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Deutschland am Scheideweg | Von Rainer Rupp

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Zukunft oder ins Verderben?

Ein Kommentar von Rainer Rupp.

In der westlichen Polit- und Medienwelt prallen Wunschdenken und Wirklichkeit immer härter aufeinander. Ersichtlich ist das an den Bemühungen der Bundesregierung, das Volk glauben zu machen, dass es dem Land gut geht, dass es im besten Deutschland aller Zeiten lebt und die Menschen noch nie so frei waren wie jetzt und dass trotz aller Stürme und zunehmender Zukunftsängste die Berliner Politik alles im Griff hat.

Bei dieser Märchenerzählung, bzw. in diesem offiziellen Narrativ der politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland und allgemein im Westen legen die herrschenden Eliten besonderer Wert darauf, dass ihre Entscheidung, nämlich die Konfrontation mit Russland in der Ukraine auf die Spitze zu treiben, die Richtige war, dass Russland den Krieg verlieren muss und auch dabei ist, den Krieg zu verlieren, dass die westlichen Sanktionen gegen das wiedergeborene Reich des Bösen in Moskau wirksam sind und wie geplant die russische Wirtschaft ruinieren und dass deshalb die russische Bevölkerung Zar Putin den Schrecklichen verjagen wird.

Zugleich hat diese Prüfung der Willensstärke der westlichen Wertegemeinschaft und ihre ideologisch-neoliberale Standhaftigkeit und ihre eiserne Entschlossenheit, für Frieden und Freiheit in der Ukraine einzustehen, nicht nur die Länder der NATO und EU noch enger zusammengeschweißt, sondern auch die Länder der Welt mit Bewunderung für und Respekt vor der westlichen „Regelgestützten Internationalen Ordnung“ erfüllt.

Ungeachtet dessen, dass jedes einzelne Element in diesem, der Öffentlichkeit servierten Narrativ die Realität in Deutschland und der EU auf den Kopf stellt, feiern die Eliten auf dem Musik-Deck der westlichen Titanic weiterhin ihre angeblichen „Erfolge“. Aber dennoch scheinen die Herrschaften da oben, von denen viele womöglich an ihre eigene Märchenwelt geglaubt haben, zunehmend beunruhigt, denn auf Dauer gewinnt die Realität immer über irrational zusammengeflickte Wunschvorstellungen. Diese zielen auf Grund von Äußerungen elitärer Zirkel in Berlin auf die Zerstörung Russlands und parallel dazu auf den Aufstieg Deutschlands zur unangefochtenen Führungsmacht in der Europäischen Union. Damit soll die EU mit Deutschland an der Spitze endlich von den USA als gleichberechtigte globale Ordnungsmacht anerkannt und als ebenbürtiger Partner an den globalen Raubzügen der USA beteiligt werden.

Die traurige Realität in Deutschland und im gesamten Westen sieht jedoch ganz anders aus. Inzwischen haben nämlich selbst die politisch Gutgläubigsten zu begreifen begonnen, dass nicht nur die Führungsgremien der Ampelregierung samt der ebenfalls transatlantisch orientierten Opposition in Berlin sich entweder aus wahnwitzigen Dilettanten oder ausgesprochen bösartigen Charakteren zusammensetzen, deren Handlungen und Zielsetzungen mit dem Wohl des gemeinen Volkes nicht das Geringste zu tun haben.

Wie die wirtschaftlichen und finanziellen Realitäten in Deutschland und im gesamten Westen aussehen, haben die meisten Leser bereits am eigenen Leib erfahren und das bedarf hier keiner erneuten Beschreibung. Aber das, was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang.

Eine Rückkehr zum Zustand vor dem westlichen Wirtschaftskrieg zur Ruinierung Russland wird es nicht mehr geben. Vor allem der von Deutschlands „Grünen“ betriebene Ausstieg aus günstigem russischem Pipeline Gas und Öl hat zu einer Zerstörung bewährter und billiger Lieferketten geführt, was u.a. wegen fehlender Seetransport- und Ver- und Entladekapazitäten noch viele Jahre für Liefer-Engpässe und hohe Preise für Energie sorgen wird.

