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Das Minsker Abkommen sollte es Kiew ermöglichen „Zeit zu gewinnen“ | Von Thomas Röper

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Auch der ehemalige französische Präsident Hollande hat nun bestätigt, dass das Minsker Abkommen aus Sicht des Westens keinen Frieden im Donbass erreichen, sondern Kiew nur Zeit für die Vorbereitung auf einen Krieg mit Russland geben sollte.

Kommentar und Übersetzung von Thomas Röper.

Das Minsker Abkommen ist 2015 angeblich geschlossen worden, um einen Frieden im Donbass zu erreichen. Der Westen hat Russland danach acht Jahre lang vorgeworfen, dass Russland das Abkommen nicht umsetzt und erklärt dass die Russland-Sanktionen daher nicht aufgehoben werden können. Heute wird im Westen offen zugegeben, dass das alles gelogen war.

Der Westen wollte das Minsker Abkommen nie umsetzen

Der ehemalige ukrainische Präsident Poroschenko hat schon im Sommer offen gesagt, dass er nie vorhatte, das Minsker Abkommen umzusetzen, sondern dass das Abkommen der Ukraine nur Zeit für die Aufrüstung geben sollte. Und er fügte hinzu, dass das Abkommen seine Aufgabe aus dieser Warte erfüllt habe. Niemand habe vorgehabt, das Abkommen umzusetzen.

Auch Merkel, die das Abkommen mit ausgehandelt hat, hat sich im Sommer ähnlich geäußert. Anfang Dezember hat sie das in einem Interview mit der „Zeit“ wiederholt. Sie sagte:

„Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie man am Kampf um Debalzewe (Eisenbahnerstadt im Donbass, Oblast Donezk, d. Red.) Anfang 2015 gesehen hat, hätte Putin sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle sehr, dass die Nato-Staaten damals so viel hätten tun können wie heute, um der Ukraine zu helfen.“

Nun hat auch der französische Präsident Hollande, der das Abkommen damals neben Bundeskanzlerin Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko mit den Donbass-Rebellen und dem russischen Präsidenten Putin ausgehandelt hat, in einem Interview mit ukrainischen Medien offen gesagt, dass das Minsker Abkommen Kiew nur Zeit für die Vorbereitung eines großen Krieges mit Russland geben sollte. Damit bestätigen die westliche Beteiligten das, was acht Jahre lang als russische Propaganda diskreditiert wurde, nämlich dass es dem Westen und der Ukraine beim Minsker Abkommen nie um einen Frieden im Donbass gegangen ist, sondern darum, die Ukraine für einen Krieg gegen Russland aufzurüsten.

Der russische Präsident Putin hat in seiner Reaktion (hier der vollständige Wortlaut) auf Merkels Interview gesagt, ihre Aussage sei für für ihn völlig unerwartet und enttäuschend gewesen. Putin hat bei den Verhandlungen in Minsk viel Energie aufgewendet, um die Donbass-Rebellen zur Annahme des Minsker Abkommens zu bewegen, denn die Rebellen waren schon damals davon überzeugt, dass das Abkommen von Kiew und dem Westen nie umgesetzt wird. Damit haben sie Recht behalten.

Für zukünftige Verhandlungen zwischen Russland und dem Westen ist das eine schlechte Nachricht, denn die russische Regierung wurde in den letzten Jahren vom Westen so oft dreist belogen und betrogen, dass Moskau dem Westen kein Wort mehr glaubt. Es macht Verhandlungen aber praktisch unmöglich, wenn eine Seite jedes Vertrauen in die Versprechen der anderen Seite verloren hat, weil die so viele Versprechen und Verträge gebrochen hat.

Das konsequente Schweigen der Medien

Was ich besonders faszinierend finde, ist, wie gründlich westliche Medien den Skandal, dass alle westlichen Teilnehmer an den Verhandlungen inzwischen offen sagen, dass es beim Minsker Abkommen nicht um Frieden, sondern um die Vorbereitung eines Krieges gegen Russland ging, verschweigen. Merkel hat ihre Aussage zwar in einem Interview mit der „Zeit“ gemacht, aber eigene Artikel war die Merkels Aussage deutschen Medien nicht wert. Gleiches gilt für Hollandes Aussage, die in der Ukraine immerhin auf Englisch veröffentlicht wurde.

