Standpunkte

Kiews Traum von der NATO in weiter Ferne | Von Thomas Röper

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Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Umsetzung des RAND-Papiers. Der Traum von der NATO rückt für Kiew in weite Ferne!

Die Ukraine wird beim NATO-Gipfel keine Zusage für einen NATO-Beitritt erhalten. Mehr noch, US-Präsident Biden hat sich sogar gegen einen vereinfachten NATO-Beitritt der Ukraine ausgesprochen. Die Umsetzung des RAND-Papiers von Januar scheint voranzuschreiten.

Letzte Woche habe ich mehrmals darüber berichtet, dass sich die Anzeichen häufen, dass das RAND-Papier vom Januar umgesetzt wird. In dem Papier hat die RAND-Corporation der US-Regierung empfohlen, einen Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer zu suchen, denn die Ziele, die die USA in der Ukraine verfolgt haben (Russland wirtschaftlich zerschlagen, international isolieren und die russische Armee entscheidend schwächen) wurden nicht erreicht.

Stattdessen müssen die USA die Ukraine nun mit inzwischen über 100 Milliarden Dollar unterstützen und ein Ende ist nicht abzusehen, während die USA in dem Konflikt nichts zu gewinnen haben, denn – so RAND – wo die Grenzen der Ukraine verlaufen, ist für die USA unwichtig und die ungeheuren Kosten nicht wert. Ich berichte seit Februar über dieses Papier und die Anzeichen dafür, dass es offenbar umgesetzt wird.

Der Autor des RAND-Papiers hat vor kurzem auch einen langen Artikel für das Council on Foreign Relations geschrieben, in dem er seine Vorschläge darüber, wie die USA sich aus dem Schlamassel ohne Gesichtsverlust zurückziehen können, weiter ausgeführt hat. Dazu hat er unter anderem vorgeschlagen, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied wird, sondern sie in anderer Form Sicherheitsgarantien bekommen soll, die Rede war vom „koreanischen“ oder vom „israelischen Modell“. Interessant dabei ist, dass aus Kiew letzte Woche bereits gemeldet wurde, die USA würden der Ukraine eben dieses „israelische Modell“ vorschlagen.

Es gibt also reichlich Anzeichen dafür, dass die Umsetzung des RAND-Papiers hinter den Kulissen begonnen hat.

Der Traum vom NATO-Beitritt platzt

Der Hauptgrund dafür, dass Russland keine andere Option mehr gesehen hat, als militärisch in den seit 2014 im Donbass tobenden Krieg einzugreifen, war der vom Westen und von Kiew fokussierte NATO-Beitritt der Ukraine. Da die NATO darüber nicht mit Moskau verhandeln wollte, hatte Russland – aus seiner Sicht – keine andere Wahl, als seine Sicherheit gewaltsam zu gewährleisten.

Nun scheint Russland dieses Ziel fast erreicht zu haben, denn nachdem der NATO-Generalsekretär in den letzten Wochen immer davon gesprochen hatte, dass von dem anstehenden NATO-Gipfel „ein starkes Signal“ an Kiew ausgehen sollte, ist er nun zurückgerudert. Der Spiegel berichtete unter der Überschrift „Vor Gipfel in Vilnius – Nato wird Ukraine vorerst nicht formell zum Beitritt einladen“:

„Die Ukraine muss weiter auf eine formelle Einladung zum Beitritt in die transatlantische Verteidigungsallianz Nato warten. Das Bündnis werde dem Land beim anstehenden Gipfel im litauischen Vilnius keine formelle Einladung aussprechen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. »Beim Gipfel in Vilnius und in der Vorbereitung des Gipfels reden wir nicht über eine formelle Einladung«, sagte der Norweger“

Das ist, wenn man Stoltenbergs Erklärungen der letzten Wochen verfolgt hat, eine regelrechte 180-Gradwende. Nun soll Kiew ein NATO-Ukraine-Rat angeboten werden, der jedoch nur ein wertloser Trostpreis ist und nicht verdecken kann, dass Kiews NATO-Ambitionen einen herben Rückschlag erlitten haben.

Noch deutlicher wurde, ziemlich überraschend, US-Präsident Biden, der der Ukraine auch die Hoffnung auf einen beschleunigten oder vereinfachten NATO-Beitritt, von dem zuvor oft die Rede war, nahm. Am Samstag sagte Biden in Washington gegenüber Reportern:

„Sie müssen die gleichen Standards erfüllen. Wir werden es ihnen also nicht leicht machen.“

Das dürfte der Grund sein, warum Stoltenberg nun zurückgerudert ist, denn er hatte in den letzten Tagen immer von einem vereinfachten NATO-Beitritt der Ukraine gesprochen und sogar einen Plan dafür vorgelegt, um Kiew zumindest irgendetwas zu bieten, weil klar war, dass es bei dem NATO-Gipfel keine Einladung an Kiew geben würde, weil zu viele NATO-Mitglieder aus Angst, in einen Krieg mit Russland hineingezogen zu werden, dagegen sind.

Biden hat auch diese Kiewer Hoffnung zerstört.

