Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Der Bayrische Nachrichtensender BR24 brachte mit seinem Artikel die Sichtweise westlicher Medien auf den Punkt.
Auf dem Bild ist die massive Wucht des Anschlags zu erkennen, der einen Tag nach Putins 70. Geburtstag (7. Oktober 1952) ausgelöst wurde. Zunächst wurde verbreitet, dass ein mit Sprengstoff (TNT) beladener russischer LKW seine Ladung auf der 19 Kilometer langen Brücke zwischen der Krim und der Region Krasnodar so zeitgerecht zur Detonation brachte, dass ein Zug mit Tankwagen ebenfalls Feuer fing und so die Strecke blockierte.1) Drei Menschen starben. Werk eines bestochenen oder gegen Putin aufgebrachten russischen LKW-Fahrers? Wie konnte er unbemerkt diese Menge Sprengstoff horten?
Mir als ehemaligem Pionieroffizier erscheint es als unwahrscheinlich, dass eine kaum „verdämmte“ Ladung derartige Schäden bis hin zu den Brückenlagern verursachen konnte. Noch unwahrscheinlicher scheint es mir, dass in einem solchen spezifischen Fall ein mit Sprengstoff beladener LKW diese militärisch wichtige Brücke überhaupt unkontrolliert befahren konnte. Brücken sind in einem Krieg das Herzstück und werden umfassend überwacht. In diesem Fall hat Kiew seit Baubeginn der Brücke damit gedroht, sie zu sprengen. Sollten die Verantwortlichen auf der Krim derart geschlafen haben? Das ist kaum zu glauben. Dieser Anschlag wurde höchstprofessionell ausgeführt. In Frage kommen ukrainische Spezialkräfte, die entsprechende Aufklärungsergebnisse sowie materielle und nachrichtendienstliche Unterstützung von den USA nutzen konnten. So wundert es nicht, dass der Leiter des estnischen Außenministeriums den "ukrainischen Spezialkräften" im Zusammenhang mit der Explosion auf der Krim-Brücke gratulierte.2)
Im Gegensatz zu seinen sonst derben bild- und sprachgewaltigen Äußerungen ließ Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Beteiligung der Ukraine an der Explosion auf der Krim-Brücke offen. In seiner täglichen Videoansprache fabulierte er über das Wetter: In der Ukraine sei es großteils sonnig und warm gewesen, "auf der Krim leider bewölkt, obwohl auch dort warm"3), sagte er in Anspielung auf die morgendliche Detonation an der Brücke. Näher ging er auf den Vorfall nicht ein.
Das machten dann seine engen Vertrauten. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko postete ein Foto von sich, in der Hand ein brennender Eisenbahnwaggon - garniert mit dem Spruch: "Die Krim-Brücke ist müde."4) Der ukrainische Postchef Ihor Smyljanskyj beeilte sich, den Druck einer Sondermarke von der Brücke anzukündigen: "Der Morgen war noch nie so ein schöner. Zu diesem Feiertag bringen wir eine neue Marke heraus mit der Krim-Brücke – oder vielmehr mit dem, was von ihr übrig ist."5)
Andreij Melnyk, der scheidende Botschafter der Ukraine in Deutschland, teilte auf Twitter ein Spott-Video mit den Worten "Shaka laka boom boom. Die Befreiung der Krim beginnt. Jetzt."6)
Während viele Ukrainer auf die Bilder der teils zerstörten Krim-Brücke mit Freude reagierten - junge Ukrainer schießen vor einer überdimensionalen Briefmarke mit den brennenden Brückenpfeiler Selfies - steigert sich in Russland der Ruf nach Vergeltung. Für den Fall, dass die Krim-Brücke angegriffen wird, hatte schon Anfang Mai 2022 der Ex-Präsident der Russischen Föderation mit der Apokalypse gedroht:7)
„Sollte so etwas passieren, wird der Tag des Jüngsten Gerichts für sie alle dort sofort kommen.“8)
Während Putin zunächst schwieg, forderte der Chef der Duma-Fraktion „Gerechtes Russland“, Sergej Mironow, ukrainische Infrastruktur wie Kraftwerke, Brücken und Eisenbahnen anzugreifen.9) Unüberhörbar wurde der Ruf zahlreicher Kommentatoren in den russischen Medien nach Vergeltung laut.
