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Ein Paradies für Spitzel | Von Annette Groth

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EU und deutsche Regierung betreiben systematisch eine Politik der Einschüchterung Andersdenkender und schaffen ein Klima der Denunziation.

Ein Kommentar von Annette Groth.

Haben Sie schon einmal eine „schädliche Information“ verbreitet? Bestimmt, denn es kommt bei der Definition dieses Begriffs ja ganz darauf an, wem Sie vermeintlich schaden. Wenn Ihre Informationen im Widerspruch zu mächtigen Menschen und Organisationen stehen, könnten Ihre Aussagen im Einklang mit dem seit kurzem gültigen „Digital Services Act“ im öffentlichen Raum gelöscht werden. Es ist hierzu nicht nötig, dass Sie eine Straftat begangen haben. Die Tyrannei kommt derzeit auf leisen Sohlen daher und schleicht sich mithilfe harmlos oder gar sympathisch klingender Tarnbegriffe ein. Wer möchte zum Beispiel nicht gern die Demokratie schützen? Nancy Faesers sogenanntes „Demokratiefördergesetz“ legt jedoch die Axt an eine Wurzel der Demokratie: die Meinungsfreiheit. Und wer hätte etwas dagegen, dass Menschen geschützt werden, die wertvolle Hinweise an die Sicherheitsbehörden weitergeben? Dieses Unterfangen ist seit Mitte 2023 unter dem Namen „Hinweisgeberschutzgesetz“ in Kraft. Aber was, wenn Sie und ich wegen eines Akts der „Desinformation“ zum Gegenstand eines solchen „Hinweises“ werden? Die Autorin zeigt auf, welche ganz praktischen Folgen die neuen Regularien unserer in letzter Zeit hyperaktiven Regierung haben könnten.

Um Whistleblower wie Julian Assange in Zukunft besser zu schützen, trat am 2. Juli 2023 in Deutschland ein neues Gesetz in Kraft: Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen, kurz „Hinweisgeberschutzgesetz“ genannt. Der Publizist Ullrich Mies nennt das Gesetz „Spitzelunddenunziantengesinnungsförderungsgesetz“, weil es der Denunziation Tür und Tor öffnet. Das konnten wir schon während der Coronazeit beobachten (1).

Laut Gesetz müssen Behörden und Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern Anlaufstellen schaffen, die Meldungen von Hinweisgebern vertraulich entgegennehmen und bearbeiten. Wer gegen das Gesetz verstößt, dem droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro.

„Die Einrichtung interner Meldestellen liegt im ureigenen Interesse der Beschäftigungsgeber, da sie nur so die Gelegenheit haben, einen Verstoß intern abzustellen, und dieser nicht direkt an eine externe Meldestelle gemeldet und somit nach außen getragen wird“,

heißt es aus dem Justiz-Ministerium, das dieses Gesetz aus der Taufe gehoben hat.

Seit dem Inkrafttreten des sogenannten Whistleblower-Gesetzes sind bei der neu geschaffenen externen Meldestelle des Bundes mehr als 100 Hinweise eingegangen. Wie eine Sprecherin des Justizministeriums auf Anfrage mitteilte, hat die beim Bundesamt für Justiz angesiedelte Meldestelle von Anfang Juli bis zum 12. September 2023 insgesamt 113 Meldungen erhalten. Die meisten davon gingen den Angaben zufolge über ein Online-Formular ein (2).

Angesichts der Diffamierung von Israel-kritischen oder Friedensaktivisten, die sich für Waffenstillstand in Gaza und in der Ukraine einsetzen, könnte auch eine Meldung mit Hinweis auf das „Hinweisgeberschutzgesetz“ lanciert werden. Mit welchen Methoden dann die entsprechende Person sanktioniert oder bestraft wird, bleibt abzuwarten. Im Rahmen der vorherrschenden Cancel-Culture-Praxis, dem inzwischen viele Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler und auch Prominente wie Justus Frantz und Teodor Currentzis zum Opfer gefallen sind, ist das Hinweisgeberschutzgesetz ein sehr geeignetes Instrument, um Andersdenkende zu diffamieren und mundtot zu machen.

Der Publizist Norbert Häring führt seit Februar 2023 ein „Cancel-Culture-Tagebuch“. Darin dokumentiert er Vorkommnisse, mit welch schmutzigen Methoden Menschen, die sich den herrschenden Meinungen und Regierungsnarrativen nicht unterwerfen, drangsaliert und aus dem öffentlichen Leben gedrängt werden.

