Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Die Verbrechen, welche durch Israel nach dem 7. Oktober in Gaza begangen wurden, sind so unbeschreiblich, dass man sie nicht mehr hören, und schon gar nicht mehr sehen mag. Und statt die Täter und die Beihilfe Leistenden rechtlich zu verfolgen, werden Kritiker derselben juristisch mundtot gemacht, wie Yanis Varoufakis, nicht in die EU gelassen, wie Ärzte, welche in Gaza gearbeitet hatten, und werden palästinensische Demonstrationen versucht, mit allen möglichen Mitteln zu verhindern, oder mit Auflagen zu versehen, welche die Nachricht kaum in das Bewusstsein der Massen in Deutschland geraten lässt. Während der größte Teil der Medien ins gleiche Horn pustet wie die Politik, und die Situation in einer Weise „interpretiert“ auch „Framing“ genannt, dass die Berichterstattung dem Medienkonsumenten suggeriert: „Israel verteidigt sich nur!“. Aber es gibt Hoffnung. Immer mehr Rechtswissenschaftler wollen nicht mehr untätig zuschauen, wie das Völkerrecht endgültig zerstört wird. Schauen wir uns an, wie die Situation Mitte Mai aussieht. Wie die Haaretz am 18. Mai den Tag zusammenfasst, lesen Sie in Anhang (24).
Das Gutachten
Aber diese Haaretz-E-Mail-Mitteilung vergisst das Wichtigste zu erwähnen: Das Bekanntwerden des Gutachtens einer Gruppe westlicher Rechtswissenschaftler von vier gewichtigen Universitäten.(1) Das University Network for Human Rights schreibt in ihrer Pressemitteilung(2), dass das Verbot des Völkermordes eine zwingende Norm des Völkerrechts ist, von der nicht abgewichen werden darf. Angesichts der außerordentlichen Tragweite einer Feststellung, dass Israel möglicherweise einen Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza begeht, haben das University Network for Human Rights und vier Universitäten von Weltruf(11) eine gründliche rechtliche Analyse der israelischen Handlungen seit dem 7. Oktober 2023 in ihrem historischen Kontext vorgenommen. Und dann kommen sie sofort zum wichtigsten Punkt:
„Der Bericht über den Völkermord in Gaza kommt zu dem Schluss, dass Israel gegen seine Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention von 1948 verstoßen hat, und legt die Fakten dar, die den erforderlichen Vorsatz (mens rea) für Völkermord begründen, sowie die Handlungen, die gegen Artikel II und III der Konvention verstoßen. Unser Ziel als Experten für Menschenrechte und humanitäres Recht ist es, eine strenge akademische Analyse der Handlungen Israels seit dem 7. Oktober 2023 vorzulegen, um bei der laufenden Bewertung der aktuellen Situation durch die Brille des Völkermordgesetzes zu helfen.“
Auf 105 eng beschriebenen Seiten führt das Gutachten sehr detailliert aus, warum es zu dieser Schlussfolgerung kommt. Mehr über die Pressemitteilung im Anhang (20).
Der gemeinsame Bericht stütze sich auf ein breites Spektrum glaubwürdiger Quellen, darunter Berichte der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen, Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen, Medienberichte sowie öffentliche Erklärungen und Zeugenaussagen. Bei der Feststellung von Verstößen gegen die Völkermordkonvention sei entscheidend, dass sich die Analyse auf die etablierten Grundsätze des Völkerrechts begründe, die internationale Rechtssprechung, die weit verbreitete und als Gewohnheitsrecht akzeptierte staatliche Praxis sowie die Entstehungsgeschichte der Konvention. Darüber hinaus stütze sich der Bericht auf die Geschichte des Gazastreifens, die weit zurück reiche, in der Erkenntnis, dass Völkermord selten in einem einzigen Moment stattfindet, sondern vielmehr das Ergebnis von Prozessen und Praktiken sei, die sich im Laufe der Zeit entwickeln.
Der Bericht argumentiert, dass diese Verstöße zu konkreten Verpflichtungen für alle anderen Staaten führen, nämlich die Verstöße Israels nicht als rechtmäßig anzuerkennen oder Handlungen zu unterlassen, die einer Komplizenschaft bei diesen Verstößen gleichkommen könnten, und positive Schritte zu unternehmen, um die Begehung weiterer völkermörderischer Handlungen gegen das palästinensische Volk in Gaza zu unterdrücken, zu verhindern und zu bestrafen.
