Tagesdosis

Jüdische Stimme der Vernunft gegen Russlandkrieg der Ampel | Von Rainer Rupp

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Vor dem Hintergrund des Wirtschaftskriegs und der militärischen Konfrontationspolitik der vereinten deutschen Eliten in Politik und Medien gegen Russland wird in dieser Tagesdosis der politisch scharfsinnige Schriftsteller und Publizist Wolfgang Herzberg und sein – leider aussichtsloser - Kampf für den vernünftigen Menschenverstand (common sense) vorgestellt.

Ein Kommentar von Rainer Rupp.

Aus bekannten Gründen haben Stimmen jüdischer Mitbürger zu politischen Ereignissen ein gewisses Gewicht in unserem Land. Dafür sorgen schon unsere selbst-erklärten „Qualitätsmedien“, aber meist nur, wenn diese Stimmen konform gehen mit der herrschenden Regierungspolitik und der dahinterstehenden US-geführten „Kriegsordnung ohne Regeln“.

Wer jedoch wie Wolfgang Herzberg fundierte Kritik übt an den aktuellen kriegerischen Mitteln der NATO-Politik gegenüber Russland und der Propagandaschlacht des Westens, einschließlich der Ampel-Regierung, die auch von CDU und Die Linke unterstützt wird, dann wird auch eine zweifelnde jüdische Stimme, wie so viele andere, von den Massenmedien standfest ignoriert.

Denn es gehört sich nicht, die Halbwahrheiten und demagogischen Lügen dieser Regierung, mit noch so durchdachten Argumenten, in Frage zu stellen, weil dadurch deren politische Strategie und Meinungsführerschaft in Zweifel gezogen werden. Es gehört sich nicht, gar Kritik zu üben an dem totalen Militär- und Wirtschaftskrieg der Nato gegen Russland und an den daraus folgenden Selbstmord-Sanktionen der Ampel-Regierung, die auch zunehmend die eigene Bevölkerung in schlimme Bedrängnis bringen!

Diese Kritik wird medial und politisch unterdrückt, weil immer mehr Öl ins Feuer gegossen werden soll, durch Waffenlieferungen an die faschistoiden Regierungskräfte in der Ukraine, die angeblich „wertebasiert“, diesen Krieg immer weiter verlängern, anstatt, den alternativlosen Verhandlungsweg zu beschreiten. Deshalb muss jede Stimme totgeschwiegen werden, wenn sie das derzeit auch vom Westen und der Ampel-Regierung angerichtete, hochgefährliche Chaos, nicht als Großtat zu Sicherung unserer Demokratie und des Wohlstands der Bevölkerung begrüßt, sondern als kontraproduktiv und verfassungswidrig geißelt.

Wolfgang Herzberg stimmt nicht mit der herrschenden Meinung der politischen und medialen Kaste überein und spricht sich dezidiert gegen den Wirtschaftskrieg und den militärischen Konfrontationskurs der Ampel-Regierung aus. Aber seine Bemühungen, seine berechtigte Kritik bei den selbsternannten, die Meinungsfreiheit predigenden „Qualitätsmedien“ unterzubringen, verliefen alle erfolglos. Dabei gehört Herzberg unzweifelhaft zu jener Gruppe säkularer, linker, deutscher Juden der 2. Generation, die sowohl in der BRD als auch in der DDR einen wichtigen Beitrag für das politische und kulturelle Leben beider deutscher Staaten bis heute geleistet haben.

In einer Email hat Herzberg mir geschrieben, dass es derzeit „keine Medien gibt“ in Deutschland, mit deren dort veröffentlichten Positionen, er oder irgendjemand, den er kennt, „ganz oder auch nur teilweise einverstanden ist. … Und die russischen Medien, seien sie auch von Putins Gnaden, oder nicht, sollten nicht vereinfacht dämonisiert werden, wie ich das auch nicht mit deutschen Medien und deutscher Politik tue, obwohl auch sie einseitige Propaganda betreiben“.

Seiner Email hatte Herzberg die Kopie eines Briefes beigefügt, den er kürzlich – erfolglos - an die Redaktionen verschiedener „Qualitätsmedien“ geschickt hatte. Mit seiner Erlaubnis zitiere ich daraus:

„Ich weiß durch Gespräche mit vielen Freunden, Bekannten und Unbekannten, aus den letzten Monaten, z.T. aber auch, am Rande, aus einzelnen Medienbeiträgen, dass ich mit meinen grundsätzlichen Zweifeln, im Zusammenhang mit den angewendeten Mitteln der jetzigen westlichen Außenpolitik, gegen den auch von mir, ausdrücklich nicht gebilligten Angriffskrieg Russlands, keineswegs allein dastehe. Diese allgemeine Skepsis basiert aber auf einem weit verbreiteten Unbehagen und wird, laut Umfragen, gerade auch im Osten Deutschlands, wie Sie wissen, inzwischen sogar mehrheitlich geteilt!“ …..

