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Julian Assanges Befreiung ist nur der erste Schritt (Teil 1)

Julian Assanges Befreiung ist nur der erste Schritt (Teil 1)


Ein Meinungsbeitrag von Christian Hamann.

Für Verteidiger der Informationsfreiheit ist das Ende der fast 14 Jahre währenden Verfolgung von Julian Assange ein willkommener Erfolg – ​​aber noch kein Durchbruch. Zwar bleibt dem WikiLeaks-Gründer eine weitere Gefängnisstrafe erspart; doch dienen das im Deal vereinbarte Schuldeingeständnis und die Akzeptanz der Rechtmäßigkeit der 5-jährigen Haftstrafe dazu, eine gefährliche Machtverschiebung zugunsten des Militärs und der Geheimdienste im gesamten Westen zu festigen.

Die Mainstream-Medien haben es lange versäumt, die Bürger über diese Machtverschiebung zum Nachteil der demokratischen Nationen aufzuklären. Das Gesetz, unter dem Julian Assange bis zu 175 Jahre Gefängnis angedroht wurden, der Espionage Act, stammt aus demselben Kriegsjahr 1917, in dem auch die Zensur- und Propagandabehörde Creel Committee geschaffen wurde. Beide verfassungswidrigen Initiativen entstammen der emotionsgeladenen Atmosphäre des Krieges, in welcher das kühle Denken betäubt ist.

Doch während das Creel Committee bereits 1919 wieder abgeschafft wurde, ist der Espionage Act, der bei Verdacht auf Hochverrat geschlossene Prozesse vor Sondergerichten vorsieht, bis heute in Kraft geblieben. Der Deal im Fall Assange vom Juni 2024 bringt uns der überfälligen Abschaffung dieses Gesetzes einen Schritt näher. Viel zu lange haben Medien und Politiker die verfassungswidrigen „Rechte“ des Sicherheitsapparats zum Nachteil der Nation ignoriert, durch welche dieser einer wirksamen demokratischen Kontrolle ausweichen konnte.

Zweifellos erfordern alle geplanten und ein Teil der laufenden Aktionen der Sicherheitskräfte eine geheime Handhabung. Aber die für den investigativen Journalismus relevanten Fälle, einschließlich der Aktivitäten von WikiLeaks, beziehen sich auf längst abgeschlossene Operationen. In diesen müssen die Bürger selbstverständlich über Fehlmanagement, Verbrechen und Prinzipienbrüche ihrer Sicherheitsinstitutionen exakt Bescheid wissen. Andernfalls ist kein Lernen aus vergangenen Fehlern möglich.

Da eine Nation der legitime Souverän des Staates ist, kommt ihrem Recht auf Wahrheit ein absoluter Vorrang zu. Demgegenüber stellt ein genereller Geheimhaltungsanspruch des Militärs und der Geheimdienste ein niederes Rechtsgut dar. Die routinemäßig vorgetragene Erklärung, dass selbst abgeschlossene Fälle aus „Gründen der nationalen Sicherheit“ weiterhin geheim gehalten werden müssten, kann als billiger Vorwand identifiziert werden, um sich der Verantwortung für Versäumnisse, kontraproduktive Operationen und Verbrechen zu entziehen.

Der Vorrang der Nation ist kein Luxus, sondern eine Überlebensnotwendigkeit, weil ein Mangel an effektiver demokratischer Kontrolle in den hierarchisch strukturierten Militär- und Geheimdiensten gefährlichen Entwicklungen den Weg ebnet. In deren Beförderungssystem bevorzugen Vorgesetzte automatisch Untergebene, die eine ähnliche Denkweise haben wie sie selbst. Dieser Mechanismus unterhält eine Gegenselektion; wie in den Hierarchien mittelalterlicher Adelsherrschaft haben Personen mit wenig Empathie einen Wettbewerbsvorteil und besetzen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit die Spitzenpositionen. Dies führt zu einem abnehmenden Verantwortungsbewusstsein und zur ungebremsten Expansion einer narzisstischen, militaristischen Mentalität.

Die Dimension dieser Gefahr zeigt die jahrzehntelange Reihe kontraproduktiver Aktionen des Sicherheitsestablishments, die erst durch die Arbeit von Whistleblowern wie Assange, Manning und Snowden ans Licht gebracht wurden. Zu diesen gehören Verstrickung in Drogenhandel, Folter und erniedrigender Behandlung von Zivilisten.(1) Hinzu tritt wiederholte Fehlinformation der eigenen Bürger und Politiker wie beispielsweise in bzw. vor beiden Irak-Kriegen.

