Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Neuesten Informationen zufolge sollen die wichtigsten BRICS-Staaten beschlossen haben, zur Abrechnung von Handelsbeziehungen zwischen ihren Ländern, eine goldgestützte BRICS-Währung einzuführen. Nachdem diese Nachricht verbreitet wurde, kam dann die Information hinzu, dass Indien angeblich gegen den Plan sei, und stattdessen versuche, die eigene Währung zu stärken und im Handel mit anderen Ländern zu benutzen. Was meist vergessen wird: Im Multipolarismus gibt es keine Befehle oder Sanktionen. Jedes Land kann so handeln, wie es den eigenen Interessen am besten passt. Deshalb kann Indien für den eigenen Handel die Rupie vorschlagen, oder sich mit anderen BRICS-Partnern auf eine neue Verrechnungswährung einigen, ohne dass dies zu ernsten Problemen führt. Aber schauen wir uns heute einmal mit einfachen Worten diese Ent-Dollarisierung an, die gerade auf den Weg gebracht wird.
Eine schöne, ausführliche Erklärung des Weltwährungssystems bis 1944 findet man in einem gerade erschienenen Artikel in Telepolis: „Erleben wir eine Entdollarisierung“(5). Aber nun zur neueren Geschichte, grob vereinfacht:
Bretton Woods
Die USA, welche 1944 zweidrittel der weltweiten Goldreserven kontrollierten, waren durch das Bretton Woods System in der Lage, den US-Dollar, der in Gold umgetauscht werden konnte, als Weltwährung einzuführen. Die Golddeckung verhinderte, dass die USA mehr Dollar druckten, als sie an Goldreserven hatten, was den Dollar zu einer sicheren Währung machte.
Als die USA aber durch den Vietnamkrieg gezwungen waren, mehr Geld zu „drucken“, als an Gold vorhanden war, erklärten sie kurzerhand die Golddeckung für obsolet und nicht mehr gültig, was das Bretton Woods System zerstörte und einige Länder in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten brachte, weil diese sich ganz auf den Dollar als sichere Reservewährung verlassen hatten.
Mitte der 1970er Jahre setzte sich ein neuer Begriff durch: Der Petrodollar. Die USA hatten mit dem damals größten Ölförderland, Saudi-Arabien, den Deal abgeschlossen, dass die US-Streitkräfte für die Sicherheit des aus westlicher Sicht mittelalterlichen Regimes bürgen, wenn das Land sein Öl ausschließlich gegen US-Dollar verkauft. Und so konnte der US-Staat weiter Schulden aufnehmen, ohne dass es zu größerer Inflation kam, weil immer jemand US-Dollar brauchte, so dass die Nachfrage nach US-Bundesanleihen immer so hoch war, wie das Wachstum der Weltwirtschaft. Denn letztlich waren es nicht nur die Ölförderländer, welche ihren Handel in US-Dollar betrieben, sondern ein großer Teil aller Handelsgeschäfte der Welt, welche unterschiedliche Finanzsysteme betrafen, wurden über den US-Dollar abgewickelt.
In der Folge explodierte die Menge an US-Dollar, bzw. an Schulden des US-Staates in US-Dollar. Das Ganze begann ab der Jahrtausendwende aus dem Ruder zu laufen. Die US-Staatsverschuldung stieg von 5.623 Milliarden Dollar auf über 30.000 Milliarden US-Dollar, also 30 Billionen Dollar (1). Während gleichzeitig die realen Werte in Form von Produktionsanlagen, Bodenschätzen, Infrastruktur usw. abgebaut wurden, bzw. im Rahmen der Globalisierung von Lieferketten zur Profitmaximierung ins Ausland, insbesondere nach China verlagert wurde. „Die Höhe der Staatsverschuldung übertrifft jedoch bereits die Wirtschaftsleistung“(1).
