Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Der Grund warum Afrikas Staaten ziemlich einstimmig Israel als Apartheidstaat (1) und als koloniales Projekt betrachten, begründet sich in dem kolonialen Siedlerkonzept, das der Zionismus verfolgt. Der vermutlich wichtigste Gründer des Zionismus und Israels, Theodor Herzl, hatte selbst erklärt, „the idea of Zionism, which is a colonial idea…“ (5), als er in Großbritannien für die Besiedlung Palästinas durch Zionisten warb. Aber dennoch behaupten deutsche Politiker, den zionistischen Staatsapparat als koloniales Projekt zu bezeichnen, sei Antisemitismus.
Nun hat dieser hochgerüstete Atomstaat Israel, der nach Schätzungen von Fachleuten über 200 Kernwaffen verfügt, wieder einmal einen Angriffskrieg gegen Gaza geführt. So wie alle paar Sommer wurden wieder vorwiegend Zivilisten, viele Frauen und Kinder zum Opfer der Bomben. Und wieder wurde im Westen behauptet, „Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung“.
Dies ignoriert natürlich zwei UNO-Erklärungen, welche dem diametral entgegengesetzt sind, aber leider nicht zur „regelbasierten Ordnung“ zählen, die ja ausschließlich durch die USA festgelegt wird. Da diese UNO Resolutionen im Westen weitgehend totgeschwiegen werden, seien sie hier noch einmal erwähnt.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Recht von kolonialisierten Völkern, und insbesondere Palästinensern bestätigt, sich mit „allen verfügbaren Mitteln, besonders auch dem bewaffneten Kampf'“ zu widersetzen (2). Die UNO-Generalversammlung hatte außerdem erklärt, sie „verurteile scharf alle Regierungen, die das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Menschen unter kolonialer und ausländischer Herrschaft sowie Unterjochung durch Fremde nicht anerkennen, insbesondere den Kampf der Menschen von Afrika und des palästinensischen Volkes“ (3).
Tatsächlich also hatte die Weltgemeinschaft entschieden, dass nicht Israel sich verteidigt, sondern dass Palästina als besetztes Land das Recht hat sich zu verteidigen.
Nun kann man sagen, dass das ungerecht sei, dass es den Holocaust nicht berücksichtige und was man sonst noch so anbringen kann. Dazu gibt es natürlich auch unzählige Antworten, nur eine sei hier erwähnt, dass nämlich die meisten Führer des Zionismus weder direkte Vorfahren in der Region hatten, noch Verfolgte des Nazi-Terrors waren. Vielmehr wird der quasi industrielle Massenmord an jüdischen Menschen durch das Naziregime immer wieder herangezogen, um die Kolonialisierung Palästinas zu rechtfertigen.
Was übrigens die Aussage von Juden ist, welche den Zionismus als größten Feind des Judaismus ansehen. Da der Zionismus Militarismus glorifiziert, während der Judaismus nur direkte Selbstverteidigung, und das auch nur in beschränktem Maße, erlaubt (10). Solche Juden, wie die 15.000, die sich in den USA trafen, um gegen den Zionismus zu demonstrieren, werden dann als „selbsthassende Juden“ verunglimpft und sogar des Antisemitismus bezichtigt. Und nicht-jüdische Wissenschaftler, die den Zionismus klar definieren (11) und zwar eben nicht als einzige Vertretung der Menschen jüdischen Glaubens, sind „nur“ Antisemiten.
Nun heißt es, dass man das „Existenzrecht Israels“ aberkenne, wenn man von Kolonialstaat redet. Dazu drängen sich Fragen auf: Ich will nur eine hier äußern, ansonsten auf ein ganzes Kapitel in meinem Buch verweisen (4): Rechtfertigt ein „Existenzrecht“ die Unterdrückung, Vertreibung, Ermordung von Menschen und einen Apartheidstaat?
Das Massaker
Also fand im August 2022 wieder eines der üblichen Massaker durch Israel an Palästinensern statt. Wurde eine eng besiedelte Region bombardiert, die schon vor dieser Bombardierung von der UNO eigentlich als unbewohnbar angesehen wurde. Verursacht durch vorherige Bombardierungen, welche große Schäden anrichteten, durch Trinkwasser, das inzwischen eigentlich ungenießbar ist, und vor allen Dingen durch eine unmenschliche Blockadepolitik. Eine Politik, welche Gaza oft gerade mal so viel zu importieren erlaubt, dass die Menschen nicht verhungern.
