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Lachend in die Isolation – Der deutsche „Sonderweg“ | Von Hermann Ploppa

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Ein Kommentar von Hermann Ploppa.

Wie schon im Ukraine-Krieg, so auch im neuen Nahostkrieg – die deutsche Politik brilliert durch eine geradezu selbstmörderische Einseitigkeit.

Deutscher Sonderweg: da haben früher unsere amerikanischen Freunde die Nase gerümpft und die Brauen hochgezogen, wenn der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sich mit Wladimir Putin in der Sauna traf, um den Nordstream-Gas-Deal auszuhandeln. Heute haben wir wieder einen deutschen Sonderweg. Denn während sich überall auf der Welt neue Bündnissysteme entwickeln und die amerikanische Hegemonie am Schwinden ist, bindet sich unsere deutsche Elite enger als jemals zuvor an die USA und ihren engsten Verbündeten in Nahost, Israel nämlich. Diese suizidale Neigung Deutschlands wird von den anderen Ländern mit Kopfschütteln und sarkastischen Witzen kommentiert. Die Bundesregierung handelt wie ein Selbstmordattentäter, der sich an eine tickende Zeitbombe kettet.

Ja, der Überfall der Hamas auf israelisches Gebiet und die rücksichtslose Ermordung, Folterung und Entführung von unschuldigen Zivilisten war erbärmlich, feige, schlichtweg: unterirdisch. Und selbstverständlich hoffen wir alle, dass die israelischen Geiseln in der Hand der Hamas heil und unversehrt wieder zu ihren Familien zurückkehren. Aber dieser erbärmliche Anschlag kam nicht von ungefähr. Seit 56 Jahren vegetieren im Gazastreifen zweieinhalb Millionen Menschen vor sich hin auf engstem Raum. Ohne jede Perspektive und immer wieder Militärschlägen der israelischen Gewalt wehrlos ausgesetzt. Die Gaza-Bewohner waren zuvor die rechtmäßigen Bewohner Palästinas und wurden von heute auf gestern aus ihren Häusern vertrieben und nach Gaza verschleppt. Rechtsextreme jüdische Siedler haben sich in den landschaftlichen Filetstücken angesiedelt, wo zuvor Araber lebten. Und es ist nichts unternommen worden, um den Druck aus dem Gaza-Kessel herauszunehmen. Selbst wenn es zu einem Waffenstillstand käme – der Status Quo ist schlicht unhaltbar.

Und da kommt sofort unsere Außenministerin Annalena Baerbock nach den Hamas-Anschlägen nach Israel geeilt, vergießt Krokodilstränen über das Leid der Israelis und verkündet: wir sind jetzt alle Israelis! <1> Eine Woche später folgt Bundeskanzler Olaf Scholz und versichert Israel der bedingungslosen Unterstützung Deutschlands <2>. Baerbock und Scholz sind auf einem Auge blind. Als Scholz in Israel weilte, waren bereits zu den 1.500 Gewaltopfern auf israelischer Seite über 3.000 Todesopfer durch israelische Raketenangriffe auf das überfüllte Gaza-Gebiet zu beklagen. Doch Scholz und sein Verteidigungsminister Boris Pistorius wollen Israel zwei Heron-Drohnen zurückgeben, die Israel an Deutschland geleast hatte. Dazu jede Menge Munition und eine nicht genauer definierte Lieferung von „Sanitätsmaterial“ <3>. Das bedeutet nichts weniger als aus einem Schwelbrand durch Hinzufügen von Benzin einen Flächenbrand zu machen.

Ruhe an der „Heimatfront“

In dieser Situation zeigt sich der deutsche Sonderweg noch von einer ganz anderen Seite: seit der Durchführung der Corona-Kampagne hat sich ein totalitäres Freund-Feind-Schema durchgesetzt, das Deutschland praktisch von allen anderen Ländern unterscheidet. Wer nicht aktiv das Narrativ der Bundesregierung und der Pharmaindustrie vertrat, dass Impfen das einzig zulässige Mittel ist, die vermeintlich tödliche Seuche Corona zu bekämpfen, wurde als Feind betrachtet, der ausgesondert werden muss. Die deutsche Verbände-Demokratie im Zusammenspiel mit einer absolut synchronisierten Presse setzte das Regierungsnarrativ erbarmungslos bis in die letzten Sportvereine und Freiwilligen Feuerwehren durch: bist Du nicht für uns, dann bist Du gegen uns! Es kam zu den einschlägig bekannten Einschüchterungen durch rohe Gewalt, richterliche Bestrafung, Ächtung und zu massenhaftem Mobbing.