Die Dollar-Rolle in der Weltwirtschaft war so wichtig für die US-Regierung, dass Analysten behaupteten, dass der Irak-Krieg, der Saddam Hussein beseitigte, ausgelöst worden sei durch die Ankündigung des Iraks, zukünftig Öl in anderen Währungen als dem Dollar zu verkaufen. Ähnliches wurde bei der Zerstörung Libyens erklärt, während der die Goldreserven des Landes verschwanden, die eine goldgedeckte einheitliche afrikanische Währung sichern sollten. Und, Überraschung, Gaddafi hatte auch erklärt, zukünftig das Öl des Landes in anderen Währungen als dem Dollar zu verkaufen.
Durch die dominante Rolle des US-Dollars für die Weltwirtschaft, beherrschten die USA auch alle Welt-Finanzinstitute wie den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Über diese Hebel hatten die Regierungen der USA großen Einfluss auf die Stabilität oder eben Instabilität von Ländern. Ein Beispiel ist derzeit die Finanzierung der Ukraine unter Verzicht auf alle bisherigen Regeln, mit denen Kredite abgesichert werden sollten.
Besonders Entwicklungsländer wurden Opfer von „economic hitmen“(2), welche Länder, die sich entwickeln wollten, in teilweise absurde Kredite verwickelten, aus denen sie sich nicht mehr befreien konnten, die sie aber auf Grund der damit verbundenen Kreditauflagen zu wirtschaftlichen Marionetten der USA machten. Als Gegenbewegung dazu entstand 2014 die BRICS Entwicklungsbank. Von der Gründungsveranstaltung dieser Bank befand sich der russische Präsident Putin auf dem Rückflug nach Moskau, nur wenige Flugminuten entfernt von dem Ort, über dem der Flug MH17 abgeschossen wurde.
Trotz der offensichtlichen Nachteile für viele Länder, welche die Fixierung auf den Dollar im Außenhandel mit sich brachte, dauerte es aber noch einige Jahre, bis die Ent-Dollarisierung plötzlich Fahrt aufnahm. Dies ist nicht nur auf Grund von langfristigen Vertragen, sondern weil Länder sehr träge sind, wenn es um Veränderungen des Finanzsystems geht. Und letztlich waren viele Entscheidungsträger eng in die transatlantische Gedankenwelt eingebunden, welche davon ausgeht, dass die Rolle der USA die einer Ordnungsmacht sei, welche Polizist, Ankläger und Richter in einer Organisation darstelle.
Entscheidend dafür, dass diese Trägheit seit ca. einem Jahr überwunden wird, ist die Tatsache, dass die USA ihre Waffe der finanziellen Dominanz überstrapaziert hatten. Es begann mit dem Eigentum der Staaten Venezuela, Iran, und nicht zuletzt Russlands, und mit immer stärker zunehmendem Druck auf „befreundete“ Staaten durch Sekundärsanktionen. Als nach Beginn des offenen Krieges in der Ukraine die Übertretungen der letzten „Roten Linien“ beim Missbrauch von Welt-Finanz-Mechanismen unübersehbar wurden, begann eine Entwicklung, in der sich immer mehr Länder versuchten vom Dollar zu befreien. Eine Entwicklung, die nun zu einem Tsunami zu werden droht, aber immer noch einige Jahre brauchen wird, bis die Auswirkungen deutlich sichtbar werden.
Bevor wir auf die möglichen Folgen kommen, sei an dieser Stelle die aktuelle Situation an Hand eines Beitrages von Pepe Escobar erklärt. Auch wenn die meisten es wissen: Pepe sieht die Welt aus der Sicht des globalen Südens mit großen Sympathien für Russland. Dazu nimmt er ein Treffen zum Anlass, welches ich bereits in der letzten Woche angekündigt hatte. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) repräsentiert etwa 40 % der Weltbevölkerung und 32 % der Weltwirtschaft.
Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ)
Er schreibt, dass das Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter SOZ, das in Neu-Delhi stattfand, Geschichte schrieb: Die drei BRICS-Staaten (Russland, Indien, China) sowie Pakistan und die vier zentralasiatischen "Stans" (Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan) nahmen die Islamische Republik Iran schließlich offiziell als ständiges Mitglied auf.
