Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Es muss über Gaza gesprochen werden, auch wenn bei dem Gedanken daran Übelkeit aufsteigt. Es muss gesprochen werden über das Abschlachten von Menschen, das Zerstören ihrer Lebensgrundlagen, die Erzeugung von Hunger und Seuchen, und die Vertreibung der Überlebenden. Aber es muss auch darüber gesprochen werden, dass Gaza nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung ist, die schon über 80 Jahre anhält und immer nach den gleichen Prinzipien verläuft. Das wird dieser Artikel erklären.
Vor unseren Augen begeht ein Besatzungsregime, das 1967 einen Angriffskrieg führte, um ein Gebiet zu erobern, die schlimmsten Gräueltaten, die sich ein Mensch ausdenken kann, um „Unerwünschte“ zu „beseitigen“. Zuletzt uferte es aus, weil die 75-jährige ethnische Säuberung nicht schnell genug den gewünschten Erfolg brachte. Aber die deutsche Politik spricht von „Recht auf Selbstverteidigung“. Was oft genug von Völkerrechtlern und UN-Vertretern als falsch bewiesen wurde.
Aber entscheidend ist, dass der Konflikt nicht am 7. Oktober 2023 begann, sondern durch die Besatzung Palästinas (nach dem Terror von zionistischen Milizen vor der Staatsgründung und der Nakba nach der Staatsgründung), nach einem Angriffskrieg Israels ausgelöst wurde. Dieser Angriffskrieg war lange geplant gewesen und Israel hatte sich nie „verteidigt“, sondern will immer erobern.
Einigkeit der Mächtigen
Beginnen möchte ich aber mit der Übersetzung eines Teils der Rede von Naomi Klein, die ich verstehe als Erklärung des Wiederauferstehens des Kolonialismus. Sie führt aus, wie einig sich die unterschiedlichsten politischen Führer der Kolonialländer waren, Israel zu unterstützen.
„Weit davon entfernt, unsere politische Klasse zu spalten, hat diese Form des Faschismus sie vereint: Donald Trump ist sich mit Joe Biden einig, Rishi Sunak mit Keir Starmer, Emmanuel Macron mit Marine Le Pen, Justin Trudeau mit Giorgia Meloni, ….“ (1)
Naomi Klein meint (1), dass diese Politiker vereint sind in der Verteidigung eines gemeinsamen Glaubenssystems. Der Iron Dome Israels sei das Modell einer super-konzentrierten und klaustrophobischen Version eines Sicherheitsmodells, dem alle Regierungen des Globalen Nordens anhingen. Diese Staaten stellten sich hinter die Völkermordkampagne, weil sie es als Modell für sich selbst ansehen, den durch Völkermorde und Kolonialismus erreichten Reichtum zu verteidigen, … so wie Israel den durch Angriffskrieg erreichten Landraub, füge ich frei hinzu.
Der Beginn des Völkermordes
Die Geschichte des Völkermordes in Gaza begann lange vor der israelischen Staatengründung. Als die Kolonialmacht Großbritannien den Arabern Freiheit und Selbstbestimmung, und damit auch Palästina versprach, wenn sie gegen Deutschlands Krieg halfen. Dann aber, lange vor dem Holocaust in Deutschland, das gleiche Land einer antijudaistischen Gruppen, heute Zionisten genannt, ebenfalls versprachen.
Was ich unter antijudaistischen Gruppen verstehe, wird am besten in einem Brief des jüdischen Wissenschaftlers Albert Einstein deutlich. Er schrieb am 10. April 1948, kurz nachdem das Deir Yassin Massaker (4) durch zionistische Terroristen in West Jerusalem bekannt geworden war:
„Wenn eine wirkliche und endgültige Katastrophe über uns in Palästina hereinbrechen sollte, wären in erster Linie die Briten dafür verantwortlich und in zweiter Linie die Terrororganisationen, die sich aus unseren eigenen Reihen gebildet haben [sic]. Ich bin nicht bereit, irgendjemanden mit diesen fehlgeleiteten und kriminellen Leuten in Verbindung zu bringen.“ (2)
Zu dem Zeitpunkt hatte die Vertreibung von Palästinensern bereits begonnen. Begründet wurde sie damit, dass in der palästinensischen Gemeinschaft Widerstand aufgetreten war. In Palästina hatte man die Flüchtlinge freundlich aufgenommen, denn die Palästinenser glaubten, dass man mit ihnen friedlich zusammen leben könnte, wie so viele Jahrhunderte mit jüdischen Menschen, welche dort schon lebten. Man erlaubte ihnen Teil der Gesellschaft zu werden, nur um dann zu lernen, dass die Flüchtlinge Eindringlinge waren, welche das Land übernehmen wollten, dass der Zionismus den Judaismus nur als Tarnkappe benutzt hatte.
