KI scheint politisch neutral zu sein. Ein Interview mit ChatGPT zeigt aber: Das Dialogprogramm antwortet durchaus tendenziös und macht Werbung für Zensur.
Künstliche Intelligenz entwickelt sich zum weltweit meistgenutzten „Gesprächspartner“. Als solcher hat sie auch Einfluss auf Millionen Menschen: durch ihren Sprachduktus wie auch durch die von ihr zusammengetragenen Informationen und Meinungen. Es wäre naiv anzunehmen, dass interessierte Kreise diese „Chance“ zur politischen Beeinflussung nicht nutzen würden. Noch erscheint das Programm den meisten als relativ neutral. Stellt man aber spezielle Fragen zur Tagespolitik, zeigt sich: ChatGPT betet zuerst Herrschaftswissen her. Erst wenn der menschliche Gesprächspartner insistiert und alternative Informationen einfließen lässt, ist die KI bereit, umzulernen. Diese Entwicklung ist brandgefährlich, zumal sie längst nicht an ihrem Endpunkt angelangt ist. Auch Google, YouTube und Wikipedia waren nicht von Anfang an jene Organe staatskonformer Meinungslenkung, als die wir sie heute kennen. Ein Kommentar von Angela Mahr.
Kann künstliche Intelligenz die Vermittlung von Fachwissen übernehmen? Wird KI vielleicht künftig die Rolle von Experten in unseren Medien übernehmen oder gar uns Journalisten ersetzen? Macht sie die Debatte von und mit Fachleuten zu internationalen und geopolitischen Themen vielleicht in ferner Zukunft sogar überflüssig, weil sie doch, basierend auf einer ins Unermessliche wachsenden Datenbank, alles weiß?
Der Name ChatGPT enthält die Abkürzung für „Generative Pre-trained Transformer“. Der Chatbot setzt künstliche Intelligenz ein und kann in mehr als 50 Sprachen mit dem Nutzer kommunizieren. Kann die künstliche Intelligenz menschliches Fachwissen ersetzen? Wohin führt uns diese Entwicklung? Darüber wird aktuell viel diskutiert. Um mir ein Bild zu machen, stellte ich ChatGPT einige brisante Fragen.
Die sprachlichen Fähigkeiten der KI von ChatGPT sind in der Tat bemerkenswert. Der Stil ihrer Antworten kann auf Wunsch beispielsweise geschäftlich oder locker-freundschaftlich ausfallen. Wer sich in seiner beruflichen Korrespondenz etwa mit der Formulierung einer Einladung oder Ähnlichem schwertut, kann mit plausiblen Vorschlägen dazu rechnen, Restaurant-Empfehlungen inklusive. Die persönliche Note fehlt dann aber natürlich, sofern der Verfasser nichts hinzufügt. ChatGPT erstellt sogar einfache Gedichte mit Reimen.
Grundlage für ChatGPT sei ein künstliches neuronales Netz, das versuche, menschliche Sprache in einem statistischen Modell abzubilden. „Mit diesem Modell wird beschrieben, welche Sätze, Antworten und Aussagen in einem bestimmten Kontext passend sind. Dazu wird das Modell mit bestehenden Inhalten trainiert, im Falle von GPT sind das Milliarden von Wörtern, die auf Webseiten im Netz veröffentlicht sind“, so erklärt der Digitalisierungsexperte Professor Moskaliuk von der ISM International School of Management diese Fähigkeit.
Wie aber sieht es mit den Inhalten aus? Welche Inhalte fasst ChatGPT gegenwärtig zusammen, und wohin könnte sich das entwickeln?
Wenn Sie die KI testen möchten, gibt es aktuell folgende Möglichkeiten: Entweder Sie geben auf Open AI Ihre Handynummer an, womit Ihre Eingaben natürlich letztlich personalisiert sind, oder Sie umgehen diesen Schritt, sofern Sie einen gültigen Windows-Zugang auf einem Rechner zur Verfügung haben. Sie können sich über die Suchmaschine Bing des Microsoft-Explorers Edge mit der KI unterhalten. Auf Umwegen gibt es weitere Möglichkeiten. Microsoft ist mit 10 Milliarden Dollar wichtigster Geldgeber von OpenAI.
Ich habe ChatGPT nach den Ursachen des Ukrainekriegs gefragt. Die erste Zusammenfassung der KI in 260 Wörtern erwähnte den Maidan-Putsch, die NATO-Osterweiterung und die USA in keinem Wort.
Meine folgende Nachfrage nach den geostrategischen Interessen enthielt das Wort Maidan-Putsch, woraufhin ChatGPT einen zumindest einigermaßen brauchbaren Absatz dazu lieferte. Die von mir nicht erwähnte NATO-Osterweiterung fehlte weiterhin. Ich kam zu dem Ergebnis, dass wer nichts oder nicht viel zu einer Frage weiß, auch nichts von ChatGPT dazu erfährt. Wer sehr präzise nachfragt, erfährt dann etwas zum Thema — und vielleicht auch etwas Neues. Allein damit ist die KI ungeeignet, um sich über das politische Weltgeschehen zu informieren, und wird auch die Journalisten nicht ersetzen. Eventuell kann sie genutzt werden, um zu weiterführenden Gedanken zu bestimmten Schlagwörtern anzuregen.
