Ein Standpunkt von Felix Feistel.
Die industrialisierte Massengesellschaft ist Ausdruck einer barbarischen Kultur
Jedes Jahr im Mai findet der Eurovision Songcontest statt, ein Wettbewerb, ausgetragen von der Europäischen Rundfunkunion, in immer unterschiedlichen Ländern. Weit mehr Länder, als nur die EU sind Teil dieses Spektakels, und tragen jedes Jahr die von ihnen ausgewählten Lieder vor, wonach dann in einem Ranking durch Punktevergabe der Mitglieder entschieden wird, welches Lied das beste war. Auch dieses Jahr wurde dieses Event in Liverpool abgehalten, stellvertretend für den Ort, wo es eigentlich hätte stattfinden sollen: In der Ukraine. Diese hatte im vergangenen Jahr gewonnen, und daher eigentlicher Austragungsort dieser Veranstaltung sein sollen. Aufgrund der derzeitigen Situation vor Ort konnte der ESC allerdings nicht in diesem Land stattfinden. Wie jedes Jahr, so war der Eurovision Songcontest in diesem Jahr hauptsächlich eines: Die Bankrotterklärung einer Massenkultur.
Denn bei der dort vorgestellten Musik handelt es sich in der Regel um massentaugliche Stangenware. Radiotauglichkeit ist auch eines der Kriterien, die von der Musik erfüllt werden müssen. Im Bestreben, den Sieg zu erringen passen die Schreiber, Sängerinnen und Sänger ihren Stil an die breite Masse an, und so verkommt die gesamte Musik zu einem popkulturellen Einheitsbrei, der wenig Individuelles hervorbringt, sondern in fraktaler Selbstähnlichkeit immer nur die Wiederkehr des ewig Gleichen zelebriert. Die Mehrheit der Lieder wird in englischer Sprache vorgetragen, beinahe alle sind einem aus den USA importierten elektronischen Pop nachempfunden, der heutzutage ohnehin aus jedem Radiosender plärrt.
Die wenigen Ausnahmen, die auf Individualität oder Folklore setzen, erzielen auch selten gute Ergebnisse. So trat Deutschland in diesem Jahr immerhin mit einer Metalband an, und wurde prompt auf den letzten Platz verwiesen. Die Plagiatsvorwürfe, die der schwedischen Gewinnerin Loreen kurz nach ihrem Sieg gemacht wurden, erklären sich in erster Linie wohl nicht aus dem tatsächlichen Abkupfern, sondern daher, dass die Musik heutzutage einfach immer gleich klingt. Sie entspringt einer massenkulturellen Kulturindustrie, die einen einheitlichen Massengeschmack produziert hat, der immer wieder bedient werden will. So ist der ESC die Bankrotterklärung der kapitalistischen Massenkultur.
Dabei ist die grundsätzliche Idee des ESC eine ganz und gar unterstützenswerte. Kulturen, die noch vor nicht allzu langer Zeit im Krieg miteinander lagen, sich als Feinde und Konkurrenten gesehen haben, kommen in einem großen Event zusammen, um gegenseitig ihre Kultur in Form von Musik, Tänzen und Kleidung vorzustellen. Auf diese Weise lernen die Menschen verschiedener Länder einander kennen und schätzen, was Krieg gegeneinander unmöglich machen soll. Nur leider hat sich das Event von dieser Idee längst entfernt. Nicht nur wird es immer wieder als politische Bühne missbraucht, in der klare, politische Statements gemacht werden. So durften in diesem Jahr Russland und Weißrussland beispielsweise nicht teilnehmen, und die Vertreter Deutschlands schwenkten auch nicht die eigene Nationalflagge, sondern die Fahne einer LGBTQ-Ideologie – als einziges Land, übrigens. Doch auch auf Ebene der Kunst selbst ist von der ursprünglichen Idee nicht mehr viel übrig. Statt heimatlicher Folklore herrscht einheitlicher Pop, statt heimische Tänze ebenso popkulturelle Performances, die ohnehin den wichtigsten Aspekt der Show darstellen. Durch das Punktesystem und das Streben nach dem Sieg ist auch das friedensstiftende Projekt zu einer Konkurrenzveranstaltung geworden.
