...und wie weltfremd deutsche Politiker reagieren.
Während die Taliban im Eiltempo Afghanistan überrennen, zeigen die Kommentare deutscher Politiker wie Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer oder Ober-Transatlantiker Röttgen, wie weltfremd sie sind.
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Die Nato hat den Krieg in Afghanistan verloren, die Nato-Truppen fliehen aus dem Land, in dem sie 20 Jahre lang Krieg geführt haben. Diese Tatsache versuchen deutsche „Qualitätsmedien“ und Politiker zu verschleiern, indem sie vom „Abzug“ der Truppen“ sprechen. Aber dieser „Abzug“ ist so kurzfristig angekündigt worden und läuft so überstürzt ab (1), dass nur das Wort „Flucht“ die Lage korrekt beschreibt.
Röttgen fordert neuen Kriegseinsatz
Als erster deutscher Politiker zeigte der Ober-Transatlantiker Norbert Röttgen, der gerne noch mehr US-Atomwaffen in Deutschland stationiert sehen möchte (2), seine eindrucksvolle Inkompetenz, als er auf die Meldungen aus Afghanistan reagierte, indem er kurzerhand einen neuen Einsatz der Bundeswehr zusammen mit den Nato-Streitkräften in dem Land forderte. Der Spiegel schrieb darüber (3):
„In Afghanistan bestehe die Gefahr, dass die Islamisten das ganze Land eroberten, einschließlich der Hauptstadt Kabul, sagte der CDU-Politiker am Sonntag der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«: »Es darf jetzt nicht zugelassen werden, dass sie militärisch einseitig Fakten schaffen.« Dann bestünde auch keine Aussicht mehr auf eine politische Lösung.“
Das hat der Schnelldenker Röttgen aber wirklich gut erkannt. Man fragt sich nur, warum er das nicht erklärt hat, als die USA ihren „Abzug“ aus Afghanistan verkündet haben. Man konnte seitdem in internationalen Medien von allen Experten hören, dass die Taliban nach dem Nato-Abzug innerhalb von drei Monaten die Hauptstadt Kabul und den größten Teil des Landes kontrollieren würden. Was nun in Afghanistan passiert, ist also alles andere als überraschend, es war im Gegenteil absehbar.
Der Afghanistan-Krieg war von Anfang an falsch, was die Flucht aus Afghanistan nun in aller Deutlichkeit aufzeigt. Die vom Westen gesetzten Kriegsziele waren nicht erreichbar, weder ein Sieg über die Taliban, noch die Demokratisierung des Landes, noch die großspurig verkündeten Frauenrechte in Afghanistan waren durchsetzbar. Daran hat der Nato-Krieg, der Billionen Dollar und zehntausende Menschenleben gekostet hat, nichts geändert, wie wir heute sehen.
Das aber stört Röttgen, der offensichtlich in einer weit außerhalb der Realität liegenden Blase lebt, nicht. Er fordert – während die Flucht der Nato aus Afghanistan noch nicht ganz beendet ist – allen Ernstes schon einen neuen Kriegseinsatz in Afghanistan und will noch mehr Tote produzieren und noch mehr Geld verbrennen. Entweder ist er nur daran interessiert, dass die Rüstungsindustrie noch mehr Gewinne macht, denn für sie waren die 20 Jahre Krieg ein – im wahrsten Sinne des Wortes – Bombengeschäft. Oder Röttgen ist einfach nur komplett realitätsfremd.
Bundesinkompetenzministerin Kramp-Karrenbauer
Wenn es um das offene Zeigen von kompletter Inkompetenz geht, steht Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer regelmäßig in der ersten Reihe, eine Auflistung ihrer „Glanzleistungen“ finden Sie hier (4). AKK hat einen aus 14 Teilen bestehenden Tweet veröffentlicht (5), in dem sie Röttgen zwar widerspricht, und einem neuen Kampfeinsatz der Bundeswehr eine Absage erteilt. Aber nur aus einem Grund: Dafür gibt es keine politische Mehrheit in Deutschland. Sie schrieb unter anderem:
„Wer die Taliban dauerhaft besiegen will, müsste einen sehr harten und langen Kampfeinsatz führen.“
Das hat sie sehr scharfsinnig analysiert, oder nicht?
Man muss sich allerdings fragen, ob der deutschen Verteidigungsministerin jemand gesagt hat, dass die Nato genau das getan hat: Sie hat 20 Jahre lang einen „sehr harten und langen Kampfeinsatz“ geführt. Aber das hat nicht zu einem Sieg über die Taliban geführt, im Gegenteil, was wir gerade erleben, ist die bedingungslose Kapitulation der Nato vor den Taliban. Das ist keine übertrieben Formulierung, oder kann mir jemand auch nur ein Beispiel dafür nennen, welche Bedingungen die Nato mit den Taliban im Gegenzug für den „Abzug“ aus Afghanistan ausgehandelt hat?
