Die Drachensaat des 1. Weltkriegs geht auf
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
In der Ukraine und im Nahen Osten brennen die Lunten an einem Pulverfass. Lunten, die bereits im 1. Weltkrieg gelegt worden sind. Für jeden, der sehen will, sind die noch aus dem nie aufgearbeiteten 1. Weltkrieg stammenden Verwerfungslinien zu erkennen. Weitere Eskalationen in diesen beiden Krisenherden könnten in einen dritten Weltkrieg führen. Und der Wille zur Deeskalation ist nicht erkennbar.
Da wird die für den 10. bis 12. Oktober geplante Deutschlandreise des US-Präsidenten Joe Biden wegen des auf Florida zusteuernden Hurrikan Milton kurzfristig abgesagt(1), da Biden sich auf die Maßnahmen zur Bewältigung der Hurrikane Helene und Milton konzentrieren wolle,(2) während die Kriegsfurie über den ganzen Planeten tobt! Was sind das für Prioritäten?
Am Samstag, dem 12. Oktober, hätte sich auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland der US-Präsident mit der Ukraine-Kontaktgruppe treffen wollen. Es hätte ein weiteres Paket an Hilfsmaßnahmen für die Ukraine geschnürt werden sollen, während vor allem die Briten hofften, Präsident Biden erteile endlich die Zustimmung zum Abschuss von NATO-Langstreckenraketen von der Ukraine aus tief ins russische Gebiet. Präsident Putin hatte jedoch erst Ende September deutlich gemacht, dass derartige Angriffe Russland veranlassen könnten, seine überarbeitete Nukleardoktrin in Kraft zu setzen. Das dürfte nun aber vermutlich nur bis zum geplanten Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel verschoben sein.
Mitte September 2024 analysierte der provokante Ex-Nato-General, Harald Kujat, 2019/20 als Aufsichtsratsvorsitzender und Aushängeschild der Waffenschmiede Heckler & Koch(3) im Expertentalk mit Michael Clasen schonungslos die Kriegslage im Osten(4) und warnte in deutlichen Worten vor einer unkontrollierbaren Eskalation.
Seit Kriegsbeginn sei die militärische Lage der Ukraine „immer kritischer geworden“, sagt Kujat – trotz der „massiven westlichen Unterstützung“(5). Man müsse daher davon ausgehen, dass trotz fortgesetzter Unterstützung Kiews durch EU und NATO die Ukraine immer schwächer werde. Und dass am Ende eine „militärische, und zwar eine katastrophale militärische Niederlage der Ukraine“(6) stehe. Russland rücke im Donbass langsam, aber unaufhaltsam vor. Die Frage, ob eine Seite diesen Krieg gewinnen kann, verneinte Kujat. Russland würde die erhoffte Pufferzone zwischen seinen Grenzen und dem Gebiet der NATO nicht bekommen, während die USA weiter versuchen könnten, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch zu schwächen. Richtig erkannte Kujat, dass der eigentliche Rivale der USA in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aber China sei. So nannte Biden in der Nationalen Sicherheitsstrategie vom Oktober 2022 als Hauptziele zunächst den Abbau der wachsenden multidisziplinären Bedrohung durch China und dann die Abschreckung der von Russland ausgehenden Herausforderung in Europa.
Diese 2 Ziele wurde schon im September 2014 in dem Dokument TRADOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020-2040" unter Punkt 2.24 "Vorboten künftiger Konflikte" aufgeführt. Zwei Wochen später war in den Handreichungen des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses vom 15. November 2022 zu lesen:
„Um regionale Hegemonie in Eurasien zu verhindern, sind anscheinend viele militärische Operationen der USA im 1. und 2. Weltkrieg, sowie zahlreiche militärische Kriegseinsätze und alltägliche Operationen der USA seit dem 2. Weltkrieg zu einem nicht geringen Teil zur Unterstützung dieses Ziels durchgeführt worden“.
Seit über 100 Jahren wird die US-Außen- und Kriegspolitik ausschließlich von unipolaren Machtgelüsten getrieben. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Verständigungsfrieden vorläufig ausgeschlossen, es sei denn, die US-amerikanischen Geostrategen werden gezwungen, umzudenken.
Statt Biden kam nun Selenskyj zu einem bilateralen Besuch nach Berlin. Anfang September 2024 hatte Selenskyj an einem Verteidigungsministertreffen der Verbündeten in Ramstein teilgenommen und Scholz in Frankfurt am Main getroffen. Nur drei Wochen später kamen die beiden dann noch einmal kurz vor der UN-Generalversammlung in New York zu einem Gespräch zusammen. In Berlin wiederholte jetzt Scholz, dass Deutschland weiter an der Seite der Ukraine stehe, und sagte der Ukraine weitere Militärhilfe der westlichen Partner im Wert von 1,4 Milliarden Euro zu. Dazu gehörten Luftverteidigungssysteme, Artillerie und Drohnen.(7)
Im Kontext des Jahrestags des Hamas-Angriffs kündigte Scholz in einer Bundestagsdebatte an, auch Israel weiter Waffen zu liefern.(8) Der Krieg in Südwestasien droht sich sogar noch schneller auszuweiten, da ein Land nach dem anderen von Israel in Brand gesetzt wird. Anscheinend kann es Premierminister Netanjahu kaum erwarten, die iranischen Ölfelder, lebenswichtige Infrastruktur oder sogar das iranische Atomprogramm anzugreifen. "Ein Spiel mit dem Feuer", wie der russische Außenminister Sergej Lawrow am 7. Oktober in einem Interview mit Newsweek eindringlich warnte.
1914 Israel Zangwill - eine Stimme gegen den Völkerwahnsinn
Der englisch-jüdische Autor Israel Zangwill hatte schon zu Beginn des 1. Weltkriegs seine Stimme gegen den Völkerwahnsinn erhoben.
