Werte wie vor dieser Phase), führte dort zu manifestem Elend.“ (1)

Anhang:

Dagmar Henn: Monopole, Hunger und Staatsbankrotte

„Die Inflation, die fast weltweit ansteigt, ist, das belegt die UNCTAD, zu mindestens der Hälfte das Ergebnis von Monopolen. Sie löst eine Not aus, die dazu zwingen soll, unter die Knute des IWF zurückzukehren. Das Spiel mit Staatsbankrotten und Elend könnte diesmal aber scheitern.“ (1)

Dagmar Henn begründet dann ihre Feststellung damit, dass die Wachstumsprognosen, die die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) für das kommende Jahr vorlegt, zwar unter denen liegen, die zum Beispiel die EZB mache, aber sie seien, wenn man die wirklichen Folgen der Sanktionspolitik betrachte, zumindest für Europa unrealistisch günstig, weil sie den Einbruch in der realen Produktion unterschätzen. Das liege natürlich auch daran, dass sie die verheerenden Konsequenzen der Klimapolitik auf dem Energiesektor nicht benennen darf. Auch die Inflationsprognose dürfte nicht stimmen – aber sie kann natürlich die neuesten „Rettungspakete“ noch nicht beinhalten, die einen weiteren inflationären Schub verursachen dürften, man sollte sagen „müssen“.

Augenblicklich ist die Inflation unter den Schwellenländern in der Türkei mit über 70 und in Argentinien mit über 60 Prozent am höchsten, gefolgt von Nigeria mit 18 Prozent. Auch hier seien es die Rohstoffpreise, die die Inflation antreiben. Der Rohstoffpreisindex des IWF, der einen globalen Mittelwert über alle Rohstoffe darstelle, sei vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2022 von 120 auf 190 gestiegen. Bei Nahrungsmitteln gab es im Verlauf dieser zwei Jahre einen Anstieg von 90 auf 130.

Allerdings, so Henn weiter, sei es von der Währung abhängig, in der solche Käufe getätigt werden, wie die Anstiege sich real umsetzen – im Augenblick erlebe die Eurozone das, was die Entwicklungsländer ständig erleben. Während der Ölpreis phasenweise sogar fällt (bereits wegen des Rückgangs industrieller Produktion), steige er real weiter, weil die Ware in Dollar gehandelt wird und der Dollar selbst im Verhältnis zum Euro deutlich gestiegen ist.

Der UNCTAD-Bericht erwartet eine drastische Zunahme der Armut weltweit und schätzt, dass sich die Zahl als „arm“ anzusehender Menschen um 263 Millionen erhöhen werde. Dies, so sei hinzugefügt, während in China in den letzten Jahrzehnten die Armut erfolgreich ausgemerzt wurde. Nicht zuletzt, weil der Staat, ähnlich zu Russland, Reichtum zulässt, aber kontrolliert, und sicherstellt, dass die Bevölkerung davon profitiert.

Aber zurück zum Artikel von Dagmar Henn. Sie schreibt, dass die Monopolprofite ein Hauptantreiber der Inflation seien. Sie erklärt es allgemeinverständlich, dass in all jenen Märkten, in denen beherrschende Monopole existieren, diese die Gelegenheit genutzt haben, schlicht die Preise heraufzusetzen. Das betreffe nicht nur die USA oder andere westliche Kernländer, sondern ebenso die Entwicklungsländer, die darunter noch deutlich stärker leiden.

Die Lösungsvorschläge der UNCTAD klingen völlig illusorisch, meint Henn. Eine Anti-Trust-Politik, die praktisch die Zerschlagung dieser Monopole bedeute, höhere öffentliche Investitionen, höhere Arbeitseinkommen, Wiedereinbindung der Zentralbanken in die Wirtschaftspolitik und ein neues Bretton Woods sind einfach im Westen nicht politisch durchsetzbar. Im Gegenteil. Die Tendenz im Westen geht zu immer stärkerem Gewicht der Spekulation. Und damit in die entgegengesetzte Richtung, welche in China und Russland, und demnächst anderen BRICS-Staaten zu beobachten ist.