Letzteres dürfte insbesondere für Deutschland interessant sein. Denn nun geraten die Strafverfolgungsbehörden unter Druck. Anzeigen gegen Mitglieder der Regierung dürften zunehmen und die Antworten der Generalstaatsanwaltschaft dürfte immer verwegener ausfallen. Und bald den Umfang annehmen, wie zu Zeiten, als §80StGB noch gültig war, und die Teilnahme an einem Angriffskrieg als erlaubt angesehen wurde, weil das Grundgesetz ja nur von der Planung spreche.
Die dreiteilige Schlussfolgerungen der Studie aus Formatgründen im Anhang (12).
Das jetzt vorliegende Gutachten ist ja nichts Neues. Es belegt nur im Detail, was hunderte von Rechtswissenschaftler, einschließlich israelischer, bereits seit Monaten erklären, nämlich dass das Vorgehen Israels ein so eindeutiger Völkermord ist, dass ihn einige als Musterbeispiel eines Völkermordes oder als „Bilderbuchvölkermord“ bezeichnen.
Da deutsche Staatsanwälte ihre Weisungen von den Politikern erhalten, und ihnen folgen müssen, die sie eigentlich anklagen sollten, und Richter durch ebendiese Politiker bezahlt werden, und sie über die Richterexistenz und Karriere entscheiden, ist unwahrscheinlich anzunehmen, dass die Justiz in Deutschland nun irgendetwas wegen der Beihilfe zum Völkermord deutscher Politiker unternehmen wird. Das ist umso unwahrscheinlicher, als alle im Bundestag vertretenen „staatstragenden“ Parteien und die AfD die gleiche oder sich sogar überbietende Israel-Hörigkeit zeigen.
Aber den Politikern könnte nun etwas auf die Füße fallen, dass sie in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr Souveränität an supranationale Organisationen abgegeben haben, mit dem Ziel, sich nicht für unbeliebte politische Entscheidungen vor dem Wähler rechtfertigen zu müssen, sondern auf Entscheidungen dieser Organisationen hinweisen zu können. Da gibt es z.B. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sobald der Weg durch die deutschen Gerichte ausgeschöpft ist, kann jeder diesen Gerichtshof anrufen. Ich denke, es werden sich Möglichkeiten finden, solche Prozesse zu finanzieren, die natürlich über Jahre gehen werden. Aber schon das Damoklesschwert eines Verfahrens, wenn nicht sogar eines Urteils, dürfte eine Strafe sein, wenn die auch in keinem Verhältnis zu den Taten steht.
Ich habe mehrere Tage nach Berichten zu dem Gutachten in deutschen Massenmedien gesucht, ohne Erfolg. Aber es dürfte nicht erstaunen, dass ein Gutachten von solchen wissenschaftlichen Autoritäten, welche die Verbrechen der deutschen Regierung, und vielen anderen westlichen Ländern, die Beihilfe zu einem Völkermord leisten, von Medien lieber „übersehen“ oder als „nicht relevant“ für den Medienkonsument eingestuft werden.
Fündig wird man bei den üblichen „Abweichlern“, wie Democracy Now, Common Dreams, Libertariansintitute, und Middle East Monitor(4). Der Boston Globe schreibt: „Eine neue Studie behauptet, dass Israel in Gaza Völkermord begeht“(5).
Derweil ergibt eine Studie von Forensic Architecture, dass mindestens 80 unterschiedliche Angriffe durch Israel auf humanitäre Hilfe seit Januar durchgeführt wurden. Die Frequenz und die Breite und Art der Angriffe lassen laut Forensic Architecture die Vermutung zu, dass Israel Hilfe systematisch angreift(6).