Auch im Fall der achten Runde westlicher Sanktionen gegen Russland, nämlich die Preisdeckelung für russisches Öl, haben sich die OPEC-Länder geweigert, zur Entlastung des Westens russisches Öl durch Mehrproduktion zu ersetzen. Denn die OPEC-Mitglieder, vorneweg das Schwergewicht Saudi Arabien, haben ein ureigenes Interesse daran, dass die westliche Öl-Preisdeckelung scheitert. Bei der unzuverlässigen und zickigen Politik des Westens müssen sie nämlich zurecht befürchten, jederzeit selbst zur Zielscheibe einer Öl-Preisdeckelung zu werden.

Selbst laut westlicher Experten kann russisches Gas, aber auch Öl bei einer Wiederaufnahme des Wirtschaftswachstums in China und im Rest Asiens und Afrikas einfach nicht ersetzt werden. Darin sind sich nicht nur „Putin-Versteher“ einig. Aber die Ampelregierung beharrt stur auf ihrem Kurs, denn eine Richtungskorrektur könnte eine Lawine von unangenehmen Fragen auslösen über die Richtigkeit ihrer gesamten anti-russischen Politik, was unbedingt verhindert werden muss.

Auch die EU-Preisdeckelung für russisches Öl war ein Schuss ins eigene EU-Knie. Die anderen EU-Länder und vor allem Deutschland werden weiter russisches Öl importieren, aber das Öl kommt über kostensteigernde Seetransporte von indischen, türkischen und chinesischen Zwischenhändlern und das zu weitaus höheren Preisen als zuvor bei den zuverlässigen und preiswerten Direktlieferungen über Pipelines direkt vor die deutsche Haustür.

Fest steht schon jetzt, dass in Zukunft bedeutend höhere Energiekosten die Produktionsstruktur des Standorts Deutschland verändern werden. Das wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen am Standort Deutschland gefährden und zur deren Abwanderung in Richtung USA oder China führen. Zugleich wird Deutschland ebenso wie die EU und die USA von den finanz- und geldpolitischen Sünden der Vergangenheit eingeholt, was sich in weiterhin hoher Inflation, hohen Zinsen und - kombiniert mit einem Rückgang der zu erwartenden Wirtschaftstätigkeit - in eine Stagflation niederschlagen wird. Das alles bedeutet weniger Wohlstand, höhere Arbeitslosigkeit, weniger Sozialleistungen, gefährliche Überschuldung von Staat und Finanzindustrie, mehr Konkurse, grassierende Armut, soziale Unruhen, noch stärkere politische Polarisierung der Gesellschaft.

Die Ampel-Koalition bezahlt sicherlich nicht nur dumme Ja-Sager als Berater, sondern auch kluge Leute, die diese Entwicklung ebenfalls längst erkannt haben. Aber ebenso wie alle anderen Wirtschaftsexperten sehen auch diese Leute derzeit keinen Ausweg aus dieser verfahrenen Lage, der nicht auf Kosten der Eliten einen kompletten politischen und wirtschaftlichen Kurswechsel verlangen würde. Da man lieber weiterhin die Lasten auf dem Volk abladen will, kommt ein solcher Richtungswechsel für die Eliten selbstredend nicht in Frage. Das heißt jedoch für die Deutsche-Regierung ebenso wie bei den EU-Ländern und den gesamten Westen: Weiterwurschteln wie bisher, und dabei von einer Katastrophe in die nächste stolpern, immer in der Hoffnung, dass ein Deus ex Machina, ein unerwartetes Ereignis, ein Wunder alles doch noch retten wird.