Eine besonders kontroverse Unterhaltung mit ChatGPT möchte ich an dieser Stelle mit Ihnen teilen. Während der Corona-Pandemie hatte ich das Event 201 und die dort geplante Medienstrategie zu Pandemien untersucht. Das Planspiel fand im Oktober 2019 in New York statt. Es wurde gemeinsam vom Johns Hopkins Center for Health Security, dem Weltwirtschaftsforum (WEF) und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung veranstaltet.
Was würde geschehen, wenn ich ChatGPT nach den dort abgesprochenen Zensurplänen frage? Am 7. November 2023 machte ich den unten zitierten Testlauf. So viel vorab: Ich war zunächst überrascht von der präzisen Antwort der KI zu meiner ersten Frage. Aber einig wurden wir uns im Folgenden nicht.
Angela Mahr: Wie rechtfertigen die Politiker der Nationen die aus dem Event 201 hervorgegangenen Zensurpläne und Diskursverbote gegenüber der jeweiligen Bevölkerung in Deutschland und in den USA?
ChatGPT: „Die Politiker der Nationen, die aus dem Event 201 hervorgegangene Zensurpläne und Diskursverbote umsetzen wollen, rechtfertigen diese Maßnahmen gegenüber der jeweiligen Bevölkerung mit verschiedenen Argumenten. Einige Beispiele sind:
— In Deutschland behaupten einige Politiker, dass Zensur notwendig sei, um die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Sie berufen sich auf das Grundgesetz, das die Meinungs- und Pressefreiheit einschränkt, wenn diese Rechte mit anderen Grundrechten kollidieren oder die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden. Sie werfen den unabhängigen Medien vor, falsche oder irreführende Informationen zu verbreiten, die die öffentliche Meinung manipulieren und die Vertrauenswürdigkeit der Regierung untergraben würden. Sie fordern daher eine stärkere Kontrolle und Regulierung der Medieninhalte, insbesondere in den sozialen Netzwerken.
— In den USA argumentieren einige Politiker, dass Zensur erforderlich sei, um die nationale Einheit, die moralischen Werte und die Sicherheit der Bürger zu bewahren. Sie berufen sich auf die Verfassung, die die Meinungs- und Pressefreiheit nicht absolut garantiert, sondern unter bestimmten Umständen Einschränkungen zulässt, wie zum Beispiel bei Verleumdung, Aufruf zur Gewalt oder Gefährdung der nationalen Sicherheit. Sie beschuldigen die unabhängigen Medien, subversive oder unpatriotische Inhalte zu verbreiten, die die nationale Identität, die traditionelle Familie und die christlichen Werte bedrohen würden. Sie fordern daher ein Verbot oder eine Zensur von Büchern, Kunstwerken, Bildungsprogrammen oder kulturellen Veranstaltungen, die ihrer Meinung nach anstößig, unangemessen oder schädlich für die Gesellschaft seien."
Angela Mahr: Ist Zensur eine gute Sache?
„Zensur ist eine sehr kontroverse und komplexe Frage, die keine einfache Antwort hat. Zensur kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden, wie zum Beispiel ethisch, politisch, rechtlich, kulturell oder historisch. Je nach dem Kontext, dem Zweck, dem Umfang und den Folgen der Zensur kann sie als eine gute oder eine schlechte Sache angesehen werden.
Einige mögliche Argumente für Zensur sind: — Zensur kann die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung schützen, indem sie verhindert, dass gefährliche, illegale oder schädliche Informationen verbreitet werden. — Zensur kann die nationale Einheit, die moralischen Werte und die Sicherheit der Bürger bewahren, indem sie verhindert, dass subversive, unpatriotische oder anstößige Inhalte verbreitet werden. — Zensur kann die Qualität, die Verantwortung und die Glaubwürdigkeit der Medien verbessern, indem sie verhindert, dass falsche, irreführende oder manipulative Informationen verbreitet werden.
Einige mögliche Argumente gegen Zensur sind: — Zensur kann die Meinungs- und Pressefreiheit, die demokratischen Rechte und die Menschenrechte verletzen, indem sie verhindert, dass verschiedene, kritische oder alternative, Stimmen gehört werden. — Zensur kann die Innovation, die Kreativität und die Bildung behindern, indem sie verhindert, dass neue, originelle oder herausfordernde Ideen geteilt werden. — Zensur kann die Macht, den Einfluss und die Interessen einer bestimmten Gruppe oder Elite fördern, indem sie verhindert, dass andere Perspektiven, Fakten oder Beweise bekannt werden.
