Ein Kommentar von Rüdiger Lenz.
"Wir sind, was wir erinnern." – Konrad Görg
Die kantsche Vernunft und Aufklärung ist ein Appell an das Ausblühen all der Fähigkeiten, die bei uns Menschen im Neokortex, der Großhirnrinde, gebunden sind. Spiritualität, Jesuanismus, Nächsten- und Eigenliebe, die Buddhanatur, Dharma, ein Gottes- oder Schöpferbewusstsein, ein transzendentales oder transformatorisches oder ein endloses Bewusstsein. Alles das ist nur mittels unseres Neokortex möglich. Der Neokortex ist der Teil in uns Menschen, der uns von allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten am deutlichsten unterscheidet. Nur durch ihn sind wir in der Lage, uns Begriffe von Vorstellungen zu machen, die unsichtbar, aber dennoch real sind. Liebe, Frieden, Menschheitsfamilie sind solche Begriffe. Um solche Begriffe Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es eine größere Anstrengung im eigenen Leben, als für viele andere Dinge. Befragt man einhundert Menschen über ihre Friedensfähigkeit, so können sicher einhundert verschiedene Antworten folgen. Fragt man einhundert Menschen nach dem Stillen von Hunger, so wird nur eine Antwort kommen: Essen.
Der Mensch, ein schiefes Haus
Es gibt aber Möglichkeiten zu erfassen, was den Menschen davon abhält, seinen inneren Frieden, oder seine Selbstliebe nicht zu erlangen. Die meisten Menschen sterben schneller als sie deren Erkenntnisse dazu erlangen. Es ist nicht schwer herauszufinden, warum das so ist. Es ist etwas komplex, da die jahrelangen Konditionierungen und das Verfestigen nach Konformität sein Leben auszurichten, die Sicht auf das Wesentliche völlig versperrt. Es ist die Selbstehrlichkeit. Wer nicht mehr ehrlich zu sich selbst ist, weil das Leben in der Gruppe anderen Werten nachrennt und man sich daran anpassen musste, weil man sonst zu keinem guten Leben kommt, dann hat man seine wahre und authentische Natur verlassen. Das ist es im Großen und Ganzen, was fast jedem Menschen geschieht und wovon er sich immer mehr einnehmen lässt. Dr. Hans-Joachim Maaz, ein Arzt und Psychiater, nennt das treffend das falsche Leben. Er prägte den Begriff der Normopathie dazu. Wenn die Masse sich verrennt, dieses Verrennen aber als normal akzeptiert ist, dann kann es Generationen andauern und nur wenige finden aus der Normopathie wieder in ihr natürliches Leben zurück. Die Menschheitsgeschichte ist voller normopathischer Epochen. Die meisten Menschen machen im Laufe ihres Lebens ein völlig schiefes Haus aus ihrem Lebensweg. Sie glauben aber, dass das Abstützen des Daches und der Geschosse die wahre Natur des menschlichen Daseins sei.
Friedensfähigkeit ist Heilungsarbeit an sich selbst
Das Abspalten der Menschen von ihrem inneren Wesenskern, wie sie als natürliche Wesen gedacht sind, ist das Kerngeschäft jedweder Teufelei. Wer von sich selbst getrennt ist, der sucht nach seinen inneren Bedürfnisanlagen und befriedigt sie nur durch äußere Umstände. Für einen solchen Menschen manifestiert sich eine rein materielle Welt, in der er seine Bedürfnisse rein materiell befriedigt. Liebe, Frieden, Menschlichkeit und ein für die Gruppe bedeutsames Sein, sind keine materiellen Werte. Es sind ideelle innere Bedürfnisse, die keinen alleinigen materiellen Bezug haben. Sie sichern sich nach Sinnstiftung und Wertevermittlung im Inneren eines Menschen aus. Wenn wir den Begriff des Friedens ergründen wollen, dann müssen wir zunächst seine Deutungen beachten. Frieden ist nicht gleich Frieden. Es gibt den kulturellen Frieden, den nationalen Frieden, den Gruppenfrieden, den rein menschlichen Frieden, den Bündnisfrieden, den politischen Frieden, den Familienfrieden. Nicht zu vergessen, den biologischen Frieden, den religiösen Frieden, den spirituellen Frieden und und und. Sie alle haben nur eine Urquelle, den inneren Frieden. Der innere Frieden ist gleichbedeutend mit einem inneren Gleichgewicht zu sich selbst. Wer im Gleichgewicht mit sich selbst ist, der ist im Frieden. Und dies ist wieder gleichbedeutend mit dem Frieden um sich herum – egal, ob im Donbass ein Krieg tobt, auf der Eifel oder sonst wo. Deshalb irren viele, die glauben, der Frieden sei das Gegenteil von Gewalt, Krieg oder Leid. Der Frieden ist der Zustand des mit allem im Gleichgewicht sein. In der Biologie nennt man Frieden Homöostase. Krankheiten entstehen durch das Zerstören dieses Gleichgewichtes. Daher ist das Herz der Gesunderhaltung, die Salutogenese, die Kohärenz zum eigenen Lebenswandel. Friedensfähigkeit ist die Gabe, mit der Welt in Kohärenz zu sein. Friedensfähigkeit ist Heilungsarbeit an sich selbst.