Das Schema ist jetzt fest eingespurt in die deutsche Gesellschaft. Denn auch der nachfolgende Ukraine-Krieg wurde unterkomplex abgehandelt: da ist der böse Russe, der die friedfertige Ukraine ohne Grund und ohne ersichtlichen Anlass einfach so mal eben grausam überfällt. Die Vorgeschichte des Konflikts, besonders seit den Ereignissen von 2014, wurden komplett ausgeblendet. Auch hier das bekannte Freund-Feind-Schema: wer der bedingungslosen Aufrüstung der Ukraine widersprach, war ein Agent des Feindes. Medien, die der Weisheit der Bundesregierung widersprachen, wurden kurzerhand abgeschaltet.

Und jetzt eben genau dieses Primitiv-Schema wieder beim jüngsten Nahostkrieg. Hier ist die Keule noch viel schlimmer: wer der Erzählung der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu widerspricht, ist damit automatisch ein Antisemit. Die Araber, per definitionem ja selber Semiten, sind in dieser Erzählung die schlimmsten Antisemiten. Gegen die Araber Krieg zu führen, das ist geradezu moralische Verpflichtung aller Deutschen.

Aus diesem Grund verfügte die Berliner Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch, dass es Schulleitern erlaubt ist, den Schülern das Tragen des berühmten Palästinenser-Halstuchs zu untersagen, während zur gleichen Zeit die Fahne Israels an das Brandenburger Tor projiziert wurde <4>. Demonstrationen gegen das brutale Vorgehen der israelischen Streitkräfte wurden allesamt im Vorfeld schon untersagt – selbst dann wenn jüdische Verbände solche Demonstration anmelden wollten <5>.

Deutsche Politiker – ein Panoptikum des Grauens

Während Juden ihrer Verärgerung über die ultrarechte Netanyahu-Regierung weltweit Ausdruck verleihen, überbieten sich deutsche Politiker gegenseitig darin, dem isolierten Netanyahu ihre bedingungslose Loyalität darzubringen. Angeführt wird die Rangliste der Absurditäten vom CDU-Rüstungslobbyisten Roderich Kiesewetter <6>. Der wusste doch tatsächlich anzumerken, dass wir Deutschen im Zweifelsfall für Israel unser Leben opfern müssten <7>. Wir alle sind gespannt, wann der Reserveoffizier Kiesewetter seine Uniform anzieht und mannhaft im Nahkampf die Hamas-Kämpfer attackiert. Natürlich darf da auch Frau Strack-Zimmermann von der FDP nicht fehlen, die den Kampf gegen die Hamas sogleich mit dem Krieg gegen den Iran verbinden möchte <8>. Da wollte auch der zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz nicht hintenan stehen <9>. Auch Merz möchte lieber heute als morgen den Konflikt auf den Iran ausweiten, wie er bei einer Bundestagsdebatte betonte:

"Das Mullah-Regime ist eine existenzielle Bedrohung nicht nur für Menschenrechte und die Freiheit im eigenen Land, sondern auch für das Leben der Menschen in Israel und den Fortbestand ihres ganzen Staates."<10>