„Wir Juden, deren nationaler Gruß "Shalom" (Frieden!) ist“, begann Zangwill nach dem Krieg seine Rede im Londoner Pavillon-Theater, können nur unser Haupt verhüllen, wenn wir sehen, daß die größten Vertreter der Christenheit die einzige Gelegenheit versäumten, den Frieden auf ein dauerhaftes Fundament zu stellen.“ Statt dessen hätten „sie die Politik des "knock-out-blow" [Beim Boxen ein Schlag, der jemanden bewusstlos macht oder ihn technisch vom Weiterkämpfen disqualifiziert, W.E.] fortgesetzt, und der Hunger, die Pest, das Gemetzel und die Anarchie nehmen ihren Fortgang und Dimensionen an, die in den dunkelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte unbekannt waren.“ (9)
Abschließend stellte Zangwill die Frage, ob es im fünften Jahr des Krieges und nach geschlossenem Waffenstillstand nötig war, die Blockade gegen Deutschland fortzusetzen und Millionen von Männern, Frauen und Kindern, von Freunden wie Feinden, zum Hungertod zu verurteilen?
Er sah in den verkündeten Friedensparagraphen „nur die Drachenzähne, die in Europa die Saat für künftige Kriege ausstreuen werden“, und gestand ein, „daß selbst ein so großer Mann wie Präsident Wilson seine Feinde nur in eine Friedensfalle (peace-trap) gelockt und seine eigenen vierzehn Punkte als einen "Fetzen Papier" behandelt hat.“ Nun sei es Zeit, „daß das Volk Jesaias aufstehe und seine mahnenden Worte über die Erde erschallen lasse.“(10)
Nun habe auch Joseph Landau seinen Irrtum erkannt, dass diese leuchtenden 14-Punkte sich als Irrwische erwiesen haben, „dazu bestimmt, das vertrauende Deutschland in den Sumpf zu locken.“(11)
Mitten im Krieg, im Mai 1916, hatten sich die Regierungen von Großbritannien und Frankreich im geheimen Sykes-Picot-Abkommen auf gemeinsame koloniale Ziele in Nahost verständigt. Der Nordosten Palästinas sollte (mit Ausnahme einer britischen Enklave um die Hafenstadt Haifa) unter französische Kontrolle, der Südwesten Großbritannien zufallen, während für Zentralpalästina (inklusive Jerusalem) eine internationale Kontrollzone vorgesehen war. Ohne Rücksicht auf ethnische und kulturelle Strukturen wurden Grenzen gezogen. Mit ein paar Federstrichen zerstörten damals Briten und Franzosen die Konfliktsicherungsmechanismen der Osmanen im Nahen Osten. Das bedeutete das Ende des Friedens und war für die meisten Araber eine Katastrophe. In diesem Abkommen liegen die Wurzeln der heutigen Kriege und des heutigen Terrorismus im muslimisch-arabischen Spannungsbogen.
"Balfour-Deklaration" vom 2. November 1917
Nicht zuletzt wegen des Antisemitismus im zaristischen Russland – die deutschen Soldaten waren dort von Juden als Befreier begrüßt worden – zeigten sich die osteuropäischen Juden in Amerika deutsch-freundlich. Diese Entwicklung nahmen die amerikanische und die britische Regierung ernst. Letztere glaubte sogar an eine gegen Großbritannien gerichtete deutsch-jüdische Verschwörung.
In Amerika hatte die zionistische Bewegung unter Führung des Oberrichters Louis D. Brandeis und mit Unterstützung des US-Präsidenten Woodrow Wilson große Fortschritte gemacht, während in England der Zionismus durch die führenden Vertreter des englischen Judentums, insbesondere des Oberrabbiners Dr. S. H. Hertz und Lord Walter Rothschild gefördert wurde. Nicht zu vergessen auch Chaim Weizman, der als Doktor der Chemie von Russland aus nach England eingewandert war. Als Vorsteher der Laboratorien für die chemischen Kampfmittel hatte er 1916 das zur Herstellung von Sprengstoff sehr wichtige Aceton erfunden. Auch er hatte sich im Außenministerium für einen jüdischen Staat in der angestammten Heimat eingesetzt. In den wenig spektakulären Zeilen an Lord Rothschild erkannte der britische Außenminister den Anspruch der Juden an, in Palästina ihre nationale Heimstätte zu errichten. Vor Beginn der Einwanderungsperiode zwischen 1882 und 1903 lebten ca. 24.000 Juden in Palästina. Bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges war ihre Zahl auf 85.000 angestiegen und hatte damit bereits einen Bevölkerungsanteil von 12,3% erreicht. Einschränkend wurde allerdings auch gefordert, daß nichts geschehen würde, „was die bürgerlichen und religiösen Rechte der dort bestehen den nicht-jüdischen Gemeinschaften verletzen kann“.
Dieser Brief ging als Balfour-Erklärung in die Geschichte ein und wurde zur Magna Charta des jüdischen Volkes. Gerade durch die Entdeckung des Ostjudentums als Quelle vergessener Volkskräfte und durch die Konkretisierung der politischen Ziele des Zionismus wurde die Judenfrage in ganz neuer Weise akut und bot allen bedrängten Juden die Chance, "dem Hasse der Welt unseren Stolz" entgegenzusetzen, „den Stolz darauf, etwas Eigenes, etwas Ganzes zu sein“. Wie edelmütig und selbstlos war diese Zusage? Noch war Palästina türkisches Gebiet und musste erst erobert werden. Doch schon Mitte Dezember 1917 zog General Allenby in Jerusalem ein, und auf den Stufen der alten Davidszitadelle wurde die Befreiung Palästinas proklamiert.
