Ein Standpunkt von Rob Kenius.
Dass Geld permanent von unten nach oben verteilt wird, ist längst bekannt. Es ist ein globales Phänomen, aber kein Naturereignis, sondern es beruht auf Fehlern im System. Selbst manche Großgeldbesitzer, die 100 Millionen US-Dollars oder Euros zur Verfügung haben, beklagen den Zustand und fordern ihre Staaten auf, für finanzielle Gerechtigkeit zu sorgen.
Die Bewegung tax the rich und die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn, die 25 Millionen verschenken will, sehen die Fehler der falschen Finanzpolitik. Hohe Steuern für Reiche und Superreiche wären die richtige Lösung. Olaf Scholz dagegen treibt die Schuldenaufnahme auf gigantische Höhen und dann auch noch für die denkbar schlechtesten Investitionen: Verlängerung des Stellungskrieges und Hochrüstung der deutschen Nato-Truppe. SPD und Linke hatten schon immer die Illusion, dass man mit Staatsschulden soziale Politik betreiben kann. Das ist ein Irrtum, der auf Mangel an Verständnis für die Mechanismen der Finanzwirtschaft basiert. Das Wort soziale Gerechtigkeit verhängt den Blick. Es kommt auf finanzielle Gerechtigkeit an. Staatsschulden sind immer zu Gunsten der Geldgeber, also der Reichen. Sie bewirken Zinszahlungen und die Erhöhung der Geldmenge.
Das feudale Finanzsystem, ist etwa 500 Jahre alt. Die Lage hat sich in den letzten 50 Jahren zugespitzt, so dass ein paar Milliardärinnen und Milliardäre über so viel Geld verfügen wie die Hälfte der Menschheit. Das Geld fließt automatisch auf ihre Konten, ohne dass die Inhaber auch nur aus dem Bett aufstehen. Das hört sich an wie ein Märchen, ist aber Realität. Und global wächst die Armut, genau so wie der Reichtum.
Das Umverteilen von unten nach oben hat zwei Ursachen
Der erste Grund für die Umverteilung nach oben ist einfach: Die viel zu große Geldmenge, die noch ständig wächst und zur Zeit meines letzten Fakten-Checks, etwa das Vierfache von dem betrug, was alle kaufbaren, realen Güter ausmachen (ohne Finanzpapiere). Die übergroße Geldmenge begünstigt an erster Stelle die Finanzwelt; denn Geld ist ihr Betriebsstoff. Dort wird Geld mit Geld verdient und je mehr es ist, desto leichter und erfolgreicher sind Finanzgeschäfte.
Geld ist beweglicher und schneller als alle materiellen Güter, es kann, wie Computerdaten, mit Lichtgeschwindigkeit um den Globus schwirren, bei Tag und Nacht. Geld ist einfach zu handeln, weil der Transport nur aus dem Transfer von Zahlen besteht. Voraussetzung für die Teilnahme am Finanzgeschäft ist allerdings ein Budget von etwa 100 Millionen, ob Dollar oder Euro, spielt keine Rolle. Dann lässt sich das Risiko ausgleichen und der Wert des Portofolios steigt mit der globalen Geldmenge, weil die Kurse im Durchschnitt mit den eingesetzten Geldbeträgen ansteigen. Für die Disposition von 100 Millionen ist weder Spekulationsglück noch Geschick erforderlich.
Der zweite Grund für die Umverteilung erklärt gleichzeitig, warum die Geldmenge ständig wächst. Es handelt sich um das traditionelle Bankgeschäft mit Schulden und Zinsen, so wie es seit mehr als 500 Jahren praktiziert wird. Daraus ist ein System von Bankschulden und Investitionen entstanden, das die industrielle Entwicklung beschleunigt hat, aber auch mehrmals schon zusammengebrochen ist. In den letzten Dekaden ist die Geldmenge aber nahezu explodiert und das Finanzsystem ist übermächtig geworden, es herrscht über Wirtschaft und Politik.
Das gilt an erster Stelle für die USA. Dort bestimmt die Finanzmacht mit der privaten Notenbank FED, über die Wirtschaft, über die Regierung, über Wohlstand, Gesundheit, Rüstung, Krieg und Frieden. Das Falscheste, was man hier machen kann, ist, sich diesem US-System der übermächtigen Finanzherrschaft in Gedanken und in der Praxis anzupassen. Die Macht der Wallstreet endet eigentlich in Frankfurt am Main. Die EZB kann eine andere Finanzpolitik betreiben. Wenn sie es nicht tut, ist das ein dummer Fehler.
