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Kommt es zum großen Krieg in Afrika? | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Nur wer in die Geschichte schaut, versteht die Gegenwart. Es gab zwar einige Angriffe gegen Botschaften während meiner Lebenszeit, aber nur wenige schrieben Geschichte. Einer ragt natürlich heraus, das war der Sturm auf die US-Botschaft in Teheran 1979 und die anschließende Geiselnahme(1). Von der man inzwischen annimmt, dass sie bewusst zugelassen worden war, um Fotos zu erhalten, mit denen der Iran dämonisiert werden konnte. Whistleblower hatten berichtet, wie die wichtigsten Spione und Diplomaten vor der Besetzung gewarnt worden waren und aus dem Land gebracht wurden, und Diplomatenakten im Schredder landeten(2). Und nun beginnt in Niger eine Botschaftsbelagerung Frankreichs, weil sich der Botschafter weigert, der Aufforderung der neuen Regierung nachzukommen, das Land zu verlassen. Bahnt sich hier ein ähnlicher Fall an? Soll eine Stürmung der Botschaft provoziert werden, um Bilder für die westlichen Medien zu erhalten, mit der eine militärische Aktion gegen das Land begründet werden soll? Aber zunächst noch mal Berichte und Einschätzungen von nicht westlichen Analysten zu der Krise in der Sahelzone.

Mit indischen Augen

Es hatte sich angedeutet, dass die USA ihre Politik gegenüber Niger ohne Absprache mit Frankreich betreiben, und ohne Rücksicht auf dessen historischen Ansprüche. Nun schreibt der indische Ex-Diplomat M.K. Bhadrakumar, „Die Revolution in Niger nimmt eine bonapartistische Wendung“(3).

Er meinte am 23. August, dass die andauernden Unruhen im westafrikanischen Staat Niger eine merkwürdige Wendung nähmen, die eine binäre Sichtweise von "Neokolonialismus und Imperialismus" versus "nationale Befreiung" nicht mehr zuließen. Nigers Putschisten würden den Vereinigten Staaten Avancen machen, und die russische Militärfirma Wagner PMC auf Distanz halten, - zumindest in der damaligen Phase des Machtwechsels.

Die Schnelligkeit, mit der Washington Kathleen FitzGibbon, eine Afrika-Spezialistin mit geheimdienstlichem Hintergrund, wie er betont, als neue Botschafterin in Niamey eingesetzt hat, signalisiere angeblich, dass die Diplomatie der bevorzugte Weg ist, wobei aber alle Optionen auf dem Tisch blieben.

Bezeichnenderweise stellte die Washington Post in einem Leitartikel fest, dass

"die beiden Armeen [der USA und Nigerias] in den letzten zehn Jahren eng zusammengearbeitet haben: Die Offiziere sind miteinander vertraut, und Nigers Generäle gelten nicht als antiamerikanisch".

Ebenso werde in der Mitteilung des US-Außenministeriums über Botschafterin FitzGibbon hervorgehoben, dass ihr eiliger Auftrag darauf abzielt,

"die Bemühungen um eine Lösung der politischen Krise in dieser kritischen Zeit zu unterstützen" und dass ihr "diplomatischer Schwerpunkt darin bestehen wird, sich für eine diplomatische Lösung einzusetzen".

Interessanterweise beschränke sich der Bericht auf die Forderung nach der Freilassung des gestürzten Präsidenten und seiner Familienangehörigen und ignoriere die frühere spezifische Forderung nach seiner Wiedereinsetzung. Der Bericht deute darauf hin, dass die US-Diplomatie ihr Netz weit auswerfe und sich nicht auf die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) beschränke.

Am Vorabend der Ankunft von Botschafterin FitzGibbon in Niamey brachte die New York Times ein Interview mit Ali Lamine Zeine, dem designierten Premierminister von Niger. Mit Sicherheit, so der Ex-Diplomat, habe Zeine, der oberste zivile Beamte der Militärjunta, im Namen der Generäle gesprochen und sich an das westliche Publikum gewandt. Zeines Äußerungen deuteten darauf hin, dass die herrschende Kabale in Niamey ein schlauer Haufen sei, der auf lange Sicht eine direkte Zusammenarbeit mit den USA anstrebe. In der Tat sei die ECOWAS nach dem ersten persönlichen Treffen mit dem Putschisten General Abdouramane Tchiani am Wochenende selbst gespalten.

