Gamechanger
Bei dem Staatsbesuch des russischen Präsidenten Putin in Nordkorea haben die beiden Länder einen Partnerschaftsvertrag unterzeichnet, der das Potenzial hat, ein Gamechanger in der internationalen Politik zu werden.
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Der ausgesprochen umfassende Partnerschaftsvertrag, den Russland und Nordkorea beim Staatsbesuch des russischen Präsidenten Putin geschlossen haben, hat das Potenzial ein Gamechanger in der internationalen Politik zu werden, denn er enthält eine noch umfassendere Beistandsklausel als sogar der NATO-Vertrag.
Bündnisse mit und ohne Hintertüren
Auch wenn innerhalb der kollektiven Verteidigung der NATO von einem Bündnisfall, also von einem Angriff auf die Allianz, gesprochen wird, gilt keine automatische Beistandspflicht. Wird ein NATO-Staat angegriffen, muss dieser Angriff von allen NATO-Mitgliedern als solcher anerkannt werden. Und selbst dann gilt laut dem berühmten Artikel 5 des NATO-Vertrages, dass jede Vertragspartei im Bündnisfall
„die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet“.
Der NATO-Vertrag hat also durchaus sehr große Hintertüren, von einer automatischen Pflicht zur (bedingungslosen) Verteidigung kann keine Rede sein.
Ganz anders ist es im neuen Bündnis zwischen Russland und Nordkorea geregelt. Dort ist geregelt, dass die Parteien der jeweils anderen Seite bei einem
„bewaffneten Angriff eines oder mehrerer Staaten (…) unverzüglich militärischen und sonstigen Beistand mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten“.
Einschränkend wird nur genannt, dass das angegriffene Land sich „im Kriegszustand befinden“ muss, damit der Bündnisfall greift.
Diese Einschränkung dürfte dem Ukraine-Konflikt geschuldet sein, denn Russland befindet sich formell nicht im Kriegszustand mit der Ukraine. Sollte Russland den Kriegszustand aber ausrufen, weil beispielsweise der Beschuss russischer Gebiete durch vom Westen an Kiew gelieferte Waffen das nötig machen würde, wäre Nordkorea verpflichtet, in den Krieg einzusteigen, um Russland gegen die Angriffe mit den westlichen Waffen zu verteidigen.
Das macht den russisch-nordkoreanischen Vertrag so heikel und zu einem sehr deutlichen Signal an den Westen. Hinzu kommt, dass auch Südkorea nun seine Politik ändern und die Ukraine als Reaktion auf den Vertrag vollkommen offen unterstützen könnte. Damit ist der russisch-nordkoreanische Vertrag zu einem Gamechanger geworden, der Konflikte in Europa und Asien untrennbar miteinander verbindet. Die internationalen Akteure, vor allem im Westen, werden ihre Handlungen nun in diesem Licht überdenken müssen.
Der Vertrag dürfte auch eine Reaktion auf die Expansion der NATO nach Asien sein, weil die NATO immer öfter davon spricht, im Pazifik Flagge zeigen zu wollen. Und natürlich ist der Vertrag eine Reaktion auf die Gründung von AUKUS durch die USA, Australien und Großbritannien.
Keine leeren Worte
Ich übertreibe damit keineswegs, wie die nordkoreanische Reaktion auf den Beschuss von Sewastopol mit US-amerikanischen ATACMS-Raketen vom Sonntag zeigt. Der stellvertretender Vorsitzender des Zentralen Militärkomitees der Arbeiterpartei Nordkoreas erklärte dazu:
„In diesem Jahr, als sich die Situation auf dem Schlachtfeld in der Ukraine in eine für Selenskys Marionettenclique ungünstige Richtung entwickelte, haben die USA der Ukraine das taktische Raketensystem ATACMS mit einer Reichweite von 300 Kilometern geliefert und Angriffe auf die russischen Grenzgebiete in einer Entfernung von bis zu 200 Meilen gestattet. Die USA haben die störende Maske abgenommen, unter der das wahre Gesicht der brutalen antirussischen Konfrontationshysterie zum Vorschein kam.“
Er sagte weiter, wenn die US-Regierung, wie sie es jetzt tut, „die Ukraine, ihre Kriegsmaschine, rücksichtslos dazu zwingt, einen indirekten Krieg gegen Russland zu führen, werden sie unweigerlich eine stärkere Antwort“ aus Moskau „auslösen“.
