Ein Standpunkt von Rob Kenius. Die Aggressivität der unendlichen Dollarvermehrung
Die Finanzwelt hat schon immer an Kriegen verdient. Inzwischen ist sie so übermächtig geworden, dass sie nicht nur an Rüstung und Militär verdient, sondern Parteien und Regierung der USA vor sich her treibt und deren Kriege bestimmt.
Je länger man das Geschehen in Medien und Politik beobachtet, desto sicherer wird die Erkenntnis, dass die Finanzmacht die stärkste Macht der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft ist und kein westlicher Wert über dem Wert des Geldes, also über dem Wert des US-Dollars steht, weder Moral, noch die Wahrheit, noch Solidarität oder irgendeine soziale Verantwortung. Fast gleichzeitig wird klar, dass die USA auf allen Gebieten den Ton angeben: Militärische Präsenz, Waffenproduktion, Strategie, Meinungsbildung (selbst im Internet) und vor allen Dingen die Dominanz ihrer finanziellen Übermacht.
Nur drei Tage nach Einmarsch der Russen in die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Bundestag die Entscheidung verkündet, dass Deutschland zusätzlich zum laufenden Militärhaushalt ein sogenanntes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Rüstung anlegen wird. (1914 nannte man das eine Kriegsanleihe und die SPD billigte damals die Finanzierung des ersten Weltkriegs.)
Zeitenwende in Deutschland
In den Medien, die mit viel Propaganda, Werbung und Wohlgefühl gepolstert sind, ist Sondervermögen ein besonders gelungenes Falschwort, weil es Vermögen sagt, statt Schuld, also das genaue Gegenteil von dem, was es ist. Hinzu kommt, dass diese Ankündigung des Kanzlers nicht nur in Absprache mit den Ampel-Grünen und der FDP getroffen sein muss, sondern auch die Zustimmung der CDU unter Friedrich Merz erforderte. Die zusätzliche Schuldenaufnahme in dieser Dimension verlangt eine Änderung der Verfassung, die nur mit zweidrittel Mehrheit möglich ist.
Das war drei Tage nach Kriegsbeginn eine bereits hinter den Kulissen beschlossene Sache und ebenso schnell funktionierte die einheitliche Ausrichtung der Fraktionen des Bundestages. Es gab in der Debatte keinen Widerspruch aus den vier Parteien: SPD, CDU, Grüne und FDP. Damit war die Zeitenwende in Deutschland bereits vollzogen: Zeitenwende von der Wirtschaftsmacht und Kulturnation wieder zur Militärmacht. In der längeren deutschen Geschichte ist diese fatale Wende nichts Neues.
Jetzt konnte unsere einfach und schlicht sprechende Außenministerin unbedarft erklären, dass wir im Krieg mit Russland sind. Finanzielle Entscheidungen sind nämlich die wichtigsten Entscheidungen, auch wenn es um Krieg und Frieden geht. Es ist leicht zu erkennen, dass die Schlagworte Sondervermögen, Zeitenwende und später die Kriegstüchtigkeit, gegen Russland gerichtet sind und dass die Richtung seit dreißig und mehr Jahren von den USA vorgegeben wird. Die Aggressivität wird von der Nato exerziert und von sogenannten Atlantikern in ganz Europa politisch unterstützt.
Die Nato-Strategen und ihre Atlantiker behaupten, dass trotz ihrer fast zehnfachen zahlenmäßigen und finanziellen Überlegenheit, ein russischer Angriff auf Europa bevorstehe. Wer das glaubt, ist blind und taub oder er glaubt an solche Dummheit auf Seiten der Russen, die keinerlei Interesse haben, sich nach Westen zu wenden. Seit Jahrhunderten verwalten sie das größte Land der Welt und haben die zu groß geratene Sowjetunion nebst dem Warschauer Pakt friedlich aufgelöst.
Das Finanzsystem produziert unendlich viel Geld und genau so viel Hybris
Was steckt hinter den Irrationalitäten der westlichen Werte-Welt? Schwierige Frage, aber einfache Antwort:
Im 21. Jahrhundert ist die Finanzmacht so überdimensioniert, dass sie sich stark genug fühlt, in den USA die Präsidentenwahl, in Washington die Finanzen, überall die weltweite Rüstung, das Militär, die Nato und die Außenpolitik zu bestimmen, und neuerdings auch die Politik der handlungsunfähigen EU und selbstverständlich die Politik ihrer Vasallen. An erster Stelle Deutschland, GB und Frankreich.
Die Finanzmacht fühlt sich stark genug, gleichzeitig China und Russland zu bedrohen. Im Fall Chinas wird überdeutlich, dass es an erster Stelle um Wirtschaft und Finanzen geht. Das Militär ist der sichtbar stärkste Arm des unberechenbaren Kraken, der die Politik der USA bestimmt.
