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GroKo in Berlin? – Mein Plädoyer für Minderheitsregierungen | Von Peter Haisenko

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Ein Kommentar von Peter Haisenko (Betreiber des Portals anderweltonline.com).

Die Wiederholungswahl in Berlin hat zu Verhältnissen geführt, die einen Senat nach Wählerwillen unmöglich machen. Die alte Koalition ist abgewählt, aber die Wahlsiegerin CDU wird nur mit einer abgewählten Partei eine mehrheitsfähige Koalition bilden können. Warum versuchen sie es nicht mit einer Minderheitsregierung?

Die USA und ihre Alliierten haben den Ländern, denen sie Demokratie verordnet haben, ein anderes demokratisches System aufgezwungen, als sie es in ihren eigenen Ländern haben. Die demokratisierten Länder müssen mit einem Verhältniswahlrecht zurechtkommen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dieses System früher oder später zur Unregierbarkeit führt. Je mehr Parteien in einer Koalition vereinigt werden sollen, desto absurder werden die Kompromisse. In Koalitionsverträgen werden Rahmen festgezurrt, die eine flexibel an die Entwicklungen angepasste Politik nahezu unmöglich machen. Jeder Koalitionspartner versucht sein eigenes Profil herauszustellen und es ist keine klare Linie mehr zu erkennen. Niemand trägt Verantwortung für irgendetwas. Jedes Scheitern, jedes Versagen, wird einem Koalitionspartner in die Schuhe geschoben. Aber das ist nicht alles.

Erinnern wir uns an die Bundestagswahl 1976

Bei der Bundestagswahl am 3. Oktober 1976 erhielt die CDU/CSU mit dem Kandidat Helmut Kohl 48,6 Prozent der Stimmen. Dennoch regierte Helmut Schmidt in einer Koalition mit der FDP. Man könnte sagen, der Wählerwille wurde pervertiert. Ähnlich sieht es gerade in Berlin aus. Die CDU hat zwar keine absolute Mehrheit erreichen können, ist aber mit Abstand die stärkste Partei im Senat. Als gutgläubiger Demokrat könnte man meinen, diese stärkste Kraft sollte die Berliner Regierung anführen. Aber mit welchen Parteien könnte sie eine Koalition bilden, um mit einer Mehrheit regieren zu können? Da kann nichts vernünftiges herauskommen und so streiten sich jetzt zwei Parteien darum, die beide keine 20 Prozent Wählerzustimmung auf sich vereinen können, wer die Regierung anführen wird. Es steht zu befürchten, dass ein fröhliches weiter so Berlin noch tiefer in dem rot-grünen Sumpf versinken lassen wird.

Jetzt hat die abgewählte Giffey ihre Fühler zu einer Koalition mit der CDU ausgestreckt. Was kann aber dabei herauskommen, wenn in der neuen Berliner Regierung wieder dieselbe Partei ein erhebliches Mitspracherecht hat, die die Bürger abgewählt, abgestraft haben. Noch dazu, wenn nur zwei Drittel der SPD-Mitglieder diese Koalition wollen? Wieviel Gewicht wird bei diesem Hintergrund der SPD zugemessen werden müssen, die ihre eigenen Mitglieder bei der Stange halten muss? Eines sollte da von Anfang an klar sein: Weder die CDU noch die SPD werden ihr eigenes Profil, ihre eigene Linie, während der Wahlperiode durchziehen können. Berlin wird weiterhin an faulen Kompromissen ersticken, die noch dazu in einem Koalitionsvertrag verbindlich festgeschrieben werden. Dazu kommt das mittlerweile obligatorische Hofieren der Grünen. Ein echter Fortschritt wird so unmöglich sein und alles wird im alten Brei so weitergehen, wie bisher.