Ein göttlicher Akt der Bankenmacht
Die Ursache der Geld-Explosion ist ein fragwürdiges Sonderrecht, das zunächst private, später auch staatliche Banken ausüben. Es ist die Vergabe von Krediten über Geld, das sie gar nicht besitzen. Jemand geht zur Bank und nimmt einen Kredit auf. Die Bank macht eine Gutschrift auf ein Konto, bei dieser Bank. Diese Gutschrift ist aber gar nicht oder nur zu einem geringen Teil, durch Rücklagen von 0% bis höchstens 10%, gedeckt. Doch das auf dem Konto gut geschriebene Geld ist echtes Geld. Egal, wie es zustande gekommen ist und egal, wie man argumentiert, dieses Geld ist von anderem Geld nicht zu unterscheiden, die Bank hat damit Geld aus dem Nichts erschaffen. Den Wert des neu erschaffenen Geldes garantiert nicht die Bank, sondern die Schuldnerinnen und Schuldner mit ihrem gesamten Vermögen. So steht es im Kreditvertrag. Würden alle, die so ein Konto bei einer Bank haben, die Auszahlung von Bargeld verlangen, wäre fast jede große Bank der Welt pleite.
Das Verrückte ist nicht nur, dass die Bank auf diese Weise Geld generiert, sondern dass sie dafür auch noch Zinsen einfordert, für Geld, das sie nie besessen hat.
Mit den Zinszahlungen aber wird Geld direkt von Arm (Kreditnehmer) zu Reich (Bankinhaber) umverteilt.
Wie ist das legitimiert?
Es ist ein feudales Recht, dass sich private Banken über Jahrhunderte einfach genommen haben. Staatliche Banken haben es nachgemacht, zuerst die Bank von England.
Die Geldmenge wächst durch Kredite.
Es gibt komplizierte Vorschriften und Buchungen, die das Verfahren der giralen Geldschöpfung verschleiern, aber die Grundtatsache, dass Banken Geld generieren, ist schon allein daran zu erkennen, dass die global vorhandene Geldmenge, besonders durch riesige Staatsschulden, so weit angestiegen ist. Ein erster Effekt ist der, dass wir uns die Zahlen, die das große Geld und die Staatsschulden beziffern, nicht mehr vorstellen können. Der Mensch kann die Zahl Milliarde zwar sagen und verrechnen, aber niemand kann sich eine Milliarde im Kopf vorstellen. Das verleitet dazu, sehr leichtfertig mit Milliarden umzugehen, ganz besonders in der Politik, wo Menschen entscheiden, die vorher, nie im Leben, eine Verantwortung für so große Mengen an real vorhandenem Geld hatten.
Generierung von Geld durch private Banken ist ein feudales Recht aus vordemokratischer Zeit, das Erheben von Zinsen macht daraus eine Falle, aus der kaum zu entkommen ist. Einzelne Kreditnehmer, etwa die Häuslebauer, können ihre Schulden tilgen, aber nicht alle können das.
Weil Geld und Schulden in gleicher Höhe erzeugt werden und auf der Seite der Schulden die Zinsen noch hinzu kommen, und weil das über Jahrhunderte so praktiziert wurde, übersteigt die Summe aller Schulden schon längst die vorhandene Geldmenge.
Alle Schulden können nie zurückgezahlt werden.
Das trifft Staaten in Afrika und andere arme Länder besonders hart, sie sitzen in der Schuldenfalle und können mit ihrer eigenen Volkswirtschaft nie so viel Geld in die Hand bekommen, um die Staatskredite zu tilgen. Weil in diesen Ländern einfach nicht genug Geld zur Verfügung steht, kann der Staat es nicht aufbringen. Dann kommen Finanzexperten und sagen, sie müssten nur die Staatsausgaben kürzen, um die Schulden los zu werden. Es ist eine Falle, solchen Ländern Kredite zu geben und Zinsen zu verlangen, während man selbst Geld generieren kann. Das geschieht, weil die dort Regierenden das System der Gelderzeugung durch Schulden nicht kennen und in Bezug auf die Tilgung, kurzsichtig handeln, wie unsere jetzige Regierung auch.
