Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
General Aguto, der neue Oberkommandant der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodomir Selenski bekommt nach der verunglückten Sommeroffensive noch eine letzte Chance. Er muss allerdings zulassen, dass die Amerikaner ab sofort selber die ukrainischen Streitkräfte befehligen.
Ich hatte ja in meiner letzten Tagesdosis vor vier Wochen gefragt, wann der ukrainische Präsident Selenski gestürzt wird <1>. Gründe gibt es genug für die Vereinigten Staaten von Amerika, Selenski durch einen anderen Satrapen zu ersetzen. Die Sommeroffensive gegen die russischen Streitkräfte auf ukrainischem Boden ist kläglich gescheitert. Jetzt ist sogar Russland wieder in der Offensive. Da Selenski sich zudem immer mehr auf eine ultra-korrupte Clique von Oligarchen stützt und keine Rücksicht nimmt auf die Bedürfnisse der gewöhnlichen Menschen im Lande, ist er auch kaum noch als Integrationsfaktor zu gebrauchen. Es soll schon vorgekommen sein, dass ukrainische Frontsoldaten auf Fotos von Selenski schießen.
Doch die Amerikaner geben Selenski großzügig noch eine letzte Chance. So wurde er jetzt in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden zitiert <2>. Außerhalb von Wiesbaden befindet sich eine exterritoriale amerikanische Besatzungszone. Hier gilt kein deutsches Recht, und weder deutsche Polizei noch deutsches Militär haben hier Zugang. Aber in dieser US-Enklave befindet sich die Security Assistance Group Ukraine, kurz: SAGU <3>. Inmitten Deutschlands werden die forschesten und professionellsten Elitesoldaten der Ukraine für den Fronteinsatz gegen die Russen gedrillt. Der Chef dieser Ausbildungseinheit ist der Drei-Sterne-General Antonio Aguto. Aguto und der NATO-Oberbefehlshaber und gleichzeitige Oberkommandierende der US-Streitkräfte, Christopher Cavioli erwarteten ihren Befehlsempfänger Selenski. Selenski weiß schon Bescheid. General Antonio Aguto wird ab sofort dauerhaft nach Kiew abkommandiert, um vor Ort das Oberkommando der ukrainischen Streitkräfte zu übernehmen <4>. Offiziell ist Aguto nur „Militärberater“. Aber allen ist klar, dass Aguto dem offiziell installierten Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte Oleksandr Syrskyi Weisungen erteilen wird. Das ist nun auch wieder eine Analogie zum Vietnamkrieg vor sechzig Jahren. Auch dort übernahmen US-Militärs zunehmend selber das Kommando über die südvietnamesischen Streitkräfte. Was aber auch nichts geholfen hat <5>.
Wahrscheinlich sind die meisten ukrainischen Generäle heilfroh über ihren neuen Boss. Denn ukrainischen Generäle hatten schon lange die Fäuste geballt angesichts der mondsüchtigen Entscheidungen und Befehle ihres Präsidenten Selenski, der in militärischen Fragen ein absoluter Amateur ist. Der legendäre General Saluschnyi hatte in einem Interview im englischen Wirtschaftsblatt The Economist die strategischen Alleingänge Selenskis in aller Öffentlichkeit hart kritisiert <6>. Er gab dabei auch nur wieder, was amerikanische Militärs dem ukrainischen Staatschef immer wieder vorwerfen. Die Amerikaner hatten verlangt, dass sich die ukrainische Sommeroffensive allein auf die Südfront konzentriert, um einen schnellen Durchbruch zur Krim zu ermöglichen. Stattdessen wollte der Kreis um Selenski zugleich auch noch die von Russland annektierten ehemaligen ukrainischen Ostgebiete zurückerobern. Diese Verzettelung der Kräfte brachte desaströse Verluste, nicht nur von einigen hunderttausend jungen Männern, die im Kampf gegen einen hoffnungslos überlegenen Gegner elend ums Leben gekommen sind. Es ist auch jede Menge amerikanisches und westeuropäisches Kriegsgeschirr verloren gegangen. Aufgrund dieses Desasters trafen sich immer wieder amerikanische Militärs und Vertreter der Ukraine in der Enklave bei Wiesbaden. Dabei soll es bisweilen etwas lauter zugegangen sein. Der Zorn der Amerikaner über diesen unsachgemäßen Umgang mit ihren großzügigen Geschenken hatte sich Luft gemacht. Und immer vernehmlicher verlangten die Amerikaner nach einer neuen Strategie, denn so ging es einfach nicht weiter <7>.