Im Westen wurde nun erklärt, dass der Islamische Dschihad, der das erklärte Ziel der Angriffe Israels war, eine Terrororganisation sei. Mit anderen Worten, eine Organisation, welche den eingangs erwähnten UNO-Erklärungen zufolge das Recht für sich beansprucht, auch mit Waffen gegen die Besatzung durch Israel zu kämpfen.
Nun unterliegt natürlich ein solches Recht gewissen Beschränkungen. So darf sich der Widerstand nicht willkürlich gegen Zivilbevölkerung richten. Was Israel behauptet, wenn der palästinensische Widerstand zum Beispiel Raketen auf Siedlungen Israels in Palästina abschießt. Um es noch einmal zu erklären: Palästinenser schießen auf palästinensisches Gebiet.
Nun schauen wir uns die Siedler an, die betroffen werden. Es sind bis an die Zähne bewaffnete Kombattanten, welche brutal gegen Palästinenser vorgehen, um deren Land für sich zu beanspruchen, und durch die israelische Armee dabei unterstützt werden. Hier von Zivilisten zu sprechen ist unangemessen. Und wenn dabei Kinder in Mitleidenschaft geraten, würde man im Westen das sagen, was Israel von Palästinensern behauptet, nämlich dass sich die Kombattanten hinter Zivilisten, also Kindern, als Schutzschilde verstecken. So jedenfalls die Behauptung, wenn Bomben Israels in Gaza vorwiegend Zivilisten, darunter viele Kinder, töten.
Vielleicht ist es an dieser Stelle einmal erlaubt, von einem Artikel zu berichten, der das Gegenteil der westlichen Propaganda ist. Also eine Darstellung des Konflikts aus palästinensischer, wenn nicht sogar aus Sicht aller ehemaliger Kolonien und unterdrückter Völker.
Abdel Bari Atwan beschreibt in einem Artikel in The Cradle, dass Israel sich bei dem brutalen Angriff auf Gaza verkalkulierte, und dass der Kampf der Palästinenser bis zur Befreiung Palästinas weitergehen werde. (7)
Die Gegenpropaganda
Während in westlichen Medien erklärt wird, dass das Luftabwehrsystem Israels praktisch alle von Palästinensern gebastelte Raketen abgefangen habe, schreibt er, dass nur die Hälfte von 160 Raketen (während Israel behauptet, 400 Raketen wären abgefeuert worden) durch den von den USA finanzierten „Iron Dome“ abgefangen wurden. Die Raketen seien auf die auf die zahlreichen israelischen Siedlungen am Rande des Gazastreifens, also auf palästinensischem Land, gerichtet gewesen.
Das, so der Autor, sei an sich schon ein großer militärischer und psychologischer Erfolg für den palästinensischen Widerstand. Die Siedler hätten ihre Sicherheit verloren, ihre Zeit zum Abzug sei gekommen, meint er in euphorischer Überschätzung der Situation.
Der Widerstand im Westjordanland und im Gazastreifen würden sich mit der Hamas und ihren Kämpfern, Raketen, Drohnen und Tauchern in die Konfrontation stürzen, um den mehr als zwei Millionen Palästinensern, die derzeit unter Israels absoluter Herrschaft im Gazastreifen leben, Schutz zu bieten.
Es sei klar, dass die Hamas nicht tatenlos zusehen könne, während israelische Angriffe Kinder töten und Häuser im Gaza-Streifen bombardiert werden. Sie riskiere sonst kurz- und mittelfristig große Verluste bei den nächsten Wahlen.
Dann erklärt der Autor, dass dieser Krieg ein „Geschenk an das palästinensische Volk und seinen Widerstand“ sei, und die kommenden Tage für die Israelis schockierende und erschreckende Überraschungen bereithalten würden, die Millionen von ihnen in Schutzräume und weltweite Isolation treiben werden, führt der Autor aus.
Die tatsächliche Lage
Ein Artikel von Motasem A Dallouol im Middleeastmonitor (12) beschreibt die Situation wesentlich sachlicher. Demnach war die Bombardierung ein versuchtes „teile und herrsche“ Projekt Israels, mit dem gleichzeitig die rechtsextremen Strömungen bei den kommenden Wahlen in Israel wieder aktiviert werden sollten.