Und die Ärzte ohne Grenzen weisen darauf hin, dass außerhalb von Gaza, auf der Westbank, die nichts mit der Hamas zu tun hat, seit dem 7. Oktober durch Sicherheitskräfte und Siedler 479 Palästinenser getötet wurden, worunter 116 Kinder waren.(7)
Israel ist der Verlierer
Am 18. Mai erscheint eine Rede von Prof. John Mearsheimer, in der er klar macht, dass Israel der Verlierer des Konfliktes sein wird. Er äußert sich ähnlich wie ich in einem PodCast vom 4. Januar, aber noch viel besser begründet und pointierter(12). Bei der Veranstaltung, auf der Mearsheimer gesprochen hat, handelte es sich um ein öffentliches Treffen in Sydney, organisiert von der Centre for Independent Studies. Die Veranstaltung fand am 15. Mai statt, und die Teilnahme war erfreulich groß. Nachdem er betont hat, dass auch die USA verloren haben erklärt er(8):
„(…) der Gewinner, das sind die Iraner. Israel ist heute, was ich nennen würde … ‚Groß-Israel‘. Israel kontrolliert alles zwischen dem ‚Fluss und dem Meer‘. Natürlich wird diese Aussage üblicherweise der Hamas zugeschrieben. Und die Hamas will alles zwischen ‚Fluss und Meer‘ kontrollieren, so wie Israel es tut. Und das Ergebnis was man heute sieht, ist ein ‚Groß-Israel‘. Dieses ‚Groß-Israel‘ beinhaltet, was man Israel innerhalb der ‚Grünen Grenze‘ nennt. Alles von vor 1967 plus Gaza, plus die Westbank. Also das sind drei Gebiete, die ‚Groß Israel‘ umfasst. Und es ist wichtig zu verstehen, dass innerhalb von ‚Groß Israel‘, grob geschätzt 7,3 Millionen Palästinenser leben, und grob geschätzt 7,3 Millionen israelische Juden. Es gibt Gleichheit zwischen den beiden Parteien. Die Frage ist, wie denkt Israel darüber, mit ‚Groß Israel‘, in dem es ungefähr gleiche Bevölkerungszahlen gibt, umzugehen. Und es gibt grundsätzlich vier Optionen:
Eins, man hat ein demokratisches ‚Groß Israel‘. Das wird nicht passieren, weil, das wäre nicht länger ein ‚jüdischer Staat‘. Weil die demografische Entwicklung dagegen spricht, weil die Palästinenser mehr Babys machen als die israelischen Juden. Also wird das nicht passieren.
Zweite Lösung ist eine Zwei-Staaten-Lösung. Alle sprechen gerne über die Zwei-Staaten-Lösung, aber das wird nicht passieren, sicher nicht nachdem was am 7. Oktober passierte. Aber auch davor war es unmöglich. Benjamin Netanjahu, der Israel führt, hat kein Interesse an einer Zwei-Staaten-Lösung.
Dritte Möglichkeit ist Apartheid. Das ist im Wesentlichen, was es heute gibt, ist ein Apartheid-Staat.
Vierte Option ist die Ethnische Säuberung. Und Ethnische Säuberung bedeutet, dass man die Palästinenser loswird, die in Gaza leben und die in der Westbank leben. Was ein ‚Groß Israel‘ erschafft, das durch israelische Juden beherrscht wird mit ganz wenigen, wenn überhaupt, Palästinensern.“
Dann wiederholt er noch einmal die vier Optionen und fährt dann fort:
„Vor dem 7. Oktober lebten die Palästinenser in Gaza im Wesentlichen in einem gigantischen Freiluftgefängnis. Was passierte, war, dass im Jahr 2005 Sharon, der damalige Premierminister von Israel, entschied, die Siedler aus Gaza abzuziehen. Wie Sie wissen, gibt es Siedler in der Westbank, und bis 2005 gab es auch Siedler in Gaza und Sharon zog sie ab. Und er zog sie ab, weil Gaza ein Hornissennest war, und darin Siedler zu haben, war ein Alptraum.“
Mearsheimer erklärt dann, (Details im Anhang (15), dass Israel versuchen wird, das Dilemma mit der Apartheid durch Ethnische Säuberung zu lösen.
Damit habe Israel beabsichtigt, zwei Hauptprobleme mit einer „Ethnischen Säuberung“ beseitigt zu haben. Die Apartheid und das Hamas-Problem. Dann wirft er ein, dass man vielleicht denken mag, dass Israel so etwas nicht tun würde. Und erklärt dann, dass es doch nicht die erste ethnische Säuberung sei, die man Israel anlasten müsse(27).
