Wie stehen ehemalige Kolonien zu einer sich abzeichnenden neuen Weltordnung?
Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Da ich in Afrika lebe, möchte ich natürlich auch die Sicht ehemaliger Kolonien in meinen Apolut-Beiträgen zu Wort kommen lassen. Schließlich ist diese Sicht auch einer der Gründe, warum wir bewusst nach Afrika gingen, um der gefährlichen gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland aus dem Weg zu gehen. Niemand hat mehr Erfahrungen mit Imperien als die ehemaligen Kolonien. Daher sollte man genau zuhören, wenn sie reden.
Und so möchte ich heute beginnen mit zwei Beiträgen von Dr. Mustafa B Mehta (4), Beiträge, die meiner Meinung nach eine weit verbreitete Einstellung unter Afrikas Intellektuellen repräsentieren. Sein Artikel über die Ukraine-Krise beginnt mit einem Hinweis auf Syrien:
Ukraine
„Die Nachricht, dass syrische Terrorgruppen wie Tahrir Al-Sham, die frühere Jabhat Al-Nusra, in die Ukraine einmarschiert sind, um im Namen der neonazistischen ukrainischen Armee gegen die russische Armee zu kämpfen, ist sehr verwirrend. Man hat uns jahrelang weisgemacht, dass die westlichen Mächte unter Führung der USA den Terrorismus in der ganzen Welt bekämpfen, und doch haben wir es hier mit einer Gruppe bekannter Terroristen zu tun, die sich im Grunde dem Westen anschließen und auf der Seite der Ukraine gegen Russland kämpfen.“ (1)
Mehta erklärt, wie die von den USA verteufelten Gruppen wie Daesh [IS] und Al-Qaeda als die meistgehassten und gefährlichsten Terrororganisationen der Welt galten, und nach allgemeiner Auffassung von der "freien Welt" bekämpft und vernichtet werden müssten. Nach den Anschlägen vom 11. September, 2001 so führt er aus, habe der damalige US-Präsident George W. Bush die Welt vor eine Wahl gestellt: „Entweder sind Sie auf unserer Seite oder auf der Seite der Terroristen“. Aber nun, so der Autor, sehe man, wie die USA und ihre westlichen Verbündeten ausgewiesenen Terroristen freies Geleit in die Ukraine geben, damit sie dort gegen die Russen kämpfen können.
Warum, so fragt er, werden diese Kämpfer nicht verhaftet und vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht? Heuchelei sei kein zu hartes Wort, um das Geschehen zu beschreiben, welches das ganze Mantra vom „Krieg gegen den Terror“, das der Westen seit zwei Jahrzehnten verkünde, in Misskredit zu bringen.
Es widerspreche jeder Logik, Terroristen zu bekämpfen, und sie andererseits zu benutzen, wenn es einem passe. Gruppen wie Daesh und Jabhat Al-Nusra seien für ihre Grausamkeiten in Syrien bekannt, und zwar in einem Maße, dass ihr Anspruch, den Islam zu vertreten, von Muslimen bestritten werde. Sie wurden von fast allen muslimischen Führern abgelehnt, erklärt er, unabhängig davon, welchem Zweig des Islam sie angehörten. Sie müssten festgenommen und vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gebracht werden, forderte er; es gebe keinen Grund und keine Entschuldigung dafür, dass dies nicht geschehe. Und doch seien sie in der Ukraine und kämpften auf der gleichen Seite wie der Westen.
Dies untermauere das von vielen muslimischen Akademikern vorgebrachte Argument, dass die USA und der Westen Al-Qaida und Daesh geschaffen haben, um ihre Drecksarbeit in der muslimischen Welt zu erledigen. Und wenn man Jabhat Al-Nusra in der Ukraine beobachte, werde diese Hypothese bestärkt, ebenso wie die Überzeugung, dass die Gruppe wenig oder gar nichts mit dem Islam zu tun habe. Diese Ansicht werde auch durch Berichte gestützt, wonach bei der Stürmung eines ihrer Lager Alkohol, Drogen und andere subversive Materialien gefunden wurden, die im Islam alle "haram" - verboten - sind.