Außerhalb der westlichen Medienblase haben die Aussagen von Merkel und nun von Hollande hingegen Schlagzeilen gemacht und Aufmerksamkeit erregt und in vielen nicht-westlichen Hauptstädten wird man sich fragen, ob es überhaupt noch Sinn macht, mit dem Westen Verträge abzuschließen, wenn der Westen schon bei der Unterschrift beschließt, dass er sie nie umsetzen, sondern brechen wird.

Der Vollständigkeit halber übersetze ich die Meldung der russischen Nachrichtenagentur TASS über Hollandes Aussage zum Minsker Abkommen.

Beginn der Übersetzung:

Nach Merkel bezeichnete auch Hollande das Minsker Abkommen als Mittel, um Kiew Zeit zur Verstärkung der Armee zu geben.

Der ehemalige französische Staatschef war sich nicht sicher, ob Russland das Minsker Abkommen einhalten würde, hat aber eingeräumt, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Vorschlag, Gespräche im Normandie-Format zu führen, akzeptiert und an der Linie des Dialogs festgehalten habe

Der ehemalige französische Präsident François Hollande, der unmittelbar an der Konfliktlösung im Donbass und der Ausarbeitung des Minsker Abkommens im Jahr 2015 beteiligt war, bestätigte die Worte der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin, dass dieses Abkommen notwendig war, um Kiew eine Atempause zu verschaffen und sicherzustellen, dass die ukrainische Armee auf einen neuen Konflikt vorbereitet ist.

„Ja, da hat Angela Merkel recht“, sagte er dem Kyiv Independent und kommentierte ihre Äußerung, dass das Minsker Abkommen es Kiew ermöglicht hat, „Zeit zu gewinnen“, anstatt weitere Konflikte im Donbass zu verhindern. „Seit 2014 hat die Ukraine ihr militärisches Potenzial gestärkt, sie ist eine vollkommen andere, als die, die sie 2014 war. Sie ist nun besser ausgebildet und ausgerüstet. Das Verdienst des Minsker Abkommens besteht darin, dass es der ukrainischen Armee diese Möglichkeit gegeben hat.“

Der ehemalige französische Regierungschef sagte, er sei nicht sicher gewesen, dass Russland das Minsker Abkommen einhalten werde, räumte aber ein, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Vorschlag für Gespräche im Normandie-Format (Russland, Frankreich, Deutschland und die Ukraine) akzeptiert und an der Linie des Dialogs festgehalten habe. Er räumte auch ein, dass der Westen zu dieser Zeit Kraft sammeln musste.

Zu den Aussichten auf Verhandlungen im aktuellen Konflikt sagte Hollande, dass diese „auf einem Gleichgewicht der Kräfte beruhen müssen.“ „Ein Dialog um des Dialogs willen ist nicht sinnvoll und kann sogar negative Folgen haben, wenn in dem Rahmen eine Aufteilung der Verantwortung vorgeschlagen wird“, sagte Hollande. „Der Dialog kann nur ein Mittel sein, um die militärische Situation in einen politischen Rahmen zu übersetzen.“

In diesem Zusammenhang sagte der ehemalige Präsident, dass Verhandlungen nicht nur zu einem Waffenstillstand, sondern zu einer vollständigen und dauerhaften Beilegung des Konflikts führen müssen. Er hielt die Wiederbelebung des Minsker Abkommens als von den Parteien bereits akzeptierten rechtlichen Rahmen für diese Lösung für möglich.

Merkel über das Minsker Abkommen

Anfang Dezember bezeichnete Merkel den Abschluss des Minsker Abkommens in einem Interview mit der deutschen Zeitung Die Zeit als „Versuch, der Ukraine Zeit zu geben, um stärker zu werden.“ Ihr zufolge war „allen klar“, dass der Konflikt eingefroren und das Problem nicht gelöst war, „aber genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit gegeben.“ Sie bezweifelte, dass die NATO-Staaten Kiew zu diesem Zeitpunkt in dem Maße hätten unterstützen können, wie sie es jetzt tun.

Wladimir Putin sagte später, Merkels Äußerungen zum Minsker Abkommen seien für ihn völlig unerwartet und enttäuschend gewesen.

Ende der Übersetzung

+++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 02.01.2023 bei anti-spiegel.ru +++ Dank an den Autor für das Recht zur Übernahme des Beitrags. +++ Bildquelle: shutterstock / OMfotovideocontent


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