Dass Nordkorea Russland im Ukraine-Konflikt als angegriffenes Land ansieht, was im Falle der Ausrufung des Kriegszustandes durch Moskau die automatische Beistandsklausel des Vertrages aktivieren würde, sagte er ebenfalls deutlich:
„Russlands strategischer Gegenangriff zum Schutz seiner Sicherheit als Reaktion auf die eskalierende Bedrohung durch feindliche Kräfte ist ein legitimes Recht auf Selbstverteidigung, und jede russische Antwort ist eine gerechte Aktion und konsequente Selbstverteidigung. Natürlich hat Russland das Recht zu wählen, welchen Vergeltungsschlag es gegen die Konfrontationswahnsinnigen führen will. Wir werden immer an der Seite der Armee und des Volkes Russlands stehen, die einen gerechten Kampf zur Verteidigung des souveränen Rechts, der strategischen Stabilität und der territorialen Integrität des Staates führen.“
Das dürfte eine deutliche Ansage in Richtung des kollektiven Westens gewesen sein, die man dort auch verstanden hat, denn in westlichen Fachkreisen sind die Folgen des russisch-nordkoreanischen Vertrages derzeit das wohl beherrschende Thema.
Wie weit die Folgen des Vertrages reichen, zeigt auch eine Analyse des Südkorea-Korrespondenten der russischen Nachrichtenagentur TASS, der die Reaktionen in Südkorea auf den russisch-nordkoreanischen Vertrag zusammengefasst hat. Da das zum Verständnis sehr wichtig ist, habe ich die Analyse übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Putins Besuch in Nordkorea: Die Wiederbelebung der alten Allianz zwischen Moskau und Pjöngjang und die Reaktion Seouls
Igor Iwanow, TASS-Korrespondent in Südkorea, über die Bedeutung des Besuchs von Wladimir Putin in Nordkorea für die koreanische Halbinsel und die Aussichten auf die Lieferung südkoreanischer Waffen in die Ukraine.
Der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Pjöngjang war ein großes Ereignis der internationalen Politik und ein weiterer Hinweis darauf, dass die koreanische Halbinsel nach wie vor eine der Regionen ist, in der die Interessen der wichtigsten Mächte der Welt – Russland, die USA und China – miteinander verflochten sind. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass der Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea eine neue Etappe in der Geschichte dieser Subregion darstellt.
Andererseits sprechen die Ergebnisse des Gipfeltreffens in der Hauptstadt des Landes und die Reaktionen darauf auch von einer verstärkten eigenständigen Rolle der beiden Staaten der koreanischen Halbinsel in den internationalen Beziehungen. Dabei geht es nicht nur um das mögliche Auftauchen von südkoreanischen Waffen in der Ukraine. Wir sollten nicht vergessen, dass Nordkorea unter Umgehung des Nichtverbreitungsregimes de facto zu einer Atommacht geworden ist, die in der Lage ist, mit ihren Raketen das Festland der USA zu erreichen. Die Vorstellung, dass „alles wieder beim Alten“ ist, scheint die aktuellen Realitäten zu verschleiern.
Meiner Meinung nach ist es zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, mit absoluter Sicherheit zu sagen, wohin die neue Etappe genau führen wird. Nordkorea arbeitet seit April an der Verstärkung der innerkoreanischen Grenze, und Südkorea hat beschlossen, die „strategische Ungewissheit“ über seine Lieferungen an die Ukraine noch eine Weile aufrechtzuerhalten. Es scheint jedoch, dass zumindest die beiden letztgenannten Aspekte bald nicht mehr „geheimnisvoll“ sein werden. Im Augenblick wäre es ausreichend zu sehen, wie Seoul mit den Ereignissen in Pjöngjang am 19. Juni umgeht.