Von den Kulturen, die sich dort einander bekanntmachen, ist heutzutage ohnehin nicht mehr viel übrig. Denn Kultur ist das eine Gruppe von Menschen miteinander verbindende Element. Sie ist nicht die Kunst, die ein Volk hervorbringt, drückt sich aber in ihr aus und wird von ihr wiederum beeinflusst. Kultur ist die Gesamtheit der Werte, Glaubenssysteme, Weltanschauungen, dem alltäglich Erlebten und bestimmt die Interpretation des Lebens, der gemachten Erfahrungen und von Ereignissen. Sogar die Entscheidungen, die auf politischer oder individueller Ebene getroffen werden, sind von der Kultur bestimmt. Auch die Sprache ist ein wichtiger Bestandteil der Kultur, und sie wird von dieser geprägt. Kultur drückt sich beispielsweise in bestimmten Redewendungen aus, die Ausländern vollkommen unverständlich sind, sowie in lokale Dialekten.
Die jeweilige Kultur ist so tief in jeden einzelnen eingebrannt, dass er sich ihren spezifischen Denk- und Verhaltensweisen schwer entziehen kann. Nicht nur saugt der Mensch sie schon mit der Muttermilch auf, und bekommt sie als vollkommen normale, alltägliche Brille vor die Nase gesetzt, durch die er die Welt betrachtet, sondern sie ist in das kollektive Unterbewusste der Völker oder Länder eingeschrieben. Sie ist den Menschen so alltäglich, wie dem Fisch das Wasser, sodass ihre spezifischen Eigenheiten nur dann wahrzunehmen sind, wenn man den Raum einer Kultur für eine Weile verlässt, und sich in eine fremde Kultur hinein begibt.
Wenn wir uns nun anschauen, was die verbindenden Werte und Glaubenssysteme sind, so stoßen wir beinahe global, mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt, auf ähnliche Erscheinungen. Neben den großen Weltreligionen, welche die Gesellschaften lange Zeit bestimmten, hat sich eine neue, kulturelle Kraft etabliert, und das ist der Kapitalismus. Er bestimmt die Lebenswirklichkeit der Menschen heutzutage viel drastischer, als Religionen es jemals zu können vermocht hätten. Denn er durchwirkt das Leben jedes Einzelnen in jedem Bereich. Die Logik der Ökonomie, die alles und jeden einem fiktiven Markt unterwirft, hat alle Lebensbereiche kapitalisiert, von der Wiege bis zur Bahre und jeden Widerstand dagegen effektiv zerstört. Heute ist es nicht mehr möglich, den Klauen des Kapitals zu entkommen. Jeder muss sein Leben in irgendeiner Form verdienen, muss sich dem Zwangssystem aus Geld und Lohnarbeit unterwerfen. Der Kapitalismus ist der große Gleichmacher des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts. Auf diese Weise formte und formt er auch die Kulturen um. Denn das Leben der Menschen wird nicht mehr bestimmt vom Willen Gottes, von übernatürlichen Kräften, Geistern oder Magie, den Jahreszeiten, Mondzyklen oder Saat- und Erntezeiten, sondern von der „unsichtbaren Hand des Marktes“, von der Gewalt des Kolonialismus und eines Systems, das auf totale Verwertung angelegt ist. Alles und jeder wird dieser Verwertung zugeführt, und so muss jeder entscheiden, wie er sich dieser Verwertung zuführen lässt. Dieser grundlegenden Vorstellung kann der Einzelne nicht entkommen.