Der UNCTAD-Bericht besage, dass nichtkommerzielle Spekulation auf dem Markt für Ölpreisoptionen zwischen 70 und 80% liege. Damit werde klar, dass die „überwältigende Volatilität“ der Ölpreise auf diesen „exzessiven Spekulationen“ beruhe. Aber im gleichen Ausmaß wurden durch Hedgefonds, Investmentbanken und Pensionsfonds die Weizenpreise hochgetrieben, und damit der Hunger in der Welt gefördert.

Henn meint, dass damit bewiesen sei, dass Spekulation als Grund für die vielen Probleme kein Gerücht und keine Verschwörungstheorie mehr sei. Diese Spekulationen haben heute einen ebenso starken Einfluss auf Preise wie reale Veränderungen im Angebot oder in der Nachfrage. In dem Bericht finden sich weitere Hinweise dafür, die sie zitiert.

Hinzukomme, so Henn, dass es einige wenige Getreidegroßhändler weltweit gibt, welche bis zu 90% des Handels beherrschen, und natürlich Interesse daran haben, ihre riesigen Vorräte bei steigenden Preisen zurückzuhalten, um einen möglichst hohen Preis abzuwarten.

Entscheidend sind aber jene, die von den Problemen Anderer profitieren möchten. So ist die Aussage des folgenden UNCTAD-Berichts zu verstehen:

„Im April 2022 waren sieben von zehn Käufern von Verträgen in Weizen-Futures Investmentfirmen, Investmentfonds, andere Finanzinstitutionen und kommerzielle Unternehmen, die sich nicht dadurch absichern, sondern vom Preisanstieg profitieren wollten.“

Dann erklärt Dagmar Henn, dass die von der EU etablierten künstlichen Gas- und Strommärkte unter dem gleichen Problem leiden. Nicht nur, dass die Spekulation auf diesen Märkten die Preise noch weit über das (ebenfalls künstlich, weil durch politische Entscheidungen) verknappte Angebot hinaustreibe, gebe es auch keine direkte Möglichkeit der Preiskontrolle mehr, da auch die Versorger inzwischen weitgehend privatisiert sind.

Die Folgen der Entwicklung für die Ökonomie in der EU, insbesondere in Deutschland, gekoppelt mit den Zinserhöhungen der Fed (US-Zentralbank-System), führe zu einem stetig sinkenden Kurs des Euro. Das verteuere insbesondere Energieimporte weiter, was für die Vereinigten Staaten eine Möglichkeit sei, die eigene Inflation abzuwälzen. Aber die Nachteile für Europa seien bei Weitem nicht so verheerend wie die Folgen für jene Länder, deren Schulden in Fremdwährungen, und da eben wieder primär in Dollar, nominiert sind.

Die beiden Produkte, deren Preise besonders stark steigen, Nahrung und Energiequellen, seien gleichzeitig solche, deren Erwerb man nicht einfach unterlassen könne. Es sei eine Situation entstanden, meint Henn, in der die ärmeren Länder die Waren, deren Preise explodieren, kaufen müssen, und sei es auf Kredit. Gleichzeitig steige der Dollarkurs und damit die Schuldenlast. Das Ergebnis könne, das sage auch die UNCTAD, eine ganze Welle von Staatsbankrotten sein. Was der UNCTAD-Bericht nicht wagt zu formulieren, ist, dass das genau dem Muster der 1980er Jahre entspreche, als Lateinamerika rekolonisiert wurde.

Dagmar Henn meint, man könne es ein besonders bösartiges Pokerspiel nennen. Und in diesem Zusammenhang würden die Sanktionspakete Sinn machen, denn sie fördern die Entwicklung einer solchen Staatsbankrottkrise in den Entwicklungsländern, von denen bereits einige auf Sonderziehungsrechte des IWF zurückgegriffen hätten.