Für den jüdischen Historiker Amos Elon gründete sich die britische Absichtserklärung zumindest teilweise auf den Wunsch, „die Unterstützung deutschfreundlicher amerikanischer Juden zu gewinnen." Für Joseph Landau gab sich England nur den Schein, die Sache der Zionisten zu führen. Nach seiner Auffassung verfolgten England und Amerika dabei nur den Zweck, „in den eigenen Ländern bei den Juden Bauernfang oder Soldatenfang"zu treiben, bei den Zentralmächten aber Zwist unter den Regierungen zu säen. Unter dem verlockenden Bild eines neuen Judäa wurden unter Führung der jüdischen Offiziere Jabotinsky und Trumpeldor schnell gepresste jüdische Bataillone unter der Davidsflagge aufgestellt. Hoffte die Kolonialmacht Großbritannien auf einen zuverlässigen und abhängigen Vasallen in Nah- und Mittel-Ost?
Zum Zeitpunkt der Balfour-Erklärung richtete sich Großbritanniens kriegspolitischer Horizont auf die Landverbindung seiner ägyptischen Kolonie mit dem zukünftig britischen Mesopotamien (heute Iran). Da hätte sich die Präsenz einer weiteren europäischen Großmacht in Gestalt Frankreichs im Hinblick auf die britische Kontrolle des südöstlichen Mittelmeerraumes nur hinderlich auswirken können.
Während die westeuropäischen sozialdemokratischen Gruppen in ihrem Verhältnis zum Zionismus zunehmend toleranter wurden, verhärtete sich die Haltung der kommunistischen Parteien. Als Internationalisten waren die Sozialisten von Anfang an Gegner dieses jüdischen Nationalismus, der nur vom Klassenkampf ablenke. Sie erstrebten eine Lösung der Judenfrage durch Assimilation.
Auch sahen die Kommunisten in der Balfour-Deklaration den Versuch des englischen Imperialismus, die Juden im östlichen Mittelmeer anzusiedeln, um den Suezkanal gegen die Freiheitsbestrebungen der Araber zu sichern. Der britische Economist sah die Entwicklung viel pragmatischer und verwies auf die Mineralquellen Palästinas als Ersatz für einen Kuraufenthalt in Deutschland und Österreich, da diese Länder doch für Jahre den Besuchern aus Westeuropa und Amerika so gut wie verschlossen sein würden. Mit Wohlwollen betrachtete die in Berlin erscheinende "Jüdische Rundschau"– das Organ der Zionistischen Vereinigung für Deutschland – die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina und bezeichnete es als falsch, die englische Zusicherung als einen Bluff aufzufassen:
„Denn gerade, wenn es England gelingen sollte, Palästina zu besetzen, würde es unmittelbar genötigt sein, die Versprechungen einzulösen, die es in seiner Erklärung gegeben hat.“
Für den israelischen Historiker Moshe Zimmermann konnten deutsche Juden angesichts des zu erwartenden Sieges der Briten über die mit Deutschland verbündete Türkei eine nationale Lösung in Gestalt einer jüdischen Heimstätte in Palästina nicht begrüßen. Nun galt es für das deutsche Außenministerium, vorsichtig zu taktieren.
Auf Anfrage eines jüdischen Journalisten hielt der Politiker und Historiker Hans Delbrück zunächst einmal fest, dass die Engländer alle Staaten der Welt bis auf die kleinsten mittelamerikanischen Republiken gegen uns mobilisieren konnten. Nun würden sie auch im Zionismus einen Bundesgenossen gegen Deutschland zu gewinnen suchen, indem sie eine selbständige religiöse Gemeinschaft in Palästina unter ihrem Protektorat versprächen.
„Man kann nicht leugnen, dass ein solches Versprechen für die Juden auf den ersten Anblick etwas Verführerisches hat. England ist mächtig, gewährleistet politisch-wirtschaftliche Ordnung und ist religiös tolerant. Trotzdem wäre es sehr kurzsichtig, wenn die Zionisten sich deshalb als Bundesgenossen der Entente deklarieren sollten.“
Während ein Teil der jüdischen Generation den Weg Herzls und Jabotinskys beschritt, schloss sich der andere – nach Alexander Solschenizyn der wesentlich größere Teil – Lenin, Stalin und Trotzki an.
Die jüdischen "Befreiungsorganisationen" (1931-1948)
"Haganah", die "Irgun Avai Leumi" und die "Lohamei Herut Israel"
Noch im Zweiten Weltkrieg wurde in Palästina zur Schaffung eines palästinensischen Staates ein terroristischer Krieg geführt. In den 1940er Jahren nahmen zionistische Terrorgruppen ungestraft nicht nur militärische Ziele, sondern auch Zivilisten ins Visier. So griffen sie im Oktober 1945 gleichzeitig koloniale Eisenbahnen, Ölraffinerien und Polizeiboote in Palästina an. Dies war der Beginn einer zweijährigen Periode zionistischer Anschläge gegen die Briten und die Palästinenser. Am heißen 22. Juli 1946 trug kurz vor zwölf Uhr mittags eine Gruppe von Männern, scheinbar arabische Lieferanten, sieben Milchkannen in das mondäne King-David-Hotel im Westen Jerusalems – damals Sitz der britischen Mandatsverwaltung. Die Männer gehören zur Untergrundgruppe Irgun, ihre Kannen waren gefüllt mit Sprengstoff. Die folgende Explosion tötete 92 Menschen. Den Anschlag hatte Menachem Begin, der spätere Ministerpräsident Israels und Friedensnobelpreisträger, befohlen.(12)
„Robert Asprey, Menachem Begin und Samuel Katz wiesen darauf hin, dass das King David Hotel aus zwei Gründen in die Luft gesprengt wurde: zum einen als Vergeltung für den britischen Angriff auf die Jewish Agency und zum anderen, um geheime Dokumente zu vernichten, die die Jewish Agency und David Ben Gurion mit dem Terrorismus der Haganah in Verbindung gebracht hätten“(13), schreibt US-Captain John Louis Peeke in seiner Masterarbeit "Jewish – Zionist Terrorism and the Establishement of Israel"(14). Im Abstract wird festgehalten:
„In der jüngeren Geschichte haben von der Palästinensischen Befreiungsorganisation und ihren verschiedenen Unterstützern initiierte Vorfälle weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Doch bereits im Zweiten Weltkrieg wurde um dasselbe Gebiet ein weiterer Terrorkrieg geführt, für den gleichen Zweck – die Schaffung eines palästinensischen Staates. Diesmal waren die Terroristen jedoch Juden“(15).
