Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Ich hatte im Vorfeld des letzten G20-Gipfels in Indien gesagt, dass die Zukunft der G20-Organisation vermutlich düster aussehe, weil BRICS+ immer mehr der Aufgaben übernehmen werde, insbesondere was die Koordination von wirtschaftlicher Entwicklung und Stabilität angeht. Demgegenüber hat nun der russische Außenminister Sergej Lawrow zahlreiche erfolgreiche Projekte der G20-Länder gelobt. Das kann man entweder als Widerspruch ansehen, oder als Nachruf. Wir werden sehen. Jedenfalls wird die Afrikanische Union jetzt neben der EU auf den G20-Treffen vertreten sein, was nur ein Vorspiel für dessen größeres Gewicht auch in UNO-Gremien sein wird. Was BRICS+, seine Handelsrouten und Verbindungen derzeit bedroht, ist einerseits der Ausstieg Italiens aus dem Belt and Road Projekt Chinas, und ein Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Zu dieser geopolitischen Gemengelage nun ein paar Details. Es macht Sinn, sich eine Karte anzuschauen, um durch die vielen Ortsangaben nicht verwirrt zu werden.
Armenien vs Aserbaidschan
Zwischen Armenien und Aserbaidschan schwelt der Streit um Bergkarabach, ein Gebiet, das mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird, aber völkerrechtlich Aserbaidschan zugerechnet wird, jedoch von Armenien besetzt wurde.
Aserbaidschan ist ein vom Westen unterstützter Staat, dessen autoritäres System aber „gut“ ist, und von dem man deshalb gerne Gas kauft. Armenien hat einen Verteidigungspakt mit Russland, kann aber, falls Georgien den Luftraum schließt, nur über den Iran einfliegen. Verliert der Iran die gemeinsame Grenze mit Armenien, wäre Armenien zwischen der Türkei, Georgien und Aserbaidschan möglicherweise auf die Gnade von US-Verbündete angewiesen. Der Iran und BRICS würden durch die Besatzung und Annexion Süd-Armeniens eine mögliche Handels- und Pipelineroute verlieren. So stehen wir vor einem großen Konflikt, der wieder einen Stellvertreterkrieg auslösen könnte, aber diesmal mit direkter Beteiligung eines NATO-Landes, der Türkei.
Hintergründe
Interessant, wie mächtig die US-"Diplomatie" immer noch ist. Einst soll der Iran Soldaten von Aserbaidschan geholfen haben(1), Vorbereitungen zu treffen, um die Enklave Bergkarabach dem Land anzugliedern. Die USA erreichten dann, dass diese Zusammenarbeit beendet wurde. Und die Türkei spielte im letzten Krieg 2020 durch Waffenlieferungen an Aserbaidschan eine entscheidende Rolle, insbesondere durch Drohnen… und freut sich auf neue Bestellungen. Dieser Krieg war übrigens der erste Hinweis auf die zukünftige entscheidende Rolle von Drohnen (neben Präzisionsartillerie) in bewaffneten Konflikten.
Heute nun steht der einstige Verbündete Iran an der Grenze und will verhindern, dass Aserbaidschan mit Gewalt eine Landverbindung, zur Autonomen Republik Nachitschewan, die zu Aserbaidschan gehört, herstellt, und damit die einzige Landverbindung des Irans mit Armenien zerstört. Tatsächlich gehen Planungen von Aserbaidschans Hardlinern davon aus, den ganzen Süden Armeniens zu besetzen und zu annektieren, nicht nur einen „internationalen“ Korridor einzurichten. Obwohl immer von einem Konflikt wegen Bergkarabach gesprochen wird, ist dies lediglich der Hintergrund, welcher die nötige Agression und Motivation erzeugt, um eine nationalistische Agenda sowohl in Armenien als auch Aserbaidschan zu verfolgen.