Da ist Dietmar Bartsch von der „Links“partei in seinem Vorstoß gegen den Iran bescheidener. Bartsch will lediglich Technologie-Transfer an den Iran einschränken <11>. Die Grüne Katharina Dröge sicherte den Juden in Deutschland quasi Bestandsschutz zu. Doch da platzt Alexander Gauland von der vollkommen zu Unrecht als antisemitisch eingestuften Alternative für Deutschland der Kragen. Was die Bundesrepublik da an Solidaritätsbekundungen absondere, seien nichts anderes als „Lippenbekenntnisse“. Denn durch deutsche Steuergelder würden die Terrorgruppen in Nahost finanziert – das sei ein „unglaublicher Skandal“ <12>. Die ehemalige Goldman Sachs-Bankerin und jetzige AfD-Fraktionschefin Alice Weidel ist da schon einen Schritt weiter. Sie geht offenkundig davon aus, dass die israelischen Bodentruppen recht bald die Bewohner des Gazastreifens von dort vertrieben haben werden. Deutschland dürfe diesen Leuten kein Asyl gewähren. Dagegen betont der AfD-Co-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla, dass in Nahost diplomatische Mittel angesagt sind und nicht militärische Gewalt. Dafür kassiert Chrupalla gerade viel Ärger von den zahlreichen Netanyahu-Freunden in der AfD <13>.

Doch die totale Intoleranz gegen alles, was die Netanyahu-Regierung ärgern könnte, geht weiter. Die Frankfurter Buchmesse wollte eigentlich der palästinensischen Schriftstellerin Adania Shibli einen Literaturpreis verleihen. Das wurde nun „aus Solidarität mit Israel“ abgesagt <14>. Inwiefern man Solidarität mit Israel ausübt indem man eine völlig unbeteiligte Autorin ächtet, das bleibt das Geheimnis der verantwortlichen Macher der Frankfurter Buchmesse. Damit hat sich Deutschland wieder einmal in der Welt blamiert und isoliert. Denn schon über 700 namhafte Autoren haben gegen diese Selbstzensur protestiert und zahlreiche Aussteller aus islamischen Ländern haben ihr Erscheinen in Frankfurt abgesagt.

Scheuer Blick durch das deutsche Bullauge auf den Rest der Welt

Ein solches mittlerweile wieder einmal typisch deutsches Freund-Feind-Denken wird im Rest der Welt mit ungläubigem Staunen beobachtet. Wer im Rest der Welt gegen die Brutalität der Netanyahu-Regierung demonstrieren will, kann das durchaus tun. In den USA gibt es solche Demonstrationen, und zwar zahlreich, bevorzugt von jungen jüdischen US-Bürgern <15>. Dasselbe Bild in Großbritannien <16>. Und sogar, mit Abstrichen, in Israel selbst. In Israel gibt es zudem kritische Journalisten wie Gideon Levy. Levy darf seine sehr scharfe Kritik an der Netanyahu-Regierung regelmäßig in der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz veröffentlichen <17>. Massenhaft demonstrieren Israelis gegen Netanyahu. Zumeist wegen seines vermeintlichen Versagens beim Hamas-Überfall. Doch ist den Demonstranten klar, dass der Zustand im Gaza-Streifen unhaltbar ist. Deswegen wollen sie auch nicht, dass Gewalt gegen Israelis jetzt mit Gewalt gegen unschuldige Palästinenser vergolten wird.

Diesen Menschen steht eine kleine aber hochgefährliche Clique von Extremisten gegenüber, die de facto den Genozid gegen die Palästinenser befürworten. Eine Vertreterin dieser Linie ist die Parlamentsabgeordnete Revital Gotliv, die vor kurzem forderte, die Bevölkerung des Gaza-Streifens mit Atombomben auszulöschen <18>. Die Regierung Netanyahu ist von dieser Radikal-Lösung nicht mehr weit entfernt. Denn die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch wirft Netanyahu vor, im bereits stattfindenden Raketenbeschuss auf Gaza Phosphorbomben einzusetzen <19>. Diese grässliche Vorform der Atombombe wurde bereits im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung in Hamburg, Bremen, Lübeck oder zuletzt in Dresden eingesetzt.

Sollten sich diese Vorwürfe bewahrheiten, dann ist der israelische Premierminister Netanyahu ein Kriegsverbrecher und muss dem Internationalen Gerichtshof überstellt werden. Dafür spricht sich jedenfalls die spanische Sozialministerin Ione Belara aus <20>.