Und er meint, dass das doch Sinn mache. Und jetzt wollten sie eben Gaza ethnisch säubern. Aber dann fragt er, wie man das denn tun könne. Und er erklärt, dass Israel natürlich zunächst das militärische Ziel verfolgte, die Hamas zu reduzieren. Aber damit ethnische Säuberung funktioniert, so müsse man eine signifikante Anzahl an Menschen töten. Weil dies die Möglichkeit eröffne, sie zu vertreiben. Außerdem müsse man den Raum unbewohnbar machen. Und das täten sie. Sie töten nicht nur die Menschen, sondern sie machen die ganze Gegend unbewohnbar. Und der Grund dafür sei, weil sie damit versuchen die Ethnische Säuberung zu realisieren. Auch die Palästinenser hungern zu lassen sei mit dem Ziel zu erklären, sie zu vertreiben.
Er erklärt dann, dass er zu Beginn der israelischen Operation der Meinung war, dass es sich nicht um einen Völkermord handele, sondern um eine Ethnische Säuberung. Aber nach dem Dezember letzten Jahres habe er seine Meinung geändert. Und seiner Meinung nach begehe Israel nun einen Genozid. Dann fragt er, wo man denn im Mai stehe.
Erstens habe Israel die Hamas nicht besiegt. Was auch ein stellvertretender Außenminister der USA, Kurt M. Campbell gesagt habe. Und in der Presse Israels gebe es jede Menge Berichte, dass man die Hamas nicht schlagen könne. Zweitens wurden die Geiseln nicht befreit. Dann das Wichtigste:
„… Und es war ihnen nicht möglich, Gaza ethnisch zu ‚reinigen‘. Außerdem stecken sie in Gaza fest. Sie sind zurück wie im Jahr 2005. Das ist nicht gut. [Gemeint für Israel] Also was man hier sieht ist, dass Israel in echten Schwierigkeiten steckt. Zusätzlich zu dem Problem in Gaza haben sie auch noch große Probleme mit der Hisbollah. Weil die Hisbollah im Norden, indem sie die Hamas unterstützen, hat Nordisrael beschossen. Und zwischen 60.000 und 100.000 Israelis mussten vom Norden Israels in Zentrum des Landes ziehen. Auf einer vorübergehenden Basis. Aber sie können nicht nach Hause gehen. Weil die Hisbollah Nord-Israel beschießt. Und die Hisbollah hat erklärt, dass sie dies fortsetzen werde, bis das alles endet in Gaza. Das ist ein großes Problem für die Israelis. (…)
Und nebenbei, die Huthis, zielen jetzt auf die Israelis, und die Huthis schafften kürzlich ihre erste Rakete innerhalb von Israel zu landen. Nur eine. Aber das ist eine Vorhersage, was kommen wird.“
Israel habe seine Ziele nicht erzielt. Weder das endgültige Ende der Zweistaatenlösung zu erreichen, noch die Ethnische Säuberung sei erfolgreich gewesen. Abschreckung beruht auf der Dominanz zu eskalieren. D.h. wenn jemand angreift, greift man viel härter zurück an. Und wenn man die Eskalation betreibt, dominiert man den Vorgang.
„Es ist jetzt klar, dass die Israelis nicht länger über die ‚escalation dominance‘ verfügen. Gegenüber dem Iran, oder gegenüber der Hisbollah.“
Den Haag
Am gleichen Tag der Rede von Mearsheimer, fand in Den Haag eine erneute Anhörung in der Sache Völkermord durch Israel in Gaza statt. Die Kolonialstaaten wollen Zeit gewinnen, setzen auf die kurze Erinnerung der Menschen und die Medien. Während die Vertreterin Südafrikas am 18. Mais in Den Haag eindringliche Worte benutzt. Es geht um einen dritten Antrag auf vorläufige Maßnahmen, welche Südafrika gefordert hat, um zu erzwingen, dass die Militäroperationen gegen die Zivilbevölkerung in Gaza eingestellt werden, und die humanitäre Hilfe endlich ungehindert geleistet werden kann, ohne dass die Hilfeleistenden gezielt von der israelischen Armee angegriffen werden.