Eines Tages, so der Autor, werde die Wahrheit ans Licht kommen, und die Welt aufwachen und erkennen, dass man ihr die ganze Zeit vorgemacht habe, diese Terrororganisationen seien "islamisch". Das werde der Tag sein, an dem das staatlich geförderte internationale Projekt der Islamophobie zusammenbrechen und als das entlarvt wird, was es wirklich sei.
„Wofür kämpfen die Terroristen von Jabhat Al-Nusra in der Ukraine? Haben sie vor, an der Seite der Neonazis dort ein Kalifat zu errichten? Es hat den Anschein, dass denjenigen, die solche Gruppen gegründet haben, die in Libyen, Irak und Syrien ausgiebig zum Regimewechsel eingesetzt wurden, die Ideen ausgehen und sie nicht mehr wissen, was sie mit ihren terroristischen Nachkommen anfangen sollen. Wahrscheinlich werden sich diese Kämpfer irgendwann im Herzen Europas niederlassen und denselben europäischen Regierungen, die hinter ihrer Gründung standen, ein Dorn im Auge sein…“ (1)
Was seit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine vielfach behauptet werde, so fährt der Autor fort, habe die westliche Heuchelei in Osteuropa offenkundig werden lassen. Er weist darauf hin, dass Palästinenser, die sich gegen die brutale militärische Besetzung Israels wehren, von denselben Ländern, die den Widerstand der ukrainischen Bürger gegen die russischen Streitkräfte loben, regelmäßig als „Terroristen“ bezeichnet.
Die Tatsachen, dass Mitglieder von Terrorgruppen unbehelligt in die Ukraine reisen konnten sei eine Verhöhnung des internationalen Rechts und der Justiz. Wie könne man erwarten, dass es auf der Weltbühne Gerechtigkeit gibt, wenn der Westen die Fäden ziehe und „die Torpfosten verschiebe“, wann und wo es seinen eigenen Interessen entspricht? Wenn die Bezeichnung "Terrorist" willkürlich verwendet werde und jeder, der dieser Regierung oder jenem Regime nicht gefällt, als "terroristische" Person oder Gruppe eingeordnet wird, dann verliert das Wort seine Bedeutung und Wirkung.
Während in Deutschland immer behauptet wird, dass „Die Welt“ auf Seiten des westlichen Narrativs stehe, erklärt der Autor, dass „die Welt“ schockiert sei über das Unvermögen des Westens, zwischen richtig und falsch, gut und böse zu unterscheiden.
„Die Zuversicht und das Vertrauen in das internationale Rechtssystem sind beschädigt, vielleicht sogar irreparabel. Schauen Sie sich an, wie schnell Sanktionen gegen Russland und russische Einzelpersonen verhängt wurden, die innerhalb weniger Tage in Kraft traten, während sieben Jahrzehnte nach der ethnischen Säuberung Palästinas und Israels anhaltenden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Sanktionen gegen den Apartheidstaat noch nicht einmal auf der Tagesordnung standen, geschweige denn verhängt wurden.“ (1)
Die westliche Verurteilung des Terrorismus habe keine wirkliche Bedeutung mehr; sie sei reine Heuchelei, um die leichtgläubigen Bürger zu beruhigen. Soweit sein Artikel.
Für die Menschen Afrikas ist die Befreiung von dem Joch der Kolonisation, das im Westen immer noch weit verbreitet als „Bringen der Zivilisation“ glorifiziert wird, noch jüngste Vergangenheit. Jünger als die Geschichte des 2. Weltkrieges und des Naziregimes. Und die meisten schwarzen Afrikaner sehen daher den Kampf der Palästinenser vergleichbar zu ihrem Kampf gegen die Kolonisten. Für Sie ist die Geschichte Israels die Geschichte der letzten europäischen Kolonie, entschuldigt und verbrämt durch Bezugnahme auf den Holocaust und Religion.