Nächstes Jahr werde Weißrussland an der Reihe sein, wie der Erste Stellvertretende Außenminister Indiens, Vinay Kvatra, bestätigte. Weißrussland und die Mongolei nahmen am Gipfel 2023 als Beobachter teil, das unabhängige Turkmenistan als Gast.
Nach Jahren des "maximalen Drucks" der USA, so der Autor, könnte Teheran nun endlich den Sanktionswahn überwinden und seine führende Rolle im laufenden Prozess der eurasischen Integration festigen. Der Star der Show in Neu-Delhi sei aber der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko gewesen, der den Begriff „Globaler Globus“ einführte und die Integration von BRICS, SZO und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU)(6).
Der nächste Schritt für den "Global Globe" - das, was der kollektive Westen abschätzig als "den Rest" der Welt bezeichne - sei die Arbeit an der komplexen Koordinierung mehrerer Entwicklungsbanken und dann das Verfahren zur Ausgabe von Anleihen, die mit einer neuen Handelswährung verbunden sind. Die wichtigsten Ideen und das Grundgerüst seien bereits vorhanden. Die neuen Anleihen würden im Vergleich zum US-Dollar und zu US-Staatsanleihen ein echter sicherer Hafen sein und eine beschleunigte Entdollarisierung mit sich bringen. Das Kapital, das zum Kauf dieser Anleihen verwendet wird, sollte zur Finanzierung von Handel und nachhaltiger Entwicklung eingesetzt werden, was „eine zertifizierte Win-Win-Situation nach chinesischem Vorbild“ darstellen werde.
In der Erklärung der SOZ, so Escobar weiter, werde klargestellt, dass sich das expandierende multilaterale Gremium "nicht gegen andere Staaten und internationale Organisationen richtet". Im Gegenteil, sei sie "offen für eine umfassende Zusammenarbeit mit ihnen in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der UN-Charta, der SCO-Charta und des Völkerrechts, basierend auf der Berücksichtigung gegenseitiger Interessen".
Der Kern der Sache sei das Streben nach einer fairen multipolaren Weltordnung - das polare Gegenteil der von Hegemonen auferlegten "regelbasierten internationalen Ordnung". Und die drei wichtigsten Knotenpunkte seien gegenseitige Sicherheit, Handel in lokalen Währungen und schließlich die Entdollarisierung.
Es sei recht aufschlussreich, die von den meisten Staats- und Regierungschefs während des Gipfels in Neu-Delhi zum Ausdruck gebrachte konvergierende Ausrichtung zu skizzieren.
Indien:
Premierminister Modi habe in seiner Grundsatzrede erklärt, dass die SCO genauso wichtig sein wird wie die UNO. Übersetzung Escobar: eine zahnlose UNO, die vom Hegemon kontrolliert wird, könnte durch eine echte "Global Globe"-Organisation an den Rand gedrängt werden.
Iran:
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi sprach sich nachdrücklich für den SCO Handel in nationalen Währungen aus.
China:
Präsident Xi Jinping war unnachgiebig: China sei für die Abschaffung des US-Dollars, gegen alle Formen von Farbrevolutionen und gegen einseitige Wirtschaftssanktionen.
Russland:
Der russische Präsident Wladimir Putin habe betont, dass externe Kräfte die Sicherheit Russlands bedrohen würden, indem sie einen hybriden Krieg gegen Russland und die Russen in der Ukraine entfesselt hätten. Er habe die Erwartung geäußert, dass der Handel innerhalb der SOZ unter Verwendung der nationalen Währungen zunehmen werde - 80 Prozent des russischen Handels würden derzeit in Rubel und Yuan abgewickelt.
Kirgisien:
Präsident Sadyr Japarov habe ebenfalls die gegenseitige Verrechnung in nationalen Währungen betont sowie die Einrichtung einer SCO-Entwicklungsbank und eines Entwicklungsfonds, ganz ähnlich der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Organisation.
