Unsere Selbstbestimmung über den eigenen Körper wird uns in kleinen Schritten wegkonditioniert.
Von Roberto D. Lapuente.
„Mein Bauch gehört mir!“ Diese Ansage zur körperlichen Autonomie hörten wir vor allem von Frauen in der Abtreibungsfrage. Sie wurde verstanden, akzeptiert und gefeiert. Doch seither hat sich viel verändert — vor allem zum Schlechteren. Jens Spahn versuchte den Körper von Verstorbenen als Organ-Ersatzteillager freizugeben, sofern der Betreffende nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprach.
Nun wird infrage gestellt, ob ein Mensch über die Art der medizinischen Behandlung für sich selbst überhaupt frei entscheiden darf. Eine Impfung mit derart experimentellem Charakter ist mehr als ein schmerzhafter Einstich am Arm. Er kann den Status unseres Immunsystems verändern, kann auf Jahre über Krankheit und Gesundheit, manchmal sogar über Leben und Tod entscheiden. Wenn wir uns jetzt nicht entschieden wehren, können wir den eingangs zitierten Satz bald abändern in: „Mein Körper gehört dem Staat.“
Mir geht es ein bisschen wie Hubert Aiwanger, dem bayerischen Koalitionspartner von Markus Söder: Auch mich hat das Impfangebot bislang nicht überzeugt. Als es mit den Impfungen losging, wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich als Impfdrängler zu betätigen. Ich wollte zuwarten, mal gucken, was so passiert, und mich dann frühestens im Herbst entscheiden, mit was und ob ich mich impfen lasse oder eben nicht. Beide Optionen hielt ich mir offen.
Die Zeit rinnt nun tatsächlich, bald ist Herbst, und ich bin noch immer unentschlossen. Oder sagen wir es so: Ich hätte gerne mehr Zeit. Aber geht es nach Herrn Braun aus dem Kanzleramt und anderen, die mir nichts, dir nichts klarmachen, dass das Grundgesetz eine Impfpflicht ohne viel Federlesens hergibt, so kriege ich diese Zeit aber nicht. Ich muss mich nicht mal mehr entscheiden — das tut der Staat für mich. Er verfügt über meinen Körper.
Mein Arm gehört mir dann eben nicht. Und wenn es nur der Arm wäre! Mir gehört mein Immunsystem nicht, mein Kopf nicht, einfach alles nicht.
Alles an mir gehört — wieder mal — dem Staat.
Dein Innenleben gehört uns — bis du widersprichst
So ähnlich stellte sich das Gesundheitsminister Jens Spahn vor etwa drei Jahren auch schon mal in einer anderen Frage vor: bei der Organspende nämlich. Er wollte das sogenannte Widerspruchsverfahren etablieren — sprich: Jeder sollte per se zunächst als Organspender gelten, bis er offiziell kundtut, dass er nicht wolle, dass seine Organe wiederverwertet werden können. Bis heute funktioniert es genau andersherum: Wer spenden will, muss es zu Lebzeiten dokumentieren.
Spahn argumentierte damals, dass die Menschen trotz politischer und gesellschaftlicher Initiativen nicht dazu bereit seien, sich im großen Stil Organspendeausweise zu holen — also müsse man nun die Spielregeln quasi umdrehen und den Menschen als Herr seines Körpers zunächst mal entmündigen.
Der Körper als Hinterlassenschaft sollte allen gehören. Und damit dem Staat.
Der Mensch sollte als Ressource über den Tod hinaus anzusehen sein, die Allgemeinheit als Sachwalter betrachtet werden. Der Gesundheitsminister ging nur halbherzig ans Werk, er wollte eine Debatte anschieben und nicht direkt gesetzliche Neuregelungen schaffen. Diese Zögerlichkeit machten ihm nicht wenige zum Vorwurf, unter anderem auch die Meinungsmacher in diesem Lande kritisierten ihn dafür. Sie hätten sich das Widerspruchsverfahren sehr gut vorstellen können.
Leicht zeichnete sich schon ab, was einige Jahre später dann ganz ungeniert ausbrach: den Mitmenschen als autonomes Wesen anzuerkennen, das bestimmten Eingriffen in seinen toten oder eben auch lebenden Körper nicht — oder vielleicht noch nicht — ausgesetzt sein möchte, akzeptiert man nicht mehr so ohne Weiteres. Der Mensch gehört sich in der Denkweise einiger nämlich zunächst nicht selbst. Er ist für alle da, ist ein Rohstoff und hat so zu funktionieren, dass er massenkompatibel bleibt.
Die Impf-Allmende
Ich erinnere mich an Zeiten, da habe auch ich den westlichen Individualismus gescholten. Das ist noch gar nicht so lange her. Vor der Pandemie arbeitete ich mich textlich oft daran ab. Der Liberalismus, der die Individualisierung anschiebt, würde es verunmöglichen, so etwas wie einen Gemeinsinn zu reaktivieren. Seinen Nächsten nehme man nur noch als Fremden, als Dienstleister oder gar als Ware zur Kenntnis. Er diene nur noch dazu, sich von ihm abzugrenzen und so sein eigenes Image herauszuputzen.