Palästina
Der folgende Artikel von Mheta beschreibt ebenfalls eine dominierende Meinung der Menschen Afrikas. Weshalb sie nach der Definition der deutschen Bundestagsabgeordneten von 2019 alle Antisemiten sein sollen.
„Die Nachricht, dass Al Jazeera Media Network die rassistische Apartheid-Regierung Israels wegen der Ermordung der Journalistin Shireen Abu Akleh vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verklagt hat, ist eine willkommene Nachricht für alle friedens- und gerechtigkeitsliebenden Bürger auf der ganzen Welt. Es bleibt zu hoffen, dass Al Jazeera in seinem Bemühen um Gerechtigkeit für Shireen und ihre Familie erfolgreich sein wird.“ (2)
Die Eingabe an den IStGH werde auch die Bombardierung des Büros von Al Jazeera im Gazastreifen durch Israel im Mai letzten Jahres sowie die häufigen Aufwiegelungen und Angriffe gegen die Journalisten des Senders, die in den besetzten palästinensischen Gebieten arbeiten, umfassen, schreibt der Autor.
Dann erklärt er jedoch, dass der Internationale Strafgerichtshof ein kontroverses Thema sei, denn die UNO habe darin versagt, den Gerichtshof zu einem unabhängigen Weltgericht zu machen. Einer der Gründe dafür sei ganz einfach, dass er sich vom arroganten, imperialistischen Westen als Instrument zur Bestrafung derjenigen - in der Regel im globalen Süden - habe benutzen lassen, die sich weigern, der westlichen Linie zu folgen. Hier sei eindeutig eine rassistische Agenda im Spiel.
Warum seien die Länder, die viel darüber reden, andere Länder oder deren Führer vor den IStGH zu bringen, nicht Mitglieder dieser leider diskreditierten Einrichtung? Warum werde der IStGH nur angerufen, um dort aufzuräumen, wo die „großen Jungs“ im westlichen Club Mist gebaut haben?
„Nehmen wir zum Beispiel die aktuellen Vorgänge in der Ukraine. Kaum drei Monate nach Beginn des Krieges wird gefordert, den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen und wegen Kriegsverbrechen anzuklagen. Doch wir alle haben miterlebt, was seit Jahren in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und Jemen geschieht, aber alle haben geschwiegen. In diesen Ländern wurden zahlreiche Kriegsverbrechen begangen, und hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Menschen - die wahre Zahl der Opfer wird wahrscheinlich nie bekannt werden - wurden getötet, doch es gab nie ernsthafte Forderungen nach einer Strafverfolgung der Verantwortlichen durch den Internationalen Strafgerichtshof.“ (2)
Wann immer sich die Möglichkeit ergab, westliche Beamte wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zu verfolgen, so der Autor, haben ihre Regierungen den Anklägern des IStGH offen mit Sanktionen und sogar mit Verhaftung gedroht. Diese ungeheuerliche Haltung habe die Welt gespalten, aber Menschen mit Gewissen mögen dies als das erkennen, was es sei: eine Farce. So absurd, dass der arrogante Westen nicht einmal mehr versuche, seine schändliche Doppelmoral und Heuchelei zu verbergen.
„Ukraine? Die Besatzung ist falsch und muss bekämpft werden. Palästina? Die Besetzung ist ein ‚Streit‘ um Land, und der Besatzungsstaat Israel muss um jeden Preis unterstützt werden.“ (2)
Inzwischen wachse die Besorgnis, dass der Internationale Strafgerichtshof, der mit der Annahme des Römischen Statuts von 1998 eingerichtet wurde, nicht nur institutionelle und irreparable Mängel aufweise, sondern auch politisiert wurde. Damit sei er den Hoffnungen und Visionen seiner Gründerväter nicht gerecht geworden.