Der Autor schreibt, erstes erklärtes Ziel sei der Kommandeur des Islamischen Dschihad, Tayseer Al-Jaabari, in seiner Wohnung in einem Hochhaus im Stadtteil Al-Remal in Gaza-Stadt gewesen. Er wurde zusammen mit mehreren Zivilisten getötet, darunter die fünfjährige Alaa Qaddoum und ihr Vater, die in der Wohnung neben der von Al-Jaabari wohnten. Die israelischen Besatzungsbehörden behaupteten, sie hätten einen Präventivschlag durchgeführt, um von Al-Jaabari geplante Angriffe auf Israel zu vereiteln.
Die israelische Aggression habe daraufhin den Islamischen Dschihad auf den Plan gerufen, der Raketen auf israelische Siedlungen und Städte in der Nähe des Gazastreifens abfeuerte. Kleinere palästinensische Gruppierungen feuerten ebenfalls Raketen in Richtung des Besatzungsstaates ab, aber die wichtigste und größte palästinensische Widerstandsbewegung, die Hamas, behauptete nicht, etwas abgefeuert zu haben, obwohl der israelische Beschuss intensiv war.
Dalloul erklärt, dass zunächst Israel die Hamas für Reaktionen verantwortlich machen wollte, dann aber eine 180° Kehrtwende gemacht habe, und erklärte, dass die Hamas nichts mit der Auseinandersetzung zu tun habe.
Diese überraschende Änderung deute darauf hin, dass die israelische Bombenkampagne weniger mit der Sicherheit als vielmehr mit den bevorstehenden Parlamentswahlen zu tun hatte. Der israelische Ministerpräsident Yair Lapid habe behauptet, der Islamische Dschihad plane Anschläge als Vergeltung für die Verhaftung seines führenden Vertreters in Dschenin, Bassam Al-Saadi, in der vergangenen Woche. Doch der renommierte israelische Journalist Gideon Levy äußerte gegenüber Al Jazeera den Verdacht, dass dies alles nur mit den Wahlen zu tun habe, und nicht mit irgendwelchen geplanten Anschlägen zu tun habe, für die nie Beweise vorgelegt wurden.
Dann weist Dalloul darauf hin, dass auch der israelische Journalist Meron Rapoport die Meinung vertrat, dass Lapid die stärker werdende Opposition des früheren Premierministers Netanjahu einhegen wollte.
Dies sei einer der Gründe gewesen, warum die Hamas nicht auf diese Runde israelischer Gewalt reagiert habe. Sie erkannte den Faktor „Wahl“ und glaubte, dass ihre Beteiligung die Offensive verlängern würde. Die Bewegung entschied sich dann, dem Autor des Artikels zufolge, dafür, Lapid einen Wahleffekt auf Kosten des palästinensischen Blutes zu verwehren.
Außerdem, so der Autor weiter, wusste die Hamas, dass Israel auf die Offensive gut vorbereitet war und alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, um in einer vorteilhaften Position zu sein. Israel habe 25.000 Reservisten aktiviert, verschanzte Panzer und Artillerie, damit sie von den palästinensischen Widerstandsgruppen nicht so leicht ins Visier genommen werden konnten, und brachte die israelische Siedlergemeinschaft in der Nähe der nominellen Grenze zum Gazastreifen in sichere Positionen. Nach Abwägung der Situation aus militärischer Sicht kam die Hamas zu dem Schluss, dass ihr eine Beteiligung nichts nützen würde.
Die Hamas wussten, dass Lapid, um seinen Ruf nicht zu beschädigen, nicht wollte, dass Leichensäcke nach Israel zurückkommen. Das würde seinem Wahlkampf schaden. Deshalb habe er sein Bestes getan, um die Konfrontation mit dem Islamischen Dschihad allein zu führen, wohl wissend, dass dieser nur begrenzt in der Lage ist, der israelischen Armee und Bevölkerung Schaden zuzufügen. Dabei vergaß er jedoch, dass die meisten Palästinenser trotz ihrer politischen und religiösen Differenzen eigentlich geeint sind.
Laut Yedioth Ahronoth gelang es Israel, eine Politik des "Teile und Herrsche" durchzusetzen, da es die Hamas während der Offensive "neutral" hielt, aber Amos Harel von Haaretz schrieb, dass "die Hamas die Dauer und Intensität des Konflikts bestimmen wird... Wenn die Operation nicht bald beendet werde, könnten die Dinge aus dem Ruder laufen und Lapid könnte ein zweiter Olmert werden." Dies war eine Anspielung auf den ehemaligen Premierminister Ehud Olmert, der während des Gaza-Krieges 2008/9 im Amt war.