Die Klimapolitik, die Inflation und die Sanktionspakete bilden ein Bündel, das zusammengenommen einen Versuch darstelle, große Teile der Welt wieder in die völlige ökonomische Abhängigkeit zurückzustoßen und an einer eigenständigen Entwicklung zu hindern.

Für die betroffenen Länder wäre das eine Katastrophe. Menschen, die an Hunger sterben, irgendwo in Afrika oder Asien, tauchen natürlich nicht so prominent in den westlichen Medien auf, wie gerade die Ukrainer. Aber ein Erfolg dieses Versuchs, so Henn, würde Millionen das Leben kosten.

Henn übersetzt, was der UNCTAD-Bericht zur Ölpreisentwicklung meint: Hätten die USA ihren Willen durchsetzen können und China und Indien sich den Sanktionen angeschlossen, dann wären die Ölpreise noch weiter gestiegen, und die Folgen für von Importen abhängige Entwicklungsländer wären noch gravierender.

Zum Abschluss das, zumindest aus der Sicht der sich entwickelnden Staaten, Hoffnung ausstrahlende Fazit der Autorin:

„Zum Glück gibt es gegen diese Entwicklung, die man durchaus als einen Generalangriff auf den Globalen Süden werten kann, eine deutliche Opposition. Der Erfolg dieses ökonomischen Raubzugs ist die eigentliche Beute, um die der Westen gerade auf dem Boden der Ukraine kämpft. Die Sanktionen sind Teil dieses Raubzugs, und Russland und China erweisen sich als die Gegner, die seinen Erfolg verhindern können. Es geht nicht nur um das Überleben Russlands als staatliche Einheit, oder darum, die russischen Ressourcen nicht unter die Kontrolle der westlichen Oligarchie gelangen zu lassen, es geht um das Überleben der unzähligen Millionen, die einer gigantischen Reinszenierung der Lateinamerika-Krise der 1980er Jahre zum Opfer fallen würden. Und letztlich darum, die Menschheit von der Macht dieser westlichen Oligarchie zu befreien, die inzwischen jeden Versuch einer weiteren Entwicklung, nicht nur in den Ländern des Südens, sondern auch im Westen selbst, in der Wiege erstickt.“

Antwort auf Kommentare: Pipeline

Kommentare auf den letzten PodCast haben mir gezeigt, dass der Artikelteil über die afrikanische Pipeline den Eindruck erweckte, dass es nur um die Pipeline ginge. Das ist natürlich nicht der Fall. Die Pipeline ist nur die Voraussetzung dafür, dass die Energiequellen erschlossen werden können. Die EU möchte aber, dass die Erschließung insgesamt unterbleibt.

Vor einem ähnlichen Problem steht Namibia. Unter Teilen des riesigen Etosha Nationalparks liegen Öllagerstätten, welche, erschlossen, das Land zu einem der wichtigsten afrikanischen Ölproduzenten katapultieren könnten. Natürlich wünschen sich viele Namibier, dass der Naturpark nicht angetastet wird. Während andere darauf drängen, die Quellen zu erschließen, unter Hinweis darauf, dass nur ein Teil des riesigen Gebietes betroffen sein wird, um mit den Erlösen endlich den Sozialwohnungsbau zu realisieren, der lange geplant ist, um die „informellen Wohnungen“ auflösen zu können, die weder über Strom, noch Wasser und Abwasser verfügen.

Es kann aber nicht eine Entscheidung der Kolonialländer sein, was Namibia letztendlich macht, sondern das muss eine interne gesellschaftliche Diskussion und idealerweise ein Konsens ergeben.

Antwort auf Kommentare: OPEC+

In einem Kommentar zum OPEC+-Kartell wurde behauptet, die Entwicklungsländer seien selbst schuld, weil sie ihre Überbevölkerung nicht unter Kontrolle halten, es keine Erbschuld der Kolonialländer gebe, und durch OPEC besonders die armen Länder geschädigt würden.

