Gesundheitsministerium veruntreut Steuergeld für Anzeigenkampagne mit falschen Horrorzahlen
Das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD) schaltet für viel Geld Anzeigen in Wochenendbeilagen und Gratisblättern mit einem sogenannten „Fakten-Booster“ zu Corona. Diese betreiben nicht nur Lauterbach-Personenkult, sondern enthalten auch grob falsche Angaben zur Gefährlichkeit des Virus. Der Steuerzahler muss dafür bezahlen, dass er mit falschen Horrorzahlen erschreckt wird.
Ein Kommentar von Norbert Häring.
Die Verbreitung der Fakten-Booster lässt sich das Ministerium pro Ausgabe 5 Mio. Euro kosten, die ersten drei zusammen verschlingen 15 Mio Euro.
Im Fakten-Booster Nr. 3 vom 6. September mit dem Titel „Verdacht auf Covid-19“ tritt Lauterbach – unamtlich cool auf Frisur und Brille reduziert – auf und wirbt für die häufigere Nutzung des Pfizer-Medikaments Paxlovid. Allerdings tut er das inzwischen ohne das Medikament beim Namen zu nennen. Das hat er in der jüngeren Vergangenheit oft und deutlich genug getan, sodass alle Ärzte, die von den Patienten auf diese Empfehlung hin angesprochen werden, wissen, was er meint – zumal sie auf Lauterbachs Initiative für Paxlovid-Verschreibung und Abgabe 15 Euro extra bekommen.
Doch der Personenkult und die indirekte Medikamentenwerbung sind bei weitem nicht das Schlimmste an diesem teuer verbreiteten Pamphlet. Vielmehr wird darin behauptet (Fettung im Original):
„Etwa 10 Prozent der in Deutschland erkrankten Personen werden aufgrund eines schweren COVID-19 Verlaufs in Krankenhäusern behandelt.„
Das entspricht nicht annähernd den Fakten. Nicht einmal die Größenordnung stimmt. Aber es ist natürlich geeignet, dem im Bild rechts stehenden Drängen Lauterbachs nach frühzeitiger medikamentöser Behandlung zur Vermeidung eines sonst angeblich drohenden schweren Verlaufs Nachdruck zu verleihen.
Als Quelle wird auf den „Epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19“ des RKI mit Stand vom 26.11.2021 verwiesen, also eine Quelle, die fast ein Jahr alt ist und deren Daten noch älter sind. Da geht es noch um den Wuhan-Virus, eventuell auch teilweise um die Delta-Variante, die beide sehr viel häufiger schwere Krankheitsverläufe verursachten als die seit neun Monaten dominierenden Omikron-Varianten.
Veraltete Quelle, überhöhter Wert
Es findet sich in der angegebenen Quelle tatsächlich die Angabe:
„12. Angaben zu hospitalisierten COVID-19-Erkrankten Anteil der Hospitalisierten unter den Erkrankten. In einer Analyse der Daten aus dem deutschen Meldesystem (bis Februar 2021) wurden kumulativ ca. 10% der in Deutschland übermittelten Fälle hospitalisiert (136).“
Das Ministerium belegt also die auf heute bezogene Behauptung im Fakten-Booster mit Daten von Frühjahr 2020 bis Februar 2021, also von vor zweieinhalb bis über eineinhalb Jahren. Das allein ist hochgradig unseriös, insbesondere wenn der Anspruch lautet (meine Hervorhebung):
„Mit dem Fakten-Booster werden neueste Erkenntnisse zu Corona (…) verständlich, prägnant und informativ aufbereitet.“
Hinzu kommt: Ganz vorne in dem als Quelle genannten Steckbrief prangt fett gedruckt und ünübersehbar der Hinweis (meine Hervorhebung):
„Weiterführende Informationsquellen zu den jeweiligen Steckbriefkapiteln, auch mit Blick auf die aktuell vorherrschende Omikron-Variante, sind hier abrufbar.„
Klickt man darauf, kommt der Hinweis:
„Mittlerweile hat sich zunehmend die VOC Omikron verbreitet. Sie dominiert seit Januar 2022 auch in Deutschland das Infektionsgeschehen. Einige ihrer virologischen Eigenschaften und die daraus resultierenden infektionsepidemiologischen Auswirkungen unterscheiden sich deutlich von denen der bisher zirkulierenden Virusvarianten.“
Es folgen unter dem Stichwort Hospitalisierung Verweise zu den Situations- und Wochenberichten des RKI mit den aktuellen Zahlen.