Sollte es zu diesem Krieg kommen, könnten Soldaten des Irans und vielleicht auch Russlands, bald zum Ziel türkischer Drohnen und Panzern werden, denn die Türkei droht mit direktem Eingreifen in einen Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien, sollten sich dritte Parteien wie der Iran und Russland einmischen.
Russland aber scheint vorbereitet, einzugreifen, sollte Aserbaidschan angreifen, weil das Land einen Verteidigungspakt mit Armenien hat. Und das, obwohl der derzeitige Regierungschef absurderweise alles versucht, um sich der USA anzunähern, und, in suizidaler Anwandlung, zulässt, dass extremistische Teile der Sicherheitskräfte immer wieder Provokationen gegen Aserbaidschan veranstalten.
Einschub: Als Vorwand für die Hinwendung zu den USA hatte der armenische Premierminister Nikol Paschinjan behauptet, dass Russland seinen Verpflichtungen zur Verteidigung Armeniens im Jahr 2020 nicht nachgekommen sei, als Armenien in einem Krieg mit Aserbaidschan wegen Bergkarabach verwickelt war. Russland hatte korrekterweise argumentiert, dass das von Aserbaidschan mit Waffengewalt eroberte Gebiet völkerrechtlich nicht zu Armenien gehörte. Weshalb eine Verteidigung dieser Gebiete für Russland völkerrechtlich illegal gewesen wäre.
Dieser letzte Krieg um die Region endete am 10. November 2020 mit der Unterzeichnung eines trilateralen Waffenstillstandsabkommens zwischen Aserbaidschan, Armenien und Russland, das Armenien zur Rückgabe besetzter Gebiete um Berg-Karabach zwang, Gebiete die aber von Armeniern besiedelt sind. Auf allen Seiten steigern sich die nationalistischen Gefühle 2023, nicht zuletzt, weil Aserbaidschan verhindert, dass die armenische Enklave über einen Landkorridor versorgt wird. Was zu einer Hungersnot und Medikamentenmangel geführt hat.
Ursachen
Alles sind noch die Folgen der Auflösung der Sowjetunion, weil während ihrer Geschichte Gebiete zu Verwaltungseinheiten zusammen gefasst worden waren, welche traditionell, kulturell und von der ethnischen Zugehörigkeit nicht eindeutig homogen waren. Da alle zur Sowjetunion gehörten, spielten diese Unterschiede jedoch damals keine Rolle. Nach Auflösung wurden nationalistische Bestrebungen vom Westen unterstützt, um eigene geopolitische Ziele zu verfolgen.
Profiteure
Wer lacht im Hintergrund? Die USA freuen sich, einen neuen Krisenherd gezündelt zu haben. Gut für die Waffenverkäufe, gut für die "Eindämmung Russlands", gut für die Beschäftigung des Irans und Austesten der militärischen Möglichkeiten des Landes. Und so schreibt auch Andrew Korybko
„Die USA wären erfreut, wenn der Iran in einen neuen Karabach-Konflikt hineingezogen würde“.(2)
Es liege im Interesse der USA, schreibt der Autor, den Iran in einen langwierigen Krieg wie in den 1980er Jahren mit der Türkei hineinzuziehen, der beide ausbluten und die Region spalten würde. Die Islamische Republik dürfe nicht auf die beispiellos gefährliche geostrategische Falle hereinfallen, die ihr gestellt wurde.
Der Westen nutze die ultranationalistische Stimmung in Armenien aus, um einen größeren Konflikt an der südlichen Peripherie Russlands zu provozieren, in der Erwartung, dass Moskau entweder aufgrund seiner gegenseitigen Verteidigungsverpflichtungen gegenüber Eriwan über die OVKS, die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit, in den Konflikt hineingezogen wird oder den genannten Block durch seine Neutralität in Misskredit bringt. Das zweite Szenario sei am wahrscheinlichsten, da Russland keine seiner Streitkräfte von der Sonderoperation abziehen möchte und außerdem befürchte, einen Krieg mit Aserbaidschans türkischem Verbündeten zu riskieren.
