Regierungskritiker werden gesellschaftlich tabuisiert, indem man sie in Talk-Shows systematisch in die rechte Ecke drängt. Exklusivabdruck aus dem aktuellen Rubikon-Buch „Zombie-Journalismus - Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?“
Ein Standpunkt von Marcus Klöckner.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Besonders beliebt ist das Werfen mit braunem Dreck im Rahmen politischer Talkshows. Das Prinzip geht so: Wenn überhaupt einmal eine Person eingeladen wird, die eine nicht opportune Meinung vertritt, sitzt in der Runde ein „Rechtsextremismus-Forscher“, „Rechtsextremismus-Experte“ oder jemand mit ähnlicher „Expertise“. Nicht immer, aber oft besteht deren Aufgabe darin, mit braunem Dreck zu werfen. Exklusivabdruck aus „Zombie-Journalismus: Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?“.
Grundrechte-Demos? Querdenker-Demos? Das sind Stichworte, um den mit braunem Dreck gefüllten Sack zu öffnen. Dann folgen Sätze, die ich aus meiner Erinnerung mal zusammenfasse. Ungefähr so läuft es dann ab: Rechtsextremismus-Forscher: „Ist Ihnen eigentlich klar, wer da bei Ihnen auf den Demos mitläuft? Haben Sie gesehen, dass dort auch Reichsflaggen geschwungen werden?“ Stichwort für den Moderator: Einspieler, Aufnahme von Reichsflaggen auf der Demo. Voilà, Beweis geliefert, qualitativ hochwertigen Journalismus abgeliefert.
Rechtsextremismus-Experte: „Sehen Sie das denn nicht? Wissen Sie eigentlich, wer Sie unterstützt? Wenn man weiß, dass auch Rechte mitlaufen wollen, dann muss man sich distanzieren.“ Der Angegriffene sagt etwas wie: „Haben wir doch, haben wir doch.“ Das genügt aber unserem Braunendreckwerfer nicht: „Aber nicht deutlich genug, nicht deutlich genug.“ So in etwa läuft die „Operation Brauner“. Der Strick ist gedreht, er wird einem von hinten um den Hals gelegt und dann wird zugezogen – und zwar unter völliger Akzeptanz der anderen Talkshow-Teilnehmer inklusive der Moderatoren. Man ist sich schließlich in solchen Runden einig. Um Himmels willen keine Staatskritik. Jeder, der Politik über das „legitime Maß“, festgelegt von den „moralisch Gerechten“, hinaus kritisiert, wird selbstverständlich als Verschwörungstheoretiker, als Rechter und so weiter bezeichnet.
„Operation Brauner “ gegen #allesdichtmachen
Während diese Zeilen entstehen, läuft gerade „Operation Brauner“ gegen die #allesdichtmachen-Künstler ab. Vorhang auf, der Tagesspiegel tritt maximal investigativ journalistisch auf. Überschrift: „Filmbranche und Querdenker. Das Netzwerk hinter #allesdichtmachen“ (1). Schon der Subtext in der Überschrift verdient Beachtung, denn er schmuddelt so wunderbar den Denkweg mit braunem Dreck voll.
Querdenker, da denkt man dank der überaus objektiven Berichterstattung unserer Qualitätsmedien quasi schon automatisch an Nazis, und dann ist die Assoziationskette von Netzwerk zu „rechten Netzwerken“ nicht weit.
Anders gesagt: Als einigermaßen mediengeprägter Leser kann man sich denken, dass nun ein Artikel folgt, der aufzeigt, dass die Aktion #allesdichtmachen auf irgendeine Weise Verbindung zu den Rechten oder der neuen Rechte haben muss – was die Aktion dann praktischerweise sofort delegitimiert.