Die israelischen Vertreter weisen darauf hin, dass ein militärisches Vorgehen gegen die Hamas-Terroristen in Rafah unabdingbar sei und zivile Opfer im Häuserkampf in dicht besiedelten Städten schwer zu vermeiden.
Der Internationale Gerichtshof hat bereits zweimal “vorläufige Maßnahmen” auf Antrag Südafrikas gegen Israel angeordnet, um die Versorgung der palästinensischen Bevölkerung sicherzustellen und zivile Opfer zu vermeiden, die aber alle durch Israel, sowie über 60 UN-Resolutionen, ignoriert wurden.
"Die Kinder des Gazastreifens haben schwer unter den Folgen gelitten. Mehr als 14.000 Menschen wurden getötet. Tausende wurden verletzt oder haben Familienangehörige verloren. Während geschätzt wird, dass 17.000 Kinder unbegleitet [ihre Familien verloren] oder getrennt wurden."(9)
Mit gebrochener Stimme erklärt sie, dass der größte Teil der Kinder für ihr Leben gezeichnet sind. Die Konsequenzen werden sie ein Leben lang belasten. Es seien die direkten Folgen der Massaker, welche Israel in der belagerten Enklave in vollem Wissen der zerstörerischen Konsequenzen durchführe. Die Behinderung von humanitärer Hilfe, kann nicht anders gewertet werden, als das absichtliche Ausschalten von palästinensischem Leben. Sie wies darauf hin, dass Israel bereits über 200 humanitäre Helfer getötet hat. Daher gebe es keine andere Lösung, als durch das Gericht Israel anzuordnen, die militärische Invasion zu beenden. Mehr zu dem Vortrag Südafrikas, in einem Video.(14)
Und die Geiseln?
Immer wieder sieht man dümmliche Bildchen, welche die Freilassung der israelischen Geiseln fordern, und die alleinige Schuld für die Nicht-Freilassung der Hamas zuordnen. Schauen wir uns mal an, wie sich das mit den Geiseln entwickelte. Insgesamt gab es 11 Vorschläge von Vermittlern oder der Hamas über einen Austausch oder die Freilassung von Gefangenen (3). Alle wurden von Netanjahu abgelehnt, auch Vorschläge aus dem eigenen Regierungslager am 18. Januar.
Die Haftbefehle
Am 20. Mai erfolgte dann die Überraschung. Der IStGH (also der Internationale Strafgerichtshof oder ICC, nicht der IGH/ICJ) hat doch einen Haftbefehl gegen den Regierungschef Israels, Benjamin Netanjahu beantragt.
„…hinreichender Grund zu der Annahme, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Gallant die strafrechtliche Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit tragen“.
Aber wenn man den vollen Text der Originalquelle(22) liest, zeigt sich, dass der IStGH in seiner Mitteilung zuerst den Haftbefehl gegen Führungsmitglieder der Hamas erklärt, da die Hamas am 7. Oktober Kriegsverbrechen begangen haben soll. Und während für 3 Hamas-Führer Haftbefehl beantragt werden, sind es nur zwei Israeli, obwohl die Mächtigkeit der Verbrechen in keinem Verhältnis zu denen stehen, welche der Hamas vorgeworfen werden.
Also erst im zweiten Teil der Presseerklärung, wird der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant, dem Verteidigungsminister Israels, verkündet. Dabei geht es noch gar nicht um Völkermord, sondern „lediglich“ um die Kriegsverbrechen, die ganz offensichtlich auch im Fernsehen sichtbar geworden waren. Wobei die Begründung deutlich mehr Text beansprucht, als im Fall gegen die Hamas, allerdings die Anzahl der zusammengefassten Verstöße angeblich nur 7 sind, während gegen die Hamas 8 behauptet werden.
Seltsamerweise beinhalten die Anklagepunkte gegen die Hamas auch Folter trotz gegensätzlicher Aussagen ehemaliger Gefangener, und Vergewaltigung, welche längst als Kriegsverbrechen der Hamas widerlegt wurde(21). Obwohl dem gleich kommende Behandlung Israels, von übrigens meist „unschuldigen“ Gefangenen, also solche, die keine Kombattanten sind, gut dokumentiert ist. Alleine wird auch die Tatsache „übersehen“, dass 27 Gefangene in der israelischen Gefangenschaft „verstarben“.
