Standpunkte

Indien: Hoffnung oder Sorgenkind des Multipolarismus | Von Jochen Mitschka

audio-thumbnail
Podcast
0:00
/1260

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Im Moment gehen die Meinungen über die Rolle Indiens in der Entwicklung des Multipolarismus weit auseinander. Von Analysten, die erklären, dass Indien „gekauft“ wurde durch die USA bis zur vehementen Verteidigung Indiens durch Alexander Kurybko, der Indien als Stellvertreter eines dritten Blocks in der neuen Weltordnung sieht, welche den Multipolarismus unterstützt, und insbesondere nicht die guten Beziehungen zu Russland aufgeben wird, aber auch gute Geschäfte mit dem alten Westen machen will. Während sich das Land als Vorreiter für viele Staaten des Globalen Südens sieht. Daher heute ein paar weiterführende Informationen zu Indien. Beginnen wir mit dem Blogbeitrag eines indischen Ex-Diplomaten.

M.K. Bhadrakumar schreibt am 6. Juli(1), dass Indien mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), über die ich ja kürzlich berichtete, nicht zufrieden sei. Zum besseren Verständnis sollte man erklären, dass der Autor eher alt-linken Sichtweisen zugeneigt ist, während Modi dem rechten Spektrum zuzuordnen ist. 

Um zu beschreiben, wie diese Unzufriedenheit Indiens einzuordnen ist, bezieht sich der Autor einleitend auf Stefan Zweig und dessen Anspielungen über den aufkommenden Faschismus in Europa Anfang der 1920er Jahre. Während sich Zweig über seinen inneren Zweifel und Hader mit sich selbst das Leben genommen hatte, so der Autor, hoffe er, dass dieses Schicksal Indien erspart bleibt. Aber er glaubt, dass die indische Reaktion auf dem letzten virtuellen Gipfeltreffens der SOZ unter indischem Vorsitz am Dienstag höchst beunruhigend sei. Er fragt dann, wohin denn die indische Politik steuere, um natürlich eine Antwort zu versuchen.

Bhadrakumar erklärt, dass die Eröffnungsrede von Premierminister Narendra Modi auf der SOZ-Veranstaltung die anderen Mitgliedsländer nicht überzeugen konnte, geschweige denn stimulieren - insbesondere Russland und China, die vor fast drei Jahrzehnten den "Shanghaier Geist" erfunden hatten, der fünf Jahre später, im Jahr 2001, zur Leitlinie für die SOZ-Zusammenarbeit geworden sei.

Der SOZ-Gipfel 2023 habe vor dem Hintergrund bedeutsamer Ereignisse im Bereich der internationalen Sicherheit stattgefunden. Die Geschichtsträchtigkeit des diesjährigen SOZ-Gipfels sei wohl vor allem auf die epochalen Entwicklungen zurückzuführen, die sich heute abspielen und die das Wesen der Weltordnung im 21. Jahrhundert weitgehend bestimmen werden. Die Präsidenten Russlands und Chinas seien in ihren Reden auf dieses Leitmotiv der gegenwärtigen internationalen Lage eingegangen und hätten Perspektiven für die Rolle der SOZ in einer Welt im Wandel aufgezeigt. 

Er zitiert dann aus der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das Zitat findet man in Anhang (3). 

Der chinesische Präsident Xi Jinping habe in seiner Rede dazu aufgerufen, Hegemonismus und Machtpolitik abzulehnen, das System der Weltordnungspolitik fairer und gerechter zu gestalten und die Modernisierung der menschlichen Gesellschaft durch konzertierte und ständige Bemühungen um gleiche Rechte, gleiche Chancen und faire Regeln für alle voranzutreiben. Xi habe betont, dass der historische Trend zu Frieden, Entwicklung und Win-Win-Kooperation unaufhaltsam sei, und dazu aufgerufen, sich für die Aufrechterhaltung des regionalen Friedens und den Schutz der gemeinsamen Sicherheit einzusetzen. 

Sowohl Putin als auch Xi seien ausführlich auf dieses Thema eingegangen. Sie scheinen denselben Planeten zu bewohnen, den Planeten Erde, meint Bhadrakumar etwas zynisch. Im Gegensatz dazu sei das Thema in der indischen Erklärung eher oberflächlich und knapp in zwei Sätzen abgehandelt worden. Modi habe gesagt: "Die gegenwärtige Zeit markiert eine entscheidende Phase in globalen Angelegenheiten. In einer Welt, die von Konflikten, Spannungen und Pandemien umgeben ist, ist die Nahrungsmittel-, Kraftstoff- und Düngemittelkrise eine große Herausforderung für alle Nationen." Das sei alles zu dem Thema gewesen. 