Die Haganah war der bewaffnete Flügel der Jewish Agency for Palestine, des operativen Zweigs der Zionistischen Weltorganisation. Diese war von Theodor Herzl, dem Gründervater des Zionismus, auf dem ersten Zionistenkongress 1897 im schweizerischen Basel gegründet worden.
Die Jewish Agency for Palestine, die nach 1948 in Jewish Agency for Israel (Jüdische Agentur für Israel) umbenannt wurde, sollte die jüdische Einwanderung aus anderen Ländern nach Israel fördern, schützen und umsetzen. Ben Gurion war von 1935 bis zur Gründung des israelischen Staates im Jahr 1948 Präsident der Jewish Agency und spielte eine entscheidende Rolle bei den Aktivitäten der Haganah. Später wurde Gurion Israels erster Ministerpräsident. Haganah bedeutet Verteidigungskraft, was die zionistischen Führer dazu inspirierte, ihre Streitkräfte nach der Gründung Israels in „Israelische Verteidigungskräfte“ (IDF) umzubenennen.
„Aus den Untergrundaktivitäten der 1940’er Jahre ging der jüdische Terrorismus in militärische Operationen über und aus der Terrororganisation wurde die Israelische Verteidigungsarmee“, schreibt Peeke weiter.
„Ethnische“ Säuberung durch Zionisten
Nach Ansicht des israelischen Historikers Ilan Pappe war das am 9. April 1948 durch Irgun- und Lehi-Terroristen verübte Massaker in Deir Yassin Teil einer planmäßigen ethnischen Säuberung, mit der führende jüdische Politiker und Kommandeure die arabische Bevölkerung aus jenen Teilen des Mandatsgebiets vertrieben, die sie für den kommenden Staat Israel vorgesehen hatten.
International bekannte Persönlichkeiten wie Martin Buber, Albert Einstein und Hannah Arendt bezogen Stellung und verurteilten das Massaker von Deir Yassin. So wandten sich prominente amerikanische Juden – unter ihnen Einstein und Arendt – 1948 in einem offenen Brief in der New York Times gegen Menachem Begin und die von ihm gegründete Partei, in dem sie auch Deir Yassin erwähnten:
„(…) Am 9. April griffen terroristische Banden dieses friedliche Dorf an, das kein militärisches Ziel darstellte, töteten die meisten Einwohner (240 Männer, Frauen und Kinder) und ließen ein paar am Leben, um sie als Gefangene durch die Straßen Jerusalems zu treiben. […] Die Terroristen, weit entfernt davon, sich ihrer Taten zu schämen, waren stolz auf das Massaker, machten es weithin bekannt und luden sämtliche Auslandskorrespondenten im Land ein, die Leichenberge und die allgemeine Zerstörung in Deir Yassin in Augenschein zu nehmen“(16).
Ab dem Sommer 1948 wurde das Dorf planmäßig neu besiedelt und an die Jerusalemer Infrastruktur angeschlossen. Die neuen Bewohner der nun Giw'at Scha'ul genannten Siedlung waren hauptsächlich Einwanderer aus Polen, Rumänien und der Slowakei. Heute ist Giw’at Sha’ul Teil von Har Nof, einem jüdisch-orthodoxen Gebiet.
Am Ende seiner Masterarbeit warnt Peeke davor, „vorschnelle Schlussfolgerungen zu ziehen, Verallgemeinerungen auf die historischen Ereignisse anzuwenden und zu implizieren, dass die jüdischen Terroristen ein Muster geschaffen hätten, dem jede nationalistische Bewegung als Blaupause folgen könnte, um ihre Unabhängigkeit zu erlangen“. Jeder historische Fall sei einzigartig. Es sei aber nicht klug, „eine Parallele zu den heutigen Terroristen wie der "Irisch-Republikanischen Armee" oder der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" zu ziehen. Die "Haganah", die "Irgun Avai Leumi" und die "Lohamei Herut Israel" können aufgrund ihrer individuellen Verdienste nur deshalb als Helden des jüdischen Aufstands bezeichnet werden, weil ihre Revolution erfolgreich war und die Geschichte tendenziell den Sieger begünstigt“(17). Das haben die USA bisher recht erfolgreich durchdekliniert und hoffen nun auf "Win in a Complex World 2020 - 2040".
Das nicht enden wollende Ping-Pong-Spiel mit Krieg und Frieden
Die Islamische bzw. "Iranische Revolution" führte im Frühjahr 1979 zur Absetzung von Schah Mohammad Reza Pahlavi, zur Beendigung der Monarchie und zur "Islamischen Republik Iran". Vor 1935 wurde der Iran auf internationaler Ebene Persien genannt. Ein kulturträchtiges Land, dass auf Überschneidungen mit Mesopotamien und Babylonien verweisen kann. Damit verfügt es über ein intellektuelles Erbe, das sich explizit von der westlichen Tradition unterscheidet, ohne mit ihr aber im Widerspruch zu stehen. Von den USA wird der Iran heute unreflektiert als feindlich gegenüber der von Washington vorgegebenen "Internationalen Ordnung" eingestuft, eine Bedrohung, die die US-Streitkräfte zwischen 2020 und 2040 abbauen sollen(18). Das dürfte auch so in der israelischen Agenda vorgesehen sein.
Seit dem 7. Oktober 2023 geht ein Gewalt-Tsunami durch den Nahen Osten, dem offensichtlich immer neue Energie zugeführt wird.
