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"Deutsche Führung" statt gute Nachbarschaft in Europa? | Von Willy Wimmer

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SPD-Vorsitzender Klingbeil gibt Pickelhauben aus.

Ein Kommentar von Willy Wimmer.

Der österreichische Diplomat redete pausenlos auf den amerikanischen Repräsentanten ein. Das Gespräch war derart laut in der Lufthansa-Maschine auf dem Weg von Belgrad nach Frankfurt, daß die anderen Passagiere nicht umhin konnten, dem zuzuhören, was der Mann aus Wien dem Mann aus Washington pausenlos nahelegte. Amerika müsse auf dem Balkan „Führung“ zeigen, Führung, Führung. Beide Herren waren auf dem Weg nach Rambouillet, dem letzten Sargnagel für den Krieg gegen Jugoslawien.

In der Rückschau betrachtet, brachten mit dieser Führung die USA den Krieg wieder zurück nach Europa und zwar mittels ihrer „Führung“. Dabei benötigten sie keinesfalls die Ermunterung aus Wien. Spätestens seit der Wolfowitz-Doktrin des Jahres 1991 war jedem klar, was die USA in Europa wollten. Sie haben es später auf der Konferenz von Bratislawa 2000 unmißverständlich gesagt. Der strategische Fehler von General Eisenhower aus dem Jahr 1944 mußte auf dem Balkan korrigiert werden. Eisenhower hatte 1944 noch darauf verzichtet, amerikanische Bodentruppen auf dem Balkan zu stationieren. Das mußte sich in den neunziger Jahren ändern, wie das größte amerikanische Feldlager „Bond Steel“ im Kosovo deutlich machen sollte. Es ging aber auch darum, den vorhandenen und traditionell gewachsenen russischen Einfluß von der Adria bis hinter die Wolga zurückzudrängen. Ein neuer „eiserner Vorhang“, quer über den europäischen Kontinent, sollte Moskau aus dem amerikanisch dominierten Europa auf Dauer fern halten. Moskau sollte seinen europäischen Platz verlieren und nicht mehr zur europäischen Völkerfamilie zählen.

Hat das, was die USA seither und nicht nur in Europa angerichtet haben, den Ruf von Herrn Lars Klingbeil (SPD) nach „deutscher Führung“ in Europa derart provoziert, daß jetzt unter den Geschütztürmen deutscher Panzerhaubitzen in der Ukraine derartiges gerechtfertigt sein sollte? Die Berliner Feinfühligkeit wird daran deutlich, daß die deutschen Schwerstwaffen an dem Tag der internationalen Öffentlichkeit als in der Ukraine angekommen präsentiert werden, als sich andere daran erinnerten, daß dieser Tag mit dem Angriff des Deutschen Reiches auf die damalige Sowjetunion verbunden war, ist und bleiben wird. Deutsche Führung? Das Gedächtnis ist wohl nicht nur bei Herrn Klingbeil derart kurz, daß in Vergessenheit geraten ist, was bei der Brexit-Kampagne weite Teile Großbritanniens in seiner europafeindlichen Einstellung bestimmte: nicht von Berlin über Brüssel beeinflußt werden zu wollen. Das sollte sich geändert haben und nicht nur bei den Briten. Schnell wie ein Rotor hat sich der deutsche Bundespräsident Steinmeier von der wohlbegründeten deutschen Außenpolitik, die er selbst mit gestaltet hatte, in diesen Wochen verabschiedet. Spricht das Bekenntnis zum eigenen Fehlurteil bei anderen für „deutsche Führung“? Will man etwa den Kräften im Baltikum gefallen, die Veteranenverbände der Waffen-SS auf ihren Straßen paradieren lassen oder den Kräften in Polen, die vor der Eskalation in Königsberg mit Russland dieses deutsche Kernland dem polnischen Staat einverleiben wollten? So, wie sie es für das ukrainische Galizien öffentlich fordern und damit die europäische Grenzziehung seit der Konferenz von Potsdam in der Weichsel versenken? Soll das Faß aufgemacht werden, das mit dem Begriff „Oder-Neisse“ verbunden ist? Es herrscht ohnehin eine westlich zu verantwortende „Schlußverkaufs-Haltung“ für ein tragfähiges Gerüst europäischer Regeln vor.

Es war doch die Politik von Willy Brandt, die den entscheidenden deutschen Beitrag zum Frieden in Europa geliefert hat. Es sollte nicht nur „mehr Demokratie“ gewagt werden, sondern von Deutschland eine Politik der „guten Nachbarschaft“ ausgehen. Die Kriegsreden des SPD-Vorsitzenden Klingbeil sind der endgültige Todesstoß für die befriedende Politik von Willy Brandt. Unser Volk wird dieses haltlose Geschwätz von „deutscher Führung“ teuer bezahlen und andere auch.

+++ Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: shutterstock / Max Sky


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