Kultur wurde dabei im Laufe der Jahrhunderte weitgehend zerstört. Durch die Industrialisierung wurden die Menschen vom Land in die Städte gezwungen, somit ihrer Wurzeln beraubt, und hatten überdies nicht mehr die Zeit, sich mit Kultur zu beschäftigen. In einer künstlichen Umgebung der Fabriken und Arbeiterquartiere verloren die Menschen den Bezug zu der Heimat, in der sie gelebt hatten, zur Natur, die sie umgeben hatte, und waren in die Identitätslosigkeit des gesichtslosen Arbeiters geworfen worden. Lediglich die Religion bot vielen noch einen gewissen Halt, doch auch diese Kultur, obwohl seit Jahrhunderten schon herrschend, war eine Massenkultur geworden, die viele unterschiedliche Kulturen in Europa und Übersee okkupiert, und sich ihre Eigenheiten einverleibt hatte.
Später, als die Industrialisierung in die nächste Phase eintrat, sich von Europa in andere Länder verlagerte und sich die Dienstleistungsgesellschaften bildeten, erstand die Kultur wieder auf, jedoch unter dem Vorzeichen der Kapitalisierung. Das Paradigma der Technologie, des Fortschrittes, des Wohlstandes, der Arbeit und der totalen Vernunft war zum beherrschenden Aspekt menschlichen Lebens in Europa geworden, und damit die alles verbindende Kultur, die jedoch jeden transzendentalen Aspekt vermissen ließ. Was zählte und heute noch immer zählt ist der reine Materialismus, und aus diesem ergibt sich auch die vollkommene Überhöhung des Geldes und materieller Besitztümer. Die Kunst wie Musik, Tanz, Kabarett, Theater, Literatur, all das musste sich in erster Linie verkaufen, und wurde auch nur nach diesem Gesichtspunkt ausgesucht und verbreitet.
So ist auch die langweilige Gleichförmigkeit der Musik beim ESC zu erklären. Denn auch die Schreiber der Musik, sowie die Künstler sind dem Zwang unterlegen, ihre Kunst in Geld zu verwandeln. Das geht am effektivsten, wenn man sich dem Massengeschmack anpasst. Lieder, die im Radio gespielt werden, bringen schon per se mehr ein, als jene, die eben nicht gespielt werden und der Sieg beim ESC verspricht viel Sendezeit in ganz Europa und darüber hinaus Verkäufe und Downloads. Allein darauf ist die Musik auch angelegt. Hinzu kommt, dass die Moden schnell kommen und vergehen. Wer erfolgreich bleiben will, muss ständig nachliefern. Kunst ist so zu einer Industrie geworden, die mittelmäßige Stangenware für jeden Geschmack produziert. Auf diese Weise hat sich aber der Massengeschmack auch angepasst. Der Konsument nimmt, was er bekommt, und er bekommt, was er nimmt. Es ist ein Teufelskreis, oder besser eine Spirale abwärts, denn was produziert wird, leidet schon seit Jahrzehnten an einem extremen Qualitätsverfall, und ist zudem nur die stetige Wiederholung eines längst schon zum Klischee gewordenen einheitlichen Designes.
Dasselbe Muster lässt sich in der Literatur ebenso beobachten, wie auf der Kinoleinwand. Die immer selben Geschichten beherrschen beide Medien in einer erschreckenden Einfallslosigkeit. Seien es die immer gleichen Kriminalromane, in denen sich die immer gleichen Killer durch die Seiten morden. Der klassische Kriminalroman geht ungefähr so: Ein mysteriöser Mord geschieht. Mit der Ermittlung wird der Kommissar oder die Kommissarin beauftragt, der oder die wahlweise kurz vor seiner oder ihrer Pension steht, oder aber er oder sie muss aus dem Ruhestand reaktiviert werden. In der Regel handelt es sich noch um schwere Alkoholiker oder eine psychisch anderweitig stark mitgenommene Person aufgrund erlebter Traumata. Der Fall, der sich dem Ermittler präsentiert, erinnert diesen dann an einen Fall aus seiner Vergangenheit, dessen Täter er aber längst geschnappt zu haben glaubt. Kann es sein, dass diese Person doch nicht der Täter war? So mordet sich der Killer durch die Seiten und wird dabei verfolgt, bis der Ermittler selbst in dessen Händen landet, und nur im letzten Moment gerettet werden kann. Manchmal gibt es auch Ermittlerduos, bei denen aber beide Personen auf ihre Weise psychische Wracks sind und dieselben Muster aufweisen, nur diesmal verteilt auf zwei Personen.
