Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Nach dem Fiasko in der TV-Debatte ist die zunehmende Demenz des US-Präsidenten nicht mehr zu übersehen. Die New York Times fordert ganz ungeniert die Ablösung von „Sleepy Joe Biden“. Doch wer soll jetzt für die Demokraten die Kohlen noch aus dem Feuer holen?
All die vielen Jahre hatte die einflussreichste Zeitung des US-Establishments, nämlich die New York Times, Joe Biden immer wieder gegen Kritik und Spott und Häme tapfer in Schutz genommen. Kritik am (noch) amtierenden US-Präsidenten war gleichbedeutend mit Landesverrat. Negativer Input über „Sleepy Joe“ konnte nur das Werk russischer Propaganda sein. Die bösen Russen halten es doch sowieso mit diesem Polterer und Ex-Präsidenten Donald Trump. Also: Mund halten und durch.
Doch nach dem blamablen Auftritt des betagten Präsidenten im TV-Duell gegen seinen Amtsvorgänger und Herausforderer Trump ist jetzt Schluss mit lustig. Biden war völlig konfus und brachte so manchen Satz gar nicht mehr zu Ende, so dass Trump noch mal nachfragen musste, was Biden eigentlich gesagt hatte. Das wusste Biden dann allerdings auch nicht mehr so ganz. Bidens Fans brachen am Fernseher weinend zusammen angesichts dieser menschlichen Tragödie. Die New York Times entschloss sich mit einem so genannten Editorial zum Abschuss der Gnadenkugel gegen den auf offener Bühne strauchelnden Alterspräsidenten Biden. In einem Editorial erlauben sich die Herausgeber einer Zeitung, ihre Neutralität aufzugeben und zu einem wichtigen Thema persönlich Stellung zu nehmen. Und so lobten die diplomatisch vorgehenden Herausgeber der New York Times die „gute Arbeit“ des Präsidenten in den letzten vier Jahren, und dass Biden den bösen Trump so schön besiegt habe. Aber, sorry, es ist auch mal Zeit zum Gehen, wie die Zeitung befand:
„Der klarste Weg für Demokraten, einen durch seine Lügen definierten Kandidaten zu besiegen, besteht darin, ehrlich mit der amerikanischen Öffentlichkeit umzugehen: anzuerkennen, dass Herr Biden sein Rennen nicht fortsetzen kann, und um ein Verfahren zu schaffen, jemanden auszuwählen, der fähiger ist, an seine Stelle zu treten und Mr. Trump im November zu besiegen.“ <1>
Harter Tobak. In dem famosen Märchen des Hans Christian Andersen ist es das unbedarfte Kind, das endlich etwas sagt, was sich kein noch so hohes Mitglied des Hofstaats zu sagen traut: „Aber der Kaiser ist ja nackt!“ Ja, Biden ist nackt. Das hat doch jeder aufmerksame Beobachter schon erkannt, als „Sleepy Joe“ vor vier Jahren ins Weiße Haus einzog. Biden redete schon damals wirres Zeug, sprach mit Leuten, die schon lange tot sind. Doch der Hofstaat tat so, als wäre nichts passiert. Doch hinter der New York Times steht der mächtige Council on Foreign Relations, der seit über einhundert Jahren die politischen Puppen in Washington tanzen lässt <2>. Und der ein fein gewebtes Netz von Einflussorganisationen weltweit ausgebreitet hat. Nichts wird dem Zufall überlassen. Umso schmerzlicher war, dass das Präsidentenamt für vier Jahre an einen Außenseiter, nämlich Donald Trump, ging. Es geht jetzt ans Eingemachte. Wenn Biden jetzt zu dement ist, um das Weiße Haus zu verteidigen, muss es jemand anders machen. Und so überzog die New York Times nach diesem Editorial Amerika mit einer ganzen Serie von Verriss-Artikeln gegen Biden. Im Wahlkampfteam von Biden werden während dessen Durchhalteparolen ausgegeben. Joe Biden sagt: ja, er sei k.o. gegangen. Aber sein Team werde ihn auffangen, und er sei bereit und fähig, Trump zu schlagen. Vizepräsidentin Kamala Harris versichterte ihm, sie werde ihn nicht ersetzen, sondern bis zum bitteren Ende hinter ihm stehen <3>.