Eine höhere Macht
Ich will in diesem Artikel über Friedensfähigkeit nicht zu sehr ausschweifen oder zu komplex werden, daher sollen die Vorerklärungen reichen, um sich ein Bild davon zu machen, was Friedensfähigkeit bedeuten kann. Aggressivität, oder zu hohe Aggressionen mit sich herumzuschleppen war und ist nicht das Gegenteil von Frieden. Wenn wir in die Nähe vom Gegenteil des Friedens schauen, dann ist es eher die Konfliktbereitschaft, im Ungleichgewicht zu sein, was den Frieden stört. Aber das ist nicht das Gegenteil von Frieden. Sein Gegenteil ist eine fehlende Entwicklung, seine inneren Ressourcen zum Ausblühen und Ausbilden zu bringen. Unsere Gesellschaft orientiert und genügt sich damit, alle Ressourcen des Zwischenhirns zum Ausblühen zu bringen. Unsere Gesellschaft und Kultur ist zum größten Teil eine Welt des Zwischenhirns, nicht der Großhirnrinde. Die der Großhirnrinde scheuen die Mächtigen, die Eliten und das gesamte Herrschaftsprinzip. Warum ist, obwohl die führenden Kriegs- und Konfliktforscher sich da einig sind, Mahatma Gandhis Satyagraha, das Ergreifen der Wahrheit, nicht als Kernfokus von Friedensverhandlungen verankert? Warum steht Satyagraha nicht auf der Fahne der Vereinten Nationen? Warum kein Wort vom Ergreifen der Wahrheit in den UN-Menschenrechten? Warum senden wir Panzer in die Ukraine, nicht aber den Weg der Wahrheit, Satyagraha.
Zumindest in Deutschland sehen die führenden Friedens- und Konfliktforscher Gandhis Prinzip als das am weitesten entwickelte Friedensprinzip überhaupt an. Nichts davon in der Friedensbewegung, nichts davon in den alternativen Sendungen zum Thema Frieden. Die meisten Menschen sind um den politischen Frieden bemüht und sorgen sich um irgendeinen Krieg, der die Schlagzeilen von Zeitschriften und Nachrichtensendern abbildet. Den tiefen Weg des Friedens gehen nur wenige, da die meisten Menschen in ihren Ersatzhandlungen feststecken und damit Teil der normopathischen Gesellschaft sind – in der Alternativszene ist das auch häufig so. Die wenigsten suchen einen echten Frieden, da er sehr viel von einem abverlangt. Jesus ist die bekannteste Friedensperson der Welt. Er zeigte der Welt seinen inneren Weg zum Frieden auf, den er nur über das Verbundensein mit seinem Vater sah. Vielen Menschen fehlt eine höhere nicht menschliche Macht, die es gut mit einem meint. Die Menschen lernen, dass der Mensch Wissen, Macht und Herrschaft über alles erlangen kann. In dieser falschen Idee liegt aller Krieg begründet. Wer sich anmaßt, über der Welt zu stehen, kann nur Krieg produzieren. Politisch gesehen haben wir zur Rechtfertigung dieser Idee das Umweltministerium ins Leben gerufen. Nicht aber ein Lebensministerium, das alles Leben schützt und nicht bloß eine Umwelt, die uns umgibt, damit wir uns vormachen dürfen, wir tun etwas für unsere Lebenswelt, währenddessen wir sie auffressen, vernichten und mit Gift vollkippen. Die Erde lebt, sie ist ein Lebewesen, denn auf ihr entfaltet und entwickelt sich alles Leben, das wir kennen.