Nun, das sind die Narrative der Kolonialländer. Die Wirklichkeit sieht leider so aus, dass die Kolonialländer Schlüsseleinnahmequellen wie Rohstoffförderung immer noch kontrollieren, ihre Finanzen z.B. von Frankreich „verwaltet“ bzw. kontrolliert werden, besonders anfangs bewusst lokale korrupte Eliten gefördert und durch politische Morde und Erpressungen die gewünschte Politik erzwungen wurde. Sankara und Gaddafi sind nur die prominentesten Namen.

Jedes Mal, wenn ein Führer in Afrika drohte, den Kontinent zu vereinen und eine Politik der Unabhängigkeit von den Kolonialländern zu betreiben, wurde auch vor Morden und Kriegen nicht zurückgeschreckt.

Durch die Bedingungen von IWF und Weltbank müssen die Grenzen bedingungslos geöffnet werden, wodurch die lokale Industrie keine Chance hat sich gegen die übermächtige ausländische, hochtechnisierten Konkurrenten durchzusetzen. Und nachdem die NATO Libyen zum Beispiel bombardierte, und das reichste Land Afrikas plötzlich in Trümmer liegt und nicht mehr auf die Beine kommt, bieten natürlich freundliche Kredite mit entsprechenden Bedingungen einen Ausweg an. Statt dass die Verursacher des Chaos, die westlichen Länder den Wiederaufbau aus Reparationsleistungen bezahlen müssen.

Nein, es gibt keine „Erbschuld“, sondern einfach eine unbeglichene Schuld. Die industrielle Entwicklung Frankreichs zum Beispiel wäre ohne das billige Uran aus den Kolonien nie möglich gewesen. Und es gibt eine Schuld, die bis heute abgebaut wird, nämlich die, Ressourcen billigst zu extrahieren um sie selbst in den Industriestaaten zu veredeln, statt zuzulassen, dass in den Rohstoffländern eigene Veredlungsindustrien entstehen. Genau so ist z.B. der Versuch zu verstehen, die Ausbeutung von Ölquellen, den Bau von Pipelines und Raffinerien in Afrika zu verhindern.

Antwort auf Kommentare: DOOMSDAY

Im Westen wird immer wieder über den Einsatz von „Putins Atombomben“ diskutiert, obwohl der Kreml ständig seine Atomdoktrin erklärt, nämlich dass Kernwaffen nur in dem Fall eingesetzt werden, wenn der Bestand der Russischen Föderation gefährdet ist. Und, daran denkend, wie die meisten US-Kriege begründet wurden, erinnert man sich ungern daran, dass die USA Russland „halfen“, nach der Auflösung der Sowjetunion, überflüssiges spaltbares Material aus altem Bestand in die USA zu bringen. Dieses Material hat einen eindeutigen „Fingerabdruck“ des Erzeugers.

Aber schauen wir noch einmal darauf, wie Pepe Escobar am 13. Oktober die aktuelle Situation beschreibt, während westliche Wissenschaftler behaupten, Russland wäre kurz davor, den Krieg zu verlieren.

Er beginnt damit zu erklären, wie Pipelines Kriege verursachen, indem er darauf hinweist, dass der Krieg gegen Syrien verursacht wurde durch die Weigerung Assads, eine Gaspipeline Katar-Türkei zu genehmigen, und stattdessen eine Absichtserklärung für eine Pipeline Iran-Irak-Syrien unterzeichnete.

Was folgte, erklärt der Autor, sei eine bösartige, konzertierte "Assad muss weg"-Kampagne gewesen: Stellvertreterkrieg als Weg zum Regimewechsel. Mit der Instrumentalisierung von ISIS - einem weiteren Kapitel des Terrorkriegs - stieg die Giftigkeitsstufe exponentiell an. Russland habe dann ISIS blockiert und so einen Regimewechsel in Damaskus unmöglich gemacht. Die vom Imperium des Chaos begünstigte Pipeline habe „ins Gras gebissen“.