Totale Freiheit für ganz wenige
Das expansive Finanzsystem ist 1971 völlig entfesselt worden durch die Loslösung des Dollars von jeder materiellen Bindung und als nächster Schritt kam die Befreiung der Banken von Reglementierungen. Das ist der Kern des Neoliberalismus. Es wird darauf verzichtet, bei Kreditvergabe Mindestreserven zu verlangen. Auch die gute Idee in der Schweiz, dass nur die Zentralbank Franken erzeugen darf, ist verworfen worden.
Nach 1971 ist nicht nur die Geld- und Schuldenmenge ungebremst angestiegen. Dazu gehört auch eine Ideologie, die das befürwortet und durchsetzt, sowohl politisch als auch in der freien Wirtschaft. Man hat die Managergehälter vervielfacht und mit Bonuszahlungen an den Aktienkurs gekoppelt. Dadurch gibt es Entscheidungen der Manager zugunsten der Finanzwelt und nicht zu Gunsten der Firma, der Belegschaft oder für die Qualität von Produkten. Was dabei heraus kommt, lässt sich aktuell an der Deutschen Bahn beobachten. Überall gilt als oberste Devise, so viel Geld wie möglich in Bewegung zu bringen und einen möglichst hohen Anteil in die eigene Tasche zu wirtschaften. Manager, die hundert mal so viel verdienen wie normale Angestellte, agieren auf Seite der Finanzbesitzer.
Geld ist schon längst eine völlig abstrakte Größe geworden. Die Zahlen steigen immer schneller: Millionen, Milliarden, jetzt schon Billionen in den Bilanzen der größten Firmen und im Staatshaushalt, nicht nur in den USA. Auch Deutschland, unter Olaf Scholz und die EU, mit Uschi von der Leyen, halten mit im Wettlauf um Milliarden bis hin zur ersten und zur zweiten Billion.
Auch im politischen Bereich lösen sich die Entscheidungsträger von den Menschen mit Normaleinkommen, also vom Mittelstand. Das wird begünstigt durch die Praxis in Deutschland, dass Abgeordnete des Bundes und der Länder ihre eigenen Bezüge beschließen und ständig erhöhen, plus steuerfreie Pauschalen und hohe Beträge für Büroführung. Die Parteien haben zahlreiche Mechanismen entwickelt, Geld in die eigenen Taschen zu wirtschaften.
Gleichzeitig wurde ein Niedriglohnsektor geschaffen und immer weiter ausgedehnt, so dass der Abstand zwischen politisch Privilegierten und den Millionen in der Unterschicht sich enorm vergrößert hat. Es ist fast wie in der Wirtschaft, zwischen oben und unten ein Missverhältnis von 1:10 bis 1:20 (1:100 in den Konzernen) und speziell in Deutschland gilt so ein krasses Verhältnis auch für die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten, also die staatlichen Medien: Eine Intendantin verdient zwanzig mal so viel wie ein Paketbote oder eine Altenpflegerin.
Die Parteien haben Wählerinnen und Wähler verraten
Die SPD hat die Arbeiterschaft und die Angestellten, CDU und FDP haben den Mittelstand verraten. Die Grünen, auf dem Weg zur Volkspartei, verraten die Umwelt- und Friedensbewegung. Und die Ampel in Berlin verhält sich so, als wäre sie nicht vom deutschen Volk gewählt, sondern von der Finanz- und Militärmacht eingesetzt. Die regierenden Parteien sind korrumpiert durch die Macht an sich. Sie berauschen sich an der Verfügung über Geld, Waffen und als höchste Stufe, an der Macht über Leben und Tod anderer, im Krieg der Ukraine. Das ist grausam, aber alltägliche Politik in Berlin. Dass sie ihr Mandat von Wählerinnen und Wählern haben, ist vergessen. Doch es heißt im deutschen Grundgesetz:
Alle Macht geht vom Volk aus
Die sogenannten Volksparteien arbeiten, oft gemeinsam, für Finanzmacht und Neoliberalismus. Dabei wäre es ihre Aufgabe, das Finanzsystem in die Schranken zu weisen, weil dieses System keinen Rückwärtsgang hat, weil es selbst nicht umkehren kann und immer schneller auf Katastrophen zusteuert.
