Tagesdosis

Die Auswanderhilfe "Moya Rossiya" | Von Tom J. Wellbrock

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Im Visier der Totalitaristen

"Correctiv" hat wieder zugeschlagen. Diesmal trifft es eine Gruppe namens "Moya Rossiya", die Menschen hilft, die nach Russland auswandern. Deren YouTube-Kanal wurde von jetzt auf gleich gesperrt, ohne Angabe von Gründen.

Ein Kommentar von Tom J. Wellbrock.

Kritische Geister kennen das. Schon zu DDR-Zeiten war der Spruch "Dann geh' doch nach drüben!“ eine beliebte Methode, um Kritik am westdeutschen System oder Sympathie am ostdeutschen abzubügeln. Diese Oberflächlichkeit hat sich nicht nur bis heute gehalten, sondern wurde insbesondere unter dem Corona-Regime und verstärkt nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine auf die Spitze getrieben. All die "Putin-Trolle", "Putin-Versteher" und sonstige "Lumpenpazifisten" wissen das aus leidlicher Erfahrung.

Heute ist "Dann geh' doch nach Russland!" die neue Beschimpfung für Menschen geworden, die mit der westlichen bellizistischen Haltung zum Ukraine-Krieg nicht einverstanden sind. Bevor auf die Sperrung des Kanals von "Moya Rossiya" eingegangen wird, seien einige Fakten zum Ukraine-Krieg genannt bzw. wiederholt, die wichtig für das Verständnis der gesamten Situation sind.

Der Krieg, der 2014 begann

Die westliche russophobe Haltung wird im Wesentlichen durch folgende "Argumente" begründet:

  • 2014 hat in der Ukraine eine demokratische Bewegung für den Sturz des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch gesorgt.
  • Kurz danach hat Russland die Ost-Ukraine angegriffen und führt seitdem Krieg gegen die Gebiete Donezk und Lugansk.
  • 2022 hat Russland darüber hinaus auch die West-Ukraine angegriffen. Der Einmarsch erfolgte unprovoziert, also unbegründet.

Das sind die drei wesentlichen Behauptungen, die nicht nur unscharf, sondern schlicht gelogen sind. Dazu in aller Kürze:

  • Wiktor Janukowytsch war der gewählte Präsident der Ukraine, der sich gegen die westliche ultimative Wahl zwischen wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland oder dem Westen gestellt hat. Hätte sich der Präsident damals für den Westen entschieden, hätte das gravierende Nachteile für die Ukraine mit sich gebracht. Janukowytsch wollte Nachbesserungen der Vereinbarungen mit dem Westen, die er jedoch nicht bekam. Stattdessen wurde er verfassungswidrig aus dem Amt entfernt und musste flüchten. Dem Tod durch einen Anschlag entging er nur, weil er eine andere Route wählte als die, die seine Häscher annahmen.
  • Die Angriffe auf die Ost-Ukraine, die 2014, also nach dem Putsch vom Maidan begannen, wurden aus Kiew geführt. Von dort aus gingen auch Verbote der russischen Sprache in der Ukraine aus und zahlreiche weitere Diskriminierungen und militante und militärische Angriffe auf die russischsprachige Bevölkerung, die einen großen Teil der Menschen in der Ost-Ukraine ausmacht. Sogar die "Vereinten Nationen" haben später eingeräumt, dass den ukrainischen Attacken rund 13.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
  • Russland hat wiederholt (seit 2014) auf eine friedliche Lösung für die Ost-Ukraine gedrängt. Putin hat gefordert, gebettelt und argumentiert. Doch er wurde ignoriert, bis zum Februar 2022.