Kasachstan:
Präsident Kassym-Jomart Tokajew, der 2024 den Vorsitz der SOZ innehaben wird, habe ebenfalls einen gemeinsamen Investitionsfonds befürwortet sowie den Aufbau eines Partnernetzes wichtiger strategischer Häfen, die mit Chinas BRI und der in Astana angesiedelten transkaspischen internationalen Transportroute verbunden sind.
Einigkeit
Alle SOZ-Mitglieder seien sich einig gewesen, dass eine eurasische Integration ohne die Stabilisierung Afghanistans nicht möglich ist - und dass Kabul geoökonomisch sowohl mit der BRI als auch mit der INSTC verbunden werden muss. Aber das sei eine ganz andere, lange und verschlungene Geschichte, meint der Autor.
Dann kommt der Artikel auf die Podiumsdiskussion "Die Zukunft der Belt and Road Initiative" und Afrika zu sprechen. Details im Anhang(3).
Peking, so Escobars Analyse, werde noch in diesem Jahr das Belt and Road Forum wiederbeleben. Die Erwartungen auf dem "Globus" seien groß. Liang Linchong habe eine Aufschlüsselung dessen vorgelegt, was bevorstehe: "Harte Konnektivität" (d. h. Aufbau von Infrastruktur), "weiche Konnektivität" (Betonung von Fähigkeiten, Technologien und Standards) und "Verbindung der Herzen", was sich mit dem chinesischen Konzept des "Austauschs von Mensch zu Mensch" übersetzen lasse.
Zu erwarten seien viele kleine, aber wertvolle Projekte. Dies stehe im Einklang mit der neuen Ausrichtung der chinesischen Banken und Unternehmen: Sehr große Infrastrukturprojekte auf der ganzen Welt könnten vorerst problematisch sein, da sich China auf den Binnenmarkt konzentriert und alle Fronten reglementiere, um die zahlreichen Hybridkriege des Hegemons zu bekämpfen. Die strategische Konnektivität werde davon jedoch nicht betroffen sein. Escobar nennt dann ein Beispiel, das man im Anhang findet(4).
Die neue Seidenstraße sei in Afrika auf dem Vormarsch. So habe die China Aerospace Science and Technology Corporation (CASC) im vergangenen Monat einen gemeinsam mit Ägypten entwickelten Satellitenprototyp an die Kairoer Space City übergeben. Ägypten sei nun das erste afrikanische Land, das in der Lage ist, Satelliten zu montieren, zu integrieren und zu testen. Kairo habe das als ein Paradebeispiel für nachhaltige Entwicklung bezeichnet.
Es sei auch das erste Mal, dass Peking einen Satelliten im Ausland zusammenbaut und testet. Wieder einmal ein klassisches Beispiel für BRI: "Konsultation, Zusammenarbeit und gemeinsamer Nutzen“.
„Und vergessen Sie nicht die neue ägyptische Hauptstadt: Ein hochmoderner Satellit von Kairo, der buchstäblich von Grund auf in der Wüste für 50 Milliarden Dollar gebaut wurde, finanziert durch Anleihen und - was sonst - chinesisches Kapital.“
Entdollarisierung
All diese hektischen Aktivitäten stünden im Zusammenhang mit dem Hauptthema, das von BRICS+ behandelt werden soll: Die Entdollarisierung, meint Escobar.
Indiens Außenminister Jaishankar habe bestätigt, dass es keine neue BRICS-Währung geben werde - vorerst. Der Schwerpunkt liege auf der Steigerung des Handels in nationalen Währungen. Wenn es um das BRICS-Schwergewicht Russland gehe, so Escobar weiter, liege dort der Schwerpunkt im Moment darauf, die Rohstoffpreise zugunsten des russischen Rubels in die Höhe zu treiben.