„Ich habe keineswegs die Illusion, dass meine Argumente und Positionen bei Ihnen widerspruchslose Zustimmung finden oder gar, darüber hinaus, politisch zurzeit mehrheitsfähig wären. Dennoch käme es der, durch das Grundgesetz garantierten, Unabhängigkeit und der damit zusammenhängenden Glaubwürdigkeit der Medienlandschaft zugute, wenn auch alternative Positionen von kritischen Minderheiten, auf Augenhöhe, d.h. in Pro und Contra, in einer größeren Öffentlichkeit stärker reflektiert würden. …. Ansonsten entsteht der fatale Eindruck von medialer und politischer ‚Gleichschaltung‘.

„Es muss in einer pluralen Demokratie, gerade auch, wenn es um Grundsatzfragen von Krieg und Frieden, sogar von internationalen Ausmaßen geht, noch eine ergebnisoffene, kontroverse Diskussionskultur, in einer öffentlichen Strategie- Debatte geben und diese ermöglicht werden. Das käme m.E. auch einem gesteigerten Interesse und der Massenwirksamkeit Ihrer Medienarbeit zugute, wenn nicht bisweilen konforme Apologetik, ja sogar Antreiberei, gegenüber der offiziellen Außenpolitik propagiert würde, sondern sich die Medien besser als unabhängige, öffentliche Denkfabriken, kreativ, in die Strategiedebatten der politischen Kultur demokratisch einmischten.  Und zwar besonders dann, wenn es um so existenzielle Grundfragen, wie die richtige Wahl der Mittel in der globalen Friedenssicherung geht, mit ihren gewaltigen, außen- und innenpolitischen Implikationen für alle Bevölkerungsschichten, hierzulande und anderswo, die davon sehr schmerzlich betroffen sind und weiterhin sein werden.“

Wolfgang Herzberg wurde 1944 in Leicester, als Sohn jüdisch-deutscher Emigranten geboren, die vor den Nazis nach England fliehen konnten. 1947 kehrte die Familie nach Berlin-Steglitz zurück. Wolfgang studierte Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ein vollständiges Porträt von Wolfgang Herzberg ist am Ende dieses Artikels zu finden. Als unangepasster Autor sozialer und politischer Analysen und Zeitzeugen-Interviews hat sich Herzberg einen Namen gemacht, unter anderem mit seinem jüngsten Buch, das die Geschichten linker Juden in der DDR erzählt. Siehe nachstehenden Link zum Buch.

https://vergangenheitsverlag.de/shop/Juedisch-und-Links-Erinnerungen-1921-2021--Zum-Kulturerbe-der-DDR-_Ein-Buch-von-Wolfgang-Herzberg-168.htm

Warum Herzbergs Wortmeldungen trotz seiner literarischen Qualitäten von den deutschen „Qualitätsmedien“ geflissentlich ignoriert wurden, kann man leicht verstehen, wenn man die nachfolgenden Ausschnitten eines längeren Artikel von ihm liest, der in der kleinen Zweiwochenzeitschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft „Ossietzky“, unter dem Titel Zum Scheitern verurteilt, erschienen ist.

Auszüge aus dem Text:

„Der Westen dürfte sich (in Bezug auf die Ukraine) zudem, in jeder Hinsicht, finanziell, durch die gigantische Militarisierung und Energiekostenexplosion, sowie moralisch-politisch völlig übernehmen, um dieses »Fass ohne Boden« des Ukraine-Krieges trotz eigener gigantischer Staatsschulden weiter zu füllen. Diese erfolglose kontraproduktive Kriegspolitik wird die westlichen Bestrebungen und ihre verlogenen Selbsttäuschungen hoffentlich alsbald immer mehr entlarven.

„Selenskyj und die ukrainischen Nationalisten wären längst Geschichte, wenn die USA-Nato nicht von Anfang an eine Regime -Change- und Kriegspartei gewesen wären, um ihr eigenes Gesellschaftssystem immer weiter nach Osten auszudehnen. Dabei wird rücksichtslos in Kauf genommen und durch Demagogie verschleiert, dass sie damit die Mehrheit ihrer eigenen Bevölkerungen ökonomisch, sozial und ökologisch fortlaufend und immer schmerzhafter zur Kasse bitten, um ihre verlogenen westlichen Freiheitswerte, primär zugunsten wohlhabender Oberschichten, durchzusetzen.