Der Präsidenten-Sprecher Andrew Bates twitterte, die Times-Geschichten seien frei erfunden und Biden fit wie Turnschuh. Doch Bidens Sponsoren sind aufgeschreckt. Ist ihre Investition in die Mitsprache bei der nächsten Präsidentschaft Bidens jetzt schon versenkt? In einer ad hoc einberufenen Sponsoren-Versammlung macht Biden alles noch schlimmer. Der Greis sagt, er hätte den Fehler gemacht, vor der TV-Debatte noch zwei anstrengende Auslandsreisen zu unternehmen. Wir erinnern uns: die zweite Station war der G7-Gipfel in Italien. Dort guckten alle Staats- und Regierungschefs einem Fallschirmspringer zu, der vor ihren Füßen gelandet war. Biden allerdings drehte dem Geschehen den Rücken zu, und beobachtete wohl angestrengt, wie ein Hase einen Ködel ins Salatfeld ablegte. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni musste Biden mühsam umdrehen und seine Aufmerksamkeit auf den Fallschirmspringer lenken, was auch nur von mäßigem Erfolg gekrönt war <4>. Naja, nach dieser anstrengenden Auslandsreise habe Biden auch noch eine Erkältung bekommen. Biden wollte spaßig sein. Scherzhaft sagte er zu seinen Sponsoren, bei der TV-Debatte gegen Trump sei er „beinahe eingeschlafen“. Die Sponsoren fanden das gar nicht lustig. <5> Im Washingtoner Kongress grummelt es bei den Demokraten bereits länger. Der texanische Abgeordnete Lloyd Doggett machte jetzt den Anfang. Doggett erklärte der Presse: „Ich vertrete einen Wahlkreis, der früher von Lyndon Johnson vertreten wurde. Er hatte unter ganz anderen Umständen die schmerzliche Entscheidung getroffen, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Biden sollte das auch so machen.“ <6> Der frühere demokratische US-Präsident Lyndon Baynes Johnson hatte sich im Jahre 1968 aus dem Kampf um seine Wiederwahl zurückgezogen. Zermürbt durch den Vietnamkrieg und durch schlechte Umfragewerte, überließ er seinem Vizepräsidenten Hubert Humphrey den Wahlkampf. Der verlor dann krachend gegen den Republikaner Richard Nixon. Die mögliche Niederlage gegen den Republikaner Trump schreckt auch jetzt die Demokraten. 25 weitere Kongressabgeordnete wollen demnächst in einer Presseerklärung Biden zum Rückzug auffordern.
Es gibt allerdings in der Machtmaschine gewisse Trägheitsmomente. Der Council on Foreign Affairs hat den Stab über Biden zerbrochen. Doch Netzwerke der Demokraten sträuben sich noch. Einflussreiche Gouverneure hatten Biden zu einem Krisengespräch aufgefordert. Nach diesem Krisengespräch ist nun anscheinend wieder alles gut. Ergebenheitsadressen gingen unter anderem ein von den Gouverneuren Kathy Hochul aus dem Bundesstaat New York, und sogar von dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom <7>. Wenn jemand jetzt noch glaubhaft die Demokraten retten kann, dann ist es Gavin Newsom. Der Mann ist jung, telegen und gut vernetzt. Dass er sich zu seinen früheren Alkoholproblemen und zu seiner angeborenen Leseschwäche bekennt, macht ihn noch authentischer in den Augen der US-Öffentlichkeit. Zudem hat er sich schon wie ein Staatsmann mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem israelischen Regierungschef Binjamin Netanyahu getroffen. Die gelispelte Nibelungentreue zum greisen Präsidenten heißt indes nur, dass die möglichen Biden-Nachfolger nicht als Königsmörder scheel angesehen werden möchten.