Staaten, Regierungen und Politik könnten eingreifen, in Deutschland und in Europa, viel besser als in den USA. Was unser Bankenfreund und Geldtransporteur Olaf Scholz, erst als Finanzminister, dann als Bundeskanzler betreibt, ist genau das Gegenteil von Finanzpolitik, im Interesse der Allgemeinheit:
Staatsschulden, welche die Geldmenge erhöhen, dem Volk Zinsen auferlegen, Milliarden nach oben spülen und zukünftige Generationen zu Untertanen der Finanzmacht degradieren, ähnlich wie in den Entwicklungsländern. Dabei ist nicht zu vermuten, dass Herr Scholz das System nicht durchschaut, er weiß doch, wie leicht es ist, an Kredite zu kommen, also weiß er auch, wie und wo das Geld entsteht und wer dabei gewinnt.
Das Finanzsystem umkrempeln kann eine deutsche Regierung nicht, aber sie kann eine Politik für die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler (aller Pareteien) und für finanzielle Gerechtigkeit machen, und zwar durch progressive Steuern auf Finanzgewinne und eine Vermögensabgabe nach dem Motto:
Der Staat erbt mit!
Kein großes Vermögen ist ohne Beteiligung der Allgemeinheit entstanden, es ist unsinnig, dass es wie Möbel und Geschirr nur an nahe Verwandte weitergegeben wird. Wenn ein großes Vermögen durch den bedauerlichen Tod, seine Besitzerin oder seinen Besitzer verliert, kann ein mutiger Staat mit vollem Recht die Hälfte für sich beanspruchen. Niemand hat so ein Vermögen ohne wesentlichen Beitrag der Allgemeinheit aufgebaut, es sei denn, man hat es bereits geerbt. Kein Autokonzern ohne Straßenbau, kein florierender Billigladen ohne soziale Unterstützung der Schwachen durch den Staat. Wenn der Staat Miterbe ist, dann wird niemandem etwas weggenommen, was er ein Leben lang erarbeitet hat. Das Argument, dass dadurch Firmen zerstört würden, lässt sich leicht entkräften, indem man die Erbschaft des Staates auf zwanzig Jahre streckt. Eine Firma, die nicht 2,5% Miterbschaft des Staates, pro Jahr, abführen kann, sollte verkauft werden.
Die dritte Maßnahme gegen ausufernde Finanzmacht ist eine sofortige Transaktionssteuer auf alle Finanzgeschäfte. Mit steuerlichen Maßnahmen lässt sich die Umverteilung stoppen. Der Staat macht keine Schulden mehr, sondern er zahlt die Schulden zurück. Dann verschwindet das durch Schulden generierte Geld wieder aus dem System. Die Geldmenge wird verringert und es kann finanzielle Gerechtigkeit geschaffen werden.
Das Kredit- und Schuldensystem hat durch Geldvermehrung zweihundert Jahre lang einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht. Damals war das Geld knapp. Jetzt ist Geld in großem Überfluss vorhanden und es ist falsch, dass es sich immer mehr in den Händen einer kleinen Schicht oder winzigen Gruppe sammelt. Es gibt keinen vertretbaren Weg und keinen Transporter, der es zurück holen kann, außer Steuern und Vermögensabgaben. Niemand ist glücklich mit dem Status Quo, auch viele Großgeldbesitzer nicht, erst recht nicht die verarmenden Massen. Das System war immer schon fragwürdig, jetzt muss es gebremst und umgedreht werden. Geld ist nicht mehr der absolute Bringer, einfach, weil es in Überfluss vorhanden ist und für manche viel zu leicht zu bekommen. Geld polarisiert, es spaltet, es verhindert Demokratie, es führt, wegen der Zinsen, die auch in allen Firmengewinnen, Gebühren und Steuern enthalten sind, zu Ausbeutung von Umwelt und Ressourcen und von arbeitenden Menschen. Wir alle können erst im Kopf und dann in der Realität gegensteuern, bremsen, wir diskutieren, streiken, demonstrieren, bis auch die gewählten Parteien, die offiziellen Medien und die Regierenden es einsehen.+++
Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Rob Kenius betreibt die systemkritische Webseite https://kritlit.de
Sein Buch Teufel, Krieg und Frieden erschien im November 2013 und behandelt u.a. die Vormachtstellung der USA und deren Finanzmacht.
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Bildquelle: Tijana Moraca / shutterstock
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