In dem Artikel ist die Rede von „einem ominösen Drahtzieher aus dem Querdenker-Milieu“. Da führen die Autoren an, dass der Notfallmediziner „Paul Brandenburg“ in einer Sendung auftritt und dass in dieser Sendung auch mal „Martin Sellner, der Sprecher der Identitären Bewegung Österreich“, gesessen habe. Wir erfahren, dass es „offensichtlich keine Berührungsängste mit den extremen Rechten gibt“ ― dieses „offensichtlich“ ist köstlich.
Dann teilen die Autoren den Lesern mit, dass Brandenburg eine Initiative gegründet hat, bei der auch ein Oberstleutnant mitmacht ― auch hier wieder das Spiel mit den Assoziationen:
„Oberstleutnant“? Haben die Rechten nicht ständig irgendwelche Verbindungen zur Bundeswehr? Na, na? ―, und dass diese Gruppe das erklärte Ziel hat, „die bürgerliche Mitte der Gesellschaft zu erreichen und zu vernetzen, um gegen die ›Einschränkung der Grundrechte‹ aufgrund der Corona-Eindämmungsmaßnahmen zu opponieren.“
Schließlich findet sich noch die „Information“, Brandenburg habe sich zuhauf populistisch geäußert. Dann folgt das Glanzstück des gesamten Artikels. Unter der Zwischenüberschrift steht: „Nähe zu neurechten Positionen“. Man liest und staunt. Jetzt sollte es spannend werden, jetzt darf man erwarten, dass die beiden Autoren Andreas Busche und Hannes Soltau und das „Recherchenetzwerk“ „Antischwurbler“ liefern.
Die Beschuldigung, jemand habe eine „Nähe zu neurechten Positionen“, ist ziemlich weitreichend für die entsprechende Person. Das ist fast so, als würde man sagen: XY ist ein Nazi. Also, wie sieht die Lieferung des braunen Drecks aus? So:
„Doch Brüggemann ist keineswegs nur Unterstützer von ‚1 bis 19‘. Er und Brandenburg teilen sich auch ein Berliner Postfach. Auf seinem Blog ‚D-Trick‘ merkt der Regisseur diese Woche süffisant an, wie sehr er sich darüber freue, dass sich die ‚Investigativjournalisten‘ (O-Ton) auf dieses Fundstück gestürzt hätten. Er habe nichts zu verbergen.
Und fährt fort: ‚Ich unterstütze die Arbeit der von Paul Brandenburg mitgegründeten Initiative 1 bis 19, weil ich die Aussagen des Positionspapiers für richtig halte. Darüber habe ich Paul Brandenburg kennengelernt und halte ihn für einen integren Mediziner und Staatsbürger.‘ Bei diesen ‚Positionen‘ handelt es sich unter anderem um die Kritik, ‚die Medien‘ hätten in der Corona-Pandemie ‚ihre Aufgabe der unabhängigen Berichterstattung im Sinne einer vierten Säule der Demokratie nicht erfüllt‘.
Diese Kritik kennt man inzwischen auch aus dem einen oder anderen Video der Aktion #allesdichtmachen. Die Nähe zu solchen neurechten Positionen, verpackt mit den Mitteln der Satire, war ein Grund, warum die Aktion am vergangenen Freitag zum Teil so heftige Reaktionen aus der Kultur- und Medienbranche auslöste.“
Hm. Wo sind jetzt die „neurechten Positionen“ (Plural) zu finden?
Haben die sich versteckt? Sind die irgendwo in eine Ritze des brutalstmöglichen Investigativjournalismus gerutscht?