Bewusste Irreführung
Wenn man es im Gesundheitsministerium nicht schon wusste – was sehr unwahrscheinlich ist – wurde man in der verwendeten Quelle sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die verwendeten Zahlen aus der Vergangenheit nicht mehr aussagekräftig und damit irreführend sind, sowie darauf, wo man aktuelle Zahlen problemlos bekommen kann. Man hat sich entschieden, trotzdem die alten Horrorzahlen statt der viel harmloseren aktuellen Zahlen zur Hospitalisierung zu verbreiten.
In der Tabelle „Klinische Aspekte“ , auf die in allen Wochenberichten des RKI verlinkt wird, findet sich mit Stand 14.09.22 der „Anteil der Hospitalisierten bezogen auf die Fälle mit Angabe zur Hospitalisation“. In den letzten eineinhalb Jahren lag der Wert immer unter 10%. Seit Februar 2022 (Dominanz von Omikron) lag der Wert nie höher als 5%, oft deutlich darunter.
Und diese Anteile sind noch durch fehlende Angaben zur Hospitalisierung nach oben verzerrt. Es ist davon auszugehen, dass es ganz überwiegend milde Verläufe sind, bei denen die Angaben zur Hospitalisierung fehlen. Der Prozentsatz bezogen auf alle Fälle dürfte also deutlich niedriger sein.
Konkret gab es in der aktuellsten 36. Meldewoche 2022 laut der Tabelle 3381 Hospitalisierungen (mit oder wegen Covid-19). Bezogen auf die 90.000 Fälle mit Angabe zur Hospitalisierung sind das 4%. Bezogen auf die Gesamtzahl der Fälle von 203.000 wären es nur 1,7%. Die zweite Prozentzahl dürfte deutlich näher an der Realität liegen als die erste. Angesichts der Meldewege ist unwahrscheinlich, dass viele Krankenhauspatienten mit Covid-Diagnose ungezählt bleiben, während es sehr oft vorkommt, dass bei Nicht-Hospitalisierten die entsprechende Angabe fehlt.
Doch damit nicht genug. Das Ministerium bezieht im Fakten-Booster die Hospitalisierungsquote ausdrücklich auf Personen die „aufgrund“ eines schweren Covid-19-Verlaufs im Krankenhaus liegen, also nicht mit einer Covid-Infektion als Nebendiagnose. Es ist inzwischen hinreichend belegt, dass rund die Hälfte aller Krankenhauspatienten mit Covid-Diagnose nicht wegen Covid in Krankenhausbehandlung sind.
Halbiert man überschlagsweise den korrigierten Wert der jüngsten Meldewoche, ergibt dies eine Hospitalisierungsquote von etwa 1%. Überschlagsweise, weil das RKI mutwillig darauf verzichtet, vernünftige Daten zu erheben und zu liefern. Aber es wird deutlich: die in der Gegenwartsform ausgedrückte Angabe im Fakten-Booster des Gesundheitsministeriums ist für die heute allein interessierende aktuelle Situation etwa um den Faktor 10 überhöht. Auch wenn die Horrorzahl nur fünffach oder dreifach überhöht wäre, würde es sich um eine dreiste und sicherlich bewusste Irreführung der Öffentlichkeit handeln. Aus meiner juristischen Laiensicht ist das ein Fall von Veruntreuung von Steuergeld.
Geboosterte Fakten
Falls die Verantwortlichen im Gesundheitsministerium tatsächlich nicht gewusst und gemerkt haben sollten, dass die Zahl, mit der sie die Öffentlichkeit erschrecken, nicht stimmen kann, wären sie wegen erwiesener Inkompetenz sofort zu entlassen, der Minister zuerst.
Der Name Fakten-Booster bekommt im Lichte dieser offenbar bewussten Irreführung der Öffentlichkeit eine ganz neue Bedeutung. Wenn die Fakten nicht erschreckend genug sind, werden sie geboostert.