Der IStGH sei nach einem langen Verhandlungsprozess gegründet worden, zu einem Zeitpunkt der Geschichte, die von der Vision der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg inspiriert war. Es sollte sichergestellt werden, dass die Täter der ungeheuerlichsten Verbrechen, die der Menschheit bekannt sind, keine Straffreiheit und Immunität genießen. Sie sollten vor ein unabhängiges, unpolitisches, internationales Rechtsorgan gestellt werden. Bedauerlicherweise und trotz der besten Absichten seiner Gründer seien die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichtshofs, die für eine so wichtige Einrichtung von zentraler Bedeutung sind, von Anfang an durch die Bindung an die UNO beeinträchtigt.
Die Vereinigten Staaten, so Mheta, haben sich der Unterzeichnung und Ratifizierung des Römischen Statuts widersetzt, weil der IStGH dann in der Lage gewesen wäre, die militärische und politische Führung der USA für ihre Handlungen nach dem weltweiten Rechtsstandard zur Rechenschaft zu ziehen. Mit anderen Worten: Die USA wären nicht in der Lage, ihre Bürger zu schützen, denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden, wie z. B. die wissentliche Tötung Unschuldiger, die ins Kreuzfeuer geraten sind.
„Dennoch behaupten die USA immer noch, dass sie die Menschenrechte der Menschen auf der ganzen Welt schützen wollen. Der Widerspruch liegt auf der Hand, wenn der IStGH nicht in der Lage ist, US-Bürger vor Gericht zu stellen, die beschuldigt werden, eben diesen Menschen überall auf der Welt Schaden zuzufügen.“ (2)
Dann führt der Autor aus, dass es noch einen weiteren Grund gebe, warum die USA davor zurückschrecken, das Römische Statut zu ratifizieren und dem Internationalen Strafgerichtshof beizutreten. Washington habe Angst davor, Beweise vor einem öffentlichen Gericht zuzulassen, wodurch die amerikanischen Bürger erfahren könnten, was gewöhnlichen Menschen auf der ganzen Welt durch ihre Streitkräfte und in ihrem Namen angetan wurde. Die Regierenden im Land der Freiheit und der Heimat der Tapferen könnten das niemals zulassen. Ihre Vorstellung von Freiheit erstrecke sich nicht auf die Suche nach Gerechtigkeit für diejenigen, deren Leben sie in so großer Zahl mit unvorstellbarer Brutalität verkürzt haben.
Soweit der Artikel. Hinzufügen sollte man, dass der gerade erwähnte Grund, nämlich vor der eigenen Bevölkerung die Verbrechen des Staates zu verschleiern, sicher auch der Grund ist, warum Julian Assange und andere Whistleblower, welche Verbrechen des Staates offen legen, so gnadenlos verfolgt werden.
Afrikas Widerstand
Die Tatsache, dass trotz des immensen Druckes durch die Kolonialstaaten, ausgeübt über alle Organisationen die sie beherrschen, und die maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaft und Politik der afrikanischen Länder haben, immer noch keine Sanktionen gegen Russland verhängt wurden, ist der Beginn einer zweiten Unabhängigkeitsbewegung. Wenn ein deutscher Bundeskanzler auf offener Bühne durch den südafrikanischen Präsidenten zurechtgewiesen wird, ist das ein Zeichen des neuen Selbstbewusstseins eines schlafenden, aber vielleicht gerade im Aufwachen begriffenen Riesens.
Die Ukraine-Krise markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Kolonialismus, obwohl es kein Kolonialkrieg ist. Aber er demonstriert den unterdrückten Ländern in der Welt, dass es möglich ist, gegen das Imperium aufzutreten und seine eigenen Interessen zu vertreten. Es öffnete weiteren Menschen die Augen über den Zustand der angeblichen „westlichen liberalen Demokratien“ und ihrem Anspruch, zu bestimmen, was „Gut“ und was „Böse“ ist.
Afrikas Länder sehen sich immer näher mit den Zielen und Werten Russlands und Chinas verbunden, als mit den als heuchlerisch und verlogen erkannten des so genannten Wertewestens. Und das wurde auch wieder klar in dem gemeinsamen Widerstand afrikanischer Länder und Russlands und Chinas bei dem Versuch des Westens, die Macht der WHO weiter auszuweiten. Und so muss man sagen, dass in der Kooperation dieser neu deutlich gewordenen Kräfte eine Hoffnung für die Welt erwächst, dass die dystopischen Vorstellungen einer nicht legitimierten Weltgesundheitsdiktatur, welche keinerlei Rücksicht auf Kultur und regionale Besonderheiten nimmt, verhindert werden kann.
Offensichtlich sind die westlichen Gesellschaften nicht in der Lage, ihren zivilisatorischen Ansprüchen und den Werten der Aufklärung gerecht zu werden. Stattdessen schaut die Welt heute voller Hoffnung auf eine neue Weltordnung, welche nicht imperialistisch unipolar, sondern multipolar und von Problemlösungen durch Interessenausgleich geprägt sein wird. Statt von Bomben und Raketen.
Allerdings bedrohen diese Bomben und Raketen noch den Durchbruch zu einer friedlicheren kooperativeren Welt. Denn den „Untergang des Abendlandes“ vor den Augen der NATO, droht ein Krieg der verbrannten Erde. Ähnlich wie der Krieg, den Kiew beim Rückzug aus den selbständig gewordenen östlichen Provinzen führt, indem es die Zivilbevölkerung durch Zerstörung und Bombardierung bestraft. Nur diesmal im Rahmen der NATO in einem unvorstellbar größeren Ausmaß. Aber die Hoffnung bleibt, dass dank der Abschreckung, welche inzwischen durch das einstige Entwicklungsland China und das russische Riesenreich aufgeboten wird, diesen Krieg noch verhindert wird.
Indien
Nun noch die Meinung eines indischen Ex-Diplomaten zu dem gleichen Themenkreis. Indien gehört auch zu den Kolonien, die lange unter der Besatzung gelitten hatten und viel Blut vergießen mussten, um ihre Souveränität zurück zu gewinnen. M. K. Bhadrakumar schreibt in seinem Artikel am 19. Juni, dass sich die westlichen Volkswirtschaften in einer grundlegenden Systemkrise befinden.
Als Gründe nannte er die Selbstgefälligkeit, dass die auf Reservewährungen basierende US-Wirtschaft unempfindlich gegen die ausufernde Verschuldung sei; dass das Petrodollar-System die ganze Welt zwinge, Dollar zu kaufen, um ihren Bedarf zu finanzieren; dass die Flut billiger chinesischer Konsumgüter und billiger Energie aus Russland und den Golfstaaten die Inflation in Schach halten werde; dass Zinserhöhungen die strukturelle Inflation heilen werden; und vor allem, dass die Folgen eines Handelskriegs, der auf ein komplexes Netzwerksystem in der Weltwirtschaft einprügelt, beherrschbar seien. Und er stellt fest, dass diese Vorstellungen widerlegt wurden.
„Als die Gelddruckmaschinen in Europa und Amerika surrten, war niemandem an den strukturellen Mängeln des Systems gelegen. In einem Dunstkreis ideologischen Getöses haben die Biden-Administration und ihr Juniorpartner in Brüssel keine Sorgfalt walten lassen, bevor sie Russland und seine Energie und Ressourcen sanktionierten. Europa ist viel schlechter dran als Amerika. Die Inflation in Europa liegt weit im zweistelligen Bereich. Eine europäische Staatsschuldenkrise könnte bereits begonnen haben.“ (3)
Die sich beschleunigende Inflationskrise bedrohe das Ansehen westlicher Politiker, denn sie würden sich den Unmut der Bevölkerung zuziehen, wenn die Inflation die Mittelschicht auffresse und die hohen Energiepreise die Gewinne der Unternehmen schmälern, ist seine These. Anmerkung: Wenn dieses Szenario eintritt, dann hätten die Sanktionen dieselbe Wirkung gegen seine Verursacher gehabt, die man versuchte gegen Russland zu erreichen.