Zur Ernüchterung wird maßgeblich die brutale Wirklichkeit beitragen, des defacto der westliche Stellvertreter-Krieg in der Ukraine bereits verloren ist. Der Sieg Russlands, der durch die katastrophalen Zerstörungen in der an Menschen und Material erschöpften Ukraine immer unabwendbarer geworden ist, wird die herrschenden Eliten im Westen in Kürze in große Erklärungsnot gegenüber der eigenen Bevölkerung bringen. Wie sollen sie ihre sinnlose Kriegspolitik gegen die Russen rechtfertigen, wenn dadurch nur die eigenen Völker schwer gelitten haben und sonst nichts von ihren Zielen erreicht wurde. Aber schon jetzt hat der zu erwartende Sieg der Russen innerhalb der NATO und EU zu zwischenstaatlichen Verwerfungen geführt, von denen deutsche Qualitätsmedien nicht gerne sprechen.

Ein Blick von außen kann dabei hilfreich sein. Aus fernöstlicher Sicht z.B. „sind die westlichen Länder in ihrer Herangehensweise an den Konflikt in der Ukraine tief gespalten. Abgesehen von den baltischen Staaten und Polen, die entschieden anti-russisch sind gibt es gravierende Differenzen zwischen den führenden EU-/NATO-Mächten“,i schreibt die in Hong Kong erscheinende Internet-Zeitung Asia Times. Schon 2006 wurde die Onlinezeitung von der New York Times als eine der prominentesten Zeitung Asiens ausgezeichnet, woran sich bis heute nichts geändert hat.

Im Zusammenhang mit den zwischenstaatlichen Verwerfungen innerhalb EU und NATO in der Ukraine-Frage verwies die Asia Times u.a. auf „eine erstaunliche Erklärung des französischen Präsidenten über die Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien für Russland“, die Macron Anfang letzter Woche trotz der gegenwärtig aufgeladenen anti-russischen Atmosphäre gemacht hatte. Auch geht Asia Times davon aus, dass Macron indirekt von Bundeskanzler Scholz unterstützt worden sei, weil dieser fast zeitgleich in einer Rede „die Notwendigkeit einer friedlichen Regelung in der Ukraine betont“ habe.

Die zarten Keime der Hoffnung wurden jedoch tags darauf vom eiskalten Hauch des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell tiefgekühlt, der kategorisch erklärte, es sei „verfrüht, irgendwelche Garantien für Russland zu erörtern. Stattdessen sollten Sicherheitsgarantien zuerst für die Ukraine diskutiert werden … über Russland sprechen wir dann später“, so Borell.

Warum fragt man sich, lassen sich die demokratisch gewählten Führer der zwei stärksten Nationen der EU sowas von dem demokratisch nicht gewählten EU-Apparatschick Borrell gefallen, der seine Position lediglich als Ergebnis eines von jeglicher Transparenz abgeschotteten Hinterzimmer Politschachers in Brüssel bekommen hat?

Es ist zu erwarten, dass die wirtschaftliche, geld- und finanz- und militärpolitische Realitäten die herrschende Klasse im Westen wahrscheinlich schneller einholen als sie befürchten. Für die dann der Bevölkerung zu erwartenden Reaktionen wollen sie gewappnet sein. Deshalb versuchen sie schon jetzt, die Stimmen jedweder Opposition mit zunehmend zweifelhaften juristischen Mitteln zum Verstummen zu bringen.

Zugleich werden mit künstlich hochgespielten Ereignissen die Rechtfertigung zur Schaffung neuer Durchgreif-Gesetze geschaffen, um sich im Ernstfall nach der Devise legal, illegal scheiß-egal an der Macht zu behaupten. In diesem Zusammenhang ist auch der angeblichen Putsch-Versuch einer Gruppe von Reichsbürger- Opis und -Omis als staatsgefährdende „Graue Armee Fraktion zu sehen.

Während unsere Qualitätsmedien mit tödlichem Ernst die Reichsbürgergefahr in epischer Fülle vor einem erschütterten Publikum ausbreiten, verfolgt das Ausland mit wachsendem Unglauben, wie die bundesdeutsche Justiz und Politik mit dieser armseligen Scharade ihr internationales Ansehen selbst demontierten. In den einschlägigen kritischen Diskussionsforen wird die Reichsbürgergeschichte eher als reines Ablenkungsmanöver von den vielen selbst-verschuldeten Krisen und Skandalen gesehen. Die Rufe von Politik und Justiz nach schärferen Gesetzen wird dabei meist übersehen.