Es gibt einen Ausweg

Warum werden in Deutschland Minderheitsregierungen gar nicht erst in Erwägung gezogen? Ich fürchte, die Antwort ist einfach: Weil das zu echten demokratischen Entscheidungen führen wird. Voraussetzung ist allerdings, dass das Grundgesetz auch in den Parlamenten wieder durchgesetzt wird. Der Fraktionszwang muss verboten werden. Jeder Abgeordnete darf nur noch seinem Gewissen folgen, wenn er an einer Abstimmung teilnimmt. Das ist der Sinn von Parlamentsabstimmungen und in diesem Sinn sind Minderheitsregierungen bestens regierungsfähig. Die stärkste Partei stellt die Regierungsmannschaft und besetzt diese mit geeigneten, qualifizierten Fachleuten, die nicht einmal Parteimitglieder sein müssten. Diese erarbeiten Gesetzesvorlagen und stellen diese dann im Parlament zur Abstimmung. Es muss eine namentliche Abstimmung sein, denn nur so kann der Wähler erkennen, welcher Abgeordnete in seinem Sinn abgestimmt hat. So erhält der Wähler die Information, ob er diese Personen wieder wählen will. So erhalten auch Direktmandate wieder den Stellenwert, der ihnen zustehen müsste. Doch dazu später mehr.

Welche Vorteile bietet eine Minderheitsregierung? Für das Land, die Bürger und die Demokratie? Eine Minderheitsregierung muss immer so handeln, solche Gesetze vorlegen, dass eine Mehrheit im Parlament zustimmt. Dabei ist es sogar unwichtig, ob die Abgeordneten der eigenen Partei geschlossen zustimmen. Auf diese Weise sind alle, ja alle, unterschiedlichen Richtungen und Meinungen einbezogen. So muss sich niemand mehr ausgeschlossen fühlen und die Spaltung der Gesellschaft kann überwunden werden. Es werden echte Mehrheiten festgestellt, unabhängig von Parteidisziplin oder Fraktionszwang. Dazu kommt, dass einer Minderheitsregierung immer ein erfolgreiches Misstrauensvotum droht, wenn sie nicht in der Lage ist, unabhängige Mehrheiten zufrieden zu stellen. Das ist Demokratie und damit komme ich zu den Direktmandaten.

Von welchem Prozentsatz an sollte ein Direktmandat seinen Wahlkreis vertreten dürfen?

Ist es nicht eher lächerlich, von gewonnenen Direktmandaten zu sprechen, wenn diese nur eine relative Mehrheit zur Grundlage haben? Die, wie im Fall Berlin und anderswo, weniger als 30 Prozent auf sich vereinigen konnten? Ein Direktmandat halte ich nur für zulässig, wenn mindestens 50 Prozent der Wähler ihrem Kandidat ihre Stimme gegeben haben. Auf diese Weise würden auch die allermeisten Überhangmandate einfach verschwinden, weil es kaum noch Direktmandate geben wird. Ich erspare mir jetzt darauf einzugehen, dass dann der parteiinterne Klüngel mit den Listenplätzen noch mehr Macht erhält, denn das ist ein anderes Thema. Deswegen nochmals: Wie kann jemand einen Wahlkreis vertreten, der zwar die relative Mehrheit erreicht hat, aber trotzdem weniger als 30 Prozent der Wähler hinter sich hat? 70 Prozent wollten ihn nicht und da sind die Nichtwähler noch nicht berücksichtigt. Bei einer Wahlbeteiligung von beispielsweise 60 Prozent, sind es dann nur noch 18 Prozent, die diesem Direktmandat ihre Stimme gegeben haben. Ach ja, das ist unsere Demokratie.

Koalitionen verunstalten Parteienprofile

Mit den unseligen Koalitionsregierungen ist echter Fortschritt nicht möglich. Keine der beteiligten Parteien kann wirklich das durchziehen, was ihrem Parteiprogramm entspricht. So ist es auch für die Wähler unmöglich zu erfahren, ob und was ein Parteiprogramm taugt, weil es eben nicht konsequent durchgeführt werden kann. Ich erinnere hierzu an die Wahlperiode 1957 bis 1961. Niemals wieder ist es in der BRD schneller, besser, vorangegangen, als während dieser vier Jahre. Das hatte einen einfachen Grund: Adenauer und die CDU hatten mit 50,2 Prozent die absolute Mehrheit erhalten und konnten so ohne faule Kompromisse ihr Programm, ihre Vorstellungen, für die Entwicklung der jungen Republik ohne Koalitionsgerangel durchziehen. Adenauer und die CDU waren in Alleinverantwortung und konnten sich bei Misserfolgen nicht hinter einem Koalitionspartner verstecken. Bei Erfolgen hingegen war auch klar, wem die Ehre dafür gebührt. Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnen müssen, dass sich die Parteien in Koalitionsregierungen gegenseitig Misserfolge in die Schuhe schieben und Erfolge immer der eigenen Partei zugeordnet werden. Niemand trägt mehr Verantwortung für das eigene Handeln.