Dann erklärt der Autor, dass einige Analysten der Meinung sind, dass die Hamas zwar nicht öffentlich, aber insgeheim und im Namen des Islamischen Dschihad auf die israelische Aggression geantwortet habe. Was wiederum bedeute, dass die „teile und herrsche“-Politik Israels nicht funktionierte. Er schreibt dann:
„Selbst israelische Militäranalysten erklärten, dass diese Raketen nicht vom Islamischen Dschihad abgefeuert wurden, und sie glauben, dass Lapid einen Fehler begangen hat, als der Premierminister versuchte, die Hamas zu ‚neutralisieren‘.“ (12)
Zu einer ähnlichen Aussage kommt David Hearst im Middleeasteye:
„In einer Orgie der Gewalt hat Israel seine seit Jahrzehnten verfolgte Strategie, die Palästinenser in verschiedene Lager zu spalten, umgekehrt. Jetzt zwingt es sie zur Wiedervereinigung.“ (13)
Jetzt seien sie also gezwungen, sich wieder zu vereinigen. Außerdem meinte Hearst, dass Israel eindeutig eine Welle von Raketenangriffen provozieren wollte, als das Militär Bassam al-Saadi verhaftete. Aber drei Tage lang habe der PIJ nicht reagiert. Saadi war bereits sieben Mal verhaftet worden, und selbst durchgesickerte Aufnahmen, die zeigten, wie er von Soldaten misshandelt wurde, konnten die Gemüter nicht erregen. Im Westjordanland gab es keine Proteste, erklärt Hearst weiter.
Das habe dann Israel quasi „gezwungen“ jenen Bombenangriff gegen Gaza zu fliegen, der vollkommen unprovoziert gewesen sei, und nur durch vage Erklärungen Israels begründet wurde, man habe einen Anschlag verhindern müssen. Erst danach habe die PIJ mit den Raketenangriffen begonnen.
Er weist darauf hin, dass die angeblich so gefährlichen Personen, die als Ziele der Bombenangriffe Israels genannt wurden, eigentlich kaum jemand kannte, und dass selbst der Sprecher der israelischen Armee den Namen Jabaris in einer Fernsehsendung vergessen hatte. Aber Israel habe die Reaktion der Palästinenser unterschätzt.
„Wenn die Anerkennung durch Israel nicht erfolgt; wenn Israel kein Interesse an Gesprächen hat, die zu einem palästinensischen Staat führen; wenn jedes Mal, wenn die israelischen Streitkräfte angreifen, die Außenwelt sie dafür lobt; wenn Selbstjustiz-Banden von Siedlern Ihre Olivenbäume und Häuser unter dem bewaffneten Schutz israelischer Soldaten zerstören; wenn das Gesetz, das für diese Banden gilt, Zivilrecht ist, aber das Gesetz, das für sie gilt, die unbewaffnet sind, Militärrecht ist; wenn Ihre eigenen Führer korrupt sind und sich jahrzehntelang weigern, Wahlen abzuhalten, weil sie Angst vor dem Votum der Bevölkerung haben: was bleibt Ihnen dann noch übrig? Sich ergeben? Nach London gehen?“
Und so sieht Hearst eine Radikalisierung der Palästinenser und einen demnächst aufflammenden Krieg als logische Folge der Unterdrückung an.
Fazit
Nun glaubt der eingangs zitierte Autor Abdel Bari Atwan daran, dass Israel durch Gewalt dazu gezwungen werden kann, die Besatzung Palästinas aufzugeben. Leider ist es so, dass nur Gewalt die Aufmerksamkeit der Medien und damit der Weltöffentlichkeit erweckt. Aber es wird nicht gegen Israel eingesetzte Gewalt sein, welche Veränderung bewirkt. Vielmehr wird es die zunehmend wahrgenommene Gewalt Israels sein, sind es die Bilder von toten palästinensischen Kindern, welche die Weltöffentlichkeit immer wieder an den Krieg erinnern. So traurig es ist, entsteht nur dadurch langsam weltweit der Widerstand gegen das letzte europäische Kolonialprojekt. Auch weil gleichzeitig immer mehr Menschen, ganz besonders Juden, begreifen, dass der deutsche Holocaust an Juden, keine Begründung für das sein darf, was derzeit die rechtsextremen israelischen Regierungen betreiben.
Der Holocaust war in Deutschland möglich geworden, weil Menschen weggeschaut hatten, weil sie nicht wissen wollten, was passiert. Deshalb ist es wichtig, dass wir hinschauen und begreifen, dass ein Verbrechen nicht dazu dienen kann, ein weiteres Verbrechen zu rechtfertigen.
