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Die Bauerproteste und die krude Weltsicht des Spiegel | Von Thomas Röper

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Der Spiegel hat einen Leitartikel über die Bauernproteste veröffentlicht, der die krude Weltsicht der Spiegel-Redaktion eindrucksvoll aufzeigt.

Ein Kommentar von Thomas Röper.Am Morgen des 8. Januar, also noch vor Beginn der Bauernproteste, hat der Spiegel einen Leitartikel mit der Überschrift „Protest der Landwirte – Die Bauern müssen sich entscheiden – wollen sie die Demokratie stärken oder beschädigen?“ veröffentlicht, der zeigt, wie weltfremd und krude die Spiegel-Redaktion denkt, und der mit folgender Einleitung begann:

„Protest ist essenziell für eine lebendige Demokratie, er kann sie aber auch beschädigen. Die Aktionen der Landwirte entscheiden darüber, wie das Land und sein politisches System am Ende dieser Woche dastehen.“

Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen und je unterschiedlicher sie sind, desto besser ist es für die Demokratie, denn nur im Wettstreit sehr unterschiedlicher Meinungen kann eine bestmögliche Lösung für Probleme gefunden werden. Politik und Medien maßen sich in Deutschland jedoch inzwischen an, zu entscheiden, welche Art von Meinung oder Protest demokratisch ist und welche nicht. Wo, wenn nicht hier, beschreibt die Redewendung von der „Arroganz der Macht“ die Situation passender? Dem Dieb dankbar sein Diese Arroganz fand sich in dem Spiegel-Artikel mehrfach, wie dieses Beispiel zeigt:

„Wenn die Landwirte ab heute in ganz Deutschland demonstrieren, ist das ihr gutes Recht, auch wenn man die Verhältnismäßigkeit hinterfragen kann: Warum honorieren es die Bauern nicht, dass die Bundesregierung einen großen Teil der Subventionen, die sie streichen wollte, weiter zahlen wird? Rechtfertigt es der schrittweise Abbau eines Privilegs in einer hochsubventionierten Branche, Straßen zu blockieren und Landstriche lahmzulegen? Sicher nicht. Und dennoch: Das Recht auf Meinungsäußerung, auch auf laute, knatternde, übertriebene, gehört zum Fundament der Demokratie – wenn dabei die demokratischen Regeln respektiert werden.“

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, denn der Spiegel-Heini, der diesen Artikel geschrieben hat, schreibt im Klartext: Warum sind die Bauern nicht dankbar dafür, dass die Regierung ihnen nicht alles wegnimmt, was sie ihnen ursprünglich wegnehmen wollte? Das wäre so, als müsste man einem Dieb dankbar sein, wenn er hinterher einen Teil seiner Beute zurückgibt! Zur Erinnerung: Die Haushaltskrise, die zu den nun von der Regierung beschlossenen Kürzungen geführt hat, ist nicht wie eine Naturkatastrophe vom Himmel gefallen, sondern diese Haushaltstricks hat sich der damalige Finanzminister Scholz während der Koalitionsverhandlungen Ende 2021 ausgedacht, weil nur so das Geld aufgetrieben werden konnte, das die für die Bildung der Koalition nötigen, sehr teuren Kompromisse erst ermöglicht hat. Als der Regierung dieser eigene Fehler Ende 2023 vom Verfassungsgericht um die Ohren gehauen wurde, hat die Regierung beschlossen, dass die Bauern und die Ärmsten in Deutschland, denen diverse Sozialleistungen gekürzt werden, für diese inkompetente Schlamperei der Regierung bezahlen müssen. Alleine diese Dreistigkeit hätte in den meisten normalen Ländern der Welt zu Massenprotesten geführt, aber die Deutschen sind eben ausgesprochen leidensfähig, wenn es um die Fehler ihrer Regierungen geht. Für Habeck sind immer die anderen Schuld Übrigens hat Bundeskinderbuchautor Habeck zum Protest der Bauern ein über acht-minütiges Video mit einer Ansprache veröffentlicht, das auch tief blicken lässt und zeigt, wie selbstgefällig die Herrschaften der Regierung sind. Habeck sagte nämlich unter anderem:

„Der Einspardruck, zu dem das Urteil des Verfassungsgerichts geführt hat, ist da. Wir mussten ad hoc große Milliardensummen einsparen. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt und den Haushalt neu aufgestellt. Es gab ja einen fertigen Entwurf vor dem Urteil, der anderes vorsah. Aber es ist eine Tatsache, dass die Union mit dem Ziel geklagt hat, dass Milliarden eingespart werden. Und so fiel das Urteil dann aus. Die Konsequenz ist, dass gespart wird“.

Auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Für Habeck ist die CDU an allem schuld, weil sie gegen die illegalen Haushaltstricks der Regierung geklagt hat. Schuld ist also nicht der Gesetzesbrecher, sondern derjenige, der den Rechtsbruch vor Gericht bringt. Das ist doch eine sehr interessante Rechtsauffassung, die der Herr Bundeskinderbuchautor hier geäußert hat. Außerdem, wie kann es anders sein, ist für Habeck natürlich auch Putin an den Problemen in Deutschland Schuld:

„Social-Media-Kampagnen, die teils von Putin bezahlt werden, in denen man sich als Opfer inszeniert, um Gewalt gegen Personen und Dinge zu rechtfertigen. Politische Programme, die Umsturz oder gar Umvolkung das Wort reden und immer anderen die Schuld geben.“

Wenn jemand allen anderen die Schuld an allen selbst verursachten Problemen gibt, dann sind das Habeck und die Bundesregierung. Und wenn ich mich richtig erinnere, dann ist die Regierung für das, was in einem Land vor sich geht, verantwortlich. Das habe ich wirklich mal in der Schule gelernt. Und da Habeck nur zwei Jahre älter ist als ich und nur fünf Kilometer von meiner Heimat aufgewachsen ist, bin ich sicher, dass auch er das mal gelernt hat. Aber er hat das wieder vergessen, daher sind für ihn Putin, die CDU, die Zahnfee und was weiß ich, wer noch alles an den Problemen in Deutschland Schuld. Nur die Bundesregierung, die kann für all das rein gar nichts. Das meint zumindest Bundesmärchenerzähler Robert Habeck. Guter Maidan, böser Reichstag Der Spiegel muss natürlich an den Vorfall erinnern, bei dem wütende Bauern Habeck stellen wollten, als der aus dem Urlaub zurückkam. Dass Habeck die Szene wahrscheinlich selbst provoziert hat, weil die Bauern ihren Protest angekündigt hatten und er trotzdem auf die Fähre gestiegen ist, wird verschwiegen. Habeck hätte die Fähre nicht zu nehmen brauchen, als Minister stehen ihm notfalls auch Hubschrauber zur Verfügung. Aber offenbar waren die Bilder und Meldungen über angeblich aggressive Bauern, die Habeck beschimpfen, gewollt. Und daher ziehen die Medien sie nun natürlich als Beleg für die Gefährlichkeit von Teilen der Protestbewegung heran, obwohl de facto nichts passiert ist, denn von Strafanzeigen wegen irgendwelcher schweren Gewalttaten wurde nichts berichtet. Beim Spiegel klingt das dieses Mal so:

„Ein wilder Haufen aufgebrachter Menschen stürmt los, um den Gegner, »das System«, zu stellen, anzugreifen, niederzuringen. Es sind Bilder, die man kennt: vom Sturm aufs Kapitol im Januar 2021, von der versuchten Erstürmung des Reichstagsgebäudes im August 2020. Die Bilder vermitteln das Gefühl von Bedrohung, Macht und Überlegenheit, sie werden in den Telegramkanälen der Republik ihre Bewunderer finden: Seht her, die verhasste Elite weicht zurück, seht her, was wir alles erreichen können, wenn wir nur brutal genug sind. Beste Voraussetzungen für Nachahmer.“