Die ECOWAS-Vermittlungsmission sei von General Abdulsalami Abubakar geleitet worden, dem enorm einflussreichen Staatsmann und Königsmacher, der Nigerias letztes militärisches Staatsoberhaupt und eine Quelle moralischer Autorität war, der sein Wort gehalten habe, die Macht an eine demokratisch gewählte Regierung zu übergeben und damit den lang ersehnten Traum der Nigerianer verwirklichte.

Nach seiner Rückkehr aus Niamey habe Abubakar Präsident Bola Tinubu berichtet und später mit den Medien gesprochen, wo er sich optimistisch äußerte, dass die Krise in Niger sich nicht über die Diplomatie hinaus verschlimmern werde. Auf die Frage, ob es eine Möglichkeit gebe, eine Militäraktion der ECOWAS in Niger zu vermeiden, habe Abubakar gesagt:

"Hoffentlich wird die Diplomatie das Beste aus der Situation machen. Niemand will in den Krieg ziehen, es lohnt sich für niemanden, aber andererseits haben unsere Führer gesagt, wenn alles scheitert - und ich glaube nicht, dass alles scheitert - werden wir etwas erreichen, wir werden aus diesem Schlamassel herauskommen."

Dann behauptet Bhadrakumar, dass Niger sich in einer "chaotischen", und nicht in einer revolutionären Situation befindet. Die afrikanischen Eliten und ihr Versagen seien ein wichtiger Faktor. Dies nicht nur, weil die öffentliche Meinung sie mit Frankreich assoziiere, sondern auch aufgrund des „doppelten Unbehagens einer Armut an politischen Ideologien und Populismus“. Außerdem gebe es einen Aufstieg junger Menschen, die von einem Status quo frustriert sind, der in ihren Augen von Frankreich geschaffen wurde.

Die Gefahr, so der Autor weiter, dass Russland das Vakuum füllt, sei übertrieben und sollte keine Rechtfertigung für eine westliche Intervention sein. Man müsse verstehen, dass ein Teil der Anziehungskraft Russlands darin besteht, dass viele Afrikaner Moskau als eine Art "Anti-Frankreich" sehen. Umgekehrt werde die symbolische Anziehungskraft Russlands umso geringer, je weniger Frankreich als ausbeuterische ehemalige Kolonialmacht in der Vorstellung der Bevölkerung weiterlebt.

Man könne sehen, dass die Russen selbst dies auch trotz Moskaus antikolonialer, antiimperialistischer Rhetorik verstehen. In einem Kommentar der russischen Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta habe man lesen können:

"Für die Russische Föderation ist es bemerkenswert, dass sich die Putschisten zum ersten Mal von Russland und den PMCs von Wagner distanzierten und dem Westen versicherten, dass sie zu einer politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit ihm bereit seien."

General Tchiani, der die Putschisten anführt, werde die Macht jedoch nicht aufgeben. Andererseits wiederhole er nicht mehr, dass der ehemalige Präsident Bazum vor Gericht gestellt wird. Die ECOWAS-Delegation, die sich mit dem gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum getroffen habe, schätze, dass er sich nicht in unmittelbarer Gefahr befindet. Die Putschisten hätten die strenge Warnung Washingtons beherzigt, meint der Autor.

General Tchiani habe sich außerdem auch von der lautstarken öffentlichen Unterstützung der Putschisten distanziert, die ihm peinlich zu sein schien. Der russischen Tageszeitung zufolge liegt die Betonung darauf, dass "die nigrischen Militärs nach ihren jüngsten Aktionen und Äußerungen zu urteilen nicht wirklich alle Möglichkeiten des Dialogs mit Frankreich, den Vereinigten Staaten und den von ihnen unterstützten Organisationen abbrechen wollen“.

In dem erwähnten Interview mit der New York Times habe Zeine die außenpolitischen Prioritäten der neuen Regierung erklärt. Er habe die Vermutungen und Behauptungen, Moskau stecke hinter dem Putsch, kategorisch zurückgewiesen.