Meine Mutter hatte als junge Frau das Naziregime erlebt. Und ihre Memoiren, die ich immer noch nicht bearbeitet habe, weil sie sehr bedrückend sind, enthalten Geschichten, die voll von Wegschauen und nicht Wissen wollen berichten. So erzählte sie mir, wie sie es erlebt hatte, wenn ein Dorfmitglied in die Gaststube ihrer Eltern kam und schlagartig die Gespräche verstummten. Alle wussten, dass er in einem KZ arbeitete, aber keiner wollte wissen, was er dort machte.
Heute schauen wir auf die Ukraine, wollen für sie frieren und Sondersteuern zahlen, liefern für Milliarden Waffen, mit denen Menschen getötet werden, aber wir wollen nicht wissen, was in Palästina passiert.
Dass Israel Palästina nicht besetzt hat, sondern nach einem Angriffskrieg als sein Eigentum betrachtet, sollte eigentlich jedem bewusst sein, der heute noch behauptet, er strebe eine Zweistaatenlösung an. Eine Zweistaatenlösung ist durch die bewusste Ausweitung der Siedlungen und durch seine bewaffneten und extremistischen Siedler unmöglich geworden. Aber ohne Aufgabe der Siedlungen und Umsiedlung von 700.000 Menschen ist eine Zweistaatenlösung unmöglich.
Daher ist längst klar, dass nur eine Einstaatenlösung die Zukunft sein kann. Ein Land, in dem alle Bewohner die gleichen Rechte haben, unabhängig von Rasse, Religionszugehörigkeit oder Hautfarbe. Nur wird diese Forderung von deutschen Bundestagsabgeordneten als Antisemitismus bezeichnet, weil man „das Existenzrecht Israels“ in Frage stelle.
Ich empfehle jedem, der im guten Glauben, und nicht aus Parteiopportunität immer noch eine Zweistaatenlösung vertritt, die Rede des Haaretz Mitgründers und legendären israelischen Journalisten Gideon Levy (6) zu dem Thema anzuhören.
Leider wird der Weg dahin mit jeder Bombe, die auf Gaza fällt und jeder Rakete, die auf die besetzten Gebiete oder auch das ursprüngliche israelische Siedlungsgebiet geschossen wird, erschwert. Wenn man die ungeheuren Ressourcen, welche die Besatzung und der Krieg verschlingt, für einen Wiederaufbau, für eine Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und für eine sichere Zukunft für die Siedler und damit eine Befriedung der Gesellschaft einsetzen würde, könnte das Land zu einem der wichtigsten Vermittler und Wirtschaftsakteure in der Region werden. Jeder würde davon profitieren. Nur nicht Mächte, welche ihren Einfluss maßgeblich auf „teile und herrsche“ aufbauen.
Statt Frieden durch Gleichberechtigung zu fordern, wird die Geschichte gefälscht, werden Narrative verteidigt, die längst als falsch bewiesen sind (8). Deutsche Politiker verteidigen eine rassistische, aggressive und expansive rechtsextreme Politik Israels um von den angeblichen Vertretern des Judentums Absolution für Verbrechen des Naziregimes zu erhalten. Aber so einfach ist das nicht. Nur innerhalb Deutschlands wird diese Politik allgemein akzeptiert. Sobald man in Gesellschaften kommt, welche selbst unterdrückt und kolonialisiert waren, erkennt man, wie billig der Versuch der deutschen Gesellschaft und Politiker ist, sich von einer geschichtlichen Schuld dadurch rein zu waschen.
Hinzu kommt die Vasallenrolle Deutschlands gegenüber den USA, welche als Schutzmacht für Israel funktioniert. Nicht zuletzt, weil Israel der unsinkbare Flugzeugträger im Nahen Osten für die USA ist. Aber auch in den USA wackelt die Unterstützung durch die Basis. In erster Linie ist es eine korrupte Politikoligarchie, welche durch geschickte Lobbyarbeit Israels unterstützt wird, welche eine antipalästinensische Politik betreibt. Mit welchen Mitteln Israels Lobbyisten arbeiten, hat eine leider nie offiziell ausgestrahlte Dokumentation von Al Jazeera aufgezeigt (9). Wer erkennen will, mit welchen Mitteln diese Lobbyarbeit betrieben wird, der sollte sich die Dokumentation anschauen. In Deutschland wagt es niemand, eine ähnliche Undercover-Ermittlung zu erstellen. Aber wer die Medien aufmerksam verfolgt, kann erahnen, was in Deutschland passiert.