Dann erfolgte die koloniale Entscheidung der Teilung Palästinas durch die Kolonialmächte. D.h. maßgeblich Großbritannien verteilte ein Land, das gar nicht seines war. Es wurde durchgesetzt, unter äußerst umstrittenen Umständen in der neu und noch gar nicht richtig organisierten UN (7). Israel rief seine Staatsgründung aus und begann nun auch offiziell mit der Vertreibung von hunderttausenden von Palästinensern von dem Teil Palästinas, das den Zionisten durch die Kolonialmächte unter dem Schein der UN zugesprochen worden war. Dargestellt in Reden deutscher Politiker, z.B. am 17. Mai 2019 wurde es als heroischer Kampf gegen arabische Horden. Westlich orientierte Historiker basieren fast ausschließlich auf Dokumenten und Informationen Israels, und stellen der westlichen Welt eine vollkommen verzerrte Geschichte der „Selbstverteidigung“ Israels dar. Dieses Märchen war bis zum 7. Oktober 2023 sorgfältig gepflegt worden, zerbrach dann aber hoffnungslos durch die Bilder der unglaublichen Brutalität des israelischen Expansionsdrangs.
Zurück zum Anfang. Natürlich führte das Vorgehen der Zionisten, welche behaupteten, alle jüdischen Menschen der Welt zu vertreten, zu Aufregung und auch Anfeindungen in arabischen Ländern gegen jüdische Menschen. Trotzdem „mussten“ Anschläge bewusst durch Israel geschürt werden, um genügend Einwanderer zum Umzug zu „motivieren“. Und so kam es zu FalseFlag Terrorakten, wenn Juden nicht schnell genug ihre Koffer packten, um ihre Heimat zu verlassen (3).
Heute wie damals wussten die Kolonialländer, welche Verbrechen die Zionisten begehen, aber sie weigern sich bis heute, diese zur Kenntnis zu nehmen. Geheime Telegramme, die vom Middleeasteye „gefunden“ wurden, enthüllen, dass Großbritannien von den Massentötungen und der Vertreibung von Palästinensern im Mai 1948 wusste. Aber die Politik spielte es herunter und weigerte sich, etwas zu unternehmen. Und seitdem hat sich nichts geändert. Auch nicht beim Völkermord in Gaza seit dem 8. Oktober 2023. Im Gegenteil. Die Kolonialländer liefern Waffen und Munition für das Verbrechen.
Nach der Nakba, der ersten großen Vertreibung und Ermordung von Palästinensern, gab es den nächsten Schritt, mit dem Zionisten ihren Plan von Groß-Israel gedachten voranzutreiben. Jahrelang hatte man einen Angriffskrieg gegen arabische Länder und die Besatzung und Annexion Rest-Palästinas geplant und geübt. Bis dann endlich ein Anlass gefunden wurde, den Krieg als „Präventivverteidigung“ zu beginnen.
Der Angriffskrieg von 1967
Jeremy R. Hammond hatte 2017 die zionistische Interpretation der Geschichte zerstört, in dem er in Poreignpolicy Journal einen entsprechenden Bericht in der New York Times im Detail widerlegte (5). Darin klärt er z.B. über die Lüge auf, dass der Krieg angeblich von Jordanien begonnen wurde. Und er erklärte z.B. warum die Aufforderung Ägyptens an die UN, Ägypten zu verlassen gar keine Vorbereitung des Krieges gegen Israel war. Aus Formatgründen finden Sie die Erklärung im Anhang (8).