Was ist stärker?
Kurz gesagt, haben Russland und Nordkorea ein Militärbündnis geschlossen, das in der modernen Realität als defensiv bezeichnet werden kann. Dieses Bündnis wurde de facto nach 28 Jahren wiederbelebt, denn 1996 verlor das Abkommen mit seiner militärischen Beistandsklausel seine Gültigkeit.
In gewisser Weise ist das neue Abkommen wahrscheinlich eine Reaktion auf die Washingtoner Erklärung vom 26. April 2023 zwischen Südkorea und den USA, die zur Gründung der Nuclear Consultative Group führte. Das südkoreanische Militär hat nun einen besseren Zugang zu Informationen über die Grundsätze des Einsatzes der US-Atomstreitkräfte und ist bereit, sich an gemeinsamen Operationen mit ihnen zu beteiligen.
Nordkorea behauptet ausdrücklich, dass in der Nuclear Consultative Group Pläne für einen Atomschlag gegen das Land erörtert werden. Darüber hinaus baut Südkorea unter dem derzeitigen Präsidenten Yoon Suk-yeol aktiv auf eine trilaterale Zusammenarbeit mit den USA und Japan. Kim Jong-un sagte unter anderem, dass die Arbeit an dem neuen Abkommen mit Russland nach dem Gipfel auf dem Kosmodrom Wostotschny im September 2023 begann. Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Situation eine Art von Antwort erforderte. (Auch wenn die trilaterale Zusammenarbeit in Seoul als Antwort auf die Entwicklung des Atomprogramms von Pjöngjang dargestellt wird – so kann man bis 1948, als Nordkorea und Südkorea gegründet wurden, weitergehen).
Da der Text des Vertrags über eine umfassende strategische Partnerschaft öffentlich zugänglich gemacht wurde, kann man ihn mit dem Bündnis zwischen den USA und Südkorea vergleichen. Und einige südkoreanische Experten sind zu dem Schluss gekommen, dass der Text des Abkommens zwischen Russland und Nordkorea in seiner Form stärker ist.
„Sollte eine der Vertragsparteien einem bewaffneten Angriff eines oder mehrerer Staaten ausgesetzt sein und sich somit im Kriegszustand befinden, wird die andere Vertragspartei gemäß Artikel 51 der UN-Charta und im Einklang mit den Gesetzen der Demokratischen Volksrepublik Korea und der Russischen Föderation unverzüglich militärischen und sonstigen Beistand mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten“,
heißt es in dem von der staatlichen Nachrichtenagentur Nordkoreas veröffentlichten Dokument. Im Vertrag zwischen Nordkorea und China ist übrigens auch von militärischer Unterstützung die Rede, allerdings ohne die UN-Charta und nationale Gesetze.
Einige südkoreanische Analysten weisen darauf hin, dass im amerikanisch-südkoreanischen Vertrag über gegenseitige Verteidigung von 1953 das Wort „unverzüglich“ fehlt, dafür aber der Zusatz „im Einklang mit dem verfassungsmäßigen Verfahren“ steht. Im dritten Artikel erklären die USA und Südkorea, dass sie als Reaktion auf eine Bedrohung der anderen Seite handeln werden. Dieser Zusatz sieht nach Ansicht einiger Experten kein automatisches Eingreifen vor, und die „erweiterte Abschreckung“ der USA, also die Fähigkeit, Atomwaffen zur Verteidigung eines Verbündeten einzusetzen, bleibe immer nur ein Lippenbekenntnis.
Es ist kein Platz für eine Wiedervereinigung
In jedem Fall ist die Situation recht interessant: Nordkorea hat zwei Verteidigungsbündnisse, während die Verbindung zwischen Südkorea, den USA und Japan durch Washington gewährleistet wird. Unter den neuen Gegebenheiten könnte man erwarten, dass letzteres die trilaterale Zusammenarbeit institutionalisiert, aber die historische Vergangenheit und das Misstrauen zwischen Seoul und Tokio könnten das verhindern.