Korybkos Ansicht nach, sei demnach der Iran der einzige mögliche Verbündet Armeniens in dem drohenden Krieg, aber er meint, dass Putin sich lieber aus dem Konflikt heraushalten solle. Allerdings hätte der Iran Aserbaidschan vor einem Angriff gewarnt, und ein Video des IRGC, der iranischen Revolutionsgarden, war die Absicht bekundet worden, Armenien zu unterstützen.
Befürworter einer Intervention argumentieren nach Korybko, dass Aserbaidschan eine israelische Marionette sei, der eine Lektion erteilt werden müsse. Der angestrebte Sangesur-Korridor, den Baku durch Armeniens südliche Provinz Syunik führen will, könnte türkischen Einfluss entlang der nördlichen Peripherie Irans im Südkaukasus und in Zentralasien verstärken, aber es gebe bereits einen Korridor im Norden, der durch Georgien führt, weshalb der Einfluss der Türkei sowieso anwachse.
Man sieht, dass Korybko eine ganz andere Sicht auf die Situation hat. Er betont auch, dass die Behauptung, Aserbaidschan sei eine Marionette Israels falsch sei. Aserbaidschan habe das souveräne Recht, Beziehungen jeglicher Art zu pflegen, mit wem es will, und habe seine Unabhängigkeit unter Beweis gestellt, indem es trotz westlichen Drucks keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat.
Was die Folgen eines militärischen Eingreifens zur Unterstützung Armeniens betreffe, so sei die offensichtlichste Möglichkeit, dass der Iran einen Zweifrontenkrieg mit Aserbaidschan und seinem türkischen Verbündeten riskieren würde. Da die Türkei Mitglied der NATO ist und über das zweitgrößte Militär des Blocks verfüge, müsste sich die Islamische Republik auf einen intensiven und möglicherweise langwierigen Konflikt einstellen, der demjenigen ähneln könnte, den der Iran zuletzt in den 1980er Jahren mit dem Irak geführt hat. Es genüge zu sagen, dass die humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen ähnlich verheerend sein würden.
Darüber hinaus würde der Iran den jüngsten Verbündeten des Westens in der Region unterstützen, nachdem Armenien gerade de facto aus der russischen OVKS ausgetreten sei, und das könnte den antiimperialistischen Ruf, den es sich seit 1979 erworben habe, in den Schmutz ziehen. Eigentlich widerspricht sich hier Korybko, indem er von einem „de facto“ Austritt spricht, weshalb es ja dann für die OVKS auch keine negativen Folgen hätte, wie weiter oben behauptet, wenn sie neutral bliebe.
Dann fährt er fort, dass der rechtliche Vorwand, der von den Befürwortern einer Intervention ins Feld geführt wird, nämlich die Behauptung, Teheran müsse die Integrität der armenischen Grenzen gewährleisten, identisch mit der von den USA verbreiteten Rhetorik der "regelbasierten Ordnung" sei. Es sei außerdem heuchlerisch, wenn man sich an die iranische Besetzung der irakischen Al-Faw-Halbinsel Ende der 1980er Jahre erinnert.
Damals habe der Iran die irakischen Invasoren zurückgedrängt und war in die Offensive gegangen, um seine objektiven nationalen Sicherheitsinteressen zu wahren. Aserbaidschan könnte versucht sein, etwas Ähnliches in der armenischen Provinz Syunik zu tun, wenn die Feindseligkeiten wieder aufflammen. So wie der Irak aus ethnisch motivierten irredentistischen Gründen in den Iran einmarschiert sei, nachdem er die Unruhen, die mit der islamischen Revolution einhergingen, ausgenutzt habe, so sei auch Armenien aus genau denselben Gründen in Aserbaidschan einmarschiert, um Bergkarabach zu beanspruchen, nachdem es den Zusammenbruch der Sowjetunion ausgenutzt hatte.
Korybko sieht aber einen Aspekt nicht: Armenier waren schon einmal einem Völkermord ausgesetzt. Und Kevork Almassian behauptet deshalb auf Twitter, dass Russland verpflichtet sei, eine mögliche bevorstehende ethnische Säuberung durch Aserbaidschan zu verhindern.(3)
Egal wie der Konflikt weitergeht. Jedenfalls behindert er effektiv die Entwicklung der Multipolarität. Aber es gibt noch eine andere schlechte Nachricht in dieser Hinsicht.
Italien beendet Projekt Belt and Road Initiative
Die relativ neue italienische Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni, ihr wisst schon, die man vor der Wahl mit „Nazi“ betitelt hatte, die aber nach der Wahl brav der Führung der USA folgte, und seitdem wieder gesellschaftsfähig wurde, hatte nun auch offiziell auf dem G20-Gipfeltreffen mitgeteilt, dass Italien den Vertrag mir China über die Belt and Road Initiative, der im nächsten Frühjahr ausläuft, nicht verlängern werde. Korybko meint(2), es hätte schlimmer kommen können.
Es sei wichtig, darauf hinzuweisen, dass Italien darauf besteht, dass dies auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist und nichts mit dem spekulativen Druck der USA zu tun habe, die in den mehr als 18 Monaten seit dem Beginn der russischen Sonderoperation ihre zuvor schwindende Hegemonie über die EU erfolgreich wiederhergestellt haben. Die neue Führung des Landes habe nachdrücklich betont, dass sie nach wie vor freundschaftliche und für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen zu China unterhalten wolle, weshalb sie Berichten zufolge die Wiederbelebung eines Partnerschaftspakts plane. Man fragt sich unwillkürlich, ob sich Korybko die Situation schön redet?
Seiner Meinung nach würde ein Ausstieg aus der BRI den bilateralen Beziehungen allerdings einen Schlag versetzen, zumal Italien das einzige G7-Land war, das sich dieser Initiative angeschlossen hat. Es sei daher verständlich, dass China darüber verbittert sein könnte. Dieser Schritt könnte auch zu weiteren Spekulationen darüber führen, dass sich das globale Finanzsystem zwischen der von den USA geführten G7 und den von einigen als chinesisch geführten BRICS-Staaten wahrgenommenen Ländern aufspalte. In diesem Szenario würden Staaten wie Italien zu Objekten des Wettbewerbs zwischen den Supermächten mit entsprechenden Einschränkungen ihrer Souveränität werden.
Dann schränkt er aber ein. Wie sich jedoch herausstellte, habe der G20-Gipfel am vergangenen Wochenende die oben genannten Befürchtungen zerstreut, nachdem er die multipolaren Prozesse unerwartet gestärkt hätte.
„Im Vorfeld der Veranstaltung sagten angesehene Experten wie der Russe Fjodor Lukjankow - der von vielen als einer der wichtigsten politischen Einflussnehmer Russlands angesehen wird - voraus, dass ‚die glorreichen Jahre der G20 vorbei sind‘. Das war eine verfrühte Lobeshymne, da Außenminister Sergej Lawrow später in seiner Pressekonferenz die G20 für ihre zahlreichen Erfolge lobte.“
Dann führt der Autor Schlagzeilen und Links an, die verdeutlichen sollten, warum Russland über das Ergebnis des G20-Gipfels erfreut sei.
* "G20-Gipfel in Neu-Delhi ist ein Durchbruch - Lawrow"
* "Der Westen muss die Ergebnisse des G20-Gipfels und die Position der Entwicklungsländer begreifen - Lawrow".