„So einfach ist das! Hat Indien überhaupt eine Meinung zu einer solchen ‚entscheidenden Phase in globalen Angelegenheiten‘? Stattdessen machte Modi in seiner Rede einen Umweg und wanderte ziellos über Venus und Mars - Startups und Innovation, traditionelle Medizin, Jugendförderung, digitale Integration, gemeinsames buddhistisches Erbe, aufkommende Kraftstoffe, Dekarbonisierung im Transportsektor, digitale öffentliche Infrastruktur usw. -, was ironischerweise die moribunde SAARC zum Thema gemacht hatte.“(1)

Eine Erklärung zu SAARC folgt noch. Eigentlich, so der Autor weiter, sei dies ein selbstverschuldetes Trauma für Indien, denn es sei einzig und allein auf die unverständliche Agenda der Modi-Regierung zurückzuführen, das Land an den „amerikanischen Stall“ zu binden, ganz im Gegensatz zum weltweiten Trend, in dem der globale Süden das westliche Joch endgültig und entschieden abschüttelt. 

Die rhetorischen Fragen, die in der Erklärung des indischen Premierministers auf dem SOZ-Gipfel aufgeworfen wurden, würden daher letztlich keine Abnehmer finden. Dann erklärt er diese Fragen: 

"Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, ob wir als Organisation in der Lage sind, die Hoffnungen und Erwartungen unseres Volkes zu erfüllen."

"Sind wir in der Lage, die Herausforderungen der heutigen Zeit zu bewältigen?"

"Entwickelt sich die SOZ zu einer Organisation, die auf die Zukunft vorbereitet ist?"

Es sei eine ausgemachte Sache, dass keines der SOZ-Mitgliedsländer - oder aufstrebenden regionalen Staaten - auch nur im Geringsten daran interessiert sei, sich an Indien zu orientieren, meint dann Bhadrakumar. 

SOZ mobilisiert den globalen Süden 

Indiens Unzufriedenheit mit der SOZ ließe sich nicht länger verbergen, führt der Autor weiter aus. Mit Blick auf Präsident Biden sei dies eine natürliche Folge der Annäherung der Modi-Regierung an das amerikanische Lager. Am bedauerlichsten sei jedoch, dass Indiens gleichgültige Haltung gegenüber der SOZ mit den Plänen der USA zusammenfalle, die NATO als wichtigsten Anbieter von Sicherheit in Asien zu etablieren. Ob unwissentlich oder nicht, Indiens Verhalten schwäche die Solidarität der SOZ gerade dann, wenn sie am dringendsten benötigt werde, und diene damit de facto der so genannten indopazifischen Strategie der USA.

Aber keine Angst, die indische Doppelzüngigkeit sei zum Scheitern verurteilt, führt er dann aus. Die Zeichen stünden bereits auf Sturm, denn die großen westasiatischen Staaten bewegten sich im Gleichschritt in die gleiche Richtung wie der Iran. Ob es Indien nun gefalle oder nicht, die Anziehungskraft innerhalb der SOZ gehe bereits in Richtung einer breiteren Verwendung nationaler Währungen für gegenseitige Abrechnungen und die Umsetzung des SOZ-Fahrplans für den Übergang zu nationalen Währungen im gegenseitigen Handel, koordinierte Maßnahmen zur Beseitigung regulatorischer Hindernisse, die Einrichtung der notwendigen Zahlungsinfrastruktur und das letztendliche Ziel der Schaffung eines unabhängigen Finanzsystems. 

Ungeachtet der lauwarmen Haltung Indiens würden die SOZ-Länder vorrangig das gesamte umfangreiche Portfolio von Anträgen anderer Staaten prüfen, die in der einen oder anderen Eigenschaft mit ihnen im regionalen Format zusammenarbeiten wollen. Indien wiederum spiele den russischen Vorschlag, "die regionale SOZ-Anti-Terror-Struktur in ein universelles Zentrum umzuwandeln, das für die Reaktion auf das gesamte Spektrum von Sicherheitsbedrohungen zuständig wäre", herunter - angesichts der Besessenheit Delhis, Pakistan mit dem Terrorismus in Verbindung zu bringen. Putin habe jedoch betont, dass die Angelegenheit "einen äußerst aufmerksamen und konstruktiven Ansatz" erfordere.