Jetzt habe sich das Imperium endlich gerächt, indem es bestehende Pipelines - Nord Stream (NS) und Nord Steam 2 (NS2) - in die Luft gesprengt habe, die russisches Gas zu einem wichtigen wirtschaftlichen Konkurrenten des Imperiums transportieren oder transportieren sollen: der EU. Aber die Sprengung war nicht fehlerfrei.

„Wir alle wissen inzwischen, dass die Leitung B von NS2 nicht gesprengt oder gar durchlöchert wurde und einsatzbereit ist. Die Reparatur der anderen drei - durchlöcherten - Leitungen wäre kein Problem: eine Sache von zwei Monaten, sagen die Schiffbauingenieure. Der Stahl der Nord Stream ist dicker als bei modernen Schiffen. Gazprom hat angeboten, sie zu reparieren - vorausgesetzt, die Europäer verhalten sich wie Erwachsene und akzeptieren strenge Sicherheitsauflagen.“ (https://thesaker.is/the-thin-red-line-nato-cant-afford-to-lose-kabul-and-kiev/)

Aber natürlich wisse man, dass das nicht passieren wird. Nichts von alledem werde in den NATO-Medien diskutiert. Das bedeute, dass Plan A der üblichen Verdächtigen bestehen bleibe: die Schaffung einer erfundenen Erdgasknappheit, die zur Deindustrialisierung Europas führt, alles Teil des Great Reset, umbenannt in "The Great Narrative".

Währenddessen werde „in der EU-Muppet-Show“ das neunte Sanktionspaket gegen Russland diskutiert. Schweden weigere sich, Russland die Ergebnisse der fragwürdigen NATO-internen "Untersuchung" darüber mitzuteilen, wer die Nord-Streams in die Luft gejagt hat. Ebenso, sollte man hinzufügen, wie die Bundesregierung sich weigert, Informationen den Bundestagsabgeordneten zur Verfügung zu stellen.

Auf der Russischen Energiewoche fasste Präsident Putin die nackten Tatsachen zusammen. Europa mache Russland für die Zuverlässigkeit seiner Energielieferungen verantwortlich, obwohl es die gesamte Menge, die es gekauft hat, im Rahmen fester Verträge erhalten habe. Escobar meint, es sei klar, dass die Drahtzieher der Nord-Stream-Terroranschläge jene seien, die davon profitieren.

Natürlich habe Moskau darauf hingewiesen, dass eine Reparatur der Nord-Stream-Stränge "wäre nur im Falle eines fortgesetzten Betriebs und der Sicherheit sinnvoll". Derweil bedeute der Kauf von Gas auf dem Spotmarkt für Europa bzw. seine Steuerzahler und Verbraucher einen Verlust von 300 Milliarden Euro. Der Anstieg der Energiepreise sei nicht auf die militärische Sonderoperation (SMO) zurückzuführen, sondern auf die Politik des Westens selbst.

Doch, so führt der Autor aus, die „der Tote kann tanzen“-Show muss weitergehen. Während die EU sich selbst verbiete, russische Energie zu kaufen, treibe die Brüsseler Eurokratie ihre Schulden gegenüber dem Finanzkasino in die Höhe. Die imperialen Herren lachen sich mit dieser Form des Kollektivismus ins Fäustchen - während sie weiterhin davon profitieren, dass sie die Finanzmärkte nutzen, um ganze Nationen zu plündern und auszurauben.

Als entscheidenden Punkt bemerkt Escobar, dass die „straußischen/neokonservativen Psychos“, die Washingtons Außenpolitik kontrollieren, könnten - und die Betonung liegt auf "könnten" - erst dann aufhören, Kiew zu bewaffnen und Verhandlungen mit Moskau aufnehmen, wenn ihre wichtigsten industriellen Konkurrenten in Europa bankrott sind.