So schrieb der einflussreiche Militär-Blogger und Kriegsberichterstatter des russischen Staatsfernsehens, Jewgeni Poddubny:
„Der Feind hat aufgehört, Angst zu haben und dieser Umstand muss unverzüglich korrigiert werden”.10)
Nur Stunden nachdem der russische Präsident Wladimir Putin die Explosion auf der Krim-Brücke als "Terrorakt" bezeichnet und dafür die ukrainischen Geheimdienste verantwortlich gemacht hatte11), führte Russland einen massiven Schlag mit Langstrecken-Präzisionswaffen auf ukrainische Energieobjekte sowie militärische Kontroll- und Kommunikationsobjekte durch, während die Ukraine um mehr Unterstützung vom „erschöpften Westen“ bittet, so die Global Times.12)
Nach dem von der Deutschen Bundesregierung aufs Schärfste verurteilten Raketenangriffen telefonierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dem er die Solidarität Deutschlands und der anderen G7-Staaten zusicherte. Deutschland werde alles tun, um zusätzliche Hilfe zu mobilisieren und bei der Reparatur der beschädigten Infrastruktur zu helfen.13) Auch die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) verurteilte die Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Diese seien "ein neuer Tiefpunkt im russischen Terrorismus gegen die ukrainische Zivilbevölkerung", schrieb die FDP-Politikerin am 10. Oktober 2022 auf Twitter.
"Auf diese Bilder kann es nur eine Antwort geben: die entschlossene weitere Unterstützung der Ukraine, gerade durch Waffenlieferungen".14)
Wie kommt eine Bildungsministerin dazu, sich derart zur Außen- und Verteidigungspolitik zu äußern? Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) äußerte sich ähnlich und sieht derzeit keine Chance für eine Verhandlungslösung mit Russland. Der Ukraine-Krieg könne nur militärisch beendet werden, sagte sie in der RadioWelt bei Bayern 2. Erneut forderte sie deutsche Kampfpanzer für Kiew.15) Sie hatte schon am 08.04.22 auf Twitter gefordert:
"Es muss endlich allen Beteiligten klar werden, dass Deutschland noch zu viel mehr bereit sein muss "16).
An dieser Stelle sei auch an das provokante Statement von Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen) erinnert. Sie äußerte sich am 31. August in Prag bei der Veranstaltung "Forum 2000" anlässlich der Diskussion über den Ukraine-Krieg zur deutschen Unterstützung: '
Wir stehen so lange an Eurer Seite, wie Ihr uns braucht, dann möchte ich auch liefern, egal, was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte für die ukrainische Bevölkerung liefern."17)
Dabei ist die Ukraine nach dem Korruptionsindex von Transparency International das korrupteste Land Europas. Dort belegt sie Platz 122 von 180.18) Seit dem vom Westen 2013/14 orchestrierten Putsch führte die Ukraine Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Osten des Landes – mit annähernd 14.000 Toten. Und der Wertewesten schwieg und unternahm nichts, um das Minsker II-Abkommen in Kiew durchzusetzen. Wie kann es sein, dass Mitglieder der deutschen Bundesregierung für eine Kriegspartei bereit sind, die Ukraine bis zum Sieg über Russland zu unterstützen und dabei jede Eskalation mittragen. Die Fortsetzung dieser Kriegspolitik kann nur in einer unvorstellbaren Katastrophe enden. Die Menschen in der Ukraine leiden und sterben. Sollen solange Waffen geliefert werden, bis die Ukraine nicht mehr existiert?
De-Eskalation ist das Gebot der Stunde!