Putin meine es ernst. Das bringe Indien in eine Zwickmühle. Denn Indiens Leidenschaft im Kampf gegen den Terrorismus beginne und ende mit Pakistan. Die Modi-Regierung kümmere sich nicht im Geringsten darum, dass die USA den Terrorismus in verschiedenen Teilen der Welt auf innovative Weise als geopolitisches Instrument einsetzen - das jüngste Beispiel seien die Drohnenangriffe auf Moskau und die Region Moskau am Unabhängigkeitstag der USA, die laut russischem Außenministerium "ohne die Unterstützung des Kiewer Regimes durch die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten, die weiterhin Waffen in die Ukraine liefern, einschließlich Drohnen, die Drohnenbediener ausbilden und die für solche Verbrechen erforderlichen nachrichtendienstlichen Informationen, einschließlich ziviler und militärischer Satellitenbilder, bereitstellen, nicht möglich gewesen wären". 

Russland und China hätten ein besonderes Interesse daran, die Widerstandsfähigkeit der SOZ zu stärken, um der Eindämmungsstrategie der USA gegen sie entgegenzuwirken. Es sei daher zu erwarten, dass die SOZ und die BRICS-Länder auf der internationalen Bühne die beiden wichtigsten Instrumente sein werden, um die Bestrebungen des globalen Südens voranzutreiben. 

Hier möchte ich einfügen, dass ich in meinem letzten PodCast über die SOZ ja schon den Gedanken der Verschmelzung von SOZ und BRICS erwähnt hatte.

Es liege auf der Hand, dass China und Russland beim Schmieden der Einheit des Globalen Südens eine führende Rolle spielen werden. Man denke nur an Chinas Friedens- und Versöhnungsinitiativen in Westasien oder an die russischen Bemühungen in Afrika und Lateinamerika oder an die Arbeit der OPEC Plus. Ihr Vorteil sei, dass China und Russland historisch gesehen nicht als Kolonialmächte verschrien sind. Andererseits schwäche Indien, indem es sich an den amerikanischen Rockzipfel klammere, nur seinen eigenen Anspruch als selbsternannter Anführer des globalen Südens. Je eher sich Indien mit dieser geopolitischen Realität abfinde, desto besser, will Bhadrakumar seinen Lesern wissen lassen.

Was das Kerngebiet der SOZ, Zentralasien, betreffe, so sei vor kurzem (mit russischer Unterstützung) ein neues China-Zentralasien-Format auf der Ebene der Staatschefs geschaffen worden, das alle zwei Jahre zusammentreten werde - die Region sei durch die von den USA geförderten farbigen Revolutionen und Regimewechsel sehr gefährdet. Deshalb sei unwahrscheinlich, dass Moskau oder Peking, Delhi bezüglich dieser wichtigen Entwicklung in der Geopolitik Eurasiens ins Vertrauen gezogen haben. Er verweist dann auf andere Blogbeiträge. Also für mehr Links, bitte den Originalbeitrag anklicken. 

Ein ähnlicher Trend sei auch im Hinblick auf die Beschleunigung der Neuen Seidenstraße (BRI) in der SOZ-Landschaft zu erwarten, mit der Entscheidung, den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor bis nach Afghanistan auszudehnen, was in einem nächsten Schritt Zentralasien verbinden werde. Ebenso sei es durchaus denkbar, dass die neue zentralasiatische Gasallianz, die auf Initiative Russlands im Entstehen begriffen ist, schließlich auch Pakistan per Pipeline an die riesigen russischen Gasfelder anbinden werde.

In den SOZ-Hauptstädten scheine sich der Gedanke durchzusetzen, dass Indien irgendwann begreifen werde, dass es sich nicht lohnt, ein Spielverderber zu sein. Die SOZ sei absolut entschlossen, nicht das tragische Schicksal der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) zu erleiden. Wobei er darauf anspielt, dass in diesem Forum die indisch-pakistanische Rivalität zu einem Scheitern geführt hat.