Und so geht es noch eine Menge Informationen weiter. Der Artikel erklärt auch die Rolle der Kolonialstaaten und der CIA und der gemeinsamen Kriege mit Israel im Nahen Osten zum Schutz der kolonialen Interessen. Aber kommen wir dazu, wie Israel den Angriffskrieg zur Besatzung Rest-Palästinas vorbereitete, einen Angriffskrieg, der nun in den Völkermord in Gaza mündete.
Erzeugung von Existenzangst
Sylcain Cypel schrieb eine Aufklärung darüber (6) und erklärt, dass zwei Tage nach dem Juni-Krieg 1967 der damalige Arbeitsminister Israels, Levy Eshkohl erklärte:
"Israels Existenz hing an einem seidenen Faden. Aber die Hoffnungen der arabischen Führer, uns zu vernichten, sind zunichte gemacht worden".
Diese Panikmache sei die Begründung zum „Präventivkrieg“ gewesen, den Israel dann gestartet hatte.
Zunächst hatten Zionisten behauptet, Ägypten hätte angegriffen, was aber bald als Lüge entlarvt wurde, worauf auf diese These von der "existenziellen Bedrohung" zurückgegriffen wurde, die zum ständigen politischen und diplomatischen Argument Israels wurde, und das bis heute, um seine Angriffe, egal gegen welches Land, immer wieder zu rechtfertigen.
Der Autor erklärt, wie allerdings nur fünf Jahre nach dem 6-Tage-Krieg eine Reihe israelischer Generäle und Politiker die Behauptung, dass überhaupt eine Bedrohung gegen Israel bestand, energisch und öffentlich zurückgewiesen hatten, womit sie bewiesen, dass der Krieg von 1967 ein geplanter Angriffskrieg war. Es waren Ezer Weitzmann, Chaim Herzog, Haim Bar-Lev, Menachem Begin und Mosche Dajan und andere. Aus Formatgründen mehr dazu im Anhang (9). General Matti Peled, der Chief Logistics Officer, fasste die Meinung von Generälen in radikalen Worten zusammen:
"Die Behauptung, die an der Grenze versammelten ägyptischen Truppen könnten in irgendeiner Weise die Existenz Israels bedrohen, ist nicht nur eine Beleidigung für die Intelligenz jedes Menschen, der in der Lage ist, eine solche Situation zu analysieren, sondern vor allem eine Beleidigung für die israelische Armee." Und er fügte hinzu: "All das Gerede über die große Gefahr, in der wir uns befanden (. . .), wurde nie berücksichtigt, als wir unsere Berechnungen anstellten, bevor die Kämpfe begannen."
Und trotzdem wird dieses Märchen im Westen, dass Israel den Krieg habe beginnen „müssen“, weil es existentiell bedroht war, immer wieder herangezogen, wenn Politiker erklären:
„Israel verteidigt sich nur“.
Schon vor dem Juni 1967, so der Bericht weiter, hatten sich fast alle israelischen Generäle nahezu absolut zuversichtlich gezeigt, dass sie einen Sieg erringen würden. Und damit waren sie nicht alleine. Nach Ansicht von John Hadden, dem Leiter des CIA-Büros in Tel Aviv, würde Israel im Falle eines Krieges mit seinen Nachbarn "in sechs bis zehn Tagen gewinnen, da war er sich ganz sicher".
Die CIA habe Washington informiert, was sicherlich eine wichtige Rolle dabei spielte, dass Präsident Lindon Johnson Israel schließlich grünes Licht gab, nachdem er lange Zeit größten Widerwillen gezeigt hatte, einen "Präventivkrieg" zu dulden. Und nochmal:
Israel und die CIA führten den Krieg NICHT weil Israel angegriffen werden könnte, sondern weil sie der Meinung waren, dass Israel in 6 Tagen den Krieg werde gewinnen können.