In Kiew beginnt man zu verstehen…

Ein weiterer Baustein der Umsetzung des RAND-Papiers sind in meinen Augen die Medienberichte der letzten Wochen, die Kiew beschuldigen, die Nord Streams gesprengt zu haben, was von den Medien inzwischen schon regelrecht als Tatsache dargestellt wird. Das ist natürlich Unsinn und Kiew kann einem fast leid tun, dass es nun als Sündenbock für die von den USA ausgelöste Sprengung herhalten muss. Aber wie man in den USA zu sagen pflegt: „It’s nothing personell, it’s just business.“

Dem Westen gehen die Ressourcen aus, um die Ukraine weiterhin in dem bisherigen Maße zu unterstützen, und da die ukrainische Offensive offensichtlich keine Erfolge bringen wird, stellt sich bald die Frage, wie man der Öffentlichkeit eine Reduzierung der Ukraine-Hilfen erklären soll. Der Öffentlichkeit zu erzählen, dass Russland gegen den gesamten Westen gewonnen hat, weil die Waffenlager leer sind und auch die finanzielle Unterstützung der Ukraine nicht mehr durchgehalten werden kann, kommt nicht in Frage.

Da wäre es doch praktisch, wenn man Kiew die Nord-Stream-Sprengung anhängen könnte.

Das hat man nun auch in Kiew verstanden. Der ukrainische Verteidigungsminister hat erklärt, dass Veröffentlichungen über die Beteiligung der ukrainischen Regierung an der Sprengung der Nord Streams darauf abzielen, die Unterstützung des Westens für Kiew zu untergraben. In einem Interview mit Radio Liberty/Radio Free Europe sagte er:

„Ich verbinde solche Veröffentlichungen mit dem Wunsch, der Ukraine nicht mehr zu helfen“.

Seiner Meinung nach zielen die Veröffentlichungen darauf ab, die Ukrainer zu verunsichern und „das Vertrauen“ zwischen der militärischen und politischen Führung der Ukraine und anderen Ländern zu verringern.

Die Geschichte mit der „pro-ukrainischen Gruppe“

Genau das sage ich auch, seit die ersten Berichte über die angebliche „pro-ukrainische Gruppe“ veröffentlicht wurden. Wenn der Westen am Ende Kiew beschuldigt, die Pipelines gesprengt zu haben, könnte der Westen ganz entrüstet tun und Kiew unter Androhung der Einstellung der Unterstützung (die der Westen bald ohnehin nicht mehr im bisherigen Umfang leisten kann) zu Verhandlungen mit Moskau drängen.

Russland würde für den Westen natürlich der Bösewicht Nummer Eins bleiben und man würde weiterhin Lippenbekenntnisse über die Sicherheit für und Solidarität mit der Ukraine abgeben, aber eben einschränken, dass Kiew sich den Europäern gegenüber unfreundlich verhalten hat, als es die Pipeline gesprengt hat.

Sollte ich damit recht behalten, bin ich gespannt, wie Medien und Politik der Öffentlichkeit im Westen klar machen, dass Kiew immer noch irgendwie ein Freund und Partner ist, obwohl es das Vertrauen des Westens missbraucht und die Pipelines gesprengt hat. Das dürfte amüsant werden.

Wer den USA vertraut…

Ich hege keinerlei Sympathie für das Nazi-Regime in Kiew, aber irgendwie können einem die Idioten dort leid tun. Erst haben sie sich mit falschen Versprechen in den Krieg mit Russland treiben lassen, weil die NATO ihnen hinter verschlossenen Türen volle Unterstützung versprochen hatte, aber dann war die NATO nicht zu sehen, als Russland seine Militäroperation startete.

Dass die NATO der ukrainischen Führung ein militärisches Eingreifen im Falle einer offenen Konfrontation mit Russland versprochen hat, wurde Anfang März 2022 in Kiew öffentlich erzählt. Darüber habe ich damals berichtet. Der ukrainische Außenminister beispielsweise sagte damals:

„Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass in der NATO eine politische Vereinbarung besteht, wonach die Verbündeten der Ukraine auf bilateraler Ebene in jeder erdenklichen Weise helfen sollen. Aber das Bündnis selbst hat sich als Organisation im Grunde selbst abgeschafft. Wir müssen in diesem Punkt ehrlich sein. Die Ukrainer müssen klar und ehrlich erkennen, dass die NATO nicht wirklich das ist, was sich die Ukrainer darunter vorstellen“

Das Kiewer Regime wurde also schon damals von der US-geführten NATO reingelegt. Und zum Dank dafür, dass Kiew seine Soldaten danach über ein Jahr lang für die US-Interessen geopfert hat, wird Kiew nun offenbar auch noch die von den USA durchgeführte Nord-Stream-Sprengung angehängt.

Washington ist das egal, Washington hat seine Verbündeten schon oft gnadenlos fallengelassen, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden. Die Liste der Beispiele ist lang. Die Herrschaften in Kiew sind selbst schuld, dass sie den Versprechungen der USA geglaubt haben, und müssen nun darauf hoffen, dass die USA sie nicht komplett fallenlassen.

Es bleibt also spannend, denn die Anzeichen dafür, dass das RAND-Papier umgesetzt wird und dass die USA einen Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer suchen, mehren sich fast jeden Tag.

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 20. Juni 2023 auf dem Blog anti-spiegel.ru. +++ Bildquelle:  Oleksandr Osipov / shutterstock 


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