Die Politik der deutschen Elite hat dank des Reichsgründers Otto von Bismarck eine Erklärung:
„Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung leider auf Deutschland beschränkt ist."19)
Auch Napoleon Bonaparte, der das deutsche Volk recht nüchtern betrachtet hatte, liefert Erklärungen:
„Ein Volk ohne Vaterland, eine Verfassung ohne Einheit, Fürsten ohne Charakter und Gesinnung, ein Adel ohne Stolz und Kraft, das alles musste leichte Beute mir versprechen...Ihre Ehre hab ich ihnen weggenommen, und der meinen sind sie darauf treuherzig nachgelaufen. Untereinander haben sie sich erwürgt, und glaubten redlich ihre Pflicht zu tun. Leichtgläubiger ist kein Volk gewesen, und thöricht toller kein Anderes auf Erden. Aberglauben haben sie mit mir getrieben, und als ich sie unter meinem Fuß zertrat, mit verhaßter Guthmütigkeit mich als ihren Abgott noch verehrt.“20)
Nach den Raketenangriffen auf die Ukraine kam der russische Sicherheitsrat zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
„Heute Morgen“, so Putin, „wurde auf Vorschlag des Verteidigungsministeriums und gemäß dem Plan des russischen Generalstabs ein massiver Angriff mit präzisionsgelenkten Langstreckenwaffen aus der Luft, vom Wasser und von Land auf ukrainische Energie-, Militär- und Kommunikationseinrichtungen gestartet. Sollte es weiterhin zu Versuchen kommen, terroristische Anschläge auf unserem Territorium zu verüben, wird die russische Antwort hart ausfallen und dem Ausmaß der von der Russischen Föderation ausgehenden Bedrohung entsprechen. Daran sollte es keinen Zweifel geben.“21)
Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland, der in Wirklichkeit ein Krieg zwischen USA/EU/NATO gegen die Russische Föderation ist, ist nach dem Terroranschlag auf die Brücke und den folgenden Raketenangriffen auf die Versorgungssysteme der Ukraine in eine neue Phase getreten. Er wird vermutlich die Verwirklichung der russischen Ziele in der Ukraine beschleunigen, wobei gemäß der Eskalationsstrategie aggressivere Militär-Operationen unausweichlich werden. Mit dem Angriff auf die Krim-Brücke scheint der ukrainische SBU den russischen Kriegsbefürwortern, die alles auf eine Karte setzen wollen, ein Geschenk gemacht zu haben.
Noch haben die russischen Raketenangriffe die Dimension der US-amerikanischen Angriffsstrategie "Shock and Awe" (S&A) nicht erreicht. Darunter verstand im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak im Jahr 2003 das US-Militär eine Taktik, die mittels auf Schockwirkung ausgelegte militärische Maßnahmen (z.B. Flächenbombardierung, Sperrfeuer, Flammenwerfereinsatz oder Druckbomben) die gesamte Verteidigungsbereitschaft des Gegners demoralisieren und ihn so lähmen will, damit es zu keinen nennenswerten Verteidigungsmaßnahmen kommt.22)
Bei Umsetzung der am 15. Juli 2021 von US-Präsident Biden und der deutschen Bundeskanzlerin Merkel unterschriebenen "Erklärung von Washington" und der 6 Tage später verfassten "Gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele" hätte es erst gar nicht zum Krieg kommen können. Sie bekräftigten darin ihr
„Bekenntnis zu enger bilateraler Zusammenarbeit bei der Förderung von Frieden, Sicherheit und Wohlstand auf der ganzen Welt und verpflichten sich, für eine offene Welt einzustehen. Überall auf der Welt müssen alle Nationen frei von Einflussnahme aus dem Ausland, Zwang oder Fremdbestimmung durch fremde Mächte sein, um selbst über ihre politische Zukunft bestimmen zu können.“23)
Die Vereinigten Staaten von Amerika versichern ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, Frieden in der Ostukraine im Rahmen des „Normandie-Formats“ zu erreichen. Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des „Normandie-Formats“ intensivieren, um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu ermöglichen.24)
An dieser Umsetzung hatte zumindest die Grünen-Spitze kein Interesse.