Im Zuge der täglichen Berichterstattung über das Grauen in dieser Welt sind wir schon abgestumpft. Dass im Gaza-Streifen zweieinhalb Millionen Menschen zusammengepfercht sind, die jetzt in schrecklichster Angst ohne Wasser, Strom und Lebensmittel jeden Tag damit rechnen müssen, von Bomben oder von Bodentruppen ausgelöscht zu werden, das grollt irgendwo in uns. Wir können nichts machen. Wir können uns nur den hoffnungsvollen Worten anschließen, die der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres auf der Konferenz der Belt and Road-Initiative in der chinesischen Hauptstadt Beijing zu den anwesenden Staats- und Regierungschefs aus 130 Ländern gesprochen hat:

„Ich bin mir voll bewusst der Klagen des palästinensischen Volkes nach 56 Jahren Besatzung. Jedoch so schlimm die Beschwerden auch sind, sie können nicht die Terrorakte der Hamas gegen Zivilisten am 7. Oktober rechtfertigen, die ich sofort verurteilt habe. Aber diese Angriffe können nicht die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes rechtfertigen ... Und ich bin entsetzt über die hunderte von Menschen, die im Al Ahly Krankenhaus an genau dem heutigen Tag im Gaza-Streifen durch einen Angriff, den ich heute bereits scharf verurteilt habe, zu Tode gekommen sind. Ich rufe zu einem sofortigen humanitären Waffenstillstand auf, um genügend Zeit und Raum zu haben, um meine beiden Appelle zu verwirklichen und damit das unbeschreibliche menschliche Leiden zu lindern, dessen Zeugen wir gerade geworden sind. Zu viele Leben – und das Schicksal der gesamten Region - stehen auf dem Spiel. Mag der Geist dieses Treffens [der Belt and Road-Initiative] jenen helfen, die jetzt dringend Frieden benötigen.“ <21>

Eine neue, friedliche und gerechte Weltordnung ist möglich. Es liegt an uns, den selbstzerstörerischendeutschen Sonderweg zu beenden und uns zu öffnen für die Kräfte des Aufbaus.

Quellen und Anmerkungen

<1> https://www.tagesschau.de/ausland/asien/baerbock-israel-100.html <2> https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/scholz-israel-110.html <3> https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9373 <4> https://www.berliner-zeitung.de/news/berliner-schulen-verbot-von-palaestina-symbolen-und-tuechern-ab-sofort-erlaubt-li.2149166 <5> https://www.zdf.de/nachrichten/politik/israel-palaestina-demonstrationen-deutschland-verbot-100.html <6> https://www.telepolis.de/features/Kennen-Sie-Roderich-Kiesewetter-3378207.html?seite=all <7> https://twitter.com/frankthepunk1/status/1713926622603010381 <8> https://www.rnd.de/politik/israel-solidaritaetserklaerungen-deutscher-politiker-muessen-taten-folgen-Z7S42ITH2FC2FJV5JPAFQSNAKE.html <9> https://staging.apolut.net/friedrich-merz-der-insolvenzverwalter-fuer-blackrock-von-hermann-ploppa/ <10> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-10/bundestag-debatte-israel-gazastreifen-antisemitismus-iran <11> siehe <10> <12> siehe <10> <13> https://www.tagesspiegel.de/politik/unverantwortlichen-asyl-migrationspolitik-weidel-gegen-aufnahme-von-gefluchteten-aus-gaza-1064 <14> https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9377 <15> https://www.youtube.com/watch?v=H4SBOjXQSSc <16> https://www.youtube.com/watch?v=x65y_2B3c0E <17> https://www.youtube.com/watch?v=4rxjT1jKqsQ <18> https://twitter.com/TallyGotliv/status/1711426284322996613 <19> https://www.hrw.org/news/2023/10/12/questions-and-answers-israels-use-white-phosphorus-gaza-and-lebanon <20> https://twitter.com/ionebelarra/status/1713836554047602877 <21> https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2023-10-18/secretary-general%E2%80%99s-remarks-the-3rd-belt-and-road-forum-for-international-cooperation +++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Matthias Wehnert / shutterstock


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