Auch interessant ist, dass Karim es nicht wagt, das Wort Besatzung zu erwähnen. Denn sehr wohl hat ein Besatzer kein Recht auf Selbstverteidigung, welcher Karim aber Israel zustehen will. Jedoch findet man das Wort verschämt in einem Anhang. Und der Ankläger erwähnt auch nicht, den im Raum stehenden Elefanten, den Völkermord.
Die Zeitung Welt ist natürlich so empört wie Israel, aber ich spare mir ein Zitat(17) aus Platzgründen, da diese Sichtweise natürlich überall in den deutschen Medien nachlesbar ist.
Russia Today beschreibt einige Stellungnahmen von israelischen Ministern:
„Benny Gantz, das zentristische Mitglied des dreiköpfigen israelischen Kriegskabinetts, bezeichnete die Entscheidung Khans, Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant zu beantragen, als ‚ein Verbrechen von historischem Ausmaß‘. Israel führe ‚einen der gerechtesten Kriege der modernen Geschichte‘, und Parallelen zwischen seinen Spitzenbeamten und Hamas-Führern zu ziehen, sei ‚eine tiefe Verzerrung der Gerechtigkeit und ein eklatanter moralischer Bankrott‘, so Gantz in einer Erklärung.“(18)
Der Merkur(19) weist übrigens darauf hin, dass der Strafgerichtshof bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel ermittelt. Woraus man schließen kann, dass die Anträge auf Haftbefehle angesichts des für alle sichtbaren Völkermordes in Gaza nun ganz einfach unvermeidbar waren.
Die Tagesschau weist richtigerweise darauf hin(23), dass nun ein Gericht über die Haftbefehle entscheiden wird, und das dauert auch wieder mal ca. ein Monat oder länger, oder in Morden gesagte „ein paar tausend Tote später“. Ein Monat oder mehr, in dem Druck aus den USA(25) und den europäischen Kolonialstaaten auf das Gericht erfolgt, einschließlich impliziten Mossaddrohungen. Und natürlich muss die Bundesregierung die Rechtmäßigkeit von Haftbefehlen gegen Netanjahu & Co in Frage stellen, schließlich sind sie möglicherweise Mittäter und können doch ihre Mitschuld nicht zugeben(26).
Fazit
Die alte Ordnung spielt auf Zeit. Nur das Offensichtliche wird durch den Justizarm zugegeben, während die politische Säule der Macht dementiert. Und die Justiz verzögert Entscheidungen bis die Fakten endgültig sind. Alles in der Hoffnung, dass sich die Wogen glätten werden, und man die „Sache“ ad acta legen, oder in einen jahrzehntelangen Rechtsstreit münden lassen kann.
Sollte die Rhetorik, wie die von US-Außenminister Blinken, in westlichen Ländern um sich greifen, und das Gericht keine Haftbefehle ausstellen, könnte das den endgültigen Anfang vom Ende der UN-Körperschaften und der UN als Ganzes einläuten.
Quellen und Anmerkungen
(2) https://www.humanrightsnetwork.org/palestine
(3) https://x.com/Kahlissee/status/1791839996049068291
(4) https://www.middleeastmonitor.com/20240516-israel-committing-genocide-in-gaza-new-study-concludes/
(5) https://www.bostonglobe.com/2024/05/15/metro/israel-genocide-gaza/
(6) https://x.com/ForensicArchi/status/1790796901123559572
(7) https://x.com/MSF/status/1790696345373679880
(8) https://x.com/upholdreality/status/1791870882610045412
(9) https://x.com/JohnRuddick2/status/1790657759320658352
(10) https://x.com/yanisvaroufakis/status/1791757191973634509
(11) Die International Human Rights Clinic an der Boston University School of Law, die International Human Rights Clinic an der Cornell Law School, das Centre for Human Rights an der University of Pretoria und das Lowenstein Human Rights Project an der Yale Law School
(12) „263. Dieser Bericht hat gezeigt, dass die Handlungen der israelischen Regierung und des israelischen Militärs im und in Bezug auf den Gazastreifen nach den Hamas-Angriffen in Israel am 7. Oktober 2023 gegen das völkerrechtliche Verbot der Begehung von Völkermord, der Anstiftung zum Völkermord und der Unterlassung der Verhinderung und Bestrafung von Völkermord verstoßen.