Wie weltfremd AKK ist, zeigt auch dieser Teil ihres Tweets:
„Gemeinsam mit anderen haben wir in Afghanistan erreicht, dass der Terrorismus von Al-Qaida uns von dort aus nicht mehr bedrohen kann, dass eine ganze Generation von Afghaninnen & Afghanen bessere Chancen bekommen hat, dass Frauen & Mädchen Zugang zu Bildung bekommen haben.“
Die Al-Qaida kann uns nicht mehr bedrohen?
Das Gegenteil ist der Fall, denn vor dem Afghanistan-Krieg gab es in Europa keine islamistischen Terroranschläge, die sind ein Ergebnis des Afghanistan-Krieges (und der anderen Nato-Kriege im Nahen Osten) und der daraus folgenden Radikalisierung vieler Moslems und natürlich der Flüchtlingswelle, die diese Radikalen nach Europa gebracht hat. Der Afghanistan-Krieg hat den Terrorismus erst nach Europa gebracht.
Und dass „eine ganze Generation von Afghaninnen & Afghanen bessere Chancen bekommen hat“ ist Zynismus in Reinkultur. Warum sind denn nach Beginn des Afghanistan-Krieges zehntausende Afghanen aus dem Land geflohen und leben heute als Flüchtlinge in Europa? Haben sie die lebensgefährliche Flucht mit ungewissem Ausgang etwa auf sich genommen, weil die Nato ihnen „bessere Chancen“ in ihrer Heimat gebracht hat?
Nein, die Nato hat Tod, Krieg und Leid in das Land gebracht. Das aber hat die Militärexpertin AKK nicht verstanden.
Wer finanziert eigentlich die Taliban?
Krieg ist teuer und man muss sich fragen, woher die Taliban das Geld haben, 20 Jahre Krieg gegen die Nato nicht nur zu führen, sondern auch zu gewinnen. Diese Frage wird von westlichen Medien leider nie gestellt. Eine weitere Frage, die die westlichen Medien möglichst ausblenden, ist die Frage, was eigentlich aus bis zu einer Billion Dollar geworden ist, mit denen der Westen angeblich die afghanische Armee ausgebildet und ausgerüstet hat.
Die afghanische Armee zeichnet sich durch Inkompetenz, schlechte Moral und schlechte Bewaffnung aus, nicht einmal eine Luftwaffe zur effektiven Bodenunterstützung hat sie. Dafür hat sie Soldaten, die zu tausenden desertieren oder zu den Taliban überlaufen, sei es aus Angst, oder sei es, weil die Taliban mehr bezahlen können. Afghanistan ist ein korruptes und bettelarmes Land, wer Soldaten in einem solchen Land einen Sold zahlt, der nicht zum Leben reicht, muss sich nicht wundern, dass die Armee in einem solchen Zustand ist. Und damit schließt sich der Kreis, denn Geldmangel kann kaum der Grund für die schlechte Moral der afghanischen Armee sein. Daher ist die Frage berechtigt: Wohin ist bis zu einer Billion Dollar geflossen, mit der die afghanische Armee angeblich ausgerüstet und ausgebildet wurde?
Das russische Fernsehen geht diesen Fragen – im Gegensatz zu westlichen „Qualitätsmedien“ – nicht aus dem Weg. Daher habe ich einen Bericht des russischen Fernsehens über die aktuelle Lage in Afghanistan übersetzt (6).
Beginn der Übersetzung:
Eine afghanische Delegation ist zu einer neuen Runde von Friedensgesprächen in Doha eingetroffen. Drei hochrangige Beamte vertreten das offizielle Kabul. Auch die Taliban werden eine Delegation nach Katar entsenden. Die Kämpfe gehen unterdessen weiter. Die Extremisten haben die Eroberung einer sechsten Provinz verkündet.
Hunderte Taliban-Kämpfer sind an diesem Tag getötet worden, aber die afghanische Armee hat Schwierigkeiten, das Blatt zu wenden. Die in Russland verbotenen Taliban haben die Stadt Aybak, das Verwaltungszentrum der Provinz Samangan im Norden des Landes, eingenommen. Die Stadt hat sich kampflos ergeben. Es ist die sechste regionale Hauptstadt, die in den letzten drei Tagen von Radikalen eingenommen wurde.