Nach der völkerrechtswidrigen Ermordung eines iranischen Generals und seiner Kollegen im iranischen Konsulat im syrischen Damaskus durch Israel Anfang April 2024 drängte der Westen den Iran, sich bei der Reaktion zu mäßigen. Der Iran kam dem nach. Am 13. April feuerte er Drohnen und Raketen auf Israel ab, und zwar auf eine Art und Weise, die eine kurze – vorher angekündigte – konzertierte Botschaft der Fähigkeiten sendete, aber - wie vom Westen gefordert - keinen umfassenden Krieg einläutete.
Am 31. Juli 2024 wurde der ehemalige Ministerpräsident der "Palästinensischen Autonomiegebiete" Ismail Haniyya, Gast Teherans, der an der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten teilnahm, mit einem seiner Leibwächter mittels eines Marschflugkörpers im Gästehaus der Revolutionsgarden in Teheran getötet. „Die Tötung des Chefs des Hamas-Politbüros Haniyeh ist ein Erfolg für Israels Abrechnungspolitik“(19), titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die von vielen Medien an den Tag gelegte blinde Gefolgschaft für den Zionismus ist hochgradig befremdlich. Pro-Zionismus als Medizin gegen den Verdacht auf Antisemitismus? Dabei geht es offensichtlich um Politik, Krieg und Völkerrecht und am wenigsten um Juden.
Anschließend baten die westlichen Staaten den Iran erneut, von jeglicher militärischen Vergeltung gegen Israel abzusehen und versprachen dem neuen iranischen Präsidenten Pezeshkian die Aufhebung wesentlicher Sanktionen gegen die Islamische Republik und einen garantierten Waffenstillstand in Gaza gemäß den Bedingungen der Hamas.
Der Iran hielt sich zurück und akzeptierte es, nach außen hin schwach zu wirken – was im Land heftig kritisiert wurde. Doch der Westen enttäuschte den unerfahrenen neuen Präsidenten: „Sie haben gelogen“(20), sagte er. Keines der Versprechen wurde gehalten. Seither steht Pezeshkian vor einem echten Dilemma. Eine kriegsvermeidende Politik der Zurückhaltung scheint fehlinterpretiert und als Vorwand für eine Eskalation genutzt werden zu können. Kurz gesagt ist die Kehrseite, dass „ob man es will oder nicht, der Krieg auf den Iran zukommt“(21).
Dann folgte der "Pager-Angriff" gegen die Hisbollah-Führung, einschließlich der Symbolfigur ihres Anführers Seyed Hassan Nasrallah. Diese wahllosen Angriffe töteten hunderte Zivilisten und verletzten Tausende, darunter auch Kinder. Für Washington war mit diesem terroristischen Akt – ohne Zweifel ein Völkerrechtsbruch – "Gerechtigkeit" geübt worden.
Wieder bedrängte der Westen den Iran und verlangte den Verzicht auf Vergeltungsmaßnahmen gegen Israel. Doch am 1. Oktober setzte der Iran mit 200 ballistischen Raketen ein demonstratives Signal und fügte Luftwaffenstützpunkten sowie Militär- und Geheimdienststandorten Schaden zu. Die USA wurden vorher informiert und es wurde bewusst darauf verzichtet, die wirtschaftliche und industrielle Infrastruktur Israels oder das israelische Volk ins Visier zu nehmen.
Diese Zurückhaltung brachte dem Iran wieder nur Spott aus dem Westen ein.
Die USA boten nun Israel die volle Unterstützung der USA für eine umfassende Vergeltung gegen den Iran an:
„Dieser Angriff wird schwerwiegende Folgen haben, und wir werden mit Israel zusammenarbeiten, um dies zu erreichen“, sagte Jake Sullivan.
„Täuschen Sie sich nicht, die Vereinigten Staaten unterstützen Israel voll und ganz“(22), sagte Biden.
Wen würde es wundern, wenn sich Präsident Pezeshkian vom Westen ‚ausgetrickst‘ fühlt und Parallelen zur ‚Minsker Täuschung‘ des Westens gegenüber Präsident Putin zieht.
Israel ist dagegen voller Eifer für einen Krieg, um seine „Neue Ordnung“ für den Nahen Osten zu etablieren. Es kann sich der Unterstützung durch die USA sicher sein, auch wenn gelegentlich andere Signale aus Washington kommen.
Washingtons Strategie zielt letztlich auf Russland und China.
Für den ehemaligen britischen Diplomaten, Gründer und Direktor des in Beirut ansässigen "Conflicts Forum"(23), Alastair Warren Crooke, steht der Westen derzeit vor mindestens einer, möglicherweise sogar zwei vernichtenden Niederlagen, und er fragt:
„Werden Lehren daraus gezogen? Können die richtigen Lehren daraus gezogen werden? Akzeptiert die professionelle Weltordnungsklasse überhaupt, dass es Lehren zu ziehen gilt?“(24)
Anscheinend nicht!
Als Reaktion auf den iranischen Raketenangriff auf Israel verhängten die USA neue Sanktionen gegen die Islamische Republik. Außenminister Antony Blinken erklärte, dass diese Maßnahmen darauf abzielen, die Einnahmen der iranischen Regierung für ihr Atomprogramm, die Raketenentwicklung und die Unterstützung von Terrororganisationen zu unterbrechen. Parallel zu den Sanktionsankündigungen besprachen die USA mit Israel Pläne für einen militärischen Vergeltungsschlag gegen den Iran. Israel droht nun mit einer "tödlichen und präzisen" Vergeltung. Unterdessen gehen die Kämpfe im Libanon und im Gazastreifen trotz des Jom Kippur-Festes weiter. In Israel herrscht angesichts des andauernden Raketenbeschusses aus dem Libanon und der zunehmenden Spannungen mit dem Iran höchste Alarmbereitschaft(25).