„Dieser imperiale Krieg der Nato kann niemals, auch durch noch so moderne Waffensysteme, gigantische Geldspritzen, Wirtschafts- und Finanzboykotte und die endlose Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, gewonnen werden. Es ist doch eine Grundillusion der ukrainischen Machthaber und der Nato-Strategen, d.h. auch der Ampelparteien und ihrer willigen Helfer, dass es einen »militärischen Sieg« über die Russen etwa durch westliche Waffensysteme geben und dadurch die Gebiete der Ostukraine und der Krim wieder zurückerobert werden könnten. Was da dann, nicht nur dort, noch zurückbleiben würde, sind endlos verbrannte Erde und Millionen Tote auf allen Seiten sowie unabsehbare Kriegsfolgen auch für Deutschland, Europa und die ganz Welt.

„Wohl nur eine erneute große westliche Niederlage – wie erst kürzlich in Afghanistan – wie sie sich in dem nicht enden wollenden Stellungskrieg in der Ukraine abzeichnet, kann schließlich auch die westliche Einsicht befördern, den einzig richtigen Weg einer neuen kooperativen Weltpolitik ausschließlich durch Verhandlungen zu gehen. Das wird weltweit »von Unten« erzwungen werden müssen, oder wir versinken in die apokalyptische-atomare Weltkatastrophe eines 3. Weltkrieges.

„Die Aussicht auf solch kollektiven Selbstmord muss und wird weiteren globalen Widerstand hervorrufen. Dieser zu führende Friedenskampf ist zugleich eine Weiterführung des alten Klassenkampfes, um die Chance auf eine post-kapitalistische Option weltgeschichtlich zu wahren, so wenig dies auf den ersten Blick im repressiven Russland auch möglich erscheinen mag. Hierbei geht es im Kern erneut um den Kampf: globalisierter Kapitalismus und eine weitere Spaltung zwischen Arm und Reich, Ost und West, Nord und Süd oder eine neue Option für eine primär politisch-staatlich regulierte, post-kapitalistische Gesellschafts-entwicklung, zugunsten des Gemeinwohls der ärmeren Schichten der Weltbevölkerung.“

„Allerdings liegt der Schlüssel für die Lösung dieser universellen Grundfrage der Menschheit nicht in einem primitiven »entweder oder«, sondern in einem »sowohl als auch«, d.h. in einer erneut erzwungenen Entwicklung zur »friedlichen Koexistenz«, um die emanzipatorischen Vorteile beider Gesellschaftssysteme zu einer Synthese zusammenzuführen. Dabei gilt es, endlich eine Gesellschaftsfusion von Reformkapitalismus und Reformsozialismus zu finden, die bisher leider noch nicht, historisch tragfähig, gefunden werden konnte.“

Soweit die Auszüge aus dem Herzberg-Artikel „Zum Scheitern verurteilt“ in Ossietzky“. Ein weiterer, sehr lesenswerter Beitrag von Herzberg ist unter dem Titel „Verhandlungslösung – Alternativlos“ im aktuellen Heft Nr. 20 von Ossietzky vom 8.10.2022. Mit Erlaubnis des Autors und der Ossietzky-Redaktion ist zeitgleich mit dieser Tagesdosis ein Nachdruck von Verhandlungslösung – Alternativlos“ bei „apolut“ unter der Rubrik „Artikel“ erschienen.

Quellen und Anmerkungen:

Wolfgang Herzberg, 1944 als Emigrantenkind in England geboren, 1947 Rückkehr der Familie nach Berlin-Steglitz. Von 1950 bis 1958 Besuch der Grundschule in Berlin-Weißensee. 1962 Abitur, 1963 Filmkopierfacharbeiter, Arbeit als Tiefbau- und Landarbeiter. Von 1964 bis 1971 Kulturwissenschaftsstudium an der Humboldt-Universität, danach bis 1974 gewerkschaftliche Kulturarbeit. Von 1974 bis 1979 freiberufliche Mitarbeit an Dokumentarfilmen.1979-1981 Aspirant an der Akademie der Wissenschaften der DDR zum Thema: Biografische Interviews mit Arbeitern des Berliner Glühlampenwerkes. Ab 1981 freiberuflicher Autor und Publizist. Namensstifter und Geburtshelfer der Rockgruppe PANKOW, Autor des Rockspektakels PAULE PANKE (1981) und HANS IM GLÜCK (1984), Liedermacher, Mitarbeit an Dokumentarfilm und Monografie über die Autorin Elfriede Brüning. Biografische Interviews und analytische Texte zur DDR-Geschichte linker Juden. Quelle: https://www.vergangenheitsverlag.de/autoren/Wolfgang-Herzberg-172.htm +++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Lightspring / shutterstock


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