„Die Armee ist bereit, aber sobald sie Einheiten rekrutiert hat, zerstreuen sie sich, und all ihre Waffen landen auf dem Markt in Kabul, auf den sich tagsüber weder die Polizei noch das Militär trauen. Von US-Militär oder US-Agenten gar nicht zu reden“, sagte Alexander Sladkov, Kriegsberichterstatter des russischen Fernsehens.
In weiten Teilen des Landes, auch in der Nähe der Grenzen zu Usbekistan, Tadschikistan, Iran und Pakistan, kommt es zu Zusammenstößen. Islamabad befürchtet eine neue Flüchtlingswelle und fragt sich, warum die westliche Koalition es in den letzten 20 Jahren nicht geschafft hat, die afghanische Armee angemessen auszubilden und auszurüsten.
„Man sagt uns, dass mehr als eine Billion Dollar für die Ausbildung und Ausrüstung der afghanischen Armee ausgegeben wurden. Warum kann das Militär dann nicht die Kontrolle über die Situation übernehmen? Die Taliban haben Waffen, Mörser und Raketen. Wir können nicht verstehen, wohin das Geld geflossen ist, und diese Frage wollen wir den westlichen Ländern unbedingt stellen“, sagte Mohammad Yousuf, nationaler Sicherheitsberater des pakistanischen Premierministers.
Die westlichen Länder haben es mit einer Antwort nicht eilig. Großbritannien erklärte, London wolle mit den NATO-Verbündeten zusammenarbeiten, um nach dem Abzug der amerikanischen Truppen eine Koalition in Afghanistan zu bilden. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallis erklärte jedoch gegenüber der Daily Mail, dass diese Idee keine Unterstützung gefunden habe. Washington seinerseits erklärte, es sei äußerst besorgt über die Situation, aber die afghanische Regierung müsse die Probleme in Kabul selbst lösen.
„Wir teilen die Besorgnis über die Lage in Afghanistan und sind uns einig, dass sie sich in die falsche Richtung bewegt. Wir glauben, dass die Streitkräfte des Landes den Verlauf der Kämpfe beeinflussen können. Es sind ihr Land und ihre Leute, die sie schützen müssen. Die politische und militärische Führung in Kabul muss eine Schlüsselrolle spielen“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby.
Trotz der Besorgnis über die Situation verlässt das amerikanische Kontingent Afghanistan in höchster Eile und früher als geplant, und die Taliban nutzen die Situation, indem sie den Ring um Kabul enger ziehen. Die Gespräche in Katar haben noch keine Früchte getragen. Tatsächlich sind sie seit April, als Washington das Ende der Afghanistan-Mission ankündigte, festgefahren.
„Es hat keinen Sinn, direkt mit den Taliban zu verhandeln, sie sind keine unabhängige politische Kraft. Sie werden von pakistanischen Geheimdiensten und dem pakistanischen Militär unterstützt. Deshalb kann nur ein entschlossener Umgang mit der pakistanischen Führung und das zur Verantwortung der Pakistaner für den Dschihad die Situation ändern“, so Andrei Serenko, Direktor des Zentrums für afghanische Politikstudien.
Offiziellen UN-Angaben zufolge wurden allein im vergangenen Monat fast 200 Zivilisten durch den Beschuss der Taliban getötet und Tausende weitere verwundet. Zehntausende von Menschen haben gegen die Radikalen demonstriert. Sie bilden Milizen, um ihre Familien zu schützen. Die Regierung schlägt vor, gemeinsam gegen die Militanten vorzugehen, und verspricht, einen universellen Mechanismus zur Koordinierung zwischen den Sicherheitskräften und den Freiwilligeneinheiten zu schaffen.
Ende der Übersetzung
Quellen:
- https://www.anti-spiegel.ru/2021/das-russische-fernsehen-ueber-bidens-erinnerungsluecken-und-die-flucht-der-usa-aus-afghanistan/
- https://www.anti-spiegel.ru/2019/inf-vertrag-durch-usa-gekuendigt-deutsche-politiker-fordern-neue-us-atomraketen-in-europa/
- https://www.spiegel.de/ausland/taliban-erobern-kundus-roettgen-warnt-vor-desaster-in-afghanistan-a-aee4790c-5f2a-413f-8462-57d12829659b
- https://www.anti-spiegel.ru/2021/annegret-kramp-karrenbauer-inkompetenz-und-kanonenbootpolitik/
- https://twitter.com/akk/status/1424677479340515329
- https://www.vesti.ru/article/2598906
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Dieser Beitrag erschien am 10. August 2021 auf dem Blog anti-spiegel
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++
Bildquelle: Trent Inness / shutterstock
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