Ach so, Sie meinen also, die Autoren zeigten doch schon auf, was mit neurechten Positionen gemeint sei. Okay, dann lese ich noch mal. Und ich muss eingestehen: stimmt. Da ist tatsächlich eine „neurechte Position“ zu finden. Wobei: Wir streichen den Satz und formulieren neu: Die Autoren führen eine „Position“ an, die sie wohl als „neurechts“ verstehen oder verstanden wissen wollen. Okay. Jetzt habe ich es verstanden. Bei solchen qualitätsjournalistischen Meisterleistungen fängt der synaptische Spalt im Denkapparat wohl zu glühen an. Betrachten wir die „neurechte Position“:
„Bei diesen ›Positionen‹ handelt es sich unter anderem um die Kritik, ‚die Medien‘ hätten in der Corona-Pandemie ‚ihre Aufgabe der unabhängigen Berichterstattung im Sinne einer vierten Säule der Demokratie nicht erfüllt‘.“
Frage an Radio Eriwan: Soll das jetzt wirklich eine „neurechte Position “ sein? Die „Position“, dass „die Medien“ während der Corona-Pandemie ihre Aufgabe als „vierte Säule der Demokratie nicht erfüllt“ haben, ist „neurechts“?
Also ich möchte ja jetzt gewiss niemandem auf die Füße treten:
Aber das zwitschern inzwischen doch schon die Spätzchen von den Dächern. Sind die zwitschernden Vöglein nun also auch „neurechts“?
Natürlich haben Medien ihre Aufgabe nicht erfüllt. Sie haben eine journalistische Bankrotterklärung abgeliefert ― meiner stets bescheidenen Meinung nach.
Also bitte, Radio Eriwan, klären Sie auf.
Radio Eriwan antwortet: Wir haben uns den Tagesspiegel-Artikel mehrmals angeschaut, selbst der Hausmeister musste ihn lesen. Wir können Ihnen die Frage auch nicht so recht beantworten. Aber da Sie ja offensichtlich ebenfalls die (falsche) Meinung vertreten, nämlich: dass „die Medien“ ihre Aufgabe nicht erfüllt haben und damit also auch wohl uns von Radio Eriwan meinen, gibt es von uns exklusiv für Sie eine neue Runde von unserem herzerfrischenden Spiel „Wir beleidigen die Hörer“: Sie Drecks-Nazi, Sie dreckiger!
Man muss sich das mal klipp und klar vor Augen führen: Wer sagt, dass „die Medien“ in der Pandemie einen untragbaren Journalismus abgeliefert haben ― wie war das noch mal: Wann haben die Qualitätsjournalisten angefangen, Todes- und Inzidenzzahlen grundlegend zu hinterfragen? ―, hat eine Nähe zu „neurechten Positionen“, weil die „Neurechten“ diese Position ebenfalls vertreten? Und so etwas steht im Tagesspiegel? Werden solche Artikel eigentlich von verantwortlichen Redakteuren sauber redigiert? Oder winkt man die einfach durch, weil: richtige Haltung und mit braunem Dreck auf „die Richtigen“ werfen ist immer gut und so? Deshalb: Carte blanche, grünes Licht? Fragen über Fragen.
Das Ganze klingt nach dem Witz über den Nazi, den Hobbygärtner und den Haltungsjournalisten. Kennen Sie den?
Der geht so: Ein Nazi, ein Hobbygärtner und ein Haltungsjournalist wohnen (blöderweise) in derselben Straße. Der Nazi mit einem Bezug zur Natur baut in seinem Gärtchen Tomaten an. Der Hobbygärtner, der auch einen Bezug zu Mutter Erde hat, gärtnert in seinem Garten und baut ebenfalls: richtig, Tomaten an.
Läuft der Haltungsjournalist am Garten des Nazis vorbei und sieht den Tomatenanbau.
Kurz darauf läuft er am Garten des Hobbygärtners vorbei und sieht auch: Tomatenanbau. Daraufhin spricht der Haltungsjournalist den Hobbygärtner mit erhobenem Zeigefinger an und sagt: Weißt du, dass du eine Nähe zu Nazis hast?
Der Hobbygärtner guckt verdutzt durch die Wäsche auf der Wäscheleine und sagt irritiert fragend: äh, was?