Auch im Kino herrscht die Wiederkehr des ewig Gleichen vor. In unzähligen Comicverfilmungen von Marvel und DC wird die Welt von den immer gleichen Superhelden vor der Vernichtung gerettet. Daneben seichte Komödien oder das Porträt einer Person, die stellvertretend für eine gerade wieder aktuelle Modeerscheinung steht, wie etwa Feminismus oder Antirassismus. Hin und wieder werden die sozialen und gesellschaftlichen Missstände in fulminanter Science Fiction metaphorisch zur Schau gestellt, nur, damit sich auch für die notorisch Unzufriedenen der Eintritt einmal lohnt. Romanverfilmungen werden bemüht, wenn den Schreibern wirklich nichts eigenes mehr einfällt, oder aber man verfilmt einen schon existenten Film einfach nochmal.
Wie alles, entspringt auch das, was einmal Kunst genannt worden ist, einer auf Profit und Verkauf ausgelegten Massenkultur. Diese dem Kapitalismus entsprungene Kultur, hat jede echte Kultur längst verdrängt und durch etwas Synthetisches, etwas ganz und gar Künstliches ersetzt. Ein ganz und gar globaler Einheitsbrei hat das Individuelle, das Einzigartige jeder Kultur überzogen und dem Paradigma der ökonomischen Verwertbarkeit unterworfen. Denn auch die ganzen Kulturen, die ja lediglich in der Kunst ihren Ausdruck finden, sind von dieser Verwertungslogik durchdrungen. Sie unterwirft jeden Einzelnen und zwingt ihm auf, sich sein Leben „verdienen“ zu müssen. Auf diese Kultur nimmt die Kunst Bezug, seien es das heutzutage übertrieben politisierte Theater, seien es die Actionfilme, in denen der vermeintlich Gute sich durch die Weltgeschichte morden darf, seien es die Dystopische Science Fiction, die zwar das Zerstörerische der heutigen Kultur thematisiert, aber lediglich ins Extrem projiziert.
Gerade daran wird deutlich: es ist eine Kultur der Konkurrenz und des Kampfes. Jeder Einzelne befindet sich in einem beständigen Kampf um Lohn und Brot. Dabei konkurriert er mit anderen, die ebenfalls darauf angewiesen sind, beides von anderen zu erhalten. Die Ökonomie ist in jede Sphäre der Gesellschaft eingedrungen, sie beherrscht jeden einzelnen Aspekt. Dadurch ist sie zum bestimmenden Faktor der Kulturen geworden, zu der bestimmenden Kultur. Sie hat religiöse Jenseitsvorstellungen ebenso abgelöst, wie ein in Jahreszeiten, Klimazonen lokal wurzelnde Vorstellung vom Leben. Der kapitalistische Arbeitsfetisch wurde durch Kolonialismus und Globalisierung jeder Kultur gleichermaßen aufgezwungen. Ob bei 40 Grad in Südgriechenland, Starkregen in Indien, auch unter vollkommen unmenschlichen Bedingungen wird die acht bis zehn Stundenwoche jedem Individuum übergestülpt. Es gibt kein zu warm, zu kalt mehr zum arbeiten, nie die falsche Jahreszeit, die falschen Umstände. Unter Aufopferung des eigenen Wohlbefindens werden die Menschen in die zerstörerische Maschine des Kapitalismus geworfen, und fristen ihr Dasein im elenden, ewigen Kampf um das tägliche Leben. Oder aber sie werden als nutzlos aussortiert, dann fristen sie ein Dasein in Elend und Armut.