"Israels Grenzen ausdehnen"
Warum Israels Generäle so selbstsicher waren, ist Thema eines ganzen Kapitels in The Six-Day War (Yale University Press (2017)), des israelischen Historikers Guy Laron. Als die Generäle 1972 ihre wahren Beweggründe für den Kriegseintritt offenlegten, erklärte General Mordechaï Hod, dessen Streitkräfte am 5. Juni 1967 die ägyptische, syrische und jordanische Luftwaffe in etwas mehr als einer Stunde vernichtet hatten, Folgendes:
"Sechzehn Jahre lang hatten wir geplant, was in diesen ersten 80 Minuten geschah. Wir lebten mit diesem Plan, wir aßen mit ihm, wir schliefen mit ihm. Wir haben nie aufgehört, ihn zu verbessern."
Diese minutiöse Vorbereitung und ihre Motivation habe Laron in seinem Buch offenlegt, berichtet Cypel. Der Titel des Kapitels, das er ihm widmet, sei unmissverständlich: "Die Erweiterung der Grenzen Israels". Auf dreizehn Seiten habe der Historiker detailliert beschrieben, wie der israelische Generalstab fast unmittelbar nach dem Krieg von 1948 bis ins kleinste Detail vorbereitete, wie Israel seine Grenzen erweitern würde. Als er 1963 an die Macht kam, habe sich Premierminister Levy Eshkol mit dem Generalstabschef Tsvi Tsour getroffen, der ihm erklärte, dass die militärische Stärke des Landes verstärkt werden müsse, damit Israel im unvermeidlichen Krieg mit seinen Nachbarn "in der Lage sein würde, den Sinai, das Westjordanland und den Südlibanon zu erobern.“
„Sein Stellvertreter Yitzhak Rabin bestätigte dies, und Ezer Weizman, der Befehlshaber der Luftwaffe, drückte es noch hochmütiger aus: ‚Aus Sicherheitsgründen muss die IDF [Israels] Grenzen ausweiten, ob es der Regierung nun passt oder nicht‘. Derselbe Weizman, der der Herout-Partei angehört, dem historischen Verfechter eines Groß-Israels, schlug vor, dass die Regierung ‚in den nächsten fünf Jahren ernsthaft über einen Präventivkrieg‘ nachdenken müsse! Ein anderer General, Teshayahou Gavish, warnt, dass Israel im Falle eines Sturzes des jordanischen Königs Hussein sofort das Westjordanland einnehmen sollte.“ (6)
Eshkol sei überrascht gewesen, "aber die Generäle wiederholten lediglich Konzepte, die bereits in den 1950er Jahren entwickelt worden waren", erklärt Laron. Und das mit zahlreichen Beispielen. Fünfzehn Jahre lang war allen Generalstabskreisen beigebracht worden, dass die nationalen Grenzen, wie sie 1949 mit den arabischen Armeen vereinbart worden waren, "untragbar" seien. Bereits 1950 habe die Planungsabteilung der Armee daher die Aufgabe übernommen, andere, sicherere Grenzen zu schaffen. Drei "geografische Barrieren" wurden ins Auge gefasst: der Fluss Jordan gegenüber dem gleichnamigen Land, die Golanhöhen gegenüber Syrien und der Fluss Litani im Südlibanon. Diese drei Barrieren wurden von den Militärs als, wie sie es ausdrückten, "Israels lebender strategischer Raum" angesehen. In einem Dokument von 1953 wird der Sinai in die Liste aufgenommen, um Israel mit Öl und Mineralien zu versorgen.
1955, ein Jahr vor der Suez-Operation, die mit den Franzosen und den Briten durchgeführt wurde, habe der Generalstabschef Moshe Dayan erklärt, dass es für Israel kein Problem sein würde, einen Vorwand für einen Angriff auf Ägypten zu finden.
"Wir sollten bereit sein, den Gazastreifen, die entmilitarisierten Zonen [an der Grenze zu Ägypten und Syrien] und die Straße von Tiran zu erobern. … Und wir sollten an einen dreistufigen Plan denken. In der zweiten Etappe werden wir den Suezkanal erreichen; in der dritten werden wir Kairo erreichen. Ob wir alle drei Etappen oder nur eine davon durchführen werden, hängt davon ab, wie die Kriegsziele definiert werden sollen. … Für Jordanien gibt es einen zweistufigen Plan: In der ersten Phase wollen wir die Linie von Hebron erreichen. Die zweite besteht darin, das restliche Gebiet bis zum Jordan einzunehmen."