Indien und die Werte-EU

Alexander Korybko hatte in der Vergangenheit schon mehrmals betont, wie sicher die Achse Russland-Indien sei, und dass Indien kein Vasall der USA werden wird. Einleitend sei noch einmal erklärt, dass Russland Indien braucht, um den Einfluss Chinas einzugrenzen, und Indien Russland als verlässlichen Partner im Sicherheitsrat und in Fragen der Lieferung von Militärmaterial benötigt. 

Am 13. Juli erklärt er, welche Reaktionen die Einmischung der EU in die inneren Angelegenheiten Indiens hervorgerufen haben. Nachdem sich die USA zuletzt wieder erfolgreich mit Indien Gemeinsamkeiten betonten, meint Korybko, dass die Beziehungen zwischen Indien und der EU gerade einen schweren Schlag erlitten hätten, nachdem sich das Europäische Parlament in die Politik des nordöstlichen Bundesstaates Manipur eingemischt habe. 

Es sei schon provokant genug, dass dieses Gremium beschlossen habe, über die Unruhen in dieser Region zu "debattieren", da es sich um eine rein interne Angelegenheit handelt, aber seine anschließend veröffentlichte Entschließung sei noch schlimmer gewesen. Im Folgenden führte er dann die sieben darin enthaltenen Forderungen an Indien auf, um zu erklären, warum es sich um eine unverschämte Einmischung handelte. 

1. fordert die indischen Behörden nachdrücklich auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und sich nach Kräften zu bemühen, die anhaltende ethnische und religiöse Gewalt unverzüglich zu beenden, alle religiösen Minderheiten, wie die christliche Gemeinschaft Manipurs, zu schützen und jede weitere Eskalation zu verhindern;

Indien tue dies bereits, da es offensichtlich ein Interesse daran habe, jegliche Unruhen zu unterdrücken und Minderheitengemeinschaften zu schützen, aber die "nachdrückliche Aufforderung", dies zu tun, suggeriere fälschlicherweise, dass dies nicht geschieht, und impliziert somit, dass die Behörden unerklärlicherweise eine Randregion zwei Monate lang ins Chaos abgleiten ließen.

2. ruft alle Seiten zur Zurückhaltung auf und fordert die politischen Führer nachdrücklich auf, hetzerische Äußerungen zu unterlassen, das Vertrauen wiederherzustellen und eine unparteiische Rolle bei der Vermittlung der Spannungen zu spielen; verurteilt auf das Schärfste jegliche nationalistische Rhetorik; fordert, dass diejenigen, die sich kritisch über das Verhalten der Regierung äußern, nicht kriminalisiert werden;

Gegen "nationalistische Rhetorik" sei nichts einzuwenden, meint Korybko, solange sie nicht zu Gewalt aufruft oder behauptet, eine bestimmte Gruppe sei einer anderen überlegen. Was die Kriminalisierung bestimmter Ansichten angehe, so sei es Indiens souveränes Recht, zu regeln, was gesagt wird, um zu verhindern, dass Provokateure die Spannungen weiter anheizen.

Hinzufügen sollte man, wie heuchlerisch diese Aussage in Hinsicht auf die „grenzenlose“ Unterstützung der Ukraine ist. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass dort keine nationalistische Rhetorik eingesetzt wird. Und eine Rhetorik, die sogar genau das enthält, was Korybko als Ausschlusskriterium für die Legitimität von Nationalismus genannt hat. Mal ganz abgesehen von der Forderung, Kritiker der Regierung nicht juristisch zu verfolgen, während in Deutschland juristisch verfolgt wird, wer die Meinung der Regierung anzweifelt, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt.  

3. ermutigt die indische Zentralregierung und alle politischen Akteure und religiösen Führer, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Ruhe wiederherzustellen und einen umfassenden Dialog unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der betroffenen Gemeinschaften zu gewährleisten;

Auch das tue Indien bereits, da es ernsthaft an einer nachhaltigen Lösung der Probleme interessiert sei, die zu den jüngsten Unruhen geführt haben. Zu diesem Zweck sei ein umfassender Dialog unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der betroffenen Gemeinschaften erforderlich, wobei die Zentralregierung das Recht habe, Gewaltakteure von der Teilnahme auszuschließen.