"Ich sehe keine Absichten der Militärregierung von Niger, mit Russland oder der Wagner-Gruppe zusammenzuarbeiten",

sagte Zeine. Er habe den Westen sogar zur Diskretion gebeten, um Niger nicht in die Arme Wagners zu treiben. Vor allem aber habe Zeine gegenüber der New York Times deutlich gemacht, dass der pro-französische außenpolitische Vektor für Niger auch unter den neuen Behörden unverändert bleiben werde. "Wir haben an französischen Universitäten studiert, unsere Offiziere haben in Frankreich studiert", habe er erklärt.

Insgesamt habe die Nesawissimaja Gaseta ironisch festgestellt: "Nach dem Interview zu urteilen, ist das Einzige, was Tchiani und seine Mitarbeiter anstreben, eine Überarbeitung der Bedingungen für die Zusammenarbeit mit der ehemaligen Metropole. Wie Zeine es ausdrückte, ‚wollen wir einfach nur respektiert werden‘".

Gemeint sei damit möglicherweise die Revision der Bedingungen für den Abbau der nigrischen Uran- und Goldreserven. Beide sind nun ausgesetzt.

Dann schränkt Bhadrakumar jedoch ein, und erklärt, dass große Unsicherheit über die tatsächlichen Absichten der Protagonisten bestehe. Versuche die Junta, die Klassen- oder Unternehmensinteressen verfolge, mit einigen Zugeständnissen ihr Gesicht zu wahren oder will sie nur Zeit gewinnen? Reduziert der Westen seine früheren Forderungen nach sofortiger Wiederherstellung der demokratischen Ordnung auf eine bescheidene, realistische Erwartung, Bazoum ins Exil gehen zu lassen und die Putschisten auf einen Zeitplan für die Übergabe der Macht an eine gewählte Regierung festzulegen? Es gebe noch keine einfachen Antworten.

Wichtig sei die Tatsache, dass die Afrikanische Union auf einer Sitzung in ihrem Hauptquartier in Addis Abeba beschlossen hat, die Mitgliedschaft Nigers auszusetzen und erklärt habe, Zeit zu benötigen, um die möglichen Auswirkungen einer bewaffneten Intervention zu untersuchen.

Auch die nigerianische Öffentlichkeit sei vehement gegen ein militärisches Eingreifen der ECOWAS. Schließlich hatten ähnliche Interventionen in Liberia und Sierra Leone in der Vergangenheit kein glückliches Ende für Nigeria genommen, das von den westlichen Mächten in die Irre geführt worden sei. Außerdem habe Nigeria alle Hände voll zu tun mit einer ernsten inneren Sicherheitslage, auf die sich die Regierung und das Militär eigentlich fokussieren müsse. Die nördlichen nigerianischen Provinzen seien stammesgeschichtlich und ethnisch mit Niger verwandt und haben sich gegen den Krieg ausgesprochen. Soweit eine indische Sicht.

Mit russischen Augen

Andrew Korybko schrieb aus seiner Sicht, der eines russlandfreundlichen Analysten, am 17. August, dass der Putsch in Niger eine längst überfällige Diskussion über die Souveränität in West-Afrika angestoßen habe.

Die AU und die ECOWAS würden sich gegen den souveränen Willen des nigrischen Volkes stellen, während die militärisch geführten Übergangsbehörden des Landes, die neu gegründete Sahel-Allianz und Russland diese Souveränität auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene verkörpere, schreibt Korybko.

Der Streit zwischen der Afrikanische Union (AU) und der ECOWAS über Niger sei aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen an den jüngsten Regimewechsel auf dem Kontinent vorhersehbar gewesen. Die AU sei der Ansicht, dass der gestürzte Staatschef mit friedlichen Mitteln an die Macht zurückkehren sollte, während die aktiven Mitglieder der ECOWAS für eine gewaltsame Wiedereinführung seiner Herrschaft seien. Keine der beiden Organisationen unterstützten jedoch den dreijährigen Übergangsplan der Interimsbehörden. Die ECOWAS lehne ihn rundheraus ab und die AU suspendierte Niger gleich nach der Ankündigung.

Die AU habe außerdem "alle Mitgliedstaaten der AU und die internationale Gemeinschaft, einschließlich der bilateralen und multilateralen Partner, auf[gerufen], diesen verfassungswidrigen Regierungswechsel abzulehnen und sich jeglicher Maßnahmen zu enthalten, die dem illegalen Regime in Niger Legitimität verleihen könnten".