Deshalb dürfen wir nicht erwarten, dass eine Veränderung durch Politik, Medien oder gesellschaftlich relevante Menschen ausgelöst wird. Nur durch eine deutliche Ablehnung der kritiklosen Unterstützung Israels durch die Mehrheit wird etwas in Bewegung geraten. Die Tatsache, dass die BDS-Bewegung, als internationale, gewaltfreie Bewegung für die Rechte der Palästinenser, durch die Mehrheit der deutschen Politiker als „antisemitisch“ verleumdet wurde, zeigt, welche Wichtigkeit solche Aktionen und Bewegungen haben. Ich kann jedem nur empfehlen, sich mit den Zielen und Projekten der BDS-Bewegung auseinanderzusetzen, und dann ein eigenes Urteil zu fällen.
Auch die südafrikanische Apartheid wurde nicht durch Politiker oder Konzerne beendet, sondern durch Hafenarbeiter, die sich geweigert hatten, Schiffe aus Südafrika zu löschen und eine Massenbewegung, die so viel Druck auf die Politik, Banken und Unternehmen ausgeübt hat, dass schließlich eigentlich als Terroristen gebrandmarkte Menschen wie Nelson Mandela plötzlich den Friedensnobelpreis erhielten.
Allerdings hat die Formbarkeit der Öffentlichen Meinung angesichts der Corona-Krise ein solches Maß angenommen, dass zu befürchten ist, dass heute wesentlich mehr Anstrengungen durch die Basis benötigt werden, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Noch nie seit dem letzten Weltkrieg war Deutschland näher an einem totalitären Staat, der wieder durch die Mehrheit unterstützt wird. Umso wichtiger ist die Initiative jedes Einzelnen heute.
Ich hoffe, dass die Gesellschaften rechtzeitig aktiv werden, und dass die Palästinenser nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie die Ureinwohner der USA oder Australiens. Wobei beide Länder, neben Deutschland, interessanterweise zu den entschlossensten Unterstützern des Apartheidsystems gehören. Gerade so, als ob sich diese drei Länder von ihren Verbrechen Absolution einholen wollten, ähnlich wie einige Politiker, die anscheinend glauben, je intensiver sie Israels rassistische Politik verteidigen, desto stärker sei es absurd, sie gesinnungstechnisch in die Nähe von Nazis zu rücken.
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Bildquelle: shutterstock / Vrezh Gyozalyan
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Quellen und Anmerkungen:
- https://twitter.com/amnesty/status/1547533715026415617
- United Nations: »Importance of the universal realization of the right of peoples to self-determination and of the speedy granting of independence to colonial countries and peoples for the effective guarantee and observance of human rights«, A/RES/33/24, 29. November 1978, https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/0/D7340F04B82A2CB085256A9D006BA47A
- United Nations: »Importance of the universal realization of the right of peoples to self determination and of the speedy granting of independence to colonial countries and peoples for the effective guarantee and observance of human rights», General Assembly RES/3246 (XXIX), 29 November 1974, https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/0/C867EE1DBF29A6E5852568C6006B2F0C
- Deutschland, Israel, Palästina, Staatsräson statt Menschenrechte und Völkerrecht, von Jochen Mitschka. 1. Auflage Paperback Der Politikchronist – gemeinnütziger Verein für politische Bildung e.V., Kapitel „Existenzrecht“ Seite 804 ff.
- Theodor Herzl: A Biography von Josef Fraenkel, Ararat Publishing Society Limited, 1946, Seite 126.
- https://youtu.be/c4W1IWNAPgk
- https://thecradle.co/Article/Columns/13967
- https://www.politikchronist.org/index.php/shop/product/88-deutschland-israel-palaestina-staatsraeson-statt-menschenrechte-und-voelkerrecht-e-book-pdf.html Siehe: „Die zehn Mythen über Israel, S. 84 ff.
- https://electronicintifada.net/content/watch-film-israel-lobby-didnt-want-you-see/25876
- https://youtu.be/kck27a-Y9Ko und ttps://youtu.be/L4KrsB0RgZg
- https://youtu.be/vqA_8e6raaQ
- https://www.middleeastmonitor.com/20220808-where-was-hamas-during-israels-latest-bombardment-of-gaza/
- https://www.middleeasteye.net/opinion/israel-palestine-west-enabling-orgy-violence-how
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