Und das alles in einer Zeit, in der die Spenden-Begeisterung allseits massiv nachgelassen hat. Im Quartal von August bis Oktober dieses Jahres sind gerade einmal 2,1 Milliarden Euro aus dem Westen in ukrainische Kriegskassen geflossen <8>. Das sind gerade einmal ein Zehntel des Betrags im selben Zeitraum des vergangenen Jahres. Im letzten Jahr gab es noch Hilfszusagen in Höhe von 138 Milliarden Euro. Für dieses Jahr sind es gerade erst 103 Milliarden Euro. Und die politische Unterstützung für die Ukraine ist in den USA prekär. So sind im augenblicklichen Nothaushalt der USA gerade einmal 300 Millionen Dollar für die Ukraine vorgesehen. US-Präsident Biden bettelt um ein weiteres Interventionspaket in Höhe von 101 Milliarden Dollar, verteilt auf Israel, Ukraine und Taiwan. Wobei die Ukraine 61 Milliarden Dollar erhalten soll.
„No!“, sagen die republikanischen Abgeordneten im Washingtoner Senat und im Repräsentantenhaus. „Wenn bereits an die Ukraine überwiesene 111 Milliarden Dollar nichts gebracht haben, warum sollten denn jetzt 61 Milliarden Dollar das Blatt wenden?“, fragt sicher nicht ganz ohne Berechtigung der republikanische Senator James David Vance <9>. Entsprechend verlegen wackelten die Anführer des Senats, Chuck Schumer und Mitch McConnell mit ihrem Gast Selenski in ihrer Mitte durch die geheiligten Hallen des Kongresses. Denn sie haben nichts zu geben. Die Republikaner lassen die Demokraten noch ein bisschen schmoren. Erst mal kommt ja jetzt eine komfortable Weihnachtspause. Danach kann man nochmal über Geld für die Ukraine reden. Allerdings gibt es das Geld nur, wenn auch genauso viel Geld für den Bau einer hohen Mauer an der mexikanischen Grenze locker gemacht wird. Denn man will endlich die Flüchtlingsströme aus Lateinamerika aufhalten. Doch zunächst haben Republikaner und Demokraten einträchtig für das neue Fiskaljahr 886 Milliarden Dollar für Rüstung vorgesehen <10>. Das ist natürlich auch noch nicht alles. In den Etats des Heimatschutzministeriums und des Veteranenministeriums sind einige Milliarden Dollar versteckt, sodass man getrost von einem gesamten Kriegsetat von über einer Billion Dollar ausgehen kann.
Im Hintergrund warten schon die wirklichen Herren der Vereinigten Staaten von Amerika auf handfeste Ergebnisse. Denn Selenskis erste Station in den USA bei seinem letzten Bettelbesuch galt einem Treffen mit seinen Freunden von der amerikanischen Rüstungsindustrie. Da lächeln sie alle vergnügt für ein nettes Gruppenfoto mit Selenski in der Mitte. Die ukrainische Regierung berichtet stolz auf ihrer Webseite:
„Selenski sprach über die Errichtung eines Rüstungszentrums in Europa, das in der Ukraine errichtet werden soll. Denn unser Land hat viele praktische Erfahrungen gesammelt in diesem Krieg. Nach seinen Worten ist unser Staat bereit, alle unsere erforderlichen Entscheidungen geschmeidig anzupassen, bürokratische Hindernisse zu beseitigen und Anweisungen zu erlassen, um dieses Ziel zu erreichen.“ <11>
Schon lange wird die ukrainische Wirtschaft komplett umstrukturiert in Richtung auf eine totale Kriegsproduktion. Das geht aber eben nur dann, wenn die Ukraine ihr Kern-Territorium gegen die Russen verteidigen kann. Die momentane Strategie des Krieges an allen Fronten gefährdet diese Grundsubstanz. Und deswegen wird der neue amerikanische Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Antonio Aguto, dafür sorgen, dass eine gewisse Beruhigung an der Ostfront erreicht wird. Damit man den Russen ihr erobertes Terrain einstweilen überlässt. Um dann in aller Ruhe das neue Rüstungszentrum in der Ukraine aufzubauen, die Truppen neu aufzustellen und um dann mit neuer Strategie die Russen erneut herauszufordern. Das entspräche dann der Strategie, die nach dem Maidan-Putsch im Jahre 2014 gegen Russland gefahren wurde. In den diversen Verhandlungsrunden Minsk I und Minsk II wurde auch nur einfach Zeit geschunden, damit sich die Ukraine für einen neuen Krieg aufstellen konnte.