Was mich heute erstaunt ist, dass es diese von mir kritisierten Bewegungen des Zeitgeistes noch immer gibt. Während wir pandemischen Notverordnungen ausgesetzt sind, feiert die Diversität munter weiter.Sie veranstaltet Demos in der Hauptstadt, während die Kritiker der Coronamaßnahmen offenbar grundsätzlich keine Erlaubnis mehr dazu erhalten.
Während Freiheitsrechte, die immer auch Rechte sind, die den eigenen Körper betreffen, ausgehöhlt oder nach Gutdünken ausgesetzt oder wiederinstalliert werden, hat die individuelle Freiheit nach Diversitätskriterien Hochkonjunktur.
Seinen Körper geschlechtlich neu modellieren zu lassen, zwischen den beiden Geschlechtern zu verweilen — alles kein Problem. Dein Körper gehört schließlich dir. Wenn du aber noch nicht bereit bist, dir eine Impfung zu verpassen, lässt man die Ausrede vom eigenen Körper jedoch nicht gelten.
Dort gilt der eigene Körper als eine kuriose Form einer Allmende, als nutzbares Land, das als Gemeinschaftseigentum von allen genutzt werden darf und soll. Einer alleine hat hier nichts zu schaffen. Alle sprechen mit, alle entscheiden zusammen. Dein Körper gehört nicht grundsätzlich dir, du bist von der Allgemeinheit, der Gesellschaft nur dazu abberufen, möglichst gut auf ihn achtzugeben. Wenn du das nicht tust, dann ersetzt man dich eben.
Du kannst in diesen Zeiten nämlich alles sein: Frau, Mann oder nichts davon. Hetero-, bi- oder homosexuell — oder nichts davon. Aber eines kannst du nicht sein: Skeptiker. Weder was Maßnahmen noch das Impfen betrifft. Falls du das aber doch sein willst, spricht man dir ab, Herr über deine Sinne und bald schon über deinen Körper zu sein.
Der Mensch der Zukunft gehört sich nicht mehr selbst
Vermutlich erleben wir gerade einen Gewöhnungsprozess, die ersten Vorzeichen zu einer bombastischen Zukunft. Denn dass der Mensch sich in Zukunft noch als autonomes Wesen wahrnehmen kann, scheint fast ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein. Nach wie vor stehen wir an der Schwelle zum Transhumanismus. Das Virus, das in unser aller Leben pfuscht, steht dieser Erkenntnis gar nicht im Wege. Im Gegenteil: Der Konsens, dass die Menschheit sich aus ihrer Anfälligkeit und Sterblichkeit herausarbeiten kann, ist im Grunde das erste Credo der Transhumanisten.
Ob wir uns noch selbst gehören, wenn es schrittweise dazu kommt, dass Nanoroboter in uns geschossen werden, kann man natürlich nicht absolut beantworten. Tendenziell allerdings schon: Unsere Körperfunktionen werden überwacht und damit wird begutachtet werden, wie wir leben und was wir mit unserem Körper anstellen. Wird medizinische Versorgung noch bezahlt werden, wenn man raucht, wenn man zu viel Kuchen isst oder zu viele verschiedene Sexualpartner hat? Wenn man die designten Botenstoffe nicht gespritzt haben will, die einen von so einem Lotterleben erlösen?
Ist man noch Herr über sich selbst, wenn implementierte Algorithmen bei der Partnerwahl zur Verfügung stehen? Wenn man die Auswertungen von Biodaten nach einem Date heranzieht, um zu gucken, ob der potenzielle Kandidat kompatibel ist oder nicht? Am Ende trifft man sicherlich individuell eine Entscheidung. Aber gehört man sich da noch selbst? Oder ist man das Anhängsel von Technik und wissenschaftlichen Apparaturen?
Der Mensch der Zukunft läuft Gefahr, ein körperloses Wesen zu werden, das paradoxerweise an einem Körper klebt. Doch je mehr wir unseren Körper erforschen, desto mehr wird er uns auch genommen. Aber wenn man in eine mögliche Zukunft blickt, in der unsere Gesundheit generalüberwacht wird, ist schon fraglich, ob man jene, die ihren Körper nach eigenen Vorstellungen gebrauchen wollen, noch gesellschaftlich akzeptiert werden. Schließlich schaden sie sich ja, obwohl man als Mensch wissen könnte, wie man richtig mit seinem Körper umgeht.
Diese Utopie vollumfänglicher Gesundheit kann für uns Menschen von heute, die irrtümlicherweise noch denken, dass wir uns selbst gehören, nur als Dystopie gedacht werden.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Artikel erschien zuerst am 05. August 2021 auf dem Blog neulandrebellen.de +++
Bildquelle: Shawn Hempel / shutterstock
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