Doch gleichzeitig liefert der Kapitalismus die Ablenkung von diesem Missständen durch seinen extremen Konsumrausch und seinen Träumen von einer bunten Glitzerwelt, in der jeder alles schaffen kann, wenn er es nur wirklich will. Diese widerstreitenden Erfahrungen bilden den Bezugsrahmen für die moderne Kunst, die doch nur ein Klischee ist, und im Grunde der individuellen Erfüllung des Traums von Reichtum und Glück bleibt. Diese Kultur als Bezugsrahmen ist global geworden, und hat die lokalen Kulturen weitgehend ersetzt. Natürlich gibt es noch immer lokale Eigenheiten, die auch gerade die augenfälligsten Unterschiede zwischen verschiedenen Völkern bilden. Doch dabei handelt es sich mehr um Relikte aus der Vergangenheit, die sich hartnäckig halten, jedoch von der kapitalistischen Kultur mehr und mehr zerstört werden. Ein gutes Beispiel davon liefert der Umgang mit Griechenland während der Eurokrise. Damals wurde vor Allem der deutsche Arbeitsfetisch den Griechen aufgezwungen. Das Klischee des faulen Griechen wurde bemüht, um die Griechen zu mehr Arbeit zu schlechteren Bedingungen zu zwingen, obwohl die Griechen im Durchschnitt ohnehin schon mehr gearbeitet haben, als die Deutschen. Dass es in Ländern wie Griechenland, aber auch Spanien oder Italien im Sommer schlicht zu heiß ist, um tagsüber zu arbeiten, und sich daher kulturell eine Mittagsruhe von mehreren Stunden eingebürgert hat, wird dabei als Beweis für die Faulheit dieser Völker hergenommen. Die kapitalistische Maschine darf niemals stillstehen, und so werden die Menschen dazu genötigt, auf ihre kulturelle Eigenheit zu verzichten. So wird das Verschwinden der klassischen Siesta in Spanien beispielsweise als Fortschritt und als unabänderliche Entwicklung dargestellt. <1>
Damit zeigt sich, dass die kapitalistische Kultur sich mit Gewalt in die Leben der Menschen drängt. Es ist eine Kultur der Gewalt, des Kampfes, der Konkurrenz, des Konsums. Sie hat einen unglaublichen Kampf aller gegen alle entfesselt, und legitimiert diesen mit der regelnden Kraft des sogenannten Marktes, der lediglich ein Euphemismus für die Gewalt einer monopolisierten Oligarchie darstellt. Sie ist aber auch nur der vorläufige, industrielle, konsumistische und monopolisierende Höhepunkt einer viel weiter zurückreichenden Kultur, die Macht legitimiert, und damit die einen Menschen über andere stellt, Menschen einen Wert zuschreibt und diese dann miteinander vergleicht. Es ist eine Kultur von Hierarchie, die Gewalt gegenüber Menschen rechtfertigt, und damit auch Kriege, Völkermorde und die Zerstörung der Natur, die dem Menschen Untertan gemacht wird.
Kultur ist der Schlüssel zur totalen Herrschaft über Menschen. Daher zielt jedes totalitäre Herrschaftssystem, sei es der Nationalsozialismus, der Sowjet-Sozialismus, die Kirche oder der Kapitalismus auf diese Kultur. Diese wird okkupiert, wie es die Kirche gemacht hat, als sie sich „heidnische“ Bräuche, Rituale und lokale Gottheiten einverleibte, oder direkt zerstört und durch eigenen Kitsch ersetzt, wie es der Nationalsozialismus ebenso machte, wie der Sowjet-Sozialismus. Denn in der Kultur liegt die Grundlage für die eigene Kraft einer Bevölkerung, für den eigenen Willen, die Identität und die Selbstbestimmung. Daher muss sie zerstört und durch etwas anderes ersetzt werden, das die Herrschaft stützt. Die Kirche hat das ebenso getan, wie jedes andere, auf totalitären Machtanspruch gerichtete Herrschaftssystem. Seit Jahrtausenden werden wir von einer Kultur der Hierarchie beherrscht. Die einen Menschen stellen sich über andere, indem sie einen natürlichen oder göttlichen Herrschaftsanspruch erfinden, und diesen zur Legitimation der Unterdrückung der Mehrheit heranziehen. Diese Kultur der Unterdrückung hat den Menschen Unfreiheit, Armut, Hunger, Ausbeutung, Angst und Gewalt beschert. Sie hat jedes repressive Regime hervorgebracht, das nur beständig sein Gesicht wechselt. Vom König zum Kaiser, vom Kaiser zur Kirche, von der Kirche zur Diktatur, von der Diktatur zur sogenannten Demokratie. Immer löste ein repressiver Zwangsapparat den anderen ab, der mal mehr mal weniger grausam die Menschen unterwirft, sie klein hält, ihre Potenziale unterdrückt und somit sicherstellt, dass sie immer brav und folgsam sind, und das Prinzip der Herrschaft an sich nicht in Frage stellen. Krieg und Gewalt sind daraus ebenso hervorgegangen, wie die Zerstörung der Umwelt, sogenannte Zivilisationskrankheiten, Armut und Elend.