Und noch ein weiteres Detail ist bemerkenswert: Im Vertrag von 2024 zwischen Russland und Nordkorea ist im Gegensatz zu den Abkommen von 1961 und 2000 nicht mehr von der Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel die Rede. Ich möchte daran erinnern, dass Kim Jong-un, der nordkoreanische Staatschef, Ende 2023 verkündete, dass eine friedliche Wiedervereinigung mit Südkorea unmöglich sei.
Der Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft wirft viele Fragen bezüglich seiner Interpretation auf. Vor allem Wladimir Putin erklärte, warum das Abkommen derzeit keine Verpflichtungen für Nordkorea im Zusammenhang mit der Militäroperation in der Ukraine mit sich bringt. Andererseits betonen westliche Medien häufig, dass der Koreakrieg mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensabkommen endete. Die Tatsache, dass Russland und Nordkorea unter diesen Bedingungen de facto ein militärisches Verteidigungsbündnis geschlossen haben, zeugt von einem wirklich hohen Niveau der politischen Beziehungen.
„Die lang erwartete Reise“
Seit Ende Mai tauschen Nordkorea und Südkorea über Ballons Altpapier und USB-Sticks mit Fernsehserien aus. Die Situation, so schien es damals, wurde für die dortigen Verhältnisse immer angespannter: Es kam zu „unerträglichen Maßnahmen“ der südkoreanischen Regierung in Form des Anschaltens von Lautsprechern an der Grenze.
Berichte über Warnschüsse an der Grenze am 9. Juni lösten weniger Besorgnis als vielmehr Neugier aus: Was machte ein Zug der nordkoreanischen Volksarmee mit Spitzhacken und Schaufeln an der Grenze? Später wurde bekannt, dass Nordkorea Verteidigungsanlagen, darunter auch Panzersperren, errichtet.
Doch wie gegen den Trend entspannte sich die Situation: Beide Seiten hielten sich bemerkenswert zurück. Nach einiger Zeit stellten die südkoreanischen Medien sogar vorsichtige Spekulationen an: Steht das nicht im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Besuch des russischen Präsidenten?
Auch die südkoreanische Seite bereitete sich gründlich auf den Besuch von Wladimir Putin vor. Am 16. Juni gab der Leiter der Abteilung für nationale Sicherheit der Präsidialverwaltung in Südkorea ein Interview, das die Tagesordnung in den südkoreanischen Medien für die gesamte nächste Woche bestimmte. Im Fernsehen erklärte er „die Unzulässigkeit der Überschreitung bestimmter Grenzen“, und die Begriffe „Vertrag zwischen der UdSSR und Nordkorea von 1961“ und „automatische militärische Intervention“ kehrten in den Wortschatz der südkoreanischen Journalisten zurück.
Darüber hinaus ließ die südkoreanische Seite die Gelegenheit nicht ungenutzt, daran zu erinnern, dass am 18. Juni in Seoul das erste Treffen des sicherheits- und außenpolitischen Dialogs zwischen Südkorea und China stattgefunden hatte. Parallel dazu reiste der südkoreanische Verteidigungsminister nach Osteuropa, um über Rüstungsexportverträge zu sprechen.
„Gegenseitige militärische Unterstützung“
Man muss nicht erklären, warum Südkorea definitiv zu den drei Ländern gehörte, in denen das Gipfeltreffen zwischen Russland und Nordkorea in Pjöngjang am intensivsten verfolgt wurde. Die Ereignisse in Pjöngjang haben sich schnell entwickelt, ebenso wie die unterschiedlichen Reaktionen darauf. Mehrere Tage lang versuchten südkoreanische Zeitungen und Experten zu verstehen, was der Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft ist: eine „Quasi-Vereinigung“ oder ein „vollwertiges Bündnis“. Und falls letzteres, ob er in Bezug auf die militärischen Unterstützungsbestimmungen das Niveau von 1961 erreicht hat.