Am 10. Oktober 2024 beschossen nach Darstellung der Vereinten Nationen israelische Truppen im Libanon das Hauptquartier der UN-Mission Unifil und verletzten mindestens zwei UN-Soldaten. Ein Panzer der israelischen Armee habe in Nakura – der erste größere Ort im Libanon nahe der Demarkationslinie mit Israel – einen Beobachtungsposten der Vereinten Nationen direkt getroffen.(26)
"Die Sicherheit und der Schutz der Friedenstruppen ist jetzt zunehmend in Gefahr"(27), sagte der Chef der UN-Friedensmissionen, Jean-Pierre Lacroix, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Ein Großteil des südlichen Libanon, das Einsatzgebiet von UNIFIL, sei "jetzt unbewohnt und zunehmend auch unbewohnbar", sagte Lacroix. Die operativen Tätigkeiten der Einsatzkräfte stünden seit rund zwei Wochen weitestgehend still, sie hätten sich auf ihre Stützpunkte zurückgezogen und verbrächten viel Zeit in Schutzbunkern.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte, solche Vorfälle seien "nicht hinnehmbar" und dürften sich nicht wiederholen. Die Friedenssoldaten müssten geschützt werden, so Guterres.
"Wir können keine Eskalation des Nahost-Konfliktes zulassen, er stellt eine Bedrohung für die globale Sicherheit dar."(28)
Es müsse alles getan werden, um einen umfassenden Krieg im Libanon zu vermeiden. Auch etliche Länder protestierten, darunter Deutschland, Italien und die Türkei. "Der Beschuss von Friedenstruppen der UN ist auf keine Weise akzeptabel und hinnehmbar"(29), sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Der Vorfall müsse genau aufgearbeitet werden.
Russland kritisierte den Beschuss ebenso wie die Türkei. "Die Angriffe Israels auf UN-Truppen im Anschluss an die Massaker an Zivilisten im Gazastreifen, im Westjordanland und im Libanon sind Ausdruck der Auffassung Israels, dass seine Verbrechen ungestraft bleiben", erklärte das Außenministerium in Ankara.
"Die internationale Gemeinschaft ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel das Völkerrecht einhält."(30)
Am 14. Oktober griff die Hisbollah mit einer Drohne einen Armeestützpunkt in der Nähe der Stadt Binjamina im Norden Israels an. nach Angaben des israelischen Militärs seien vier Soldaten getötet und mehr als 60 Menschen verletzt worden, davon sieben weitere schwer.(31) Es handle sich nach Angaben der Hisbollah um Vergeltung für zwei israelische Angriffe in Beirut am 10. Oktober, bei denen 22 Menschen getötet wurden.
Russland erwartet nun einen israelischen Angriff auf die lebenswichtige Infrastruktur Irans, der durch eine Enthauptungsoperation gegen seine politischen und militärischen Führer verstärkt wird. „Der Angriff muss über das hinausgehen, was US-Berater vorgeschlagen haben, um die Wahrscheinlichkeit einer übertriebenen Vergeltung seitens des Iran zu erhöhen, die den Eintritt Washingtons in den Krieg veranlassen wird“, so die Einschätzung der australischen TV-Legende Mike Whitney. Er ist überzeugt, dass Russland Wert auf eine „verhältnismäßige Reaktion“ legen wird. Putin wird Israel und den Vereinigten Staaten jede Gelegenheit geben, „die Temperatur zu senken“ und zu deeskalieren, aber wenn sie sich dazu entschließen, ihre Angriffe zu verstärken, müssen wir mit dem Worst-Case-Szenario rechnen.
Es gibt keine Möglichkeit, dass die Vereinigten Staaten einen Krieg mit dem Iran unbeschadet überstehen.
„Dies sind bedeutsame Zeiten, in denen der Grundstein, auf dem die alte Ordnung ruht, vor unseren Augen zerfällt“(32).
Der israelische Friedens- und Versöhnungsfreund Reuven Moskovitz (1928-2017)
Diese Entwicklung scheint der israelische Friedens- und Versöhnungsfreund Reuven Moskovitz (1928-2017) schon lange vorhergesehen zu haben. Er hatte nach dem 6-Tage-Krieg das in der Mitte Israels, etwa gleich weit entfernt von Tel Aviv-Jaffa und Jerusalem gelegene Friedensdorf Neve Shalom gegründet. Hier leben bereits in der dritten Generation Juden und Araber friedlich miteinander. Bei meinem Besuch mit Reuven Moskovitz 2010 konnte ich den Frieden dort deutlich spüren. Reuven hatte immer wieder gemahnt, vor falschen Hoffnungen gewarnt und Visionen für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina entwickelt. Früher als viele andere Beobachter, hat er darauf hingewiesen, dass es die israelischen Regierungen waren, die
„keine Gelegenheit verpassten, den Frieden zu verpassen.“
Ebenso wie der jüdische Philosoph Leibowitz beruft sich Reuven, der „Rufer in der Wüste“, auf Franz Grillparzer (1855): „Die Menschheit geht den Weg vom Humanismus zum Nationalismus und vom Nationalismus zum Bestialismus.“ Bei seinem letzten Besuch in Deutschland 2016 hatte er bereits jede Hoffnung aufgegeben. Unter Tränen erklärte er mir, dass die von der israelischen Regierung ausgehende Gewalt in keiner Weise von der jüdischen Religion gedeckt ist – im Gegenteil. Er befürchtete, dass am Ende der Gewaltspirale das Ende Israels stehen könnte.
2009 war sein beeindruckendes Buch "Der lange Weg zum Frieden – Deutschland-Israel-Palästina - Episoden eines Friedensabenteurers"(33) erschienen. Die Zeilen des Nachworts zur 4. Auflage schrieb er im Jahr der gezielten Liquidierungen islamistischer Führer, der palästinensischen Selbstmordattentate, der totalen Blockade durch Zäune, Mauern und Straßensperren, drei Jahre nach Beginn der zweiten Intifada, zehn Jahre nach den Osloer Verträgen, 30 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg und 56 Jahre nach der Entscheidung der Vereinten Nationen, in Palästina einen jüdischen Staat, einen palästinensischen Staat und eine internationale Verwaltungszone in Jerusalem zu errichten. Warum nur der Staat Israel entstand, versuchte Moskovitz in seinem Buch zu schildern.
