Ein Kommentar von Friedemann Willemer.
Wie nennt man Politiker, die ihr Volk wider besseres Wissen mit sich in den Abgrund reißen?
Wie nennt man ein Volk, das schweigt?
Unsere Politiker und in ihrem Gefolge die Mainstreammedien behaupten, Putin sei ein irrationaler Tyrann, der die Freiheit Europas bedrohe. Die Ukraine verteidige unsere Demokratie, deshalb müssen wir Russland und seine Kriegsverbrecher mit Sanktionen, die keine Grenzen kennen, in die Schranken weisen oder besser noch, ruinieren und die Ukraine mit Geld und Waffen in ihrem Kampf gegen das Böse uneingeschränkt unterstützen, auch wenn es den Völkern Europas Opfer abverlangt.
Ich unterstelle, diese Behauptungen unserer Politiker sind zutreffend, aber führen die historisch beispiellosen Sanktionen, das Geld, die Waffen und die Opfer des ukrainischen Volkes und der Völker der Wertegemeinschaft auch zum Ziel der Befreiung von dem Übel?
Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung mit Russland zeigt:
- Die Ukraine wird den Krieg gegen Russland verlieren unter Hinnahme von Tod, Flucht und Zerstörung,
- Russland wird aus dem Sanktionsregime gestärkt hervorgehen und die Ukraine wird Teil der russischen Einflusssphäre, sofern sie nicht vollends als unabhängiger Staat von der Landkarte verschwindet,
- Europa wird für Jahrzehnte einen unversöhnlichen Gegner auf seinem Kontinent, begleitet von verabscheuungswürdiger Russophobie, herbeisanktioniert haben,
- die Völker des Westens, ausgenommen vielleicht die USA, werden einen beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang erleben und von der Geschichte hart bestraft werden.
Nur ein irrationaler Despot kann, um angeblich Gutes zu erreichen, dieses desaströse Ergebnis wollen. Ein Ergebnis, das für jeden rational denkenden Menschen vorhersehbar ist.
Es ist für den Ausgang dieses Krieges irrelevant, ob Putin der Erzengel Gabriel in Persona ist, und die Ukrainer von Korruption und Nazis befreien will oder, ob Putin, der Satan in Menschengestalt, einen verbrecherischen Krieg gegen das ukrainische Volk führt, ob die westliche Wertegemeinschaft Russland mit nicht enden wollenden Sanktionen überzieht und alles Russische aus allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens verbannt oder stattdessen versucht, das Leid der Ukrainer mit humanitärer Hilfe zu lindern und auf ein baldiges Ende des Krieges hinzuwirken.
Das Ergebnis (siehe oben) bliebe dasselbe nur mit dem „unwesentlichen“ Unterschied, das Leid und Zerstörung der Ukraine minimiert und der wirtschaftliche und damit einhergehende politische Niedergang Europas und die irreversible, den Interessen Europas zuwiderlaufende Beschädigung des Verhältnisses zu Russland, vermieden wird.
Das jedoch scheinen unsere Repräsentanten nicht zu wollen.
Das Sanktionsregime der westlichen Wertegemeinschaft hat etwas zutiefst Paranoides. Wie kann der Nato-Westen, der Russland mit einem brutalen Wirtschaftskrieg überzieht, beanspruchen, dass Russland so lange weiter Rohstoffe liefert, bis Ersatz gefunden ist.
Dieses Denken und Handeln ist ein Fall für die geschlossene Abteilung der Psychiatrie; denn diese Politiker haben offensichtlich erwartet, dass der Gegner ihnen die Mittel zur Verfügung stellt, die sie in die Lage versetzen, ihn zu vernichten. Darüber hinaus haben sie die robuste und selbstbewusste Reaktion Russlands nicht kommen sehen, und stehen zunehmend isoliert in der Welt da. Ein Bündel krassester Fehleinschätzungen, die jede Professionalität der handelnden Personen ausschließt.
Zudem sind ihre extraterritorialen Sanktionspakete gegenüber Russland völkerrechtswidrig.
Ausschließlich der UN-Sicherheitsrat – Artikel 41 UN-Charta – kann Sanktionen beschließen wie die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen. Als Teil des Kapitels VII der UN-Charta kann Artikel 41 nur Anwendung finden, wenn der Sicherheitsrat gemäß Artikel 39 UN-Charta zuvor feststellt, dass ein Angriffskrieg vorliegt oder eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens besteht.
Daran fehlt es.
Wir sollten eigentlich aus der Menschheitsgeschichte gelernt haben, dass der Krieg nie ein isolierter Akt ist, sondern die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (Carl von Clausewitz „Vom Kriege“) und dieses Prinzip von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten unter Bruch der UN-Charta seit Unterzeichnung 1945 zur Durchsetzung geostrategischer Interessen perfektioniert wurde. Der Aufschrei der westlichen Wertegemeinschaft im Falle Russlands ist an Bigotterie nicht zu überbieten; denn die westliche Wertegemeinschaft beruft sich auf ein Völkerrecht, das die Vereinigten Staaten mit Zustimmung und tätiger Hilfe ihrer Vasallen auf dem Abfallhaufen der Geschichte in Verfolgung ihrer Allmachtsphantasien entsorgt und durch ihre „regelbasierte internationale Ordnung“ ersetzt haben.