Wieder beschwört der Spiegel das Gespenst von den bösen Umstürzlern, die angeblich die Regierung wegputschen und eine Diktatur errichten wollen. Dass das Unsinn ist, habe ich gerade erst ausgeführt. Aber das eigentlich Bemerkenswerte ist, dass der Spiegel normalerweise keinerlei Probleme mit Bildern hat, die „das Gefühl von Bedrohung, Macht und Überlegenheit vermitteln“. Oder wie war das beim Maidan, als radikale Neonazis in Kiew Parlament und Regierungsviertel gestürmt haben? Wie war das beim sogenannten Arabischen Frühling, als Demonstranten unter dem Applaus des Spiegel und anderer westlicher Medien gleich in mehreren Ländern Regierungsgebäude gestürmt haben? Und was ist mit den Protesten in Belgrad, bei denen randalierende Demonstranten vor wenigen Wochen versucht haben, die Wahlkommission zu stürmen? Das fand der Spiegel toll, darüber hat der Spiegel positiv berichtet. Das zeigt, wie sehr die Spiegel-Redaktion mit zweierlei Maß misst. Wenn ein paar Chaoten auf der Treppe des Reichstags herumlaufen, dann ist das für den Spiegel ein Umsturzversuch und ein völlig undemokratisches Verhalten. Wenn schwer bewaffnete Demonstranten mit eintätowierten SS-Runen in Kiew koordiniert vorgehen und Parlament und Ministerien stürmen, dann ist das für den Spiegel demokratisch. Demokratieverständnis? Zur Arroganz der Macht gehört auch, dass die Spiegel-Redaktion entscheidet, was demokratisch ist. Das klingt so:

„Der stille Zuwachs an Sympathie für die AfD, die klammheimliche Freude mancher über den Aufruhr an der Fähre sind die derzeit größte Bedrohung für die Demokratie. Das politische System wird sich gegen seine Zersetzung nicht mehr wehren können, wenn die Zersetzer erste Schlüsselstellen darin besetzen. Mit mittlerweile 37 Prozent in den Umfragen in Sachsen kommt die AfD diesem Moment immer näher.“

Die korrekte Frage muss doch lauten, was hat die Regierung getan, das die Menschen in solchen Massen zur AfD treibt? Diese Menschen sind ja keine AfD-Wähler aus Überzeugung, sondern sie sehen in der AfD die einzige Partei, die eine Alternative zur Politik der Regierung anbietet. Ob das tatsächlich so ist, sei einmal dahingestellt, aber die Menschen sehen es so. Das Problem ist also nicht die AfD und das Problem sind auch nicht Menschen, die die AfD nun wählen wollen, das Problem ist die Regierung, die eine so derartig gegen die Menschen in Deutschland gerichtete Politik macht, dass die Menschen sich der einzigen Partei zuwenden, die eine andere Politik verspricht. Die CDU ist schließlich keine Alternative, denn in den wichtigsten Punkten ist sie mit der Regierung einer Meinung. Die Streitpunkte zwischen den etablierten Parteien sind ja keine Richtungsstreitigkeiten, sondern nur Diskussionen darüber, wie radikal die von den etablierten Parteien einhellig gewollte neoliberale und transatlantische Agenda umgesetzt werden soll. Humor im Spiegel Der vorletzte Absatz des Spiegel-Artikels hat mich zum Lachen gebracht, denn dort steht allen Ernstes:

„Die Ampel muss zeigen, dass sie noch immer in der Lage ist, gute Politik für das Land zu machen, dass Streit in der Koalition oder mit der Opposition ein wichtiger Schritt auf diesem Weg sein kann – wenn er denn richtig geführt wird.“

Die Ampel soll zeigen, „dass sie noch immer in der Lage ist, gute Politik für das Land zu machen“? Echt jetzt? Wieso „immer noch in der Lage“, hat die Ampel etwa auch nur eine einzige gute politische Entscheidung getroffen, seit sie Ende 2021 an die Macht gekommen ist? Kann mir irgendjemand auch nur ein Beispiel für „gute Politik“ der aktuellen Bundesregierung nennen? Mir fällt, ganz im Ernst, nämlich kein einziges Beispiel ein.

Anmerkungen

  Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.+++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 09. Januar 2024 bei anti-spiegel.ru +++ Bildquelle: Torben Knauer/ shutterstock


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