Als Mahatma Gandhi einmal gefragt wurde, was er über die westliche Zivilisation denke, antwortete er: „Ich denke, das wäre eine gute Idee.“ Eine solche Zivilisation ist in tausenden von Jahren nicht entstanden. Stattdessen leben wir in einem System der Barbarei, in welcher das Gesetz des Stärkeren gilt, in welchem diejenige Mafia sich bereichert, der es gelingt, sich als Staat zu etablieren, und ihre Besitz- und Herrschaftsansprüche verrechtlichen zu lassen.
Wollen wir tatsächliche Freiheit erlangen, eine Zivilisation erschaffen, die dieses Namens würdig ist, die Frieden und Gleichberechtigung tatsächlich lebt, und die von den Menschen mitgestaltet werden kann, die in ihnen leben, dann müssen wir zunächst eine neue Kultur schaffen. Es muss eine Kultur des Miteinanders sein, statt der Konkurrenz und Gewalt, eine Kultur der Gemeinschaft, der Kreativität, der Fülle. Vor allem aber muss es keine Kultur sein, die über große Gebiete hinweg die Menschen vereinheitlicht. Menschen sind unterschiedliche, und je weiter sie voneinander entfernt leben, desto mehr unterscheiden sich ihre Lebensbedingungen voneinander, sodass sich auch die Menschen voneinander unterscheiden, und damit ihre Kultur. Die Vereinheitlichung, wie sie im Laufe der Geschichte zu immer größeren Konstrukten geführt hat, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Schon die Idee einer deutschen Nation ist eine Illusion. Denn was hat ein typischer Bayer mit einem Hannoveraner, einem Hamburger oder einem Sachsen gemein? Die Sprache kann es nicht sein, denn diese weisen allerhöchstens Ähnlichkeiten auf. Auch die Kulturen unterscheiden sich drastisch. Bayern ist Österreich kulturell näher, als Hamburg, trotzdem befindet es sich in Deutschland.
Im Osten Deutschlands wiederum gibt es mit den Sorben eine ethnische Minderheit, die sich nur dort findet, nicht jedoch in Westdeutschland. Geht man noch weiter in der Geschichte zurück, lebten im Osten Deutschlands mehrheitlich slawische Völker, die nach und nach von den Franken erobert wurden. Wie also soll hier eine Vereinheitlichung funktionieren? Was soll die deutsche Nation sein? Was soll sie ausmachen? Eine Rückbesinnung auf alles, was vermeintlich Deutsch sei, ist daher keine ideale Lösung.
Eine neue Kultur kann nur lokal entstehen, ohne übergeordnete Ideologien, ohne vereinheitlichende Systeme. In lokalen Gemeinschaften, ob auf dem Land oder in der Stadt können lokale Kulturen entstehen. Dafür muss man sich von dem übergeordneten System des Kapitalismus, aber auch der Idee von Macht und Herrschaft frei machen. Nur im Miteinander kann Kultur entstehen, die nicht auf Kampf, Krieg, Unterwerfung und Profit ausgerichtet ist. Dieses Miteinander muss von ganz anderen Grundprinzipien getragen werden, und kann lokal, vor der eigenen Haustür beginnen. Das heißt aber nicht, dass man sich von der Außenwelt abkoppelt. Das geht in der derzeitigen Lebenswirklichkeit ohnehin nicht. Zudem ist ein Austausch wichtig, um sich gegenseitig zu bereichern. Diese gegenseitige Bereicherung von Kulturen wird gegenwärtig auch unterbunden. Von rechts mit dem Argument der Deutschtümelei, von Links mit dem Argument der kulturellen Aneignung. Beides geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.