Ihn schmerzte es, dass durch den israelisch-palästinensischen Konflikt manche arabischen Semiten alle europäischen antisemitischen Vorurteile, Fälschungen, Feindbilder aufgenommen haben. Noch schrecklicher fand er es,
„wenn jüdische Semiten das antisemitische Waffenarsenal übernehmen, um arabische Gruppen zu dämonisieren…, denn die jüdisch-israelischen Kreise, die sich des Antisemitismus bedienen, um politische, wie ich meine – unechte - Ziele zu erreichen, versuchen, alle Nicht-Juden oder auch Juden als Antisemiten anzuprangern, nur weil sie mit diesen Zielen nicht einverstanden sind, oder weil sie anderweitige Kritik zu üben wagen und zum Beispiel der Meinung sind, dass der Einsatz militärischer Mittel, der inzwischen verbrecherische Dimensionen angenommen hat, nicht mit einem Staat zu vereinbaren ist, der behauptet die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein. Im Blute meines Herzens fühle ich mich gezwungen zu sagen, dass dieser demokratische israelische Staat alle menschlichen und moralischen Grenzen überschritten hat. Jeder Humanist und Demokrat muss diese Tatsache bedauern. Und dann ist es unerträglich, wenn diese Demokraten und Humanisten, seien es Staaten, Gruppen oder Einzelne, die sich gegen die Verletzungen von Menschenrecht, Völkerrecht und Menschenwürde in Israel wehren, als Antisemiten verleumdet werden. Ich kann gar nicht genügend den Spruch der jüdischen Weisen wiederholen, der heißt: "Ein Held ist jemand, der seinen Feind zum Freund macht". Wie aber soll man diejenigen nennen, die zu Unrecht „Freunde als Feinde" bezeichnen?“ (34)
Was den langen Weg zur Wahrheit anbelangt, stelle Moskovitz mit gemischten Gefühlen fest, dass einerseits viel geschehen ist und viele festgefahrenen Lügen von israelischen Historikern, Politikern, hochrangigen Offizieren und Schriftstellern, die die Sinnlosigkeit der Gewalt wahrgenommen haben, mutig entlarvt worden sind. In einer Podiumsdiskussion zwischen Generälen, Historikern, Politikern und Pressevertretern zum 30. Jahrestag Jom-Kippur-Krieg wurde einstimmig der Golda Meir - Regierung die volle Verantwortung für diesen vermeidbaren Krieg, der viele Tausende von Menschenleben kostete, zugeschrieben. Leider seien diese Tatsachen noch nicht von der Mehrheit des israelischen Volkes und leider noch weniger in Deutschland wahrgenommen werden.
Effenberger und Moskovitz(35)
„Seit fast 60 Jahren nehme ich jede sich mir bietende Gelegenheit wahr“, so Reuven Moskovitz im Prolog des gemeinsam mit Wolfgang Effenberger 2013 veröffentlichten Buches ‚Deutsche und Juden vor 1939 - Stationen einer schwierigen Beziehung‘, „für eine israelische Friedenspolitik zu werben. In dieser Absicht nahm ich dankend die Einladung nach Berlin an, um dort am 25. Juli 2009 auf dem Friedensfestival meine Stimme zu erheben.(36) Dem nachfolgenden Beitrag von Wolfgang Effenberger konnte ich leider nicht meine volle Aufmerksamkeit schenken. Ein eifriger Berliner Journalist versuchte mich unablässig zu überzeugen, dass meine Feststellung von fehlender israelischer Friedenspolitik seit der Staatsgründung nur dem Antisemitismus dienen könnte. Anschließend habe ich dann den beeindruckenden Redetext zum Thema ‚Quo vadis Deutschland - neue Kriege um Rohstoffe?‘ des weitblickenden Vortrages von Herrn Effenberger gelesen und ihn gebeten, mit mir in Verbindung zu bleiben".(37)
Mit ihrem Gemeinschaftswerk wollten beide Autoren dazu beitragen, dass die Geschichte Europas nie wieder in repressive Gewässer mündet.
Reuven Moskovitz und Wolfgang Effenberger im Gespräch (Hechendorf/Pilsensee 2011) – Auf dem Tisch das Buch „Der lange Weg zum Frieden“
Friedensfördernd kann nur eine kritische Historienbetrachtung sein, die das Bestreben hat, sich der Wahrheit asymptotisch anzunähern. Leider werden selten die Chancen genutzt. Am Samstag, dem 7. Juli 2017, erschien im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel "Echo des Krieges" ein dreiseitiges Gespräch mit dem jungen Historiker Robert Gerwarth. Man muss ihm zustimmen, wenn er sagt, dass sich die Geschichte zwar nicht wiederholt, es aber tatsächliche Parallelen zur Welt vor 100 Jahren gibt: „man hört Echos von damals“. Deshalb müssen wir die historischen Wurzeln jener Konflikte, die wir heute erleben, verstehen. Auf die Ursprünge der "Echos" geht er dann aber nicht ein. Mit der Behauptung: „Europas Geschichte ist ohne die Entwicklungen zwischen 1917 und 1923 kaum zu verstehen“(38) umschifft er eine gefährliche Klippe: Die Motive, die in den ersten Weltkrieg führten. So wird im Gespräch auf den oder die Verursacher des 1. Weltkriegs nicht eingegangen, dafür die angelsächsische Weltsicht dargeboten – und natürlich an Fritz Fischers längst überholtes Buch "Griff nach der Weltmacht" erinnert. Jeder Blick in die wirklichen Motive der "Herren des Papiergeldes" wird vermieden. So werden Kriege und Krisen im Profit- und Machtinteresse dieser Kreise weiteres Leid über die Menschen bringen.