- Dieser Bericht hat gezeigt, dass Israel völkermörderische Handlungen begangen hat, indem es Palästinenser in Gaza, eine geschützte Gruppe, die einen wesentlichen Teil des palästinensischen Volkes darstellt, getötet, schwer geschädigt und Lebensbedingungen geschaffen hat, die auf die physische Zerstörung der Palästinenser abzielen. Diese völkermörderischen Handlungen wurden durch die erforderliche völkermörderische Absicht motiviert, wie in diesem Bericht durch die Erklärungen der israelischen Führer, den Charakter des Verhaltens des Staates und seiner Streitkräfte gegenüber den Palästinensern in Gaza und den direkten Zusammenhang zwischen ihnen belegt wird.
265. Israels Verstöße gegen das völkerrechtliche Verbot des Völkermordes und anderer damit zusammenhängender Verbrechen stellen schwerwiegende Verstöße gegen zwingende Normen des Völkerrechts dar, die sofort abgestellt werden müssen. Darüber hinaus verpflichten diese Verstöße alle anderen Staaten, Israels Verstöße nicht als rechtmäßig anzuerkennen oder Handlungen zu unternehmen, die auf eine Komplizenschaft bei diesen Verstößen hinauslaufen könnten, und positive Schritte zu unternehmen, um weitere völkermörderische Handlungen Israels gegen das palästinensische Volk in Gaza zu unterbinden, zu verhindern und zu bestrafen.“(1)
(13) https://staging.apolut.net/israel-voelkermord-gelungen-aber-existenz-gefaehrdet-von-jochen-mitschka/
(14) https://www.youtube.com/watch?v=7-pvEZogO_M
(15) Mearsheimer erklärt, dass Sharon sich auf die Westbank, beim Ausbau der Siedlungen fokussieren wollte, weshalb er die Siedler abzog und aus Gaza ein Freiluftgefängnis machte. Bis zum 7. Oktober war der Eindruck entstanden, dass Israel in der Lage war, die Situation zu kontrollieren. Niemand habe damit gerechnet, das passierte. Israel hatte geglaubt die Situation im Griff zu haben. Und dann sei passiert, was man leider einen spektakulären Erfolg nennen muss, als die Hamas ausbrach. Selbst die Hamas sei überrascht gewesen, wie erfolgreich ihr Unternehmen war. Aber dann ging Israel in die Offensive, und das ist was wir jetzt sehen.
Aber man müsse sich fragen, was die Ziele Israels seien. Es gäbe vielleicht zwei Gründe, dass man die Hamas besiegt und die Geiseln befreit. Dann fährt er fort:
„Aber nicht diskutiert in westlichen Medien ist der wahre Grund. Der wahre Grund ist die Ethnische Säuberung von Gaza. Und der Grund für die Ethnische Säuberung von Gaza ist, weil es 1. Ein Weg ist, um aus der Apartheid heraus zu kommen. Sie müssen das verstehen. Israel ist ein Apartheid-Staat, und der einzige Weg, um aus der Situation heraus zu kommen, ist, die Ethnische Säuberung. Außerdem ist es der einzige Weg, um die Hamas zu besiegen. (…) Es ist ziemlich klar, dass die Israelis die Hamas nicht besiegen könnten. Und ich kann nicht daran glauben, dass sie wirklich dachten, dass sie die Hamas besiegen könnten, bevor sie einmarschierten. Dafür sind sie zu klug. Aber wenn man Gaza ethnisch säubert, beseitigt man auch die Hamas.“
(16) https://orf.at/stories/3358228/
(18) https://www.rt.com/news/597912-court-arrest-warrant-netanyahu/
(20) In der Pressemitteilung wird weiter erklärt, dass seit dem 7. Oktober 2023 Zehntausende von Palästinensern im Gazastreifen, darunter Männer, Frauen, Kinder und ältere Menschen, getötet oder verletzt wurden. Israels Militäroperation habe die große Mehrheit der Häuser in Gaza zerstört oder beschädigt und die zivile Infrastruktur dezimiert, darunter Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, UN-Einrichtungen sowie kulturelle und religiöse Stätten. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung des Gazastreifens werde infolge der israelischen Militäroffensive zwangsumgesiedelt, und die Zivilbevölkerung im Gazastreifen leide unter katastrophalem Hunger und Entbehrungen, weil Israel den Zugang zu lebenswichtigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff einschränkt und nicht gewährleistet. Israels Aktionen in Gaza würden von zahlreichen Äußerungen völkermörderischer Absichten seitens der israelischen Regierungschefs begleitet, darunter auch von Premierminister Benjamin Netanjahu. Diese völkermörderische Absicht komme auch in der Art und Durchführung der israelischen Militäroperationen zum Ausdruck.