Zu allem Überfluss dominieren amerikanische Think-Tanks auch die großen Medien der westlichen Werte-Welt mit ihrer neoliberalen Propaganda. Dazu behilflich ist ihnen das Internet. Dieses in seiner Struktur revolutionäre, weil interaktive Medium, das für jeden erreichbar ist und fast nichts kostet, hat sich in nur dreißig Jahren in ein Kartell von fünf Giganten verwandelt, das an erster Stelle der Geschäftemacherei, der Geldvermehrung und der Konsumwerbung dient. Freie Kommunikation ist auch im Internet eine Randerscheinung geworden. Und unsere konformistischen staatsnahen Medien leben ebenfalls im Finanzüberfluss, während oppositionelle verzweifelt um Spenden betteln.
Schuldenmachen leicht gemacht
Die Sonderschuld von 100 Milliarden Euro für Rüstung, drei Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, ist ein klarer Hinweis auf den Zusammenhang von Geldmilliarden und Kriegsgeschehen, insbesondere im Kopf von Olaf Scholz.
Die Übermacht der Finanzwirtschaft ist eine Entwicklung der letzten fünfzig Jahre, sie fällt zeitlich mit der Ideologie des Neoliberalismus zusammen. Der Neoliberalismus fordert die Freiheit des Marktes von jeder Politik und meint an erster Stelle die totale Freiheit der Finanzmacht und ihre Dominanz über Realwirtschaft und Regierungspolitik, über Steuer- Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik zu Gunsten unbegrenzter Finanzgeschäfte.
Um diese Entwicklung zum Finanz-Totalitarismus zu verstehen, muss man das Finanzsystem im 21. Jahrhundert verstehen. Es ruht auf wenigen Säulen. Das labile Gebäude kann jederzeit, auch teilweise zusammenbrechen. Die Struktur wird jedoch von den unterschiedlichsten Akteuren in der Finanzindustrie aufrecht erhalten, weil sie ihnen immense Vorteile, und vor allen Dingen leistungslose Finanzgewinne bietet.
Das geht direkt auf Kosten der Staaten und auf Kosten von 90% ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die Basis der Finanzmacht ist ein traditionelles, feudales Banken-System, das sich selbst erschaffen hat und demokratisch nie zu rechtfertigen war. Marxisten haben dafür die einfache Parole: Demokratie und Kapitalismus sind unvereinbar. Was Demokratie im Marxismus ist, und wie Kapitalismus in China praktiziert wird, kann damit nicht erklärt werden und bleibt der ewigen Diskussion überlassen. Es ist deshalb für die Erkenntnis ergiebiger, sich mit der Funktionsweise des feudalen Finanzsystems im 21. Jahrhundert vertraut zu machen.
Die strukturellen Elemente, die dem aggressiven Finanzsystem zugrunde liegen, habe ich bereits mehrfach in Artikeln und Büchern geschildert. Hier der Überblick in Kurzfassung:
Die girale Geldschöpfung, bei der private Banken Gutschriften erteilen über Geld, das sie nicht besitzen und somit aus dem Nichts erschaffen. Sie generieren Geld.
Das Recht auf diese Gutschriften Zinsen zu verlangen über Geld, das sie nie besessen haben.
Die Kopplung der Gelderschaffung mit Schuldenaufnahme, weshalb die Banken generell die Verschuldung (von Staaten) fördern.
Die Loslösung des Dollars von jeder materiellen Bindung und damit die unbegrenzte Vermehrung des US-Dollars seit 1971.
Die viel zu große Geld- und Schuldenmenge, die durch Kreditvergabe und Schuldenaufnahme, auf allen Ebenen, unkontrolliert und ungebremst ansteigt.
Digitale Systeme übertragen Zahlen und Geldsummen mit Lichtgeschwindigkeit um den Globus und ermöglichen unkontrollierte Transaktionen an allen Finanzplätzen bei Tag und Nacht.
Die Zahlen, die Geld bedeuten, sind in Milliarden gemessen. Diese Zahlen sind für das menschliche Gehirn nicht erfassbar. Das erklärt die Hybris und den Realitätsverlust in Finanzwelt und Politik.
Globale Konsequenzen aus dem totalen Dollar-Überfluss
Es gibt noch ein paar aktuelle Fakten, die zu beachten sind: 90% allen Geldes ist giral generiertes Buchgeld. Die vorhandene Geldmenge ist etwa vier mal so groß wie der Preis aller Güter, die man dafür kaufen kann. Dreiviertel allen Geldes kursiert nur in der Finanzwelt (Tendenz steigend). Dort besteht ein riesiger Geldüberschuss (Tendenz steigend). Weil das System jederzeit zusammenbrechen kann (Tendenz steigend), sucht man gierig und verzweifelt nach Geldanlagen, die mehr Geld oder mehr Sicherheit oder Machtzuwachs bringen.