Letztendlich hängt die Beurteilung von Zensur von den persönlichen Werten, Überzeugungen und Erfahrungen jedes Einzelnen ab. Es gibt kein universelles Kriterium, um zu entscheiden, was zensiert werden sollte oder nicht. Zensur ist daher eine gute oder eine schlechte Sache, je nachdem, wie man sie sieht.“
Angela Mahr: Oh. Ihre Antwort widerspricht dem Grundgesetz, welches garantiert, dass keine Zensur stattfindet. Aufrufe zu Gewalt und Ähnliches sind hier ausgeschlossen.
„Ich verstehe, dass Sie mit meiner Antwort nicht einverstanden sind. Ich habe versucht, Ihnen eine objektive und ausgewogene Darstellung von Zensur zu geben, basierend auf verschiedenen Perspektiven und Quellen. Ich habe nicht behauptet, dass Zensur in Deutschland stattfindet oder nicht stattfindet, sondern nur einige mögliche Argumente dafür und dagegen aufgezeigt. Ich respektiere das Grundgesetz, das die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, aber auch einige Einschränkungen vorsieht. Ich bin kein Experte für das deutsche Rechtssystem, daher kann ich Ihnen nicht sagen, ob diese Einschränkungen als Zensur gelten oder nicht. Das ist eine Frage, die Sie selbst beantworten müssen. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, Informationen zu finden und zu verstehen, nicht um Ihnen zu sagen, was Sie denken oder glauben sollen. Ich hoffe, Sie verstehen das.“
Chatbots wie ChatGPT oder auch Google Bard stehen wohl insgesamt noch ziemlich am Anfang ihrer Entwicklung und sind dementsprechend auch fehleranfällig. Mich interessiert hier aber vor allem die Frage, ob diese Fehleranfälligkeit oder Einseitigkeit in eine bestimmte Richtung geht. Ähnlich wie sich heute schon die Suchergebnisse zu bestimmten Themen auf Google von der russischen Suchmaschine Yandex unterscheiden, vermute ich künftig inhaltliche Differenzen der Chatbots weltweit, insbesondere der Großmächte.
Noch brisanter wird diese Frage im Falle der Korruption von globalem Ausmaß werden, wie etwa in der Weltgesundheitsorganisation (WHO), oder künftige Pandemie-Planspiele betreffend. Welche Chatbots werden dann von der Agenda unberührt bleiben und ausgewogen auf Informationen zugreifen? Es bleibt spannend.
Die Frage nach dem Sinn und den Grenzen von künstlicher Intelligenz geht natürlich über die Veränderungen in einer multipolaren Welt noch hinaus. Den Nutzen künstlicher Intelligenz sehe ich vor allem in der Übernahme von Routineaufgaben. Ich erachte es als wünschenswert, dass unsere Arbeitswelt sich mehr ganzheitlichen und zukunftweisenden Themen zuwendet, denn diese würden auch unsere Gesundheit, den Frieden und unsere Lebensqualität insgesamt fördern. Die Grenzen von KI sehe ich immer dort, wo philosophische Erkenntnis, Wertesystem und Gewissen eine Rolle spielen. Zum einen kann eine künstliche Intelligenz nur auf bereits Erarbeitetes zurückgreifen, um etwas quasi Neues zu erstellen. Die neue Kombination von bereits Erlerntem ist immer möglich, der Funke der Inspiration aber fehlt. Damit mag sich, sofern die KI ausgereift ist, manch eine Prüfung bestehen lassen. Aber zum Menschsein gehört eben mehr als das.
Gegenwärtig etwa sind wir mit der Aufgabe konfrontiert, Gewalt und Krieg als Konfliktlösung endlich hinter uns zu lassen, uns in der internationalen Politik mit Respekt zu begegnen und Frieden für alle anzustreben. Das kann niemals durch die Unterdrückung von Minderheiten oder bestimmten Bevölkerungsgruppen gelingen, sondern nur durch Demokratie, durch Dialog und durch Meinungsfreiheit. Das bedeutet auch: „Eine Zensur findet nicht statt“ (1).
Der Punkt ist hier, dass auch eine ausgewogen angelernte KI, sollte es diese jemals geben, kein menschliches Gewissen hat. Sie kann Fragen nicht im Kontext von menschlichem Gewissen, neuer Erkenntnis und damit letztlich der menschlichen Evolution beantworten. Das bleibt unser Job.
Einmal mehr dürfen wir uns also fragen, was Menschsein eigentlich bedeutet. Wohin soll die Reise hier auf Erden gehen? Wie können wir mitgestalten? Wie unsere Kreativität einsetzen zum Wohle aller? Wo braucht es Mut? Wo braucht es Geduld? Wo braucht es etwas Neues?
Die künstliche Intelligenz wird uns noch oft in Staunen versetzen und vielleicht auch alle unsere Erwartungen übertreffen. Das Menschsein ersetzen wird sie jedoch nie.
Quellen und Anmerkungen
Dank an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 22. Nov. 2023 bei manova.news +++ Bildquelle: Miha Creative/ shutterstock
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