Ende Mai 2021 besuchte Grünen-Chef Robert Habeck mit Schutzweste und Gefechtshelm ausgerüstet die Frontlinie in der Ost-Ukraine. Zuvor hatte er nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Äußerung gemacht:
"Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man - meiner Ansicht nach sind dies Defensivwaffen - der Ukraine schwer verwehren".25)
War Habeck entgangen, dass Selenskyj mit dem Dekret Nr. 117 („Zur Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“) vom 24. März 2021, die Vorbereitung von Maßnahmen angekündigt hatte, um „die vorübergehende Besetzung“ der Krim und des Donbass zu beenden. Laut der staatlichen ukrainischen Nachrichten-Agentur Ukrinform erhielt die Regierung den Auftrag, einen entsprechenden „Aktionsplan“ zu entwickeln.26)
Zumindest nach den beiden Erklärungen vom Juli 2021 hätte Habeck auch einen Besuch in der Ost-Ukraine folgen lassen müssen, um sich ein Gesamtbild der Lage zu machen.
Die Grünen haben von Anfang an als Kriegspartei agiert. Dabei ist das Militär (Rüstung, Manöver, Krieg) der größte denkbare Umweltzerstörer.
Quellen und Anmerkungen: 1) https://www.heise.de/tp/features/Kreml-Krim-Bruecke-bei-Sprengstoffanschlag-beschaedigt-nicht-zerstoert-7288673.html 2) https://alternativepresseschau.wordpress.com 3) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/explosion-auf-krim-bruecke-ukrainer-spotten-putin-schweigt,TJgpgUX 4) Ebd. 5) Ebd. 6) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/explosion-auf-krim-bruecke-ukrainer-spotten-putin-schweigt,TJgpgUX 7) https://www.welt.de/videos/video241487153/Ukraine-Krieg-Explosion-und-Feuer-auf-Krim-Bruecke.html 8) https://www.pravda-tv.com/2022/07/ex-praesident-medwedew-falls-kiew-die-krim-angreift-kommt-der-tag-des-juengsten-gerichts-video/ 9) https://wochentlich.de/welt/explosion-auf-krim-brucke-ukrainer-spotten-putin-schweigt 10) https://www.br.de/nachrichten/kultur/feind-hat-keine-angst-mehr-russlands-wut-ueber-krim-bruecke,TJg5PHv 11) https://www.n-tv.de/politik/Putin-wirft-Ukraine-Terror-Anschlag-auf-Krim-Bruecke-vor-article23638620.html 12) https://www.globaltimes.cn/page/202210/1276852.shtml 13) https://www.handelsblatt.com/dpa/berlin-verurteilt-raketenangriffe-scholz-telefonat-mit-selenskyj/28733312.html 14) https://www.handelsblatt.com/dpa/raketenangriffe-ministerin-spricht-von-russischem-terrorismus/28733070.html 15) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/agnes-strack-zimmermann-sieht-keine-chance-auf-verhandlungsloesung,TK1i9jx 16) https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/marie-agnes-strack-zimmermann/fragen-antworten/sie-haben-am-080422-auf-twitter-behauptet-dass-es-sich-bei-dem-raketenangriff-auf-kramatorsk 17) https://www1.wdr.de/nachrichten/baerbock-waehler-zitat-ukraine-russland-sanktionen-energiepreise-100.html 18) https://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-korruption-101.html 19) zitiert in: "Bismarck - Der Reichsgründer" von Otto Pflanze, Verlag C. H. Beck, München, 1997, S.608 20) Joseph von Görres: Napoleons Proklamation an die Völker Europa´s vor seinem Abzug auf die Insel Elba, o.O. 1814, S. 13 21) https://www.anti-spiegel.ru/2022/putin-im-o-ton-zum-russischen-sicherheitsrat/ 22) Darya Sinusoid: Shock and Awe: Iraq War Economics vom 24.9.2021 unter https://www.shortform.com/blog/shock-and-awe-iraq 23) https://de.usembassy.gov/de/usa-deutschland/ 24) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074 25) https://www.focus.de/politik/ausland/habeck-eckt-mit-vorstoss-fuer-waffenlieferungen-in-die-ukraine-an_id_13330764.html 26) https://www.imi-online.de/2021/04/12/minsker-abkommen-faktisch-gekuendigt +++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: shutterstock / Oleksandr Polonskyi
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