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Die bröckelnden Fundamente amerikanischer Stärke | Von Rainer Rupp

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Ein Kommentar von Rainer Rupp.

„Amerikas einstige Exzellenz in Naturwissenschaften schwindet rapide.“ Eric Schmidt, der frühere Vorstandsvorsitzende von Google, hatte kürzlich eine eindringliche Warnung ausgesprochen: Die USA laufen Gefahr, ihre Führungsrolle in der globalen Wissenschaft und Technologie zu verlieren, wenn die von der Biden Regierung im Rahmen der anti-China Sanktionen eingeführte, verschärfte US-Einwanderungspolitik gegenüber chinesischen Studenten und Doktoranten weiterhin so restriktiv bleibt.

Diese Warnung kommt zu einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten mit tiefgreifenden Herausforderungen in ihrem Bildungssystem und ihrer technologischen Innovationskraft konfrontiert sind. Zugleich zeigt dies, dass die US-amerikanische Exzellenz in Naturwissenschaften schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr das Produkt des heimischen Bildungssystem war, sondern das Resultat einer geschickten Import-Strategie ausländischer Wissenschaftler und Intelligenz, die mit viele Geld und guten Arbeitsbedingungen angelockt wurden. Aber auch damit scheint es jetzt vorbei zu sein.

Zwar glaubt ex-Google-Chef Schmidt noch, dass Amerika seine Position als globaler Führer in Wissenschaft und Forschung „durch eine entschlossene Umgestaltung ihres Bildungs- und Wissensfundaments wiederherstellen“ könnte, aber auch das scheint unter den aktuellen Bedingungen selbst auf mittlere Sicht so gut wie aussichtslos.

Wie dringend das Problem ist, zeigt die Tatsache, dass auch die international als außenpolitisches US-Leitmedium anerkannte Zeitschrift Foreign Affairs dieses Thema kürzlich in einer ausführlichen Veröffentlichung (1) in alarmierendem Ton aufgegriffen hat. Von der Politik, vor allem von der amtierenden Biden-Administration und der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, wird das Thema dagegen weiterhin ignoriert. So hat Harris in ihrer Rede auf dem Wahlkonvent der Demokratischen Partei bei der Vorstellung ihrer politischen Prioritäten als US-Präsidentin kein Wort über die Misere im US-amerikanischen wissenschaftlich-technologischen Bereich verloren.

Die Vereinigten Staaten galten lange als Vorreiter in den Bereichen Bildung, Innovation und Technologie. Aber auch laut Foreign Affairs seien diese Säulen der amerikanischen Stärke zunehmend gefährdet. Das Fundament der amerikanischen Macht, die im Wissensvorsprung des Landes tief verwurzelt sei, beginne zu bröckeln. Während andere Nationen ihre Bildungssysteme und technologischen Fähigkeiten rapide ausbauten, droht den USA der Verlust ihres Vorsprungs – nicht nur in militärischen und wirtschaftlichen Bereichen, sondern auch in ihrem intellektuellen und innovativen Kern, so Foreign Affairs.

Das amerikanische Bildungssystem, einst ein Modell für Exzellenz, stelle heute eine signifikante Schwäche dar. Tatsächlich fallen US-Schülerinnen und -Schüler in wichtigen Bereichen wie Mathematik, Naturwissenschaften und Lesefähigkeit zunehmend hinter ihre internationalen Altersgenossen zurück. So zeigten beispielsweise die Ergebnisse des National Assessment of Educational Progress 2023, dass amerikanische 13-Jährige die niedrigsten Mathematik- und Lesefähigkeiten seit Jahrzehnten aufwiesen. Die Situation sei so ernst, dass 70% der Highschool-Absolventen die für das College erforderlichen Mathematikstandards nicht erreichten, während 43 % in allen Fächern scheitern.

Dieser Bildungsrückgang ist besonders besorgniserregend, wenn man ihn im Kontext der raschen Fortschritte in anderen Ländern betrachtet. So rangierten die Vereinigten Staaten im „Program for International Student Assessment (PISA) 2022“ auf Platz 34 der Mathematikfähigkeiten, hinter Ländern wie Slowenien und Vietnam. (Deutschland liegt auf Platz 25)

Diese Bildungslücke sei nicht nur ein akademisches Problem, so die Zeitschrift, sie bedrohe direkt das langfristige Wirtschaftswachstum und die globale Führungsrolle der USA, wobei letzteres der Grund ist, weshalb sich Foreign Affairs überhaupt dem Thema widmet.