Dies sei geschehen, kurz nachdem Berichte aufkamen, wonach die Nachbarländer Burkina Faso und Mali, die ebenfalls von militärisch geführten Übergangsregierungen regiert werden, Kampfflugzeuge in Niger stationiert hatten, um eine von Frankreich unterstützte nigerianisch geführte ECOWAS-Invasion zu verhindern.

Ende letzter Woche, so der Bericht weiter, trafen sich die Außenminister der drei Länder in Niamey, wo sie eine gemeinsame Erklärung abgaben, in der sie vor allem Folgendes erklärten:

"Die drei Länder sind übereingekommen, sich im Falle einer Aggression oder eines terroristischen Angriffs gegenseitig Beistand in Fragen der Verteidigung und Sicherheit zu gewähren. Sie haben beschlossen, einen Konsultationsrahmen einzurichten, der es ihnen ermöglicht, ihre Maßnahmen zu koordinieren, um den vielfältigen Situationen und Herausforderungen zu begegnen, denen sie ausgesetzt sind. Dieser Konsultationsrahmen steht allen Ländern offen, die sich an dieser Dynamik beteiligen möchten, um auf die Sorgen und Bedürfnisse ihrer Bevölkerungen in Bezug auf Frieden, Sicherheit und wirtschaftliche und monetäre Entwicklung einzugehen. Zu diesem Zweck haben sie vereinbart, ein gemeinsames Sekretariat einzurichten".

Einfach ausgedrückt, haben sie ein regionales Bündnis zur gegenseitigen Verteidigung ("Sahelian Alliance") gegründet, meint Korybko, das auch die politische und wirtschaftlich-finanzielle Integration zwischen ihnen beschleunigen soll.

Dann kommt der Autor zur Frage, welche der drei an der westafrikanischen Krise beteiligten Organisationen - die AU, ECOWAS und die Sahel-Allianz - wirklich den souveränen Willen des nigrischen Volkes repräsentieren. Und in diesem Zusammenhang meint er, sei die ausführliche Reaktion des russischen Außenministers Lawrow auf den Regimewechsel in diesem Land erwähnenswert. Er nennt den Link auf die gesamte Erklärung und fasst zusammen:

„…im Wesentlichen kam er zu dem Schluss, dass die militärisch geführten Übergangsregierungen der Region die Beziehungen ihrer früheren Führungen zum Westen zum Wohle ihrer Bevölkerung neu ausbalancieren wollten.“

Diese Beobachtung passe zum Thema seiner Analyse, denn sie untermauere die Ansichten, die der burkinische Staatschef Ibrahim Traore Ende Juli auf dem zweiten Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg geäußert habe. Während er im Kreise seiner afrikanischen Amtskollegen sprach, die mutig genug waren, dem Druck des Westens zu widerstehen, habe er vielen von ihnen vorgeworfen, Marionetten des Imperialismus zu sein, weil sie sich gegen seine vom Militär geführte Übergangsregierung stellten, nachdem diese von der AU und der ECOWAS suspendiert worden war.

Die Bevölkerung seines Landes und die von Guinea, Mali und nun auch Niger, die in ähnlicher Weise vom Militär regiert werden, hätten sich alle hinter ihre bewaffneten Kräfte gestellt, nachdem sie ihre französischen Marionettenregierungen gestürzt hatten, und dennoch würden sie von diesen beiden Organisationen in unterschiedlichem Maße bestraft. Und Niger drohe nun sogar eine Invasion. Es liege auf der Hand, dass alle diese militärisch geführten Übergangsregierungen tatsächlich von der Bevölkerung unterstützt werden, denn sonst gäbe es Versuche einer Farbrevolution und sogar staatsfeindliche Rebellionen/Aufstände/Terrorismuskampagnen, habe Traore erklärt.

Zwar seien Burkina Faso, Mali und Niger, so Korybko weiter, - die sich jetzt zur Sahel-Allianz zusammengeschlossen haben - in der Tat mit terroristischen Bedrohungen konfrontiert, doch sind diese auf einen radikalen ideologischen Virus zurückzuführen, der den jeweiligen Militärputschen vorausging und nicht auf diese Regimewechsel zurückzuführen sei. Die AU repräsentiere jedoch das afrikanische Establishment, dessen Mitglieder befürchten, von ihren eigenen Streitkräften gestürzt zu werden. Aus diesem Grund lehnten sie Staatsstreiche stets ab, selbst wenn sie in der betroffenen Bevölkerung beliebt sind.