Der Haltungsjournalist „klärt auf“: Dein Nazinachbar da drüben baut Tomaten an. Du baust Tomaten an. Ihr müsst Brüder im Geiste sein. Diese Nähe durch den gemeinsamen Anbau von Tomaten ist eindeutig.
Damit ist der Witz zu Ende.
„Diesen Totalausfall der Medien und Journalisten in der sogenannten Corona-Pandemie nimmt Klöckner zum Anlass, sich selbige ‚zur Brust‘ zu nehmen. Nach seinem Buch ‚Sabotierte Wirklichkeit: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird‘ aus dem Jahr 2019 zerlegt Klöckner in seinem neuen Buch die gesamte Medienbranche und ihre journalistischen Zombies. Er präsentiert sie uns als bösartige Propaganda-Maschinerie wider Anstand und Fairness, bar jeder journalistischen Profession. (...) Ihre Hauptkompetenz liege darin, im Schulterschluss mit der Regierung Angst zu schüren. (...) Indem sie jede kritische Analyse scheuen wie der Teufel das Weihwasser seien sie selbst zu einer grundlegenden Gefahr für die Demokratie geworden. (...) Das Politik- und Medienkartell kann nur noch als integrale Verbrechensform begriffen werden, wobei die Medien nicht selten die Politik vor sich hertreiben beziehungsweise der Politik als Verstärker ihrer kriminellen Machenschaften zugunsten der Kapitalfraktionen dienen. Die Medien sind daher nichts anderes als Kombattanten im laufenden ‚information warfare‘ gegen die Zivilgesellschaften. Sie sind kriegführende Partei. Die gesamte Mainstream-Medienindustrie begreift Klöckner völlig richtig als nicht mehr reformierbar.“ Ullrich Mies, Autor und Publizist
„Der Kampf gegen das gleichgeschaltete, regierungskonforme Medienkartell hat gerade erst begonnen. Wer immer noch meint, es ginge um eine innergesellschaftliche Diskussion, hat nicht begriffen, dass es Regierung und angeschlossener Bewusstseinsindustrie ausschließlich darum geht, die Definitionshoheit mit allen perfiden Mitteln zu erhalten. Kollabiert die Definitionshoheit, kollabiert die Macht des herrschenden kriminellen politischen Regimes. Zombie-Journalisten sind mitverantwortlich dafür, dass wir in faschistische Verhältnisse abgleiten. Obwohl in weiten Teilen des Buches anklingt, wie sehr Klöckner die derzeitige Journaille verachtet, gelingt es ihm dennoch, Leserinnen und Leser immer wieder zum herzhaften Lachen zu bringen.“ Annette van Gessel, Pharmazeutin und Lektorin
„Marcus Klöckner liefert (...) jetzt all die Beweise, die bei meiner Draufsicht aus dem Blick geraten sind. Textanalyse vom Feinsten, geschöpft aus dem Fundus der Fehlleistungen, die wir seit anderthalb Jahren beobachtet haben. Nena und #allesdichtmachen. Das WDR-Interview mit Jan Josef Liefers. Die Kampagnen gegen ‚Impfvordrängler‘, ‚Schwurbler‘, ‚Maskenverweigerer‘.“ Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaft
Im August erscheint das neue Buch von Marcus Klöckner. Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.
Quellen und Anmerkungen:
- Andreas Busche, Hannes Soltau, Journalisten des Recherchenetzwerk Antischwurbler, „Filmbranche und Querdenker. Die Geschichte hinter #allesdichtmachen“. In: Der Tagesspiegel, Update 21. Mai 2021― Anmerkung: Die Auseinandersetzung mit diesem Artikel bezieht sich auf die ursprüngliche Fassung., https://www.tagesspiegel.de/kultur/filmbranche-und-querdenker-diegeschichte- hinter-allesdichtmachen/27149604.html.
+++Danke an den Autoren für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Artikel erschien zuerst am 11. September 2021 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse. +++ Bildquelle: rangizzz/shutterstock
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