Der deutsche Philosoph Oswald Spengler hat nach dem 1. Weltkrieg visionär geschrieben:
„Für uns aber, die ein Schicksal in diese Kultur und diesen Augenblick ihres Werdens gestellt hat, in welchem das Geld seine letzten Siege feiert und sein Erbe, der Cäsarismus, leise und unaufhaltsam naht, ist damit in einem eng umschriebenen Kreise die Richtung des Wollens und Müssens gegeben, ohne das es sich nicht zu leben lohnt. Wir haben nicht die Freiheit, dies oder jenes zu erreichen, aber die, das Notwendige zu tun oder nicht. Und eine Aufgabe, welche die Notwendigkeit der Geschichte gestellt hat, wird gelöst, mit dem einzelnen oder gegen ihn.“(39) Damit hat er genau beschrieben, was uns heute mit der globalen Finanzblase bevorsteht: Die totale Ausplünderung und Versklavung der Welt sowie die Entwertung von allem und jedem.
So wundert es nicht, dass heute die Krisen an den Bruchlinien des Ersten Weltkriegs – im Nahen und Mittleren Osten, in der Ukraine und in Nordafrika – wieder aufgebrochen sind, weil die Problematik weder gelöst noch aufbereitet wurde. Die Kriegstreiber von heute sind wie damals kühl kalkulierende, machtbesessene und menschenverachtende Hasardeure. Sie finden sich unter Spekulationsbankern und Inhabern von Rüstungsgroßkonzernen, vor allem in den transnationalen Konzernen und dem transnationalen Kapital.
Anmerkungen und Quellen
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete “atomare Gefechtsfeld” in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie “Die unterschätzte Macht” (2022).
1) https://www.tagesschau.de/inland/regional/brandenburg/rbb-us-praesident-biden-sagt-berlin-besuch-wegen-hurrikan-milton-ab-100.html 2) https://www.puls24.at/news/politik/biden-sagt-deutschlandreise-ab/356941 3) https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/harald-kujat-gibt-bei-heckler-and-koch-auf-nach-nur-einem-jahr-als-aufsichtsratschef-a-aefc926e-b462-4504-85b2-3c0b10f607b6 4) https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/davor-warnt-ex-nato-general-harald-kujat-im-ukraine-krieg-47731767 5) Ebda. 6) Ebda. 7) https://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/scholz-ukraine-umfangreiche-waffenlieferung-40223362 8) https://onenews.com/summary?category=News&aid=fb4d1bf9013fd19078295f6728352b21&native=taboola&type=0_1023_102_1102_108_240414 9) Allgemeine Jüdische Zeitung Nr. 27 vom 4. Juli 1919, S. 291 10) Wolfgang Effenberger/ Reuven Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1919 – Stationen einer schwierigen Beziehung, Höhr-Grenzhausen 2013, ‚S. 291/92 11) Ebda. 12) https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2021/04/king-david-hotel-anschlag-jerusalem-1946/komplettansicht 13) https://apps.dtic.mil/sti/tr/pdf/ADA047231.pdf 14) John Louis Peeke, Captain, United States Air Force B.S., University of Maryland, 1968 M.L.A., Texas Christian University, 1976 15) https://apps.dtic.mil/sti/tr/pdf/ADA047231.pdf 16) Zitiert wie https://www.palestinemission.at/single-post/2018/04/09/zum-70-jahrestag-des-massakers-von-deir-yassin 17) https://apps.dtic.mil/sti/tr/pdf/ADA047231.pdf 18) Gemäß 2.4 TRADOC 525-3-1 „Win in Complex World 2020 – 2040” vom September 2014 abbauen sollen. 19) https://www.faz.net/aktuell/politik/krieg-in-nahost/hamas-chef-ismail-haniyeh-getoetet-wer-war-das-gesicht-der-radikalen-organisation-19891211.html 20) https://strategic-culture.su/news/2024/10/07/perfidy-in-tehran/ 21) Ebda. 22) Ebda. 23) Einer Organisation, die sich für die Auseinandersetzung zwischen dem politischen Islam und dem Westen einsetzt. 24) https://strategic-culture.su/news/2024/10/07/perfidy-in-tehran/ Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus 25) https://web.de/magazine/politik/nahostkonflikt/lage-ueberblick-washington-ergreift-massnahmen-teheran-40225048#.homepage.threeList_4_Recommendation_treatSimple.Washington%20ergreift%20weitere%20Maßnahmen%20gegen%20Teheran 26) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/un-mission-angriff-libanon-israel-nahost-100.html 27) https://www.tagesschau.de/ausland/asien/libanon-israel-blauhelme-nahost-100.html 28) https://www.tagesschau.de/ausland/asien/libanon-israel-blauhelme-nahost-102.html 29) https://www.tagesschau.de/ausland/asien/libanon-israel-blauhelme-nahost-102.html 30) Ebda. 31) https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-drohnen-unifil-100.html 32) https://www.unz.com/mwhitney/if-israel-attacks-iran-russia-is-not-going-to-stay-on-the-sideline/ 33) Reuven Moskovitz: "Der lange Weg zum Frieden Deutschland – Israel – Palästina Episoden eines Friedensabenteurers", Berlin 2009 34) Reuven Moskovitz: "Der lange Weg zum Frieden Deutschland – Israel – Palästina Episoden eines Friedensabenteurers", Berlin 2009, S. 393 35) https://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28897 36) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14075 37) https://www.nrhz.de/flyer/media/14075/Berlin-Rede-Effenberger-23-07-09.pdf 38) Echo des Krieges: Süddeutsche Zeitung Nr. 155 8./9. Juli 2017 Seite 11 39) Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umriss einer Morphologie der Weltgeschichte. München 1972, Sp. 1194/1195
+++
Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
+++
Bildquelle: GAmedia/ Shutterstock.com
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut