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Die wahre Vernetzung findet nicht über Bits und Bytes statt

Die wahre Vernetzung findet nicht über Bits und Bytes statt


Ein Kommentar von Dirk C. Fleck.

Ich glaube, dass wir alle „entrümpelt“ werden mit der Zeit, bis wir uns nicht mehr als die Person wahrnehmen, für die wir uns so lange gehalten haben.

„Ich bin über mich erstaunt, enttäuscht, erfreut,“

schreibt der Begründer der analytischen Psychologie, C. G. Jung (1875 - 1961) kurz vor seinem Tod.

„Ich bin betrübt, niedergeschlagen, enthusiastisch. Ich bin das alles auch und kann die Summe nicht ziehen. Ich bin ausserstande, einen definitiven Wert oder Unwert festzustellen, ich habe kein Urteil über mich und mein Leben. In nichts bin ich ganz sicher. Ich habe keine definitive Überzeugung - eigentlich von nichts. Ich weiss nur, dass ich geboren wurde und existiere, und es ist mir, als ob ich getragen würde. Ich existiere auf der Grundlage von etwas, das ich nicht kenne. Trotz all der Unsicherheit fühle ich eine Solidität des Bestehenden und eine Kontinuität meines Soseins“.

Keine Vorstellung mehr von sich selbst zu haben, nicht mehr verhaftet zu sein durch Verstand und Intellekt, zu leben, was man im Kern schon immer war, nämlich ein mit allem verbundenes Wesen, welches sich zuhause FÜHLT - das ist die wahre Befreiung. Was wir vorher waren, all die Zeit hinter uns, als wir Schatten eines Schattens waren, versunken im Schlamm von Ehrgeiz, Meinung, Eitelkeit, Angst und Vorurteil, hat in der Rückschau den Tiefgang einer verlorenen Badeente auf dem Meer.

Steven Jobs (1955 - 2011), der als Mitbegründer von Apple das Konzept des Homecomputers als auch später die Generationen der Smartphones und Tabletcomputer populär machte, kam nach seiner Krebsdiagnose zu der Erkenntnis, das er sein Leben größtenteils verplempert habe. Er wurde sich plötzlich bewusst, dass er nicht genügend Zeit investiert hatte, die wahren Schätze des Lebens zu heben, wie Liebe und Mitmenschlichkeit. Besonders seiner Familie gegenüber. Das aus dem Munde eines Mannes, der entschieden dazu beigetragen hat, die Weltgemeinschaft in affenartiger Geschwindigkeit zu vernetzen und digital zu verblenden, was ihm ein geschätztes Privatvermögen von 8,3 Milliarden Dollar bescherte. Vielleicht hat Jobs angesichts des nahenden Todes erkannt, dass wahrer Reichtum nicht am Bankkonto gemessen wird, dass es mehr als Bits und Bytes braucht, um die Menschen einander nahe zu bringen. Vielleicht ist ihm zu Bewusstsein gekommen, dass die Apple-Welt eine Welt ohne Ehrfurcht ist, dass durch den digitalen Anstrich unsere spirituelle Potenz abgesaugt wird, dass nur noch eine leere, entseelte, eine stumme und tote Welt übrig bleibt.

Die Frage ist, ob ein Gesellschaftskonstrukt, das eine strenge Trennung zwischen Geistigem und Materiellem vollzieht, uns überhaupt noch Heimat sein kann. Ich bin davon überzeugt, dass das eigentliche Wesen eines jeden Menschen nach etwas ganz anderem verlangt. Es möchte in die Welt eingeordnet sein und sich ihr nicht gegenüber gestellt sehen. Es waren die Mystiker, Künstler, Dichter und Philosophen, welche die anthropozentrische Weltsicht immer wieder durchbrachen. Goethe drückte es folgendermaßen aus:

Was wär`ein Gott, der nur von außen stieße, Im Kreis das All am Finger laufen ließe! Ihm ziemt´s, die Welt im Innern zu bewegen, So daß, was in ihm lebt und webt und ist, Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.

Auffallend ist, dass die Naturverbundenheit indigener Völker in unserer abgewirtschafteten Zivilisation auf immer größeres Interesse stößt. Und das zu einer Zeit, da auch noch Ihre Restbestände von der Vernichtungswalze, mit der die kapitale Gier zu Werke geht, überrollt werden. Brasilien ist aktuell nur eines von vielen Beispielen. Dabei geht es nicht mehr um die Unterwerfung und das Gefügigmachen indigener Völker, diese Schlacht ist längst gewonnen. Es geht um das Unterwerfen und Gefügigmachen der Natur. Imperialismus ist beides. In beiden Fällen gilt er dem Fremden, dem Anderssein. Da wir spirituell entwurzelt sind, haben wir Angst vor allem, was uns unverständlich ist. Diese Angst ist offensichtlich ein Kennzeichen der abendländischen Kultur. Der italienische Philosoph Emanuele Severino (1929 - 2020) behauptete, dass das Abendland zwangsläufig zur radikalsten Angst bestimmt sei. Auch die Natives in den USA haben die Angst als ein entscheidendes Charakteristikum abendländischer Mentalität erkannt. So schreibt die indianische Schriftstellerin Leslie M. Silko (Jahrgang 1948) in ihrem Buch „Mythos der Erschaffung der weißen Menschen“: "Sie haben Angst. Sie haben Angst vor der Welt. Sie haben Angst vor sich selbst. Sie werden Angst vor dem haben, was sie entdecken. Sie werden Angst haben vor den Menschenvölkern. Sie töten das, vor dem sie Angst haben …"

Wer sich heute auf das Wissen der Naturvölker beruft, wird oft als nostalgischer Romantiker oder esoterischer Spinner diffamiert. Das ist er nicht. Er ist jemand, dem aus der Erkenntnis, dass es Kulturen gab, die im Einklang mit der Natur gelebt haben, Trost erwächst. So waren wir wohl gemeint, denkt er sich.

Für den modernen Menschen hat der Kosmos seine transzendente Dimension verloren, er ist blind, undurchsichtig und stumm geworden. Er spricht nicht mehr zu uns. Oder besser: wir verstehen seine Sprache nicht mehr. Manche indigenen Völker aber stehen noch in Verbindung mit ihm. Dabei brauchen sie keinen Transmitter. Die Pueblo-Indianer haben nicht einmal ein Wort für Religion. Für sie ist alles beseelt und miteinander verwoben. Wer von uns Geschädigten diese Entdeckung nun ebenfalls macht, tut gut daran, damit nicht hausieren zu gehen, das provoziert nur Widersprüche und Missverständnisse. Lasst uns die Rückkehr ins All-Bewusstsein mit jedem Atemzug genießen. Lasst uns miteinander gesunden.

+++ Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman "Go! Die Ökodiktatur" ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision. +++ Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: FooTToo  / shutterstock.com


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