Aber selbst das, relativiert der Autor, würde nicht ausreichen - denn eines der wichtigsten "unsichtbaren" Mandate der NATO bestehe darin, mit allen Mitteln aus den Nahrungsmittelressourcen in der „pontisch-kaspischen Steppe“ Kapital zu schlagen: Wir sprechen hier von 1 Million km2 Nahrungsmittelproduktion von Bulgarien bis nach Russland.

Judo in Charkow

Die bisherige Militäraktion habe sich auch ohne offizielle Ankündigung rasch in eine "sanfte" CTO (Counter-Terrorist Operation) verwandelt. Die nüchterne Herangehensweise des neuen Oberbefehlshabers mit vollem Freibrief des Kremls, General Surowikin, auch bekannt als "Armageddon", spreche für sich selbst.

Der Autor ist der Meinung, dass sich keinerlei Anzeichen für eine russische Niederlage entlang der über 1000 km langen Frontline abzeichnen. Der Rückzug aus Charkow könne sogar als Meisterleistung angesehen werden.

Man könne den Rückzug als eine Falle sehen – statt eine, von Moskau anschaulich demonstrierte "Schwäche". Denn es veranlasste die Kiewer Kräfte – „eigentlich ihre NATO-Handlanger“- dazu, sich über die "Flucht" Russlands zu freuen, alle Vorsicht fallen zu lassen und alles auf eine Karte zu setzen und sogar eine Terrorspirale in Gang zu setzen, von der Ermordung von Darya Dugina bis zur versuchten Zerstörung von Krymskiy Most.

Was die öffentliche Meinung im Globalen Süden betreffe, so stehe bereits fest, dass General Armageddons Daily Morning Missile Show eine legale Antwort auf einen terroristischen Staat sei. Putin mag für eine Weile eine Figur auf dem Schachbrett geopfert haben - Charkow: Schließlich bestehe das Mandat der SMO nicht darin, Terrain zu halten, sondern die Ukraine zu entmilitarisieren.

Moskau habe nach Charkow sogar gewonnen: „Die gesamte ukrainische Militärausrüstung, die sich in dem Gebiet angesammelt hatte, wurde in die Offensive geworfen, nur damit die russische Armee fröhlich ununterbrochen Zielübungen machen konnte.“

Und dann sei da noch der eigentliche Knackpunkt: Charkow setzte eine Reihe von Schachzügen in Gang, die es Putin schließlich ermöglichten, den Westen mit Hilfe der raketenlastigen "weichen" CTO schachmatt zu setzen und ihn auf einen Haufen kopfloser Hühner zu reduzieren.

Parallel dazu würden die üblichen Verdächtigen unermüdlich ihr neues nukleares "Narrativ" weiterspinnen. Außenminister Lawrow sei gezwungen, bis zum Überdruss zu wiederholen, dass nach der russischen Nukleardoktrin ein Schlag nur als Reaktion auf einen Angriff erfolgen darf, "der die gesamte Existenz der Russischen Föderation gefährdet."

Das Ziel der „Psychokiller aus Washington“, wie Escobar die US-Elite nennt, sei es, Moskau zum Einsatz taktischer Atomwaffen auf dem Schlachtfeld zu provozieren. Das sei auch der Grund für den überstürzten Terroranschlag auf der Krim-Brücke gewesen, denn die Pläne des britischen Geheimdienstes waren schon seit Monaten im Umlauf. Aber das sei alles umsonst gewesen.

Die „hysterische Propagandamaschine der Straussianer/Neokonservativen“ gebe verzweifelt und präventiv Putin die Schuld: Er sei "in die Enge getrieben", er "verliere", er sei "verzweifelt", also werde er einen Atomschlag ausführen. Kein Wunder, dass die Weltuntergangsuhr, die 1947 vom Bulletin of the Atomic Scientists aufgestellt wurde, nur noch 100 Sekunden vor Mitternacht stehe. Direkt vor "Doom's doorstep".