Man muss diese Fakten immer wieder neu auf den Tisch legen, denn inzwischen hat sich in Deutschland die Erzählung breitflächig durchgesetzt, die nicht der Wahrheit entspricht. Das sollte nicht verwundern, denn wenn sogar der Hardliner und Hetzer Andrij Melnyk (der nach dem Beginn des Ukraine-Krieges ukrainischer Botschafter in Deutschland war und seine Hassbotschaften von Talkshow zu Talkshow und von Interview zu Interview tragen konnte) weitgehend unwidersprochen behaupten konnte, es sei die Ukraine gewesen, die Deutschland vom Nationalsozialismus befreit habe, ist ohnehin alles verloren, was auf Fakten beruht.

Wer also den seit mehr als zwei Jahren erzählten Lügen widerspricht und zudem noch zu Friedensverhandlungen aufruft, statt den Krieg in der Ukraine weiter zu eskalieren, der "soll doch nach Russland gehen". Doch wenn man diesem "freundlichen Ratschlag" nachkommen möchte, ist das auch wieder nicht richtig.

Hilfe für Auswanderer

Ignorieren wir an dieser Stelle einmal die geopolitische Lage und unterstellen, dass es Menschen gibt, die ohne politische Hintergründe nach Russland auswandern wollen. So etwas soll es ja geben, schließlich ist Russland ein wunderschönes Land, in dem es sich gut leben lässt. Doch der Weg nach Russland ist ein anderer als etwa der nach Österreich, in die Schweiz oder nach Ungarn.

In jedem Land gibt es Dinge, die man beachten muss, jedes Land hat seine eigenen Herausforderungen für Auswanderer. Doch wechselt man zum Beispiel innerhalb der Europäischen Union (EU) seinen Wohnsitz, ist das alles in allem recht unkompliziert möglich. Der Autor dieses Textes hat für ein paar Monate in Ungarn gelebt, bevor er weiter nach Russland zog. Der Weg von Deutschland nach Ungarn war keine große Sache. Das Ankommen war es schon eher, denn die Bürokratie ist in jedem Land ein spürbares Hindernis, zumal, wenn man die Landessprache nicht spricht.

Trotzdem war es nicht sehr schwer, nach Ungarn einzureisen und dort Fuß zu fassen, auch, weil gar nicht so wenige Ungarn ein wenig Deutsch sprechen, noch mehr kommen mit Englisch gut zurecht.

Eine gänzlich andere Kategorie ist das Auswandern nach Russland. Man verlässt die EU (nicht Europa, aber faktisch hat die EU Russland aus Europa ausgestoßen) und betritt ein wirklich neues Land, in dem vieles, was im Westen funktioniert, nicht mehr läuft. Die Sanktionen lassen grüßen, und wenn man erst einmal vor Ort ist, merkt man, in wie vielen Lebensbereichen man plötzlich selbst und ganz direkt davon betroffen ist.

Ein Beispiel: Kaum hat man die Grenze hinter sich gelassen (was im Übrigen ebenfalls eine wahre Tortur sein kann, insbesondere, wenn man aus bestimmten Gründen mit dem Auto einreisen muss), kann man seine alte SIM-Karte in die Tonne treten. Man braucht so schnell wie möglich eine neue, um wenigstens ein paar Dinge regeln zu können, die man eben regeln muss.

Man braucht außerdem Rubel, denn mit Euros ist man in Russland verloren, niemand wird sie annehmen. Debit- oder Kreditkarten westlichen Ursprungs sind keine Lösung, sie sind in Russland schlicht nutzlos (und erneut grüßt das Sanktions-Murmeltier).

Kurzum: Wer nach Russland auswandern will (und das fordern ja so viele Kriegshetzer und Russenfeinde in Deutschland), braucht dringend Hilfe, muss sich vorbereiten (nicht auf alles, das ist nicht möglich, aber doch auf das Wichtigste) und seine Reise gut planen.

Da das Bundesaußenministerium in diesem Fall wohl eher keine Hilfestellungen leisten wird, muss man sich die Unterstützung woanders herholen. Beispielsweise bei "Moya Rossiya".