„Der Cancel-Culture-Terror richtet sich maßgeblich gegen Abweichler in den Universitäten, aber nicht nur gegen diese. Unbotmäßige, das heißt kritische Menschen hat das politische Establishment als potenzielle Unruheherde und Gefahr erkannt. Daher müssen alle, die nicht auf Linie sind, aussortiert oder zumindest maximal unter Stress gesetzt werden. Die in aller Regel nie bewiesenen oder nachgewiesenen Standard-Totschlagskeulen heißen ‚Antisemitismus‘ und ‚Rassismus‘“ (3).

„Digital Services Act“ (DSA), das „Gesetz über digitale Dienste“

Um Desinformationen und Hass-Meldungen zu unterbinden, trat im August 2023 der „Digital Services Act“ (DSA), das EU-„Gesetz über digitale Dienste“ in Kraft, das in Deutschland am 17. Februar 2024 rechtskräftig wurde. Laut dem pensionierten Richter und Rechtsanwalt Manfred Kölsch wird dieses Gesetz dafür sorgen,

„dass betreutes Denken um sich greift“ (4).

„Digital Services Act — Ein Aufruf zur Denunziation“ bezeichnet Alexander Grau, promovierter Philosoph und freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist, dieses Gesetz, weil die Bestimmungen auch Verordnungen enthalten,

„die zu Denunziation und Zensur förmlich aufrufen. Das schadet der Demokratie mehr, als es ihr nützt“ (5).

Artikel 1 des Digital Services Act bekräftigt, dass Meinungs- und Informationsfreiheit entsprechend der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ geschützt werden. Die Europäische Kommission bestimmt, dass ausschließlich rechtswidrige Einträge gelöscht werden dürften. Einträge, die nur schädlich seien, dürften keiner Pflicht zur Entfernung unterliegen, weil das schwerwiegende Auswirkungen auf den Schutz der Meinungsfreiheit hätte. Dieses Bekenntnis zum Schutz von Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta, Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und letztlich auch Artikel 5 des Grundgesetzes ist aber nur Fassade.

Dahinter wird die Axt an fundamentale Grundsätze unseres demokratischen Gemeinwesens gelegt. Nach Artikel 34 des DSA haben die Plattformen nicht nur rechtswidrige Einträge zu löschen. Sie sollen bei der Überprüfung der Einträge auf deren Löschungsbedürftigkeit ihr besonderes Augenmerk auf „kritische“ und auf „nachteilige“ Einträge legen.

Die sogenannten Erwägungsgründe zum DSA verdeutlichen das demokratiefeindliche Anliegen der Kommission. Nach Nr. 5 sind nicht nur rechtswidrige, sondern auch „anderweitig schädliche Informationen“ zu löschen.

Nach Nr. 84 sollen sich die Plattformbetreiber auch auf nicht rechtswidrige Informationen konzentrieren. Sie sollen verhindern, dass

„irreführende und täuschende Inhalte, einschließlich Desinformationen“

verbreitet werden. Der Begriff Desinformation ist in dem DSA indes nirgends definiert. Die Kommission hat in dem Begriff im Jahre 2018

„nachweislich falsche und irreführende Informationen“ gesehen (6).

Da müssen die Alarmglocken laut schrillen.

Wer bestimmt, was Desinformation ist? Ist es etwa Desinformation, wenn behauptet wird, dass ein Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland im März 2022 unterschriftsreif vorlag, und dass Boris Johnson, der ehemalige Premierminister Großbritanniens, nach Kiew flog und dazu njet/nein sagte. Damit war der Vertrag vom Tisch und der Krieg ging weiter, bis heute. Das ist Tatsache und keine Desinformation oder fake news, was leider viele Menschen glauben.

Ist es „Desinformation“, dass es in der Ukraine zahlreiche Nazi-Gruppen gibt und dass eine von denen, die „Asow“-nahe ukrainische Neonaziorganisation „Centuria“ einen Ableger in Magdeburg hat (7)? Angeblich hat das sächsische Innenministerium darüber keine Informationen, was höchst merkwürdig ist, zumal die Vereinigung Demonstrationen anmeldet, Mitglieder rekrutiert, rassistische Hetze verbreitet und Spenden sammelt.

Jedenfalls ist bei diesem DSA-Gesetz höchste Vorsicht geboten und höchste Zeit für lauten Protest. Denn damit ist die Meinungs- und Pressefreiheit zutiefst gefährdet.