Bis zur Veröffentlichung des Vertrags wurde versucht, sich an etwas zu klammern, was die Spekulationen über die Wiederbelebung des alten Abkommens zwischen Moskau und Pjöngjang auslöschen könnte. Südkoreanische Medien stellten die Worte der beiden Präsidenten einander gegenüber: Am 19. Juni sprach Wladimir Putin von einem Abkommen, das „gegenseitige Hilfe im Falle einer Aggression“ vorsieht, während Kim Jong-un von verbündeten Beziehungen sprach. Offensichtlich kann „gegenseitige Unterstützung“ nicht nur militärische, sondern auch humanitäre Hilfe bedeuten.
Nach der Veröffentlichung des Textes, die „die letzten Hoffnungen“ Seouls „zunichte machte“, rückte die Frage in den Mittelpunkt der Debatte, ob die in Artikel 4 vorgesehene „sofortige militärische Unterstützung“ einer „automatischen militärischen Intervention“ gleichkommt. Das war keineswegs eine müßige Spekulation, denn sie könnte einen Hinweis darauf gegeben haben, wie die südkoreanische Regierung reagieren würde. Ein südkoreanischer Fernsehsender meinte, das sei eine der „Linien, die nicht überschritten werden dürfen“.
Viele haben darauf hingewiesen, dass das neue Abkommen trotz des fast identischen Wortlauts mit dem Dokument von 1961 die Formulierung über die „Einhaltung von Artikel 51 der UN-Charta, der Gesetze der Russischen Föderation und der Demokratischen Volksrepublik Korea“ enthält. Ein anonymer Beamter der südkoreanischen Präsidialverwaltung vertrat die Auffassung, dass diese Bedingung es ermöglicht, Artikel 4 nicht als eine Klausel einzustufen, die eine „automatische militärische Intervention“ vorsieht.
Die Ukraine
Der ehemalige südkoreanische Botschafter in Moskau, Chang Ho Jin, kündigte erwartungsgemäß, aber dennoch lautstark, an, dass Seoul die Frage der direkten Waffenlieferungen an die Ukraine neu überdenken werde. Er kündigte zusätzliche Sanktionen gegen Russland an und behauptete, der Vertrag zwischen Russland und Nordkorea bedrohe die Sicherheit Südkoreas.
Wladimir Putin hingegen betonte, dass der Vertrag defensiver Natur sei. „Soweit ich weiß, plant Südkorea keine Aggression gegen Nordkorea, so dass es keinen Grund gibt, unsere Zusammenarbeit in diesem Bereich zu fürchten“, sagte der Präsident.
Unmittelbar nach der Pressekonferenz erklärte ein anonymer Beamter der Präsidialverwaltung, dass Südkorea noch einige Zeit „strategische Ungewissheit“ bewahren und nicht bekannt geben werde, welche Arten von Waffen an die Ukraine geliefert werden könnten. Seine Worte implizierten in der Tat, dass sich die Angelegenheit zunächst sogar auf angeblich defensive und „nicht-tödliche Waffen“ wie Raketenabwehrsysteme und technische Fahrzeuge beschränken könnte. In diesem Zusammenhang kommt einem sofort das Flugabwehrraketensystem KM-SAM in den Sinn, das mit Hilfe russischer Organisationen entwickelt wurde.
Am 23. Juni meldete sich Chang Ho Jin erneut zu Wort und gab Anlass zu der Vermutung, dass seine Äußerung zur Ukraine weniger eine Reaktion auf den Vertrag als vielmehr auf bestimmte Worte des russischen Präsidenten darstellte. Wladimir Putin erinnerte in Pjöngjang an die Lieferungen von US-Kampfjets des Typs F-16 an die Ukraine und schloss in diesem Zusammenhang eine militärtechnische Zusammenarbeit mit Nordkorea nicht aus. Die Flugzeugflotte der Koreanischen Volksarmee gilt im Westen als recht alt.