Keine Abrichtung des Menschen für andere Zwecke
Wie können wir friedensfähig werden. Das ist die Gretchenfrage im Zusammenhang mit der Frage nach der Menschheitsfamilie und einem Weltfrieden. Wir müssten eine höhere Macht anerkennen, eine Schöpfungsgeschichte, die es gut mit allen Geschöpfen meint, und unsere indigenen Menschheitswurzeln endlich anerkennen. Wir müssten allen Massenmord der Geschichte anschauen und uns ehrlich fragen, wie das geschehen konnte mit uns. Wir müssten alles weiterentwickeln, in dem Liebe steckt und alles vermeiden, was Angst in hohem Maße produziert. Wir müssten uns weiterentwickeln, indem wir unsere gesamte Menschlichkeit, aus der jeder besteht, anschauen und sie sich entwickeln und entfalten lassen. Ohne den Hauch einer willentlichen bösgemeinten Politik und ohne das Ausblühen von Soziopathie und Psychopathie als ein uns übergeordnetes Herrschaftsmodell. Das geht einfacher, als viele glauben mögen. Dazu braucht es ein anderes Finanzwirtschaftssystem. In ihm sollten keine Geldscheine, sondern Banknoten in Umlauf gebracht werden, die nach Zahlung vernichtet gehören. Ideen dazu gibt es viele. Es bedarf dazu eines Bildungs- und Wirtschaftssystems, wie es von Rudolf Steiner favorisiert wird. Eine Bildung, die unseren Möglichkeiten als Menschen gerecht wird und nicht eine Bildung, bei der der Mensch für eine Industrie abgerichtet und konditioniert wird.
Friedensfähigkeit ist ein im Einklang sein des Einzelnen mit seinem eigenen Leben und seiner Menschlichkeit, seinen inneren Ressourcen. Selbstwirksamkeit, Selbstwertgefühl, Kompetenzen, Kommunikationskompetenzen, Entscheidungskompetenzen, Handlungskompetenzen, Konfliktlösungskompetenzen, Gesundheitskompetenzen, Ernährungskompetenzen, Copingfähigkeiten, soziale und emotionale Intelligenz etc.
Wenn meine Anlagen, die mich als Menschen befähigen, im Einklang ausblühen dürfen, wie ich sie mitbekommen habe, dann werde ich automatisch ein hohes Maß an Friedenskompetenz entwickeln können. Anders ist es in der Welt, in der wir alle leben müssen. Dort herrschen Menschen über Menschen, dort muss jeder höher schneller und weiter springen, als der andere. Dort wird der Jäger gejagt und nie ist genug da. Alles zerrinnt einem unter den Fingern, sobald man es hat, und morgen muss man besser sein, sonst fliegt einem das Leben davon und nichts von dem, was man glaubte zu wollen, wurde jemals erreicht. Das Hamsterrad, von der Wiege bis zur Bahre, ist für die meisten Menschen nicht wegzubekommen. Da kann Friedfertigkeit niemals eine Kompetenz werden, die der Einzelne vollumfänglich entwickeln kann. Die meisten Menschen schwimmen im Strudel ihrer eigenen Unkenntnis über sich und die Welt ein Leben lang umher, ohne das, wofür sie geboren wurden je zu erlangen. Das Problem ist dabei nicht Unfähigkeit oder Unkenntnis. Es ist eine vollständige Verbildung und Fehlverschaltung dessen, was sie über ihre Gehirne erlangen könnten, würde sie ihre Fehlverschaltungen selbst erblicken und begreifen. Das Zauberwort heißt Loslassen vom alten Plunder, von den Konditionierungen, die einem schaden.
Selbstsein, sich selbst zu leben, ohne die Anleitung eines anderen, von selbst der sein, wie man durch seine Geburt gedacht war. Friedens- und Liebesfähigkeit sind der Grund dafür, warum wir hier sind. Würde jeder für sich, die Anlagen seines Großhirns ausblühen können, so wären wir die Bewahrer und Hüter des Lebens auf diesem Planeten. Friedensfähig ist der, der in seinem tiefen Inneren genau das für sich erkannt hat, wer der Liebe, dem friedvollen Miteinander und dem Leben dient – wer das kann, der bringt Friedensfähigkeit in die Welt.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Sergey Nivens/ shutterstock
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