Dasselbe gelte für die Haltung von ECOWAS. Dieses Bündnis sei im Grunde nur eine regional ausgerichtete Version der AU, das eher das westafrikanische Establishment als die westafrikanische Bevölkerung vertrete. Da der Staatsstreich im Niger der vierte im Einflussbereich von ECOWAS sei, müssten die nicht suspendierten Mitglieder der ECOWAS besorgter über die Möglichkeit eines so genannten "Dominoeffekts" sein, als die weit entfernte AU. Mit anderen Worten: Die Angst davor, das gleiche Schicksal zu erleiden, bewege diese Regime dazu, die Welle von patriotischen Militärputschen eindämmen zu wollen.

Obwohl Russland formell gegen den Putsch und auch gegen jeden verfassungswidrigen Regimewechsel ist, sei Moskaus Haltung viel pragmatischer als die der anderen Länder. Nach dem Putsch sei Mali nach der Zentralafrikanischen Republik zu einem der engsten militärischen Partner Russlands auf dem Kontinent geworden, während Burkina Faso erwäge, in die Fußstapfen des Nachbarn zu treten, nachdem Interimspräsident Traore im Frühjahr erklärt habe, er betrachte Russland als strategischen Verbündeten seines Landes. Diese beiden sahelischen Sicherheitsbeziehungen florierten weiter, obwohl sich Moskau gegen die verfassungsfeindlichen Regimewechsel in diesen Ländern ausgesprochen hat. Russland glaube an eine Zusammenarbeit mit diesen Ländern während des Übergangs.

Im Gegensatz dazu sind die AU und die ECOWAS gegen die Legitimierung der von ihnen suspendierten Staatsoberhäupter durch Dritte, auch wenn dies den objektiven Interessen aller Beteiligten zugute kommen könnte. Was das positive russische Beispiel der Unterstützung Malis und Burkina Fasos im Kampf gegen transnationale Terroristen zeige. Es sei wichtig, daran zu erinnern, dass es weder in diesen beiden Ländern noch in Guinea oder Niger zu Versuchen einer Farbrevolution oder ernsthafter staatsfeindlicher Gewalt gekommen ist, was die Unterstützung der Bevölkerung für die jeweiligen Machthaber bestätige.

Korybko ist, entgegen der erklärten Skepsis von Bhadrakumar der Meinung, dass die Staatsstreiche aus patriotischen Gründen durchgeführt wurden, um den Wunsch der Völker nach echter Souveränität zu verwirklichen, nachdem sie jahrzehntelang unter der neokolonialen Besatzung Frankreichs als De-facto-Sklaven gelebt hätten.

Was die Interessen Russlands betreffe, so habe das Land pragmatisch beschlossen, den Führungen dieser Länder nach den Putschen im Kampf gegen den transnationalen Terrorismus zu helfen, da dies im Interesse ihrer eigenen Bevölkerung, der Region und ganz Afrikas liegt. Diese drei - Nigers neue Behörden, die Sahel-Allianz und Russland - seien die wahren Vorreiter der Souveränität in Westafrika.

Aktuelle Situation

Anfang der Woche tauchen nun Berichte auf, dass der französische Botschafter die Frist, das Land zu verlassen, habe verstreichen lassen, ohne Anstalten zur Abreise erkennen zu lassen. Was nun drohen könnte, ist eine Situation, ähnlich zu der 1979 im Iran. Wobei jedoch die neue Regierung im Niger versucht den „Ball flach zu halten“, und Demonstranten davon reden, die Botschaft belagern zu wollen, und den Strom, Wasser und andere Versorgungsleitungen kappen zu wollen, bis der Botschafter endlich das Land verlässt. Die neue US-Botschafterin habe sich ebenfalls geweigert, die neue Regierung anzuerkennen, allerdings gab es am Dienstag dieser Woche noch keine Aufforderung an sie, das Land zu verlassen.