Und schließlich habe er hinzugefügt:
"Der Libanon steht auf unserer Prioritätenliste an letzter Stelle, aber wir können bis zum Litani reichen. In Syrien kann eine Linie bis zu den Golanhöhen reichen, die andere bis nach Damaskus."
Israel – und der Kampf um „Lebensraum“
Diese Mentalität, die darin bestand, neue Gebiete zu erobern, um die Grenzen des Landes zu erweitern und vor allem die durch den Krieg von 1948 „unerledigten Jobs zu erledigen", insbesondere durch die Einnahme des Gazastreifens und des Westjordanlandes, bestand nicht nur in Plänen für militärische Eroberungen. Sie waren mit einer politischen Vorbereitung auf die Folgen dieser Eroberungen verbunden und zeigten, dass Israel auch nach einem Krieg, der eigentlich nur "defensiv" sein sollte, nicht die Absicht hatte, auf seine Eroberungen jemals zu verzichten, führt der Artikel weiter aus. Was wiederum die Scheinheiligkeit der mantraartig vorgetragenen „ZweiStaatenLösung“ durch deutsche Politiker entlarvt. Denn Israel hatte niemals die Absicht, einen palästinensischen Staat zuzulassen. Wie auch Gideon Levy, der selbst einmal Anhänger der Idee war, erklärte (10).
So wurde schon vier Jahre vor dem "Präventiv"-Krieg vom Juni 1967 der Militärgeneralanwalt Meir Shamgar (späterer Präsident des Obersten Gerichtshofs von 1983 bis 1995) beauftragt, mit der Ausarbeitung eines Rechtskodex zu beginnen, der von Israel im Falle der Eroberung neuer Gebiete angewendet werden sollte. Bereits 1963 wurden Offiziersanwärter und Reserveoffiziere der israelischen Armee in Kursen über die Militärgerichtsbarkeit in eroberten Gebieten unterrichtet, wie Laron berichtet. Schon im Dezember 1963 ernannte der Generalstabschef General Herzog zum Leiter einer Sondereinheit, die die Besetzung des Westjordanlandes vorbereiten sollte.
Von da an, schreibt Laron, wurden am Institut für Militärstudien Kurse über die militärische Verwaltung der Bevölkerung in den eroberten Gebieten abgehalten und eine Broschüre für die mit dieser Aufgabe betrauten Offiziere gedruckt: "Es wurden viele Exemplare dieser Broschüren gedruckt und sie wurden Teil eines Kits, das alle Richter und Staatsanwälte zu Beginn der Besatzung erhalten sollten."
Dann erklärt Cypel, dass kurz vor Juni 1967 die Idee der Grenzerweiterung in Israel auf zwei klar definierte politische Strömungen beschränkt gewesen sei. Auf der einen Seite die nationalistische Rechte, die an ihrem Traum vom großen Israel "an beiden Ufern des Jordans" festhielt, und auf der anderen Seite die territorialen Aktivisten einer Bewegung der Arbeitspartei namens Ahdout Ha Avoda (Einheit der Arbeit), die die Teilung Palästinas nie akzeptiert hatte. Selbst zusammengenommen seien diese beiden Bewegungen aber eine Minderheit gewesen.
Die israelischen Regierungen dieser Zeit, die von der Arbeitspartei dominiert wurden, seien traditionell in "Falken" und "Tauben" gespalten gewesen. Premierminister David Ben Gourion habe in diesem Zusammenhang als Vermittler fungiert und war, obwohl selbst ein Falke, ein Pragmatiker. Andererseits zeige Laron, dass der Gedanke, die 1948 nicht eroberten palästinensischen Gebiete gewaltsam "zurückzuerobern" und ganz allgemein die Grenzen Israels zu erweitern, in den Jahren 1948 bis 1967 im Generalstab ständig präsent war.
Interessant sei auch, dass die Ahdout Ha Avoda-Fraktion im Generalstab traditionell überrepräsentiert war. Unter sich nannten die israelischen Generäle die älteren zionistischen Politiker scherzhaft "Die Juden", ein Begriff, der die angeborene "Schwäche" derjenigen symbolisieren sollte, die noch die ängstliche Mentalität der Diaspora hatten. Im Gegenzug bezeichneten diese Politiker die jungen Generäle als "die Preußen"....