Diplomatische Quellen hätten bestätigt, dass die unausgesprochene Vereinbarung unter den BRICS-Sherpas - die in dieser Woche die Leitlinien für BRICS+ vorbereiten, die auf dem Gipfel in Südafrika im nächsten Monat erörtert werden sollen - darin bestehe, den Zusammenbruch des Fiat-Dollars zu beschleunigen:
Die Finanzierung der Handels- und Haushaltsdefizite der USA würde bei den derzeitigen Zinssätzen unmöglich werden.
Putins Markenzeichen sei es, den kollektiven Westen stets alle möglichen strategischen Fehler begehen zu lassen, ohne dass Russland direkt eingreife. Was also als nächstes auf dem Schlachtfeld im Donbass passiere - die überlebensgroße Demütigung der NATO -, werde ein entscheidender Faktor an der Front der Entdollarisierung sein. Die Chinesen ihrerseits würden allerdings befürchten, dass der Zusammenbruch des Dollars die chinesische Produktionsbasis in Mitleidenschaft ziehen könnte.
Der Fahrplan für die Zukunft sehe durchaus eine neue Handelswährung vor, die zunächst in der EAEU unter der Aufsicht des Leiters der Eurasischen Wirtschaftskommission, Sergey Glazyev, entwickelt wurde. Dies würde zu einer breiteren Anwendung durch BRICS und SCO führen. Doch zunächst müsse die EAEU China mit ins Boot holen. Dies war eines der Hauptthemen, die Glazyev kürzlich in Peking persönlich erörterte.
Der Heilige Gral sei also eine neue supranationale Handelswährung für BRICS, SCO und EAEU. Und es sei von entscheidender Bedeutung, dass der Reservestatus dieser Währung nicht dazu führt, dass eine einzelne Nation die Vorherrschaft übernimmt, wie es beim US-Dollar der Fall ist.
Die einzige praktische Möglichkeit sei, die neue Handelswährung an Gold zu binden, so Escobar. Das würde wohl auch mit den 31 Ländern diskutiert werden, die derzeit Antrag auf BRICS+-Beitritt gestellt hatten.
Die Verflechtungen seien faszinierend. Abgesehen von Iran und Pakistan seien die einzigen SCO-Vollmitglieder, die keine BRICS-Mitglieder sind, vier zentralasiatische "Stans", die bereits Mitglieder der EAEU sind. Der Iran werde mit Sicherheit Mitglied von BRICS+ werden. Nicht weniger als neun Staaten, die zu den Beobachtern oder Dialogpartnern der SCO gehören, seien unter den BRICS-Bewerbern. Lukaschenko habe es die Verschmelzung von BRICS und SCO genannt.
Für die wichtigsten Triebkräfte beider Organisationen - die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China - werde dieser Zusammenschluss die ultimative multilaterale Institution darstellen, die auf echtem freiem und fairem Handel basiere und in der Lage sei, sowohl die USA als auch die EU in den Schatten zu stellen und sich weit über Eurasien hinaus auf den "Global Globe" auszudehnen.
Deutsche Industrie- und Wirtschaftskreise hätten die Zeichen der Zeit bereits erkannt, meint Escobar, ebenso wie einige französische Kreise, zu denen insbesondere Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zähle. Der Trend gehe zu einer Spaltung der EU - und zu noch mehr eurasischer Macht.
Ein BRICS-SCO-Handelsblock werde westliche Sanktionen absolut bedeutungslos machen. Er werde die völlige Unabhängigkeit vom US-Dollar bekräftigen, eine Reihe von Finanzalternativen zu SWIFT bieten und eine enge militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit gegen die Black Ops der Five Eyes fördern.
Was die friedliche Entwicklung betreffe, so habe Westasien den Weg gewiesen. In dem Moment, als Saudi-Arabien sich auf die Seite Chinas und Russlands schlug - und nun ein Kandidat für die Mitgliedschaft in den BRICS und der SCO ist – habe ein neues Spiel begonnen.