Stellen wir dem nun eine Minderheitsregierung gegenüber. Da ist schon mal klar, wer in der Verantwortung steht. Das beginnt mit der Auswahl der Minister. Die können ohne Parteiquoten bestimmt werden und der Wähler weiß dann, wer, welche Partei, welcher Regierungschef, eine gute Wahl getroffen oder eben ein Ideologiemonster ohne Qualifikation ins Amt geschoben hat. Da gibt es keine Ausreden. Was ist schon schlimm an wechselnden Mehrheiten? Ist es da nicht eher so, dass eine Schwarmintelligenz dafür sorgt, dass alles in gute Bahnen gelenkt wird, hinter denen zumindest die Mehrheit der Abgeordneten steht, ohne Fraktionszwang, also ehrlich?

Links oder rechts? Es gibt Gemeinsamkeiten

Gerade in letzter Zeit wird sichtbar, dass die alten Einteilungen in Links und Rechts überholt sind. AfD und die Linke plädieren gemeinsam für Friedenspolitik und auch in der AfD finden sich genügend Mitglieder, die sich im Sinne der Linken für bessere soziale Politik engagieren. In beiden Parteien gibt es die Strömung, die einen Austritt aus der NATO befürwortet. Bei den Grünen gibt es immer noch Mitglieder, die deutschen Boden ohne Atomwaffen wünschen. Sieht man also genau hin, muss man erkennen, dass es keine Partei mehr gibt, deren Mitglieder und Abgeordnete monolithisch dieselbe Zielrichtung vertreten. Man denke hier nur an den Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen, der CDU-Mitglied ist. Oder Ex-Kanzler Schröder, dessen Einstellung zu Putin und Russland nicht mit der von Kanzler Scholz harmoniert.

So stelle ich zusammenfassend folgende These auf: Das Verhältniswahlrecht mit Koalitionsregierungen führt zum politischen Stillstand und zur Spaltung der Gesellschaft. Eine Minderheitsregierung hingegen führt die passenden Strömungen innerhalb der unterschiedlichen Parteien zusammen und kann so die Spaltung der Gesellschaft überwinden. Mit einer Minderheitsregierung gibt es wieder eine erkennbare Verantwortung für das Regierungshandeln. Die reinen Gewissensabstimmungen führen zu Mehrheitsbildungen, die alle Strömungen innerhalb der Gesellschaft abbilden. Es wird keine Tabuthemen mehr geben und es wird dann auch unmöglich sein, Abgeordnete von unliebsamen Parteien aus dem Politikbetrieb auszuschließen. Das ist es, was jedenfalls ich unter echter Demokratie verstehe. Aber wahrscheinlich ist es genau das, was die Politiker Minderheitsregierungen fürchten lässt, wie der Teufel das Weihwasser.

Nachtrag:

Gerade gestern, am 4. März, konnten wir ein Paradebeispiel erleben, wie inhomogen es auch bei den Grünen zugeht. Da hat doch tatsächlich der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg Kretschmann den genialen Vorschlag seines Parteikollegen, des Kinderbuchautors Habeck, kritisiert, um nicht zu sagen für idiotisch erklärt, Gas- und Ölheizungen zu verbieten. Dazu kann ich nur anfügen, dass ein solcher Vorschlag in einer freien, ehrlichen, Gewissensabstimmung sowieso keine Chance auf Mehrheit hätte. Vor allem dann, wenn sie von einer Minderheitsregierung eingebracht würde. Da würde man es von vorn herein gar nicht wagen, derart geniale Gesetzentwürfe vorzulegen, die nur mit Fraktionszwang zum Erfolg führen können.

Quellen und Anmerkungen

Ergänzend kann ich die Lektüre des Werks „Scheindemokratie“ des Ex-MdB Hansjörg Müller von der AfD empfehlen. Er zeigt am Beispiel der AfD auf, wie Lobbyisten und andere Einflussagenten in die internen Strukturen der Parteien eingreifen und so auch klare Strukturen verwässern.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 05.03.2023 im Portal Anderweltonline .

+++ Der Autor Peter Haisenko betreibt auch einen Buchverlag. Hier der Link zum Anderwelt Verlag: https://anderweltverlag.com/

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Bildquelle: roibu / Shutterstock


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Abgeordneter adenauer Berliner Regierung cdu Direktmandat Giffey GRÜNEN Habeck Hansjörg Müller