Was genau das für eine Ordnung sein soll bleibt im Ungefähren. Nach den Erfahrungen seit 1945 kann dies nur ein Despotismus im klassischen Sinne sein, d. h. die westliche Wertegemeinschaft ist an keine Regeln, insbesondere die UN-Charta, gebunden und gibt die Regeln nach eigenem Gutdünken den anderen Mitgliedern der Völkergemeinschaft von Fall zu Fall vor, denen es freisteht, das zu tun, wozu sie die westlichen Eliten zwingen wollen.
Dies führt im Ukraine-Konflikt zu dem Ergebnis, dass nach der UN-Charta, der Angriff Russlands ein Angriffskrieg ist aber kein völkerrechtswidriger, da es an der Feststellung des Sicherheitsrates gemäß Artikel 39 UN-Charta fehlt, aber die von der westlichen Wertegemeinschaft verhängten Sanktionen gegen Russland (siehe oben) völkerrechtswidrig sind.
Nach der vom Wertewesten propagierten „regelbasierten Ordnung“ soll es jedoch exakt umgekehrt sein. Ihre Willkürordnung soll den Vorrang vor der UN-Charta haben bzw. diese ersetzen. Eine absurde Anmaßung.
Bereits 1795 schrieb Immanuel Kant in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“, dass sich kein Staat in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen solle, aber was zählen die Appelle eines Philosophen gegen die Allmacht einer Gemeinschaft von Despoten und Psychopathen.
Es kann ausgeschlossen werden, dass diese Zusammenhänge unseren Politikern und ihren Gefolgsleuten in den Leitmedien verborgen geblieben sind. Ihre groteske Verdummungskampagne komplettieren die Politiker und ihre Medien, indem sie ihre Schuldzuweisungen für die desaströsen Auswirkungen ihrer Sanktionspolitik nicht allein gegen Putin richten, sondern auch gegen ihre Vorgänger im Amte, die die Energieabhängigkeit Europas von einem Unrechtsstaat zu vertreten hätten.
Dabei wird tunlichst übergangen, dass ein verantwortungsvoller Politiker, also einer der den Amtseid noch ernst nimmt, zunächst den Ist-Zustand exakt evaluiert, unabhängig davon wie dieser zustande gekommen ist, bevor er sein Volk, gegen wen auch immer, in den Krieg führt. Aber wie soll man verantwortungsvolles Handeln von unbedarften politischen Moralisten erwarten, denen die Amerika-hörigkeit anerzogen wurde und die mit ihrem Land nichts anfangen können.
„Manchmal frage ich mich, ob diese Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen?“ (Mark Twain) und ich frage mich, wie konnte es geschehen, dass ein Volk, das die von seinen Repräsentanten zu verantwortenden Verheerungen des ersten und zweiten Weltkrieges erlebte, nichts aus der Geschichte gelernt hat, sondern untertänig seinen Repräsentanten erneut in das nächste Verderben folgt.
Für die Völker der westlichen Wertegemeinschaft, zumindest die Mehrheit der Menschen, dürfte gelten „Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen“ (Immanuel Kant) auch nicht mit Friedrich Wilhelm Nietzsche „An die dumme Stirne gehört als Argument von Rechtswegen die geballte Faust“.
Ist es Dummheit, die die Völker leitet oder liegt es an dem Wandel, den Karl Jaspers 1966 in seinem Buch „Wohin treibt die Bundesrepublik?“ prophezeite: „Welcher Wandel vollzieht sich in der Struktur der Bundesrepublik? Es scheint: Von der Demokratie zur Parteienoligarchie, von der Parteienoligarchie zur Diktatur“.
Sind wir, nicht nur in Deutschland, sondern in der westlichen Wertegemeinschaft, dort angekommen? Gilt für diesen Zustand „Wenn ihr euch fragt, wie es damals passieren konnte: Weil sie damals so waren wie ihr heute seid“ (Henryk M. Broder).
Das deutsche Volk hat in den über 70 Jahren Bundesrepublik auf dem Weg von der Demokratie zur Diktatur nie verinnerlicht: „Der Staat redet in allen Zungen des Guten und Bösen und was er auch redet, er lügt“ (Friedrich Wilhelm Nietzsche) und so konnten die Repräsentanten ohne Widerstand (Artikel 20 Abs. 4 Grundgesetz) vom deutschen Volk erwarten zu müssen, den Wandel vom ursprünglichen Demokratieversprechen des Grundgesetzes hin zum bevormundenden totalitären Obrigkeitsstaat zielgerichtet umsetzen und die Prophezeiung von Karl Jaspers wahr werden lassen.
Im Angesicht des ausgeprägten Untertanengeistes des deutschen Volkes, der weder durch den ersten Weltkrieg noch den zweiten Weltkrieg gebrochen werden konnte, „ist alles, was man in dieser Zeit für seinen Charakter tun kann, zu dokumentieren, dass man nicht zur Zeit gehört“ (Johann Gottfried Seume); denn wenn die Völker versagen, bricht das Verhängnis des Bösen ein (Karl Jaspers „Wohin treibt die Bundesrepublik?“).
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: polkadot_photo/ shutterstock
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