"Ein sehr israelischer Putsch"
Nach fast 20 Jahren der Vorbereitungen auf den nächsten Expansionskrieg waren die Generäle fest entschlossen, die Planungen endlich umzusetzen. Und so schreibt der Autor, dass sie auf allen Seiten diesen Plan im Hinterkopf hatten und vor allem nach dem 23. Mai 1967, als Ägypten die Straße von Tiran schloss, was aus ihrer Sicht einen casus belli darstellte, zunehmend Druck auf die Regierung und den Premierminister Levi Eschkol ausgeübt hatten, einen Präventivkrieg zu genehmigen. Dieser Druck, der in den zwölf Tagen vor dem Krieg am höchsten gewesen sei, wurde inzwischen hinreichend dokumentiert. Der von Rabin geführte Generalstab war unnachgiebig: wenn Israel nicht reagiert, werde seine "Abschreckungskapazität" einen irreparablen Schaden erleiden. Siegesgewiss hatte General Ariel Sharon verkündet, die Regierung könne es sich nicht leisten, eine "historische Gelegenheit" zur Erweiterung des Landes zu verpassen. General Yigal Allon, Mitglied des Kabinetts und Führer von Ahdout Havoda, bot an, "einen Vorwand" für einen Angriff zu erfinden.
Eshkol habe gezögert, berichtet der Artikel, wollte sich vergewissern, dass die USA diesen Schritt unterstützen würden, und General Weizman habe ihn öffentlich bei einem Mittagessen am 1. Juni beschimpft:
"Eshkol! Geben Sie den Befehl, den Krieg zu beginnen! (. . .) Wir haben eine starke Armee, die nur auf Ihre Befehle wartet. Geben Sie uns den Befehl zu kämpfen, und wir werden siegen!"
General Hod habe dann zum entscheidenden Schlag ausgeholt: Je schneller wir handeln, desto geringer werden unsere Verluste sein, versicherte er dem Premierminister. Am 2. Juni habe Eskol vor dem, was Laron als "einen sehr israelischen Putsch" bezeichnet, kapituliert.
Menachem Begin, der Führer der Ultratraditionalisten, sei dann in das Kabinett eingetreten. Ebenso wie Moshe Dayan, war er der eifrigste Befürworter eines sofortigen Krieges. Er habe sogleich verkündet:
"In zwei Tagen werden wir am [Suez-]Kanal sein."
In vier Tagen waren die Generäle auch in Jerusalem und am Jordan, in sechs Tagen waren sie auf den Golanhöhen. Bald erschien ein Foto in den Zeitungen der ganzen Welt: Dayan, in Uniform, und Rabin, zusammen mit General Uzi Narkiss, beim Einzug in die alte arabische Stadt Jerusalem.
„‘Es war der Krieg der Generäle, und sie hatten ihn gewonnen‘,
fasst Guy Laron zusammen. Und sie wurden belohnt: Von 1966 bis 1970 vervierfachte sich der Anteil des Verteidigungshaushalts gemessen am israelischen BSP von 6,4 % auf 24,7 %.“ (6)
Die Besatzung
Natürlich war die Geschichte der Expansion Israels mit dem Krieg von 1967 nicht beendet. Aber egal gegen welches Land anschließend Krieg geführt wurde, oder welches Land bombardiert wurde, immer hieß es im Westen
„Israel verteidigt sich nur“.
Durch diese Politik des absichtlichen Ignorierens des rassistischen, ultranationalistischen und expansionistischen zionistischen Apartheidsystems durch westliche Regierungen über Jahrzehnte war der offene Völkermord nur eine Frage der Zeit, bis er ganz offiziell und unter dem Schutz der Kolonialländer stattfinden konnte.