"Dann geh' doch (nicht) nach Russland!"

Verbotenes hat der Telegramkanal "Moya Rossiya" (МОЯ РОССИЯ – Mein Russland) nicht getan. Und wenn man dem russophoben Narrativ folgt und es ernst nimmt, müsste die Arbeit des Kanals von Politik und Medien sogar begrüßt werden. Immerhin hilft er Menschen, die Deutschland verlassen und nach Russland gehen wollen. Da diese Menschen oftmals ohnehin die verhassten "Putin-Versteher" sind, wäre es – zynisch ausgedrückt – eine Win-win-Situation, wenn diese kritischen Quälgeister Deutschland verließen. Ohne sie ist doch sowieso alles besser, demokratischer, freiheitlicher, harmonischer, liebevoller.

Doch so einfach ist es natürlich nicht. Denn wenn ein Kanal wie "Moya Rossiya" in deutschen Medien wie etwa "Correctiv" wahrgenommen wird, gibt es kein Halten mehr, zumal dann nicht, wenn damit der Name Alina Lipp verbunden wird. Sofort wittern die Tastaturhetzer russische Propaganda und politische Einflussnahme. Das muss unterbunden werden, will man das Abendland nicht Putin und seinen Schergen überlassen.

Doch um politische Einflussnahme geht es "Moya Rossiya" nicht, im Gegenteil. Die Macher der Plattform schreiben auf ihrem Kanal:

"Wie vielleicht bemerkt wurde, hat Google unser Konto und unseren YouTube-Kanal gelöscht, ohne Vorankündigung und ohne jegliche Kritik an unserem Inhalt. Erst Wochen später erfuhren wir indirekt durch einen Recherchebericht eines staatlich finanzierten deutschen Lügenportales (correctiv) die Gründe dafür. Es wird uns nichts Konkretes vorgeworfen (da es auch nichts Unrechtmäßiges daran gibt), aber es wird frei erfunden behauptet, dass wir Teil von Putins Propagandamaschine seien. Diese Behauptung genügte Google, um unser Konto dauerhaft zu sperren.

Wir möchten festhalten, dass alle deutschen Medien innerhalb Russlands weiterhin verfügbar sind, also es gibt hier keine Zensur, auch solche mit wenig journalistischem Anspruch wie die 'Deutsche Welle' oder andere aus dem Ausland staatlich finanzierte Medien sind in Russland bis heute erreichbar.

In Deutschland hingegen genügt die bloße Möglichkeit oder der erfundene Vorwurf einer Verbindung zum russischen Staat, um zensiert zu werden.

Was wir betonen möchten:

Wir haben bisher keinerlei Unterstützung, kein Geld und keine Vorteile jeglicher Art von staatlichen Stellen oder Personen erhalten, und wir hätten dies auch nicht angenommen. Wir leben in Russland und berichten über das Leben dort, wie wir es sehen. Aber die Behauptung, Teil eines Propagandanetzwerks zu sein, ist schlichtweg eine Lüge."

Meinungsfreiheit? Da war doch was!

Das Machwerk von "Correctiv" hier zu zitieren, verbietet sich, weil es aus reinen Spekulationen, Lügen, Unterstellungen und Behauptungen besteht. Man wagt sich schon weit vor, wenn man dieses unsägliche Stück auch nur als "Journalismus" bezeichnet, denn "Correctiv" steht nicht für Journalismus, sondern für staatliche Propaganda in Reinkultur. Dennoch soll es verlinkt werden, weil das zur Transparenz gehört.

Die Arbeit von "Moya Rossiya" besteht aus Hilfestellungen für Menschen, die nach Russland auswandern wollen. Und sie leistet einen wichtigen Teil dessen, was es braucht, will man nicht einfach ins kalte Wasser springen, sondern sich auf das große Abenteuer Russland vorbereiten.