* "G20-Gipfel ist ein Erfolg für alle G20-Länder, die Gruppe wird intern reformiert - Lawrow"
* "Die Ergebnisse des G20-Gipfels werden die Reformen des IWF und der WTO stark fördern - Lawrow"
* "Westliche Versuche, die Tagesordnung des G20-Gipfels auf die Ukraine zu konzentrieren, sind gescheitert - Lawrow"
All dies stehe im Zusammenhang mit der Erklärung der G20-Staats- und Regierungschefs in Neu-Delhi. Dabei hätten indische Diplomaten wieder einmal ihren Weltruf bestätigt, indem sie die von den USA geführte Goldene Milliarde des Westens, die chinesisch-russische Entente und den globalen Süden dazu brachten, sich auf den Wortlaut der Erklärung zu einigen, obwohl die meisten dies für unmöglich hielten. Dazu gehörten auch die Bemühungen um eine Reform der globalen Finanzarchitektur, was zeige, dass keiner dieser drei De-facto-Blöcke - in Ermangelung einer besseren Bezeichnung - alles, was seit dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere nach dem Ende des alten Kalten Krieges erreicht wurde, über Bord werfen wolle.
Vielmehr sei es so, dass alle Beteiligten diese Architektur im Besonderen und die Global Governance im Allgemeinen mit Verspätung aktualisieren und damit die bisher dominierende Rolle der Goldenen Milliarde reduzieren und gleichzeitig die des Globalen Südens aufwerten. Der Westen hätte sich bisher geweigert, dies zu tun, weil er fälschlicherweise dachte, er könne die multipolaren Prozesse umkehren, führt Korybko aus. Aber, erklärt er weiter, nachdem sich dies als unmöglich erwiesen habe, wie alles, was seit dem Beginn der russischen Sonderoperation passiert ist zeige, hätten sie schließlich beschlossen, mit dem Strom zu schwimmen.
Zu diesem Zweck würde der Westen nun bei jeder Gelegenheit den Globalen Süden loben und sich auffällig viel Mühe geben, diesen Ländern eine gleichberechtigtere Vertretung in allen multilateralen Foren einzuräumen. Dieser Ansatz sei offensichtlich unaufrichtig und durch die Umstände erzwungen, aber er habe dennoch den greifbaren Effekt, die weitere Verschlechterung der bestehenden globalen Architektur mit all ihren Folgen zu verhindern und gleichzeitig die multipolaren Prozesse zu beschleunigen und so den Tendenzen der Bifurkation, der Spaltung der Welt, entgegenzuwirken.
Italien sei Mitbegründer des Wirtschaftskorridors Indien-Mittlerer Osten-Europa (IMEC oder India-Middle East-Europe Economic Corridor), der auf dem G20-Gipfel vorgestellt wurde, und bekräftige damit das Engagement für den globalen Süden, auch wenn die Beziehungen Italiens zu China neu austariert würden. Gäbe es den IMEC nicht, der das unmittelbare Ergebnis der oben erwähnten systemischen Veränderungen seit Februar 2022 sei, dann hätten die USA die absolute Kontrolle über die EU.
Die Ukraine-Krise
Langsam wird im Westen klar, dass sich die Ukraine-Krise nicht nur als militärisches Desaster entwickelt, sondern außerdem der Treibstoff oder der Turbolader für eine BRICS-Erweiterung und eine neue globale Geldordnung ohne die Erpressungsmöglichkeiten durch den US-Dollar war. Der indische Ex-Diplomat M.K. Bhadrakumar geht so weit zu erklären(4), dass alles darauf hindeute, dass auch die USA beginnen einzulenken. Er berichtet dann Einzelheiten über den Besuch von US-Außenminister Blinken in der Ukraine und erklärt, dass der neue Verteidigungsminister der Ukraine der Vater des ersten Waffenstillstandsvertrages mit Russland gewesen sei, der dann durch den Westen gestoppt worden war. Am Ende steigert er sich zu der Aussage:
„Auch wenn auf dem gefrorenen See der russisch-amerikanischen Beziehungen ein Knacken zu hören ist, so ist die Aussicht doch bezaubernd, dass sowohl Biden als auch Lawrow im Laufe des heutigen Tages in Delhi zum G20-Gipfel eintreffen, der bis Sonntag dauert.“
Wie wir wissen, gab es wider Erwarten eine gemeinsame Abschlusserklärung am Ende des G20-Treffens, und Bhadrakumars Hoffnungen sind vielleicht berechtigt. Seien wir realistisch. Niemand kann daran gelegen sein, dass eine Weltordnung einfach zusammenbricht. Die Kollateralschäden wären größer als jeder Krieg. Alles muss getan werden, damit der Übergang von einer imperialen Politik des Anspruchs, zu einer multipolaren Politik des Ausgleichs geschaffen wird, ohne dass die US-Wirtschaft kollabiert oder ein großer Krieg stattfindet.