Quellen und Informationen
Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka
(2) https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2018/important-books-manuscripts-n09885/lot.244.html
(3) https://www.middleeasteye.net/news/avi-shlaim-proof-israel-zionist-involvement-iraq-jews-attacks
(4) https://www.middleeastmonitor.com/20140124-deir-yassin-remembered/
(5) https://www.foreignpolicyjournal.com/2017/06/05/who-started-the-six-day-war-of-june-1967/
(6) https://orientxxi.info/magazine/how-the-israeli-generals-prepared-the-conquest-long-before-1967,1904
(7) https://www.thecairoreview.com/essays/framing-the-partition-plan-for-palestine/
(8) "Stephens verschweigt den Lesern, dass die UNEF gegründet wurde, nachdem sich Israel mit Großbritannien und Frankreich verschworen hatte, um 1956 nach Nassers Verstaatlichung des Suezkanals einen Angriffskrieg gegen Ägypten zu führen. Die UNEF sollte nicht nur die Einstellung der Feindseligkeiten sicherstellen und als Puffer dienen, um künftige Aggressionen zu verhindern, sondern auch den erforderlichen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem besetzten Sinai überwachen.
Um die Leser zu der gewünschten Schlussfolgerung zu führen, lässt Stephens weitere relevante Zusammenhänge außer Acht, wie z. B. die Tatsache, dass Nasser von seinen Verbündeten Syrien und Jordanien beschuldigt wurde, sich hinter der UNEF zu verstecken - so kam er Jordanien nicht zu Hilfe, als Israel am 13. November 1966 in das Westjordanland einmarschierte, um die Zivilbevölkerung des Dorfes Samu kollektiv für die Ermordung von drei israelischen Soldaten durch die palästinensische Gruppe al-Fatah zwei Tage zuvor zu bestrafen.
Israel ging davon aus, dass es durch den Terror gegen die Dorfbewohner König Hussein von Jordanien - der das Westjordanland nach dem Krieg von 1948 und der ethnischen Säuberung Palästinas verwaltete - dazu bewegen würde, gegen die Fatah vorzugehen. Nachdem die israelischen Streitkräfte die Dörfer auf dem Stadtplatz zusammengetrieben hatten, begannen sie mit mutwilligen Zerstörungen, bei denen nach Angaben von UN-Ermittlern 125 Häuser, eine Dorfklinik und eine Schule zerstört wurden. Drei Zivilisten wurden getötet und 96 verwundet, und der UN-Sicherheitsrat verurteilte Israel für seine ‚Verletzung der UN-Charta und des allgemeinen Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und Jordanien‘.
Indem er den Kontext von Nassers Demütigung angesichts einer solchen israelischen Aggression ausblendet, hinterlässt Stephens bei seinen Lesern den Eindruck, dass Ägypten einen Angriff auf Israel vorbereitete - und nicht, dass Nasser die UNEF aus dem Land wies, um sein Gesicht zu wahren, nachdem ihm vorgeworfen worden war, er verstecke sich feige hinter den UN-Friedenstruppen.
Tatsächlich schlug UN-Generalsekretär U Thant, nachdem Nasser die Evakuierung der UNEF von ägyptischem Boden gefordert hatte, vor, die UNEF auf der israelischen Seite der Grenze neu zu positionieren, doch dieser Vorschlag wurde von Israel abgelehnt.“
(9) Darunter war der ehemalige stellvertretende Generalstabschef Ezer Weitzman, der später Präsident werden sollte. Er sagte laut Haaretz vom 29. März 1972: "Die Hypothese der Ausrottung wurde in keiner ernsthaften Besprechung in Betracht gezogen." Vier Tage später war Chaim Herzog an der Reihe, sich zu äußern. Er war ehemaliger Chef des militärischen Geheimdienstes und ebenfalls ein zukünftiger Präsident. "Es bestand keine Gefahr der Vernichtung. Der israelische Generalstab hat nie daran gedacht" (Maariv, 4. April 1972). Und schließlich brachte der Generalstabschef selbst, General Haim Bar-Lev, Nachfolger von Yitzhak Rabin in diesem Amt, die Botschaft auf den Punkt: "Am Vorabend des Sechstagekriegs wurde uns nicht mit Völkermord gedroht, und eine solche Möglichkeit kam für uns nie in Betracht." (Ebd.) [Es gab noch andere hochrangige Politiker, wie Menachem Begin und Mosche Dajan.]
(10) https://youtu.be/c4W1IWNAPgk
+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: Geeth Image/ shutterstock
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