4. fordert die Behörden auf, unabhängige Untersuchungen der Gewalttaten zuzulassen, gegen Straflosigkeit vorzugehen und die Abschaltung des Internets zu beenden; fordert die Behörden auf, humanitären Hilfsorganisationen, internationalen Beobachtern und Journalisten ungehinderten Zugang zu gewähren;

Der Ruf des Westens nach "unabhängigen Untersuchungen" impliziere immer, dass die angegriffene Regierung schuldig sei. Die Abschaltung des Internets in der Region diente jedoch dazu, Provokateure daran zu hindern, die Spannungen zu verschärfen, während Ausländer zu ihrer Sicherheit aus der Region ferngehalten werden, erklärt Korybko.

5. fordert die Zentralregierung auf, das rechtswidrige Gesetz über die Sonderbefugnisse der Streitkräfte (Armed Forces Special Powers Act) im Einklang mit den Empfehlungen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung der Vereinten Nationen (Universal Periodic Review) aufzuheben und die Grundprinzipien der Vereinten Nationen für den Einsatz von Gewalt und Schusswaffen durch Strafverfolgungsbeamte einzuhalten;

Es gibt nichts "Unrechtmäßiges" am Armed Forces Special Powers Act, egal was man darüber denke, denn Indien habe das souveräne Recht, die innere Sicherheit so zu gewährleisten, wie es das für richtig halte. Indien werde beim Schutz seines Volkes niemals ein Blatt vor den Mund nehmen, nur um von westlichen Ländern gelobt zu werden. Die Sicherheit stehe immer an erster Stelle.

6. Er fordert erneut, dass die Menschenrechte in alle Bereiche der Partnerschaft zwischen der EU und Indien, einschließlich des Handels, einbezogen werden;

Wenn im Westen von "Menschenrechten" die Rede sei, bedeute das immer, dass die betreffende Regierung sie nicht respektiert. Der Westen habe auch eine andere Vorstellung von diesen Rechten als der Nicht-Westen, weshalb der Westen seine Beziehungen zu Letzteren nicht davon abhängig machen sollte, dass sie diese Art von Forderungen erfüllen.

7. fordert die Stärkung des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Indien; fordert die Vizepräsidentin für Menschenrechte, die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Menschenrechtsbelange gegenüber Indien systematisch und öffentlich auf höchster Ebene zur Sprache zu bringen, insbesondere in Bezug auf die Meinungs- und Religionsfreiheit und den schrumpfenden Raum für die Zivilgesellschaft, und unterstützt die EU-Delegation in Delhi dabei;

Jeder Staat, der "systematisch und öffentlich auf höchster Ebene Menschenrechtsbedenken gegenüber Indien äußert", werde seine Beziehungen zu diesem Land ruinieren, da Delhi keinerlei Toleranz gegenüber Einmischungen in seine inneren Angelegenheiten zeige, insbesondere nicht unter den falschen Vorwänden, die in der jüngsten Entschließung des Europäischen Parlaments enthalten seien.

Korybko stellt fest, dass die Forderungen durch und durch neokolonial seien, aber nicht überraschend.

Anders als in den USA, wo die Pragmatiker vor kurzem den politischen Einfluss ihrer ideologischen Rivalen zurückgewonnen hätten, sei die zweitgenannte Fraktion in den meisten EU-Ländern immer noch vorherrschend, was die Einmischung des Europäischen Parlaments in Manipur erkläre. Nach den jüngsten Ereignissen halte Indien diesen Block nicht mehr für verlässlich und sehe in ihm wahrscheinlich eine latente Bedrohung der nationalen Sicherheit, da die dortigen Ideologen die Entschließung dieses Gremiums ausnutzen könnten, um sich noch mehr in Manipur einzumischen und/oder Indien in irgendeiner Weise zu „bestrafen“.

Die BBC-"Dokumentation" über einen tragischen Vorfall, der sich vor zwei Jahrzehnten ereignete, war die Eröffnungssalve des Angriffs der Ideologen auf Indien, erklärt der Autor. Daraufhin habe der berüchtigte Finanzier der farbigen Revolution, George Soros, einen Monat später dem Land de facto den hybriden Krieg erklärt. Obwohl die USA ihre Politik gegenüber Indien auf staatlicher Ebene pragmatisch neu kalibriert hätten, zeigten Obamas ominöse Worte vom möglichen "Auseinanderbrechen" des Landes im vergangenen Monat, dass die Ideologen nach wie vor eine Bedrohung darstellen und aktiv versuchten, ein Comeback zu inszenieren.