Man möchte hinzufügen, dass die Aufgabe des Petrodollars durch Saudi-Arabien eine genau so geschichtsträchtige Entscheidung war, wie seinerzeit seine Einführung. Und dass die Folgen der Aufgabe genauso grundlegend sein werden, wie seinerzeit die Einführung.
Goldener Rubel 3.0?
So wie es aussehe, meint Escobar weiter, gebe es ein großes Potenzial für einen goldgedeckten Rubel. Wenn es dazu komme, werde dies eine Wiederbelebung der Golddeckung in der UdSSR zwischen 1944 und 1961 sein.
Glazyev habe festgestellt, dass der russische Handelsüberschuss mit den SCO-Mitgliedern es russischen Unternehmen ermöglicht habe, Auslandsschulden zu tilgen und sie durch Kredite in Rubel zu ersetzen. Parallel dazu verwende Russland zunehmend den Yuan für internationale Zahlungen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung würden die wichtigsten "Global Globe"-Akteure - China, Iran, Türkei, VAE - an Zahlungen in nicht-sanktioniertem Gold statt in lokalen Währungen interessiert sein. Dies werde den Weg für eine an Gold gebundene BRICS-SCO-Handelsabwicklungswährung ebnen.
Schließlich gebe es nichts Besseres als Gold, wenn es darum gehe, kollektive westliche Sanktionen zu bekämpfen und die Preise für Öl, Gas, Lebensmittel, Düngemittel, Metalle und Mineralien festzulegen. Glazyev habe das Gesetz bereits festgelegt: Russland müsse sich für den Goldenen Rubel 3.0 entscheiden.
Die Zeit, in der Russland den perfekten Sturm erzeuge, um dem US-Dollar einen massiven Schlag zu versetzen, rücke immer näher. Das sei, was hinter den Kulissen der SOZ, der EAEU und einiger BRICS-Sitzungen diskutiert werde, und das ist es, was die atlantischen Eliten wütend mache.
Der "unmerkliche" Weg für Russland, dies zu erreichen, bestehe darin, dass die Märkte die Preise für fast alle russischen Rohstoffexporte in die Höhe treiben. Neutrale in der ganzen "Welt" würden dies als natürliche "Marktreaktion" auf die kognitiv dissonanten geopolitischen Imperative des Westens interpretieren. Steigende Energie- und Rohstoffpreise würden letztendlich zu einem steilen Rückgang der Kaufkraft des US-Dollars führen.
Kein Wunder, dass mehrere Staats- und Regierungschefs auf dem SCO-Gipfel eine erweiterte BRICS-SCO-Zentralbank im Auge hätten. Wenn die neue BRICS-SCO-EAEU-Währung schließlich eingeführt werde - was natürlich noch in weiter Ferne liege, vielleicht in den frühen 2030er Jahren - werde sie von den teilnehmenden Banken der SCO-, BRICS- und EAU-Mitgliedsländer gegen physisches Gold getauscht werden. Dann schränkt der Autor aber ein:
„All das oben Gesagte sollte als Skizze eines möglichen, realistischen Weges zu echter Multipolarität interpretiert werden. Es hat nichts mit dem Yuan als Reservewährung zu tun, der das bestehende Rentenextraktionssystem zum Profit einer winzigen Plutokratie reproduziert - komplett mit einem massiven Militärapparat, der darauf spezialisiert ist, den ‚Global Globe‘ zu tyrannisieren.“
Eine BRICS-SCO-EAEU-Union werde sich auf den Aufbau - und die Ausweitung - der physischen, nicht-spekulativen Wirtschaft konzentrieren, die auf der Entwicklung der Infrastruktur, der industriellen Leistungsfähigkeit und der gemeinsamen Nutzung von Technologien beruhe. Ein anderes Weltsystem sei jetzt mehr denn je möglich.