Tatsächlich sitzen wir in dieser globalisierten Welt alle in einem Boot. Nur dass diejenigen, die unten Rudern, nun aufmucken, und die Richtung mitbestimmen wollen. Wenn sie aufhören zu Rudern, wird das Schiff von der Strömung auf ein Riff getrieben und untergehen. Die Kunst besteht darin, gerade so viel nicht zu rudern, damit die Steuermannschaft überzeugt werden kann, den Kurs auch nach dem Wunsch der Ruderer zu richten. So dass alle überleben.
Fazit
Noch ist die Steuermannschaft nicht überzeugt, dass die Ruderer mitreden sollten. Aber zumindest hören sie mal hin, was dort gesagt wird. Noch versuchen sie mit Tricks und Täuschungen ihr Ziel zu erreichen. Aber es wird immer mehr Situationen geben, wie derzeit in der Ukraine, wo das Schiff langsam auf das Riff getrieben wird, an dem dann alle untergehen könnten, und die Hoffnung darf nicht aufgegeben werden, dass dies in den USA eingesehen wird.
In den letzten Wochen gab es mindestens zwei Ereignisse, welche hoffentlich den USA aufzeigen, dass die Ruderer aufhören in die geforderte Richtung zu rudern. Da war einmal die Erkenntnis der unweigerlichen Niederlage der Ukraine, aber auch die Niederlage der USA im Chip-Krieg gegen China.
Die USA hatten versucht, China zu sanktionieren, damit das Land keine Quantum-Chips, also Chips der neueren Generation mehr kaufen oder auch nur bauen kann. D.h. selbst die Maschinen zum Bau von Anlagen für die Produktion, die in Europa hergestellt werden, wurden durch Drohung von Sekundärsanktionen verhindert. Das hätte meiner Meinung nach eine ähnliche Auswirkung haben können, wie die Sanktionen der USA gegen Japan, welche damals zum japanischen Angriff auf Pearl Harbour führten und in der Folge auf den Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg.
Nun hört man(5) aber, dass China die erste eigene Anlage zur Produktion von Quantum-Chips gebaut hat. So schnell wie die Entwicklung in China abläuft, wird es nicht lange dauern, bis solche Anlagen vermehrt auftreten, wodurch die Sanktionen wieder mal das Gegenteil erreichten. Statt China zu schaden, werden sie einen Konkurrenten auf dem Weltmarkt erzeugt haben, der nun mit den US-amerikanischen und europäischen Produkten konkurrieren wird. Ähnliches gilt für Chips, die nun Huawei-Mobiltelefone, nach einer kurzen Pause des Rückstandes, wieder in die Riege der leistungsfähigsten Kleinstcomputer der Welt, genannt Handys, katapultieren. Chips, die von chinesischen Firmen gebaut werden, und angeblich 2025 die Leistungen der westlichen Konkurrenz übertreffen sollen.
Hoffen wir, dass trotz allen Rückschlägen, ein friedlicher Übergang in eine gerechtere Neuzeit erfolgen kann. Und wir dann sagen können, dass wir Zeitzeugen waren.
Quellen und Hinweise
Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka
(1) https://twitter.com/s_m_marandi/status/1700459020547485755
(2) https://korybko.substack.com/p/the-us-would-be-delighted-if-iran
(3) https://twitter.com/KevorkAlmassian/status/1701189762961273236
(4) https://www.indianpunchline.com/ice-cracking-sounds-on-frozen-lake-of-us-russia-relations/
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: kamilewski / shutterstock
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