Auf regionaler Ebene habe sich dies in der Einmischung der von den Demokraten geführten Ideologen in die bevorstehenden Wahlen in Bangladesch im Januar an der Seite ihrer EU-Kollegen gezeigt, was die Einmischung des Europäischen Parlaments in Manipur vorweggenommen habe. Alles in allem habe Indien allen Grund, diese politische Fraktion und ihre Galionsfiguren wie Obama als latente Bedrohung der nationalen Sicherheit zu betrachten, zumal ihre vorhersehbar verstärkte Einmischung in Südasien Unruhen innerhalb seiner Grenzen auslösen könnte.

Da Indien seinen objektiven nationalen Interessen weiterhin Vorrang einräumen werde, indem es die Stabilität in Manipur so gewährleiste, wie es seine politischen Entscheidungsträger für richtig halten, trotz des europäischen Drucks, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass bald Sanktionsdrohungen folgen werden. Das bedeute nicht, dass diese Strafen umgesetzt werden, sondern nur, dass es praktisch unvermeidlich sei, dass zumindest einige Ideologen als Reaktion darauf, dass Indien sich den Forderungen der jüngsten Resolution widersetzt, darüber sprechen werden.

Die Bedeutung dieses jüngsten internationalen Skandals liege darin, dass die ideologisch motivierte Einmischung die Bemühungen des Westens behindere, die Beziehungen zu nicht-westlichen Staaten zu verbessern. Also mit Ländern, die Teil des Plans dieses de facto neuen Blocks des Kalten Krieges seien, um mit der sino-russischen Entente zu konkurrieren. Indien sei jedoch nicht irgendein nicht-westliches Land, sondern die "Stimme des globalen Südens" und eine eigenständige Großmacht von globaler Bedeutung. Das Beispiel Indiens, das sich gegen diese Einmischung wehrt, wird daher andere Entwicklungsländer dazu inspirieren, seinem Beispiel zu folgen. 

Fazit

Indien ist eine Großmacht, welche in der Zukunft von den USA umworben wird, um das Land als Gegenpol zu China einzusetzen. Als Großmacht, die sich westlicher Dominanz verweigert, ist das Land automatisch in der Gefahr, in Teile zerschlagen zu werden. Im Moment kann es allerdings noch gegen alle US-Sanktionen lächelnd verstoßen. Indien fährt derzeit eine für das Land recht erfolgreiche Doppelstrategie. Einerseits ist man Teil des neuen entstehenden Multipolarismus, andererseits macht man gute Geschäfte mit dem Hegemon. Da viele kleinere Staaten des Globalen Südens diese Möglichkeit nicht haben, könnte sich aber der Einfluss Indiens als „dritte Alternative“ abschwächen. Denn kleinere Länder werden vom Hegemon vor die Wahl gestellt „für uns oder gegen uns“. Und dann werden sich Länder vielleicht eher entscheiden, sich an andere Großmächte anzulehnen, wenn sie dem hegemonialen Würgegriff entkommen wollen.

Anmerkungen und Quellen:

Der Autor twittert unter https://twitter.com/jochen_mitschka

  1. https://www.indianpunchline.com/indias-discontent-with-the-sco/ 
  2. https://korybko.substack.com/p/the-european-parliament-damaged-the 
  3. "Wir glauben, dass es wichtig ist, dass alle Mitglieder der [SOZ-]Assoziation ihre Herangehensweisen an die Situation in der Weltpolitik, der Sicherheit, der sozialen und wirtschaftlichen Sphäre teilen. Gleichzeitig setzt sich unsere Organisation nachdrücklich für die Schaffung einer wirklich gerechten und multipolaren Weltordnung ein, einer Ordnung, die auf dem Völkerrecht und den gemeinsamen Grundsätzen einer gegenseitig respektvollen Zusammenarbeit souveräner Staaten mit der zentralen, koordinierenden Rolle der Vereinten Nationen beruht. Vor allem aber ist dies die konstruktive Grundlage für die praktische Tätigkeit der SOZ..."

+++

Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

+++ Bildquelle: PHOTO JUNCTION/ shutterstock


+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung

Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/

+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.

+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/

+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut

Armed Forces Special Powers Act Bhadrakumar biden faschismus George Soros Indien Kurybko Manipur Modi