Fazit
Die große Frage die bleibt ist, welche Auswirkungen die vorausgesagten und erwarteten Kriege der USA gegen Russland und China spielen werden. Kriege, mit denen versucht werden wird, das Szenario zu verhindern. Denn die Folge der Entdollarisierung für die USA wird schmerzhaft. Wenn großen Geldmengen zurück in die USA fließen, sinkt z.B. der Wert der US-Bonds, und neue können nur noch gegen explodierende Zinsen aufgelegt werden. Alles deutet darauf hin, dass sich dann eine Hyperinflation entwickeln wird. Zu Beginn, also derzeit, wird dies durch den aufopfernden Kauf von US-Schulden durch die US-Vasallen abgeschwächt werden. Aber wenn in den kommenden Jahren immer mehr große staatlich gestützte Verträge auf den Dollar als Handelswährung verzichten, wird das nicht mehr ausreichen. In einem großen Krieg könnten die USA kurzerhand von feindlichen Ausländern gehaltene Staatsverschuldungen für nicht mehr existent erklären. Was dann allerdings die offizielle Abtretungserklärung als Hegemon bedeutet.
Quellen und Hinweise:
Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka
(1) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1975/umfrage/staatsverschuldung-der-usa/
(2) https://www.amazon.com/Confessions-Economic-Hit-John-Perkins/dp/0452287081
(3) Kurz gesagt war dies eine Art ‚grüne‘ Apotheose. Liang Linchong von der Abteilung für regionale Öffnung der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), die für die Förderung der BRI von entscheidender Bedeutung ist, erläuterte mehrere Projekte für saubere Energie, z. B. in den wichtigen BRI-Knotenpunkten Kasachstan und Pakistan. Auch Afrika stand im Mittelpunkt des Interesses. Sekai Nzenza, Simbabwes Minister für Industrie und Handel, befürwortet BRI-Projekte, die den Handel ankurbeln ‚und die neueste Technologie‘ innerhalb Afrikas und weltweit bringen.“
(4) Hier ein gutes Beispiel. Zwei wichtige chinesische Industrieknotenpunkte - der Großraum Guangdong-Hongkong-Macau und der Cluster Peking-Tianjin-Hebei - haben am selben Tag des SCO-Gipfels in Neu-Delhi ihre ersten internationalen multimodalen Güterzüge China-Kirgisistan-Usbekistan (CKU) in Betrieb genommen.
Das ist klassische BRI: Top-Konnektivität unter Verwendung des multimodalen Systems ‚Schiene-Straße‘ in Containern. Die INSTC wird dasselbe System für den Handel zwischen Russland, der kaspischen Region, dem Iran und dann auf dem Seeweg nach Indien nutzen.
Mit dem CKU erreicht die Fracht Xinjiang mit der Eisenbahn, wird dann auf der Straße über die Grenze von Irkeschtam transportiert, durchquert Kirgisistan und erreicht Usbekistan. Die gesamte Reise spart fast fünf Tage an Transitzeit. Der nächste Schritt ist der Bau der Eisenbahnlinie China-Kirgisistan-Usbekistan: Baubeginn ist Ende 2023.“
(5) https://www.telepolis.de/features/Erleben-wir-eine-Entdollarisierung-9211179.html
(6) „Der alte Luka, unschlagbar in Sachen Schlagzeilen, insbesondere nach seiner Vermittlerrolle in der Prigoschin-Saga, hat vielleicht den endgültigen Slogan der Multipolarität geprägt. Vergessen Sie die vom Westen so bezeichnete ‚goldene Milliarde‘, die in Wirklichkeit kaum 100 Millionen Menschen umfasst; begrüßen Sie jetzt den ‚Globalen Globus‘ - mit einem klaren Fokus auf den globalen Süden. Als Krönung schlug Lukaschenko die vollständige Integration der SOZ und der BRICS vor, die auf ihrem bevorstehenden Gipfel in Südafrika den Weg der BRICS+ einschlagen werden. Und selbstverständlich gilt diese Integration auch für die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU).“
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++ Bildquelle: Denis---S/ shutterstock
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