Mit dem Espionage Act im Rücken entwickeln sich Militär und Geheimdienste immer mehr zum Staat im Staat, in den USA und im Vereinigten Königreich sogar mit eigener Gerichtsbarkeit. Bereits 1961 hatte Dwight D. Eisenhower in klaren Worten vor der wachsenden Macht des MIC gewarnt, des militärisch-industriellen Komplexes, der sich aus hochrangigen Persönlichkeiten aus Militär, Politik und Rüstungskonzernen zusammensetzt.

Aber alle nachfolgenden US-Präsidenten außer John F. Kennedy haben diese Warnung ignoriert und sind weiter dem Weg eines selbstzerstörerischen Militarismus gefolgt. Dieser hat die Macht des MIC erweitert und gleichzeitig den Ruf des Westens als Vorbild für Freiheit und Demokratie ruiniert. Dieses Ergebnis bestätigt die Weitsicht des Gründervaters Thomas Jefferson, der einst sagte:

„Ich hoffe, unsere Weisheit wird mit unserer Macht wachsen und uns lehren, dass unsere Macht umso größer sein wird, je weniger wir sie nutzen.“

Sogar der desaströse Abzug des amerikanischen Militärs aus Afghanistan im August 2021, bei dem die Taliban Waffen im Wert von über 80 Milliarden Dollar in die Hände bekamen, hat den westlichen Bürgern noch nicht hinreichend die Augen geöffnet. Diese fehlgemanagte Aktion war nur der Höhepunkt kontraproduktiver militärischer Aktivitäten ihrer Sicherheitskräfte. Diese haben über Jahrzehnte hinweg von Vietnam (1955-1975) bis Afghanistan (2001-2021) weder der Verbreitung der Demokratie noch westlicher Sicherheit gedient.

Stattdessen lautet die nüchterne Zusammenfassung, dass der MIC außer dem Ruf der freiheitlichen Demokratie auch den des eigenen Militärs systematisch ruiniert hat - nämlich als gleichermaßen brutal und erfolglos. Der Zweite Irakkrieg (2003-2011) kostete über eine halbe Million Zivilisten das Leben und die amerikanischen Steuerzahler fast eine Billion Dollar. Das Ergebnis dieser “Befreiung” des Irak durch die britisch-amerikanische “Koalition der Willigen” aus über 40 Staaten besteht in einem zerstörten und vergifteten Land, das genauso korrupt und mangelhaft demokratisch ist wie zuvor – nur mit mehr inneren Spannungen, mehr Terror und mehr Armut. Der daraus resultierende Reputationsverlust der USA und der Demokratie wurde weltweit als solcher wahrgenommen – außer im Westen.

Dort haben die unkritischen Mainstream-Medien nicht einmal registriert, dass im August 2021 das von der Supermacht USA und ihren Verbündeten getragene internationale Sicherheitsgefüge zusammengebrochen ist und eine tiefgreifende politische Wende bevorsteht – so oder so.

Ohne Korrektur führt der aktuelle Kurs über militärische Gewalt zum bereits propagierten Eine-Welt-Staat. Die entsprechenden “konstruktiven” Initiativen gehen von der UNO und einigen NGOs wie dem Weltwirtschaftsforum aus. Doch zu den wahren Kräfteverhältnissen führt die Frage, wer den Aktivitäten des MIC jahrzehntelang diese kontraproduktive, den Interessen der demokratischen Nationen zuwiderlaufende Richtung geben konnte, während Bürger und Politiker daran gehindert waren, aus diesem Desaster zu lernen.(2)

Glücklicherweise zeichnet sich ein alternativer gewaltfreier Entwicklungspfad ab. Dieser umfasst vor allem eine Modernisierung der demokratischen Kontrollmechanismen und einer Reform der Wirtschaft, nämlich von der Oligopolherrschaft hin zu einer wieder erfolgreichen fairen Marktwirtschaft. Weitere notwendige Reforminitiativen betreffen u. a. die Verwaltung (Entbürokratisierung), das Bildungswesen (Ersatz polarisierender Indoktrinierung durch Emanzipation), den Sicherheitsapparat (der vom tribalistischen Beförderungssystem zu befreien ist) und das Justizsystem (das ebenso und zusätzlich vom Einfluss der Politiker zu befreien ist).

Quellen und Anmerkungen

1) https://www.npr.org/2020/11/20/937009453/the-cias-secret-quest-for-mind-control-torture-lsd-and-a-poisoner-in-chief 2) https://laroucheorganization.com/article/2024/01/22/who-owns-military-industrial-financial-complex

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Katherine Da Silva / shutterstock


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