Doch nicht nur die amerikanischen Politiker müssen für die Rüstungsindustrie das geeignete Umfeld schaffen. Auch die Europäische Union muss liefern, bitteschön. Und so hat es die EU plötzlich total eilig, die Ukraine in ihre starke Gemeinschaft aufzunehmen. Doch die Angst war groß: würde das schwarze Schaf in dieser Runde, der ungarische Präsident Orban, die Spiel verderben und sich gegen die Ukraine stemmen? Doch, Gott sei Dank! Orban ging während der entscheidenden Sitzung über die Aufnahme der Ukraine in die EU kulanter weise mal solange auf Klo <12>. So konnte die Ukraine in die Arme der großzügigen EU aufgenommen werden. Für Orbans nette Abwesenheit wurden dann gleich zehn Milliarden EU-Hilfen für Ungarn locker gemacht, die bisher wegen der angeblichen Demokratie-Defizite im Puszta-Land noch verweigert wurden. Dann wurde Orban aber doch gleich wieder rebellisch und blockierte durch sein harsches Veto fünfzig Milliarden Euro Militärhilfe für die Ukraine <13>.
Neulich hat der grüne Politiker Anton Hofreiter in einem Interview wieder einmal klar gemacht, dass seine Freunde in Washington gar nicht verstehen, dass die Europäer nicht verstehen, dass sie jetzt mal gefälligst mehr machen müssen für die Kriegsanstrengungen in der Ukraine. Das versteht allerdings unser Bundeskanzler Olaf Scholz sehr gut <14>. Natürlich ist auch unsere Bundesregierung völlig klamm. Nachdem das oberste Gericht verordnete, dass ein Sonderetat für Corona-Hilfen nicht für andere Zwecke abgezweigt werden darf, ist Schmalhans in Berlin Küchenmeister. Trotzdem will Bundeskanzler Scholz unbedingt die projektierte Rüstungshilfe für die Ukraine von vier Milliarden Euro auf acht Milliarden Euro verdoppeln. Und dazu noch sechs Milliarden ausgeben, um den Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen. Und das alles soll aus dem nunmehr geschmälerten Haushalt herausoperiert werden. Der Druck aus Washington ist spürbar. Scholz macht erbarmungslos klar: sollte sich die Situation "verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen" <15>.
Klar. Machen wir. Da ist doch noch viel Luft in den Bereichen Bildung, Kultur, Soziales und Infrastruktur, oder? Mal im Ernst. Wo soll das denn noch hinführen? Es wird nur noch über immer mehr Geld für die Rüstung gesprochen.
Da kann Europa ruhig mal ein bisschen verarmen. Es ist schon gerade schlimm genug. Jedes vierte Kind innerhalb der Europäischen Union lebt in Armut <16>. In konkreten Zahlen: zwanzig Millionen Kinder. Von den annähernd 450 Millionen EU-Bürgern leben etwa 140 Millionen Bürger in Armut <17>. Tendenz überall steigend. Doch die soziale Frage ist gerade gar nicht angesagt, auch nicht in oppositionellen Kreisen. Da werden die abgehängten Armen in Europa sich schon irgendwann auf ihre Art zu artikulieren wissen. Die Gesellschaft verroht. Konflikte werden mit zunehmender Härte ausgefochten. Auch darauf weiß die Rüstungsindustrie handfeste Lösungsmittel. Wollen wir es so weit kommen lassen?
Quellen und Anmerkungen
<1> https://staging.apolut.net/wann-stuerzt-selenski-von-hermann-ploppa/
<2> https://freedert.online/international/189889-ukrainischer-praesident-selenskij-ueberraschend-in/
<4> https://www.stripes.com/branches/army/2023-12-12/army-general-ukraine-eucom-12335117.html
<5> https://asiatimes.com/2023/12/gop-holds-up-ukraine-aid-asking-painful-questions/
<7> https://www.nytimes.com/2023/12/11/us/politics/us-ukraine-war-strategy.html
<9> https://www.youtube.com/watch?v=fXTSQYw3J44
<10> https://nypost.com/2023/12/13/news/senate-passes-886-billion-defense-policy-bill/
<14> https://www.youtube.com/watch?v=nafoMrmGtlU
<15> https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-mittwoch-312.html#Deutschland
<16> https://www.savethechildren.de/news/verheerend-20-millionen-kinder-leben-in-der-eu-in-armut/
+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: OLEH SLEPCHENKO / shutterstock
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