Die Angriffe gegen "Moya Rossiya" können nur zwei Gründe haben:

  1. Sie wollen Auswanderern ihr Vorhaben so schwer wie möglich machen, indem eine wichtige Informationsquelle für ihre Ausreisepläne diffamiert und gesperrt wird.
  2. Sie stehen für das definitive Ende der Meinungsfreiheit.

"Moya Rossiya" tut - wie gesagt - nichts Verbotenes. Und trotzdem wird der YouTube-Kanal gesperrt. Da also nichts Justiziables vorliegt, kann die Sperre nur bedeuten, dass die Macher des Kanals eine "falsche Meinung" haben. Diese Meinung befindet sich in den Köpfen der Mitarbeiter von "Moya Rossiya", sie ist weder "Correctiv" noch YouTube bekannt, weil sie nichts mit ihrer Arbeit zu tun hat.

Doch alles, was irgendwie Russisch anmutet, wird in Deutschland und im Westen inzwischen kriminalisiert und als so gefährlich erachtet, dass es weg muss. Die YouTube-Sperre von "Moya Rossiya" geht übrigens technisch über das übliche Sperren von Kanälen hinaus. Ist es in anderen Fällen Nutzern möglich, einen neuen Kanal zu eröffnen und in mühsamer Arbeit den Versuch zu unternehmen, wieder auf die Reichweite des alten Kanals zu kommen, wurde "Moya Rossiya" auch an dieser Stelle das Leben deutlich schwerer gemacht. Die Sperre reicht also technisch tief in das Leben der Betroffenen hinein, und um einen neuen Kanal aufzumachen, sind neue Hardware und eine neue Identität notwendig. Die sonst durchführbare Praxis ist für "Moya Rossiya" also nicht möglich.

Fazit

Was nicht passt, wird als "russische Propaganda" diffamiert und entsprechend behandelt. Im Falle von "Moya Rossiya" wird besonders auffällig, wie aggressiv dieser militante Kampf gegen Andersdenkende mittlerweile geführt wird, handelt es sich doch um eine Seite, die Auswanderern Tipps gibt und Hilfe leistet – nicht mehr und nicht weniger.

Jeder sollte sich Gedanken darüber machen, wohin das alles führt. Der vielzitierte Meinungskorridor wird immer enger, die "falsche Meinung" ist immer häufiger anzutreffen. Man muss sich also heute nicht einmal mehr politisch äußern, um Gefahr zu laufen, ins Visier von Politik und Medien zu geraten. Wer sich gestern noch "unverdächtig" gefühlt haben mag, muss heute oder morgen damit rechnen, dass er zum Kreis der "Verdächtigen" gehört. Diese Eskalation wird fortgesetzt, und sie wird dazu führen, dass sich niemand mehr sicher sein kann, ob das, was er tut oder denkt, erlaubt ist oder verfolgt wird.

Es ist wie mit dem alten Spruch "Ich habe nichts zu verbergen". Wenn erst einmal Dinge bekannt und geahndet werden, die man selbst gar nicht für gefährlich oder verboten hält, weil man sich als vorbildlicher Bürger auf der sicheren Seite fühlt, wird es eng. Wenn die Definition von Fehlverhalten nicht mehr juristischen Prämissen folgt, sondern Vorgaben, die von Leuten gemacht werden, die damit gewissenlos und unverantwortlich umgehen, wird es gefährlich.

Wir sind an diesem Punkt angekommen. Und es scheint, als gäbe es kein Zurück mehr aus dieser restriktiven und totalitären Politik. Sie wird fortgesetzt, sie wird ausgeweitet, sie wird immer mehr Menschen treffen, auch Menschen, die bislang dachten, sie seien "die Guten", die sich nichts zuschulden kommen lassen.

Schuld wird heute von Menschen definiert, die selbst schwere Schuld auf sich geladen haben. Die Schuld der Unmenschlichkeit und des Totalitarismus.

+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Novikov Aleksey / shutterstock


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