Auch die Hochschulbildung in den USA, einst ein Leuchtturm der Intellektualität und Innovation, steht vor erheblichen Herausforderungen. Die Kosten für ein Studium sind in die Höhe geschnellt und machen die Hochschulbildung für viele Amerikaner unerschwinglich. Gleichzeitig verlieren US-Universitäten ihre Wettbewerbsfähigkeit, da andere Länder massiv in ihre eigenen Bildungseinrichtungen investieren. Ein alarmierender Trend sei die „Abwanderung von Talenten“ aus den US-Universitäten in den privaten Sektor, insbesondere in Bereichen wie der künstlichen Intelligenz (KI). Diese Abwanderung entziehe den akademischen Institutionen nicht nur wertvolle Köpfe, sondern lenkt auch Ressourcen von der Grundlagenforschung weg, die für langfristige Innovationen unerlässlich ist.

Die Auswirkungen dieses Trends seien bereits spürbar. Vor einem Jahrzehnt produzierten die USA mit Abstand die meisten wissenschaftlich zitierten Veröffentlichungen weltweit. Heute hat China die USA in diesem wichtigen Maßstab wissenschaftlichen Einflusses überholt. Zudem ist die US-Investition in Grundlagenforschung signifikant zurückgegangen, während Chinas Investitionen zwischen 2012 und 2021 um über 200 % gestiegen sind. Setzen sich diese Trends fort, dann werden Chinas Ausgaben für Grundlagenforschung die der USA innerhalb eines Jahrzehnts übertreffen, befürchtet Foreign Affairs, das jedoch hier einen Fehler macht. Denn in einem Ländervergleich lassen sich Effizienz und Ergebnisse von Grundlagenforschung nicht nur an der Summe der Dollars bemessen, die dafür ausgegeben werden, z.B. liegen die Gehälter von Top-Wissenschaftlern in China weit unter denen ähnlich qualifizierter Kollegen in den USA.

Während die USA mit eigenen Bildungs- und Forschungsproblemen kämpfen, schließen andere Nationen die Lücke rasch. Besonders in Ostasien seien beeindruckende Fortschritte in der Bildung und technologischen Innovation erzielt worden, muss die Zeitschrift einräumen. In den 1960er Jahren hatte Ostasien eines der niedrigsten Pro-Kopf-BIPs weltweit. Heute hat die Region, hauptsächlich durch Bildungsverbesserungen, einen enormen Vorsprung erlangt und ist zu einem globalen Führer in der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung geworden.

Der Niedergang der Wissensmacht Amerikas habe weitreichende Konsequenzen für seine globale Stellung, so Foreign Affairs. Während die USA in Bildung und Innovation zurückfallen, schwindet ihre Fähigkeit, globale Angelegenheiten zu beeinflussen. Heute reichten die traditionellen Werkzeuge der USA, die harte Macht der militärischen Stärke und die weiche Macht des kulturellen Einfluss, nicht mehr aus, um in einer Welt, in der Wissen und Technologie das Wirtschaftswachstum, wissenschaftliche Entdeckungen und militärische Fähigkeiten antreiben, weiterhin zu führen.

Um ihre Wissensmacht wiederherzustellen und ihre Zukunft zu sichern, müssten die USA entschlossene Maßnahmen ergreifen. Dazu gehöre vor allem eine erhebliche Investition in das Bildungssystem, von der Grundschule bis hin zur Hochschulbildung. Auch die Reform der Einwanderungspolitik, um Spitzenkräfte zu halten, und die Modernisierung der Lehrpläne, um die Schülerinnen und Schüler besser auf eine sich schnell verändernde Welt vorzubereiten, seien entscheidend. Zudem müsste die US-Regierung ein neues strategisches Rahmenwerk entwickeln, das die Bedeutung der Wissensmacht in der heutigen globalen Landschaft erkennt. Dies erfordere nicht nur Investitionen in Bildung und Forschung, sondern auch den Aufbau der notwendigen Infrastruktur für technologische Innovationen.

Nur durch eine entschlossene Umgestaltung ihres Wissensfundaments könnte verhindern, dass die USA im globalen Rennen um Wissen und technologische Dominanz weiter zurückzufallen. Nur durch radikale Reformen, so Foreign Affairs, könnte Amerika seine Position als globaler Führer wiederherstellen und seine Zukunft in einer zunehmend wissensgetriebenen Welt sichern.

Eine solche fundamentale Umgestaltung des US-Bildungswesens würde jedoch eine kulturelle Revolution voraussetzen. Zugleich müsste angesichts der gigantischen finanziellen Löcher im Haushalt des US-Bundesstaates (aktuell kommen alle drei Monate Tausend Milliarden Dollar Defizit dazu) des größte Ausgabenposten im Haushalt radikal gekürzt werden, nämlich die US-Militärausgaben von mindesten 800 Milliarden Dollar/Jahr. Und das wird die allmächtige Lobby der Kriegsgewinnler zu verhindern wissen.

Quellen und Anmerkungen

 

(1) https://www.foreignaffairs.com/united-states/crumbling-foundations-american-strength-amy-zegart?utm_medium=newsletters&utm_source=fa_today&utm_campaign=The%20Crumbling%20Foundations%20of%20American%20Strength&utm_content=20240823&utm_term=EDZZZ003ZX

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: XiXinXing / shutterstock


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