(21) Möglicherweise hat es eine Vergewaltigung von einer Verbrecherbande gegeben, welche NACH dem Durchbrechen der Hamas und der offenen Grenze nach Israel eingedrungen waren. Dafür gibt es einen Augenzeugen, während andere Menschen in der Nähe „in die andere Richtung“ schauten.
(23) Ob die beantragten internationalen Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter des IStGH entscheiden. Der Chefankläger muss die Haftbefehle bei einem aus drei Richtern bestehenden Voruntersuchungsausschuss beantragen, der durchschnittlich zwei Monate braucht, um die Beweislage zu prüfen und zu entscheiden, ob das Verfahren fortgesetzt werden kann. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/istgh-haftbefehl-netanyahu-sinwar-100.html
(24) „‘Es gibt keinen Fortschritt‘ bei den Verhandlungen über ein Abkommen zwischen Israel und der Hamas, sagte eine mit den Gesprächen vertraute ausländische Quelle gegenüber Haaretz. Israel ist bereit, die Gespräche fortzusetzen, bevor es größere Entscheidungen über eine breit angelegte Militäroperation in Rafah trifft, so das Weiße Haus. Vom Libanon aus wurden zahlreiche Raketen und Drohnen auf den Norden Israels abgefeuert und Raketenangriffe aus dem Gazastreifen durchgeführt. Eine arabisch-jüdische Graswurzelbewegung plant den Aufbau einer ‚Humanitären Garde‘, die Hilfskonvois nach Gaza vor Angriffen rechtsextremer israelischer Aktivisten schützen soll.“ (Aus E-Mail)
(25) https://x.com/warren_rus18124/status/1787849473462505640, https://x.com/Megatron_ron/status/1792939064108204213
https://x.com/heila_so/status/1792798057098342854 Es gibt auch klare Todesdrohungen: Meldung von Haaretz, in der berichtet wird, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu gegenüber dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, gewarnt hat. Netanyahu sagte: "Ich mache mir keine Sorgen, wenn ich ins Ausland reise, Karim Khan sollte sich aber Sorgen machen." https://www.haaretz.com/israel-news/2024-05-22/ty-article/netanyahu-warns-icc-chief-prosecutor-karim-khan-should-be-worried/0000018b-9e47-d543-a38b-9e7783f50000 [Last Minute Info: Der Link ist nicht mehr aufrufbar!]- Dies vor dem Hintergrund von weit über 3000 Morden des Mossad: https://www.amazon.com/Rise-Kill-First-Israels-Targeted/dp/1476797118
Die genaue Anzahl der in diesem Buch erwähnten Tötungen entspricht nicht, was in anderen Quellen genannt wird. Da mögen sich die Fachleute noch über ein paar hundert Morde streiten.
(26) https://x.com/brucknerianer/status/1792952383745536459
(27) „Erstens, um den Staat von Israel zu gründen, musste man schon damit beginnen, eine massive Ethnische Säuberung durchzuführen. In 1948 und in 1967 haben die Israelis ‚gereinigt‘, große Teile, von dem was heute ‚Groß Israel‘ ist. Und Sie glauben, sie würden das nicht wieder tun? Dann lesen Sie doch alle möglichen israelischen Medien. Sie machen ständig ethnische Säuberungen.“
+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: Anas-Mohammed/ shutterstock
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