Dann fragt der Autor, wie lange sich das langsam anbahnende politische Debakel sowohl in Europa als auch in den USA aufhalten ließe? Der logische Weg sei, Zelensky zu zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und eine Einigung zu erzielen. Das Narrativ, die Zermürbung der russischen Streitkräfte in den kommenden Monaten fortzusetzen, um Russland zu schaden, sei für europäische Politiker nicht hilfreich. Mariupol, Cherson und Saporischschja sind gefallen. Der Donbass könne auch bald fallen. Was sei die nächste rote Linie? Odessa?
Paradoxerweise könne sich der lange Krieg in der Ukraine nur zum Vorteil Russlands auswirken. Die Rede von Präsident Putin auf dem SPIEF [St. Petersburg International Economic Forum] in St. Petersburg am Freitag zeigt, wie gründlich Moskau das westliche Finanz- und Wirtschaftssystem studiert und seine strukturellen Widersprüche erkannt habe. Putin sei geschickt darin, das Gewicht und die Stärke seiner Gegner zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen, anstatt direkt Schlag auf Schlag zu kontern. Die Überforderung des Westens könne diesem letztlich zum Verhängnis werden.
Putin sehe die Zukunft des Westens düster, einem Westen der gleichzeitig von den Rückwirkungen seiner eigenen Sanktionen und dem daraus resultierenden Anstieg der Rohstoffpreise betroffen sei, dem es aber aufgrund seiner institutionellen Verkrustungen an Beweglichkeit fehle, um die Schläge abzuwehren.
Die große Frage, die sich heute stelle, sei, wann Russland Vergeltungsmaßnahmen gegen die Länder ergreift, die in das Waffengeschäft in der Ukraine verwickelt sind, wenn sie diesen Weg weiter beschreiten. Die Luftangriffe russischer Kampfjets am vergangenen Donnerstag auf die militanten Terrorgruppen, die in der US-Garnison in Al-Tanf an der syrisch-irakischen Grenze untergebracht sind, könnten durchaus eine Botschaft vermittelt haben. Soweit ein Ex-Diplomat mit großer Erfahrung.
Fazit
Derweil scheint es so, dass Indien in großem Stil verbilligtes Öl in Russland kauft und gleichzeitig Öl teuer an EU-Länder verkauft. Vielleicht, so darf man annehmen, ist es nicht das gleiche Öl, auch wenn es so in manchen Medien dargestellt wird. Trotzdem ist der Vorgang bezeichnend für eine Situation, aus der die NATO-Länder ganz offensichtlich nur noch durch einen großen Krieg herauskommen können, haben sie sich doch selbstverschuldet in eine aussichtslose Krise manövriert.
Böse Aussichten für die Europäer. Denn dort wäre vermutlich das Hauptschlachtfeld. Auch wenn Putin ausdrücklich darauf hinwies, im Falle eines großen Krieges die „Entscheider“ anzugreifen. Was die Bunker der politischen und militärischen Führung in den USA bedeutet.
Während weder Russland noch China zu befürchten haben, dass sich die eigene Bevölkerung im Falle eines großen Krieges gegen die eigene Regierung stellt, könnte das in westlichen Ländern durchaus anders sein. Denn während es in Russland und China in den letzten Jahrzehnten den Massen immer besser ging, war im Westen das Gegenteil der Fall. Hoffentlich hält diese Aussicht die NATO-Strategen im letzten Augenblick vom Lostreten dieser Konfrontation ab.
- https://www.middleeastmonitor.com/20220315-why-does-the-west-condemn-some-terrorism-but-condone-it-on-other-occasions/
- https://www.middleeastmonitor.com/20220601-the-icc-is-a-tool-of-the-arrogant-imperialist-west/
- https://www.indianpunchline.com/west-at-inflection-point-in-ukraine-war
- https://www.middleeastmonitor.com/6-author/dr-mustafa-b-mheta/
+++ Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: shutterstock / rigsbyphoto
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