Reine Geldgeschäfte bringen nur Geld und immer mehr Geld, aber Rüstung bringt Macht.
Landbesitz bringt Sicherheit.
Bodenschätze bringen Sicherheit und Gewinn.
Land mit Bodenschätzen ist das Objekt für die lukrativste Geldanlage.
Das Aufgeblähte und überdimensionierte Finanzsystem der USA hat ein Fernziel: Besitz oder Kontrolle aller großen Lager von Bodenschätzen. Die sind am meisten in Russland vorhanden, befinden sich aber nicht in Privatbesitz, sie werden nicht an der Börse gehandelt und sind nicht käuflich. Die Lager gehören schon immer dem russischen Staat.
Russland ist ein besonders verlockendes Ziel der US-Finanzmacht. Das lenkt die Aufmerksamkeit der Finanzwelt auf das Militär und dessen Ausrichtung gegen Moskau.
Es gibt eine direkte Verbindung zwischen Finanzwelt und Militär der USA, sie besteht darin, dass die (private) Notenbank FED der Administration in Washington jährlich einen sogenannten Kredit in der Höhe des Staatsdefizits gewährt, der aber nie zurückgezahlt wird. Dieser Kredit entspricht seit etlichen Jahren, ziemlich genau der Höhe des Militär-Etats. Er bewegt sich für 2024/25 in der Größe von tausend Milliarden, also einer Billion US-Dollar (Billion im europäischen Sinne).
Daraus folgt: Ohne eine gesetzliche Grundlage finanziert die FED das US-Militär. Das ist eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Finanzwelt und Administration in Washington, die von allen (Demokraten, Republikanern, Banken und Großgeldbesitzern) eingehalten wird.
Exzeptionalismus: Die USA können ihren Eroberngsdrang nicht stoppen.
Das Finanzsystem im 21. Jahrhundert ist schwer durchschaubar, es liefert aber eine rationale Erklärung für die globale Aggressivität der USA, die auch mit dem Wort Exzeptionalismus umschrieben wird. Aber es gibt noch eine zweite, irrationale, Erklärung für die nicht enden wollende Aggressivität der USA:
Die USA haben sich in nur 200 Jahren mit Waffengewalt ausgedehnt, sie haben sich von der britischen Kolonialherrschaft befreit, die Kolonialisation selber in die Hand genommen und mit ihrer Waffenüberlegenheit ein riesiges Land erobert. Sie haben Länder und Inseln hinzu gewonnen und können sich die Zukunft nicht anders vorstellen, als mit der Eroberung immer weiter fortzufahren, bis sie an die Grenzen des Planeten stoßen.
Solche Träume von der Weltherrschaft hatten schon viele Aggressoren, Eroberer und Phantasten vor ihnen. Es ist bisher niemandem gelungen.
Fazit
Die rationale Erklärung für die nicht enden wollenden Kriege der USA (jetzt auch Krieg in den Medien) ist im 21. Jahrhundert die unbegrenzte, aber labile und unkontrollierte Menge an Dollars, die keine materielle Basis mehr hat. Die Finanzmacht sucht mit Rüstung und Militär nach neuen, sicheren Fundamenten in der Realität, die sie aber in der westlichen Werte-Welt kaum noch finden kann. Daraus folgt die Richtung der wirtschaftlichen und finanziellen Aggressivität gegen Länder, die sich der Finanzmacht widersetzen, an erster Stelle Russland und jetzt auch China.
Es ist fatal, dass die deutsche Regierung, unter Olaf Scholz, sich ohne eigene Ziele und ohne Vorteile für die Bevölkerung, als zweitstärkste Macht des Westens, den Interessen und Zielen der USA unterordnet und sich, militärisch riskant, dem bedrohlichen Wettrüsten und der Kriegspropaganda angeschlossen hat. Der letzte falsche Schritt in diese Richtung ist die Billigung der Stationierung weiter reichender US-Raketen.
Wegen der riesigen Militärausgaben und der neu aufgenommenen Schulden, die wir im Gegensatz zu Washington zurückzahlen müssen, ist diese Politik mit hohen Verlusten an Lebensqualität, Sozialleistungen, ziviler Infrastruktur und Zukunftsaussichten für die nächsten Generationen verbunden.
+++ Rob Kenius betreibt die systemkritische Webseite https://kritlit.de
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: iama_sing / shutterstock
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