Das Leben an der Schwelle des Untergangs

Während, wie Escobar meint, „das Imperium des Chaos, der Lügen und des Plünderns“ durch den erschreckenden Doppelfehler eines massiven wirtschaftlichen/militärischen Angriffs versteinert sei, bereite sich Moskau systematisch auf die nächste Militäroffensive vor. Im Moment sei klar, dass die anglo-amerikanische Achse nicht verhandeln werde. Sie habe es in den letzten 8 Jahren nicht einmal versucht und werde ihren Kurs auch nicht ändern, selbst wenn sie von einem engelsgleichen Chor, der von Elon Musk bis zu Papst Franziskus reiche, angestachelt wird.

Putin habe Äonen taoistischer Geduld aufgebracht, um militärische Lösungen zu vermeiden. Der Terror auf der Krim-Brücke sei möglicherweise ein Wendepunkt gewesen. Aber die Samthandschuhe hätte Putin doch noch nicht ganz ausgezogen. Die täglichen Luftangriffe von General Armageddon könnten immer noch als eine - relativ höfliche - Warnung verstanden werden. Selbst in seiner jüngsten bahnbrechenden Rede, die eine schonungslose Anklage gegen den Westen enthielt, habe Putin deutlich gemacht, dass er immer für Verhandlungen offen sei.

Doch inzwischen würden Putin und der Sicherheitsrat Russlands wissen, warum die Amerikaner einfach nicht verhandeln können. Die Ukraine mag nur ein Spielball in ihrem Spiel sein, aber sie sei immer noch einer der wichtigsten geopolitischen Knotenpunkte Eurasiens: Wer sie kontrolliere, genießt eine zusätzliche strategische Tiefe.

Die Russen seien sich sehr wohl bewusst, dass die üblichen Verdächtigen davon besessen seien, den komplexen Prozess der eurasischen Integration zu sprengen - angefangen mit Chinas neuer Seidenstraße. Kein Wunder, so Escobar, dass wichtige Instanzen der Macht in Peking mit dem Krieg "unzufrieden" sind. Denn das sei sehr schlecht für die Geschäfte zwischen China und Europa über mehrere transeurasische Korridore.

Putin und der russische Sicherheitsrat wüssten auch, dass die NATO Afghanistan - ein absolut miserabler Misserfolg - aufgegeben habe, um alles auf die Ukraine zu setzen. Sowohl Kabul als auch Kiew zu verlieren, wäre also der ultimative Todesstoß: Das bedeute, das 21. eurasische Jahrhundert der strategischen Partnerschaft Russland-China-Iran zu überlassen.

Die Sabotage - von den Nord-Streams bis zur Krim-Brücke verrate das Verzweiflungsspiel. Die Arsenale der NATO seien praktisch leer. Was bleibe, ist ein Krieg des Terrors: die Syrisierung, eigentlich die ISISisierung des Schlachtfelds. „Verwaltet von der hirnlosen NATO, auf dem Terrain agiert eine Horde von Kanonenfutter, gespickt mit Söldnern aus mindestens 34 Nationen“.

Moskau könne also gezwungen sein, bis zum Äußersten zu gehen - wie der völlig enthemmte Dmitri Medwedew verraten habe: Jetzt gehe es darum, ein Terrorregime zu beseitigen, seinen politischen Sicherheitsapparat vollständig zu demontieren und dann die Entstehung eines anderen Gebildes zu ermöglichen. Und wenn die NATO dies immer noch blockiere, werde ein direkter Zusammenstoß unvermeidlich sein.

Die dünne rote Linie der NATO sei, dass sie es sich nicht leisten kann, sowohl Kabul als auch Kiew zu verlieren. Doch es bedurfte zweier Terrorakte - in Pipelineistan und auf der Krim - um eine viel schärfere, brennende rote Linie zu ziehen: Russland werde nicht zulassen, dass das Imperium die Ukraine kontrolliert, koste es, was es wolle. Das sei untrennbar mit der Zukunft der Greater Eurasia Partnership verbunden. „Willkommen im Leben an der Schwelle des Untergangs.“

Ich möchte hinzufügen: Genießt jeden Tag.

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: shutterstock / Pixels Hunter


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