Denn alle Treueschwüre können die Gesetze der Biologie nicht aufhalten. Dass Biden mit Anfang Achtzig bereits massive Alzheimer-Probleme hat, ist schon erstaunlich. Aber eine Begebenheit nach dem desaströsen TV-Duell, das nur wenige Kameras aufzeichneten, machte die Aussichtslosigkeit der Lage für Biden deutlich. Die erste Altenpflegerin der Nation, Bidens zweite Frau Jill, hakte ihren Gemahl unter, um ihn dann die Treppen hinunter zu geleiten, die er sonst wohl runtergerutscht wäre wie schon einmal von einer Flugzeug-Gangway. „Joe, Du musst schön einen Fuß auf die tiefere Stufe setzen, und dann den anderen Fuß auch erst auf diese Stufe, und nicht gleich die nächste Stufe. So. Und jetzt den nächsten Fuß ganz vorsichtig auf die nächste untere Stufe. Sonst fliegst Du wieder runter!“, muss Jill ihrem wankenden Gemahl gesagt haben. Schrecklich. Sowas geht gar nicht.
Das gespenstische Spektakel erinnert ein wenig an die Endzeit der Sowjetunion. Der vorletzte Chef der Sowjetunion, Konstantin Tschernenko, auch bespöttelt als „Breschnews Aktentaschenträger“, machte auch einen hirntoten Eindruck, als er an die Schaltstellen der Macht gelangte. Nach Tschernenkos Tod konnte der arme Gorbatschow auch nur noch den Part des Insolvenzverwalters ausfüllen. Doch die USA sind nicht die Sowjetunion. Tatsächlich gibt es noch den freien Wettbewerb konkurrierender Oligarchengruppen. Da ist zum einen das altehrwürdige Ostküsten-Establishment, das bis vor kurzem auf Biden gesetzt hat. Und auf der anderen Seite die Außenseiter-Oligarchen der texanischen Ölindustrie um die Gebrüder Koch, die mächtig in Trump investieren, um das politische Investitionsklima für fossile Energie zu verbessern. Da Trump selber Milliardär ist, tanzt er nur bedingt zur Pfeife der Ölmogule. Im Augenblick sieht es so aus, als sollten die Außenseiter Trump erneut ins Weiße Haus hieven können. Denn Biden hat nicht nur die Probleme mit seinem zerebralen Verfall. Er hat auch mit Hunter Biden einen reichlich verdorbenen Sohn, der durch Drogen-, Waffen – und Sex-Affären unangenehm aufgefallen ist. Hunter Bidens Lobbyarbeit für den ukrainischen Energiekonzern Burisma bei Papa sind keine Erfindungen des russischen Geheimdienstes. Und Papa Biden ist in die Eskapaden seines Sohnes vermutlich wesentlich mehr verwickelt, als es die Hofpresse bislang zugeben wollte.
Vielleicht hat Biden ja bereits seinen Rückzug erklärt, wenn dieser Aufsatz veröffentlicht wird. Die Ereignisse überschlagen sich. Wenn allerdings nicht ein Wunder geschieht, muss sich das altehrwürdige Ostküsten-Establishment um den Council on Foreign Relations das Weiße Haus für die nächsten vier Jahre erneut von außen anschauen.
Quellen und Anmerkungen
<1> https://www.nytimes.com/2024/06/28/opinion/biden-election-debate-trump.html <2> https://www.telepolis.de/features/Der-Klub-der-Weisen-Maenner-3419681.html <3> https://edition.cnn.com/2024/07/03/politics/joe-biden-2024-campaign-troubles/index.html <4> https://www.youtube.com/watch?v=cjZH1cC_bBU <5> siehe Fußnote <3> <6> https://edition.cnn.com/2024/07/02/politics/house-democrat-call-biden-withdraw/index.html <7> https://www.spiegel.de/ausland/usa-joe-biden-demokratische-gouverneure-unterstuetzen-us-praesidenten-a-b42cbd22-5c48-4b9a-9ba1-3bc2b98f4209 +++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Consolidated News Photos / shutterstock
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