So kann man sich lokal organisieren, aber global vernetzen, um möglichst viele Orte zu schaffen, die ganz andere Prinzipien verwirklichen. Dieses Netzwerk kann sich über die ganze Welt erstrecken, und es kann ein reger Austausch stattfinden, durch den sich die einzelnen Gemeinschaften und Kulturen gegenseitig inspirieren. Eine solche neue Kultur erfordert aber auch einen grundlegenden Wandel in der eigenen Persönlichkeit. Tausende Jahre der Gewalt und der Herrschaft sind nicht spurlos an den Menschen vorübergegangen, und so müssen Muster und Strukturen, die als ganz normal betrachtet werden, hinterfragt und aufgelöst werden. Tausende Jahre von Gewalt und Unterdrückung haben tiefe Traumata in den Menschen hinterlassen, die aufgelöst werden wollen. Das macht ganz gewiss nicht immer Spaß und ist mühsame Arbeit, aber eine wichtige Grundlage für eine friedliche und freie Welt. Es erfordert, das Miteinander neu zu denken, den Wert des Individuums, aber auch der Gemeinschaft neu zu entdecken, private Angelegenheiten in die Gemeinschaft zu tragen, und sich von dieser unterstützen zu lassen.
Wenn solche Gemeinschaften an vielen Orten der Welt entstehen, kann die ganze Welt dadurch in relativ kurzer Zeit geheilt werden. Denn alle Menschen sind an ein höheres Bewusstseinsfeld angeschlossen. Rupert Sheldrake nennt dies morphogenetisches Feld, Pim van Lommel spricht in seinem Buch „Endloses Bewusstsein“, in dem er sich mit dem Phänomen der Nahtoderfahrungen beschäftigt, von einem „nicht-lokalen“ Bewusstsein. Dieses Feld verbindet alle Lebewesen miteinander, und aus diesem werden permanent Informationen in das Bewusstsein der Menschen tübertragen, und umgekehrt. Dadurch kann das Feld beeinflusst werden durch alles, was Menschen machen, sagen und denken. So erklären sich kollektive Traumata, so erklären sich Massenhysterien, wie wir sie in Zeiten der Coronasimulation erlebt haben. All das wird hier gespeichert und hat eine nachhaltige Wirkung. Doch ebenso können die Traumata auch aufgelöst werden, wenn sich immer mehr Menschen auf diesen Weg machen, und neue, andere Informationen in das Feld hochladen. Wenn sie das Feld mit Informationen von Frieden, Miteinander, Gemeinschaft, Fülle und Kreativität füllen, dann werden davon auch Menschen beeinflusst, die sich noch nicht auf dem Weg befinden. Die ganze Welt kann somit in relativ kurzer Zeit einen Bewusstseinssprung erleben, und die Lebensrealität der Menschen kann sich sehr schnell drastisch zum Besseren wenden.
Es müssen sich nur einige auf den Weg machen, eine neue Kultur zu erschaffen, oder besser viele neue Kulturen. Diese bringen dann auch wieder echte Kunst hervor, die nicht auf Vermarktung ausgerichtet ist, sondern die Lebenswelt des Künstlers reflektiert und seine Kultur zum Ausdruck bringt. Und dann erfüllt eine Veranstaltung, in der diese Kunst aus möglichst vielen Kulturen zusammenkommt, nicht in der Idee eines Wettbewerbes, sondern eines Festivals, auch wieder seine Funktion, einen friedlichen und bereichernden Austausch zu schaffen.
Quellen
(1) https://www.deutschlandfunk.de/spanien-und-die-siesta-die-kult-mittagspause-passt-nicht-100.html
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Anton_Ivanov/ shutterstock
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