Ein südkoreanischer Beamter erklärte, Südkorea werde „keine Beschränkungen“ für Waffenlieferungen an die Ukraine mehr beachten, wenn Russland militärische Schlüsseltechnologie an Pjöngjang liefere. „Russland hat sich in letzter Zeit roten Linien genähert“, sagte Chang Ho Jin und bezog sich damit wahrscheinlich auf das Verteidigungsbündnis mit Nordkorea. Die Entscheidungen Südkoreas würden von Moskaus Handeln abhängen, sagte er. Seoul bezeichnet die angebliche Möglichkeit der Weitergabe fortgeschrittener Militärtechnologie für Atom-U-Booten und Interkontinentalraketen seit langem als „rote Linie“.
Der Versuch, zu erraten, was genau Südkorea letztendlich tun wird, ist eine undankbare Aufgabe. In der Situation der „strategischen Ungewissheit“ scheint Seoul sogar bereit zu sein, sich auf „halbe Sachen“ zu beschränken, also die technischen Fahrzeuge oder, als letztes Mittel, eine Raketenabwehr. Darüber hinaus könnte Südkorea auf eine „erprobte“ Methode zurückgreifen: „indirekte Lieferungen“.
Um die Unklarheit noch zu verstärken, mahnte Chang Ho Jin an, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Beziehungen zwischen Russland und Südkorea nach Beendigung der Militäroperation weitergehen sollen. Einige Experten schlugen vor, Russland solle einen Sondergesandten nach Seoul entsenden, um Moskaus Position zu dem Vertrag zu übermitteln. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Südkorea nicht umsonst auf Russlands Liste der unfreundlichen Länder steht.
Auf der anderen Seite wird unter den südkoreanischen Konservativen erneut über die Notwendigkeit des Baus eigener Atomwaffen als Antwort auf die Bildung eines „Blocks“ aus Russland, China und Nordkorea gesprochen, denn alle drei Länder verfügen über Atombomben. Die Vorschläge der „gemeinsamen Nutzung“ von US-Atomwaffen und sie nach Südkorea zu bringen, sind wieder aufgetaucht. Bei ihnen ist das eine Art „Universalrezept für jede Krankheit“.
Die Perspektiven
Die südkoreanische Armee gehört zu den zehn stärksten der Welt und der militärisch-industrielle Komplex des Landes nimmt einen immer größeren Anteil des Weltmarktes ein, einschließlich der Aufstockung der Arsenale der Geberländer von Militärhilfe für die Ukraine in Osteuropa. Südkorea gehört wie Nordkorea zur Weltspitze, was die Größe die Menge der Artillerie betrifft.
Munitionslieferungen aus Südkorea an die Ukraine werden meines Erachtens eine besondere Bedeutung haben. Medien zufolge überstiegen die „indirekten Lieferungen“ von Granaten des Kalibers 155 Millimeter aus Südkorea im vergangenen Jahr das Exportvolumen von ganz Europa. Südkoreanische Unternehmen können nach denselben Angaben bis zu 200.000 Geschosse dieses Kalibers pro Jahr produzieren.
Andererseits produziert Russland nach Angaben der westlichen Presse 250.000 Granaten pro Monat, während der gesamte Westen 100.000 Stück in die Ukraine schicken kann. Angeblich verbraucht die Ukraine 75.000 Granaten pro Monat, während Russland 300.000 Stück verbraucht. Wie man sieht, wird der Transfer südkoreanischer Waffen die Situation wahrscheinlich nicht grundlegend ändern, aber er wird die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Südkorea definitiv zerstören.
Mit dem Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft wurde der verbündete Charakter der Beziehungen zu Nordkorea formalisiert, und Südkorea gehört seit langem zu den unfreundlichen Ländern. Es bleibt abzuwarten, ob das Konzept des „freundlichsten aller unfreundlichen Länder“ für Südkorea weiterhin aktuell bleibt.
Ende der Übersetzung
+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 25. Juni 2024 bei anti-spiegel.ru +++ Bildquelle: Vincent Grebenicek / shutterstock
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