Im Hintergrund soll Biden nun eine „exklusive Einladung“ an Nigerias Bola Ahmed Tinubu ausgesprochen haben, sich am Rande der bevorstehenden Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) in New York City mit ihm zu treffen, trotz dessen Vergangenheit als Drogenhändler und Geldwäscher in den USA(5). Angeblich sollen Gespräche über die Niger-Krise vorangetrieben werden, so die Sonderbeauftragte des US-Präsidenten und stellvertretende Staatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten, Botschafterin Molly Phee. Darüber hinaus sagte Phee:

"Wir wissen, dass wir noch mehr tun können, um Anreize für große amerikanische Investitionen in Nigeria zu schaffen (…) zur Stärkung der Wirtschaft des Landes und der regionalen Wirtschaft (…) Präsident Joe Biden hat um ein Treffen mit Ihnen am Rande der UN-Generalversammlung gebeten, und Sie sind der einzige afrikanische Staatschef, den er um ein Treffen gebeten hat. Das ist ein Zeichen seiner Wertschätzung für Ihre Führungsqualitäten".

Biden schätze Tinubu mehr als jeden anderen afrikanischen Führer, weshalb er der einzige sei, den Biden um ein Treffen am Rande der UN-Generalversammlung gebeten hat? Eine tolle Karriere vom Drogenhändler zum US-Präsidentenfavoriten.

In Afrika hört man Kommentare im Radio, die erklären, dass Biden vermutlich neugierig sei, wie es Tinubu geschafft hat, dass trotz des Drucks Frankreichs und des Westens insgesamt noch kein militärischer Angriff erfolgt ist. Außerdem erwartet man subtile Drohungen einerseits und Zucker, Versprechungen von Investitionen andererseits.

Fazit

Über 10 Jahre waren ausländische Truppen insbesondere aus Frankreich, Deutschland, und den USA in den Staaten der Sahel-Zone unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“, ohne aber sichtbare Erfolge zu erzielen. Tatsächlich aber waren sie nach dem Eindruck der Bewohner der betroffenen Länder nur ausländische Mächte mit Waffen, welche durch Ausbildung des Militärs einerseits, und Verstärkung des politischen Drucks andererseits, Einfluss auf die Politik der Länder nahmen. Erstaunlicherweise ist die „Ausbildung des Militärs“ nun offensichtlich ebenso erfolglos gewesen wie der Kampf gegen Terrorismus.

Russland und China gehen andere Wege. China konzentriert sich darauf, die Regierungen durch Ausbau der Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren, unabhängig davon, welche politische Richtung gerade das Sagen hat. Russland seinerseits liefert über die angeblich private Söldnerorganisation Wagner Waffen und bildet nicht nur seine Sicherheitskräfte aus, sondern ist intensiv in den Kampf gegen die Terroristen eingebunden. Außerdem ist Wagner äußerst erfolgreich darin, die Stabilität staatlicher Organisationen zu schützen. Unabhängig davon, ob sie „autoritär“ oder „demokratisch“ sind. Außerdem nutzt Wagner die Erfahrungen aus Syrien, um lokale Terrorgruppen zur Aufgabe und Wiedereingliederung zu überzeugen. Dieses Vorgehen von China und Russland hat sich als äußerst effektiv erwiesen und die Bevölkerungen von immer mehr afrikanischen Ländern möchten gerne davon profitieren.

Kommt es nun zum großen Krieg in Afrika oder nicht? Ich sehe gute Chancen, dass er vermieden werden kann, denn zu deutlich sieht man auch in Afrika, was in der Ukraine passiert.

Quellen und Hinweise: Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka

(1) https://www.telepolis.de/news/Der-Schwarze-Raum-des-Zbigniew-Brzezinski-4577289.html

(2) Die Suche nach Quellen zeigt, wie perfekt inzwischen die Algorithmen von Google erreichen, nicht ins Narrativ passende Informationen zu unterdrücken. Einen kleinen Einblick in den Sumpf der Geheimoperationen im Iran gibt immerhin ein Artikel der Washington Post https://www.washingtonpost.com/archive/politics/1982/01/31/iran-documents-give-rare-glimpse-of-a-cia-enterprise/d929c0c8-5743-4bc2-8697-3390fe115e81/

(3) https://www.indianpunchline.com/niger-revolution-takes-bonapartist-turn/

(4) https://www.premiumtimesng.com/news/top-news/618003-biden-wants-to-meet-with-tinubu-american-envoy.html

(5) https://www.welt-sichten.org/artikel/41115/der-pate-von-lagos

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Andy.LIU / shutterstock


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