„Demokratiefördergesetz“

Damit die Demokratie insbesondere vor dem Rechtsextremismus mit allen Mitteln geschützt wird, will Innenministerin Nancy Faeser noch das „Demokratiefördergesetz“ verabschieden. Faeser hatte am 13. Februar 2024 erklärt:

„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“

Florian Warweg, Redakteur der Nachdenkseiten und akkreditierter Journalist auf der Bundespressekonferenz, wollte wissen, was die Bundesregierung konkret unter „Verhöhnung des Staates“ versteht. Die Antwort des zuständigen Vertreters des Bundesministerium des Inneren war ebenso nebulös wie der Begriff der „Desinformation“:

„Es geht wie bei dem ganzen Maßnahmenpaket, das die Bundesinnenministerin hier gestern an gleicher Stelle vorgestellt hat, um Rechtsextremisten, um den Kampf gegen Rechtsextremismus und für den Schutz der Demokratie. Insofern steht das ganz klar in dem Kontext. Dabei hat sie einen sogenannten ganzheitlichen Ansatz vorgestellt, der beispielsweise im Bereich der Verfolgung der organisierten Kriminalität gilt.“

Da bislang das Verhöhnen über den Staat und seine Institutionen noch kein „elementarer und nicht strafbewehrter Bestandteil der politischen und medialen Kultur der Bundesrepublik“ ist, bleibt abzuwarten, wann das „Verhöhnen" und aus welchen Gründen „ein Straftatbestand“ wird (8). Auf eine klare Definition zum Straftatbestand des „Verhöhnens“ müssen wir sicher noch eine Weile warten.

Eine gute, aber auch höchst beunruhigende Analyse zu dem Gesetz veröffentlichte Dagmar Henn unter dem Titel: „Faesers Reichstagsbrand: Der Schritt in die Rundumverfolgung“ (9).

Zusammenfassend kann resümiert werden, dass mit den oben erwähnten Gesetzen, die kaum in der Öffentlichkeit debattiert wurden, ein beängstigender Trend zur Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit festzustellen ist. Mit dem Begriff der „Desinformation“ und unter dem Vorwand „Kampf gegen Rechts“ werden demokratische Prinzipien und Grundgesetze ausgehebelt. Das Schlimme: Der Einzelne kann sich kaum dagegen wehren. Wir sind in einem autoritären und repressiven Staat angekommen, aber Viele merken es noch nicht.

Quellen und Anmerkungen

 

Annette Groth, Jahrgang 1954, arbeitete als Entwicklungssoziologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin eines europäischen Migrationsforschungsprojektes, Ökumene-Referentin bei der Evangelischen Studierendengemeinde, Education Officer beim Kommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen, Direktorin einer tourismuskritischen NGO und Referentin für ein ökumenisches Stipendienprogramm des Diakonischen Werkes. Für die Partei Die Linke war sie eine Zeit lang Mitglied des Bundestages.

(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28857&css=print 11. Februar 2024, „Willkommen im Gesinnungs- und Gleichschaltungsstaat“ in "Das 1x1 des Staatsterrors. Der Neue Faschismus, der keiner sein will", Ullrich Mies

(2) https://www.heise.de/news/Ueber-100-Whistleblower-Hinweise-an-externe-Meldestelle-des-Bundes-9307579.html

(3) Siehe Mies, Ullrich: „Das 1x1 des Staatsterrorismus: Der neue Faschismus der keiner sein will“, Hamburg, 2023, Klarsicht Verlag, Seite 145.

(4)  „Die Meinungsfreiheit stirbt hinter schönen Fassaden“ https://www.cicero.de/kultur/-der-digital-services-act-im-licht-der-verfassung, 16. Februar 2024

(5) https://www.cicero.de/innenpolitik/digital-services-act-eu-aufruf-zur-denunziation, 26. August 2023

(6) „Die Meinungsfreiheit stirbt hinter schönen Fassaden“, Cicero

(7) „Höllensturm für den Feind“, Magdeburg: „Centuria“, hat einen Ableger in Deutschland; Junge Welt 14. Februar 2024 https://www.jungewelt.de/artikel/469335.nazi-organisationen-h%C3%B6llensturm-f%C3%BCr-den-feind.html

(8) https://www.nachdenkseiten.de/?p=111295 — Was versteht Bundesregierung konkret unter „Verhöhnung des Staates“? 19. Februar 2024

(9) https://weltexpress.info/faesers-reichstagsbrand-der-schritt-in-die-rundumverfolgung/

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Dank an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

+++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 02. März 2024 bei manova.news

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Bildquelle: Lightspring / shutterstock 


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