Fakten-Booster Nr. 2 nicht besser
Misstrauisch geworden, habe ich mir auch Fakten-Booster Nr. 2 „Die 2. Auffrisch-Impfung“ angeschaut.
Darin behauptet die bebrillte Lauterbach-Haarsträhne:
„Mittlerweile wissen wir, dass eine Corona-Infektion zu Hirnschäden und schlimmstenfalls zu Demenz führen kann. Mit der zweiten Auffrischungsimpfung kann die oder der Einzelne die Wahrscheinlichkeit solcher Spätfolgen deutlich verringern – gerade bei den über 60-Jährigen.“
Zum Beleg verlinkt wird auf eine Seite mit dutzenden Quellenlinks, sodass nicht ersichtlich ist, ob und wo belegt wird, dass die vierte Impfung die Wahrscheinlichkeit von Hirnschäden und Demenz senkt.
Die Behauptung hat Lauterbach auch über Twitter verbreitet. Der Welt-Journalist Tim Röhn hat daraufhin beim Ministerium nach dem wissenschaftlichen Beleg für die Behauptung gefragt.
Erst nach anwaltlicher Intervention kam schließlich die wiederum beleglose Behauptung, mehrere (ungenannte) Studien „legen nahe, dass eine vollständige Corona-Schutzimpfung vor Infektion auch das Risiko von Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion reduziert“ und „dass eine vollständige Immunisierung in Bezug auf Covid-19 vorteilhaft sein könnte“ und: „Erste Erkenntnisse liegen dazu vor, dass auch Demenz zu den neurologischen Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion zählen könnte.“
‚Hätte, könnte, wäre‘ als Beleg für eine mit Steuergeld verbreitete, Angst machende Behauptung.
Über dieser Bauchgefühl-Behauptung Lauterbachs, prangt eine glatte Falschmeldung. Richtig könnte noch sein, dass 83% der wegen Corona ins Krankenhaus eingelieferten über 60 Jahre alt sind. Aber dann kommt die Falschbehauptung:
„Davon sind 5x mehr Ungeimpfte als Menschen, die bereits mind. eine Auffrischimpfung erhalten haben.“
Das wäre sehr erstaunlich, gibt es doch nur noch wenige nicht Geimpfte unter den Älteren, aber sehr viele Geboosterte.
Auf der verlinkten Netzseite findet man den Link zu einer Tabelle zur Hospitalisierungsinzidenz nach Alter und Impfstatus. Dort findet man tatsächlich in Kalenderwoche 24-27 einen Wert für Ungeimpfte dieser Altersgruppe, der mit 4,3 gut fünfmal so hoch ist wie der Wert von 0,8 bei den Geboosterten.
Es handelt sich dabei aber nicht, wie das Zitat behauptet, um die Anzahl der jeweils hospitalisierten Menschen, sondern um die Hospitalisierungsinzidenz der jeweiligen Gruppe, also die Anzahl der Krankenhauspatienten geteilt durch die Gesamtgröße der jeweiligen Gruppe. Da die Gruppe der nicht Geimpften bei den über 60-Jährigen (8,8% laut Impf-Dashboard) sehr viel kleiner ist als die der Geboosterten (85,5% laut Fakten-Booster) bedeutet diese Inzidenz, dass in absoluten Zahlen deutlich mehr geboosterte Covid-Patienten in Krankenhäusern liegen als nicht Geimpfte.
Zugegeben: Wenn im Bundesgesundheitsministerium schludrig mit öffentlichen Aussagen und Steuergeld umgegangen werden sollte, ist es denkbar, dass es sich hier um einen Fehler und nicht um Absicht handelt. Ich persönlich tippe auf eine Kombination aus Schludrigkeit und unbedingtem Willen zur Angstmache.
Fazit
Insgesamt ist es unfassbar, was sich ein Minister in Deutschland in diesen Tagen erlauben kann, ohne entlassen zu werden und ohne dass Rechnungshof und Staatsanwälte auf den Plan treten.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 18.09.2022 auf dem Blog von Norbert Häring
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Bildquelle: desidesidesi/ shutterstock
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