Aber wie soll das alles weitergehen? Dafür werfen wir zuerst einen Blick zurück: Alle Vorhersagen, ohne russisches Erdgas werde es schwere wirtschaftliche Probleme in Deutschland und Europa geben, wurden im Frühjahr als "russische Propaganda" und Verschwörungstheorien zurückgewiesen. Jetzt ist es "russische Propaganda", wenn man angesichts tatsächlich drohender Blackouts, verfinsterter Städte und kalter Büroräume daran erinnert, dass es die von der EU beschlossenen Sanktionen sind, die diesen Zustand ausgelöst haben. Das Etikett "russische Propaganda" macht diese Realität nicht weniger wahr. Es dient nur dazu die Sachlage zu vernebeln, nämlich die hart arbeitenden aber Nachrichten mäßig oft wenig informierten Menschen am Erkennen der Wahrheit zu hindern, damit sie folgsam und brav weiter malochen.

Es ist nicht allzu schwer, eine Bilanz zu ziehen, welche Berichterstattung – ob bei Corona oder nun im Ukraine-Krieg wahrhaftiger war, die der offiziell hochgelobten „Qualitätsmedien“ mit der Verbreitung gleichgeschalteter Regierungswahrheiten oder die kritischen alternativen Medien, die mit investigativer Verbissenheit recherchierten und den oft unschönen Wahrheiten näher kamen als alle anderen. Und das ist auch der Grund, weshalb sie unbedingt zensiert oder mit anderen Mitteln ihrer materiellen Existenzgrundlage beraubt werden mussten.

Fakt ist: Die neoliberale Politik ist am Ende. Dafür braucht man keinen Dr, in Volkswirtschaft, um das zu erkennen. Der einfache, vernünftige Menschenverstand genügt! Die westlichen Gesellschaften sind ökonomisch und moralisch zerfressen, nur um den Milliardären und den sie unterstützenden Eliten die Macht zu erhalten.

Aber man kann es gerade in der Ukraine an dem aktuellen Verhältnis der Granaten abzählen (für 10 russischen Granaten eine ukrainische-West-Granate), dass die Macht des aufgeplusterten Westens nur noch auf tönernen Füßen steht. Daran werden auch noch so viele Beschwörungen transatlantischer Verbundenheit nichts ändern. Auch die Arbeit von noch so vielen so genannter Nicht-Regierungsorganisationen wird den moralischen Bankrott des Westens nicht verdecken können.

In der aktuellen Situation gibt es für Deutschland und die EU einen Weg ins Verderben und einen Weg in die Zukunft. Der Weg ins Verderben wäre das Ergebnis einer noch hemmungsloseren Ausweitung des gegenwärtigen Krieges in der Ukraine, und letztlich der westliche Griff nach nuklearen Waffen, um irgendwie die eigene Niederlage doch noch abzuwenden und den Russen die Schuld für die Katastrophe zuzuschieben. Dass der Westen dies tun könnte und auch skrupellos genug ist, das zu tun, ist derzeit die Sorge des größten Teils der nicht-westlichen Welt, die ihre eigenen Erfahrungen mit den westlichen Kolonialmächten und der US-Supermacht gemacht haben.

Der einzige Weg in die Zukunft Deutschlands und Europas setzt daher voraus, die eigene Niederlage einzugestehen, von den verantwortlichen Posten in Politik, Militär, Medien etc. zurückzutreten, um bei der Suche nach Möglichkeiten für eine Politik-Umkehr Platz zu machen für fähige neue Kräfte. Aber kann sich auch nur ein Leser vorstellen das Leute wie Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Habeck und Co. die moralische Integrität besitzen, schwere Fehler einzuräumen und zurückzutreten, bevor das ganze Land im Abgrund verschwindet?

Quellen:

i „Global Polarity Monitor“ der “Asia Times”: “Russia digs in hoping for Western exhaustion” Mi 07.12.2022, by James Davis

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Giordano Aita / shutterstock


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