Ein Meinungsbeitrag von Gerald Ehegartner.
„Ich lebe in der Sprache“,
formulierte Bei Ling, der bekannte chinesische Poet und Dissident, im Rahmen eines Interviews, fernab von seinem ehemaligen Heimatland. Auch Roger Willemsen, der Deutschland viel zu früh abhanden gekommene Genius, verortete als ewig Reisender seine Heimat in der Sprache.
Wenn also eine Muttersprache auch in der Fremde Zufluchtsstätte, Asyl und Heimat bieten kann, so leben aktuell wohl 103 Millionen Menschen in der Heimat der deutschen Sprache. Deutsch ist neben Russisch somit die Muttersprache mit dem größten Bevölkerungsanteil am Kontinent Europa. Über 100 Millionen Menschen aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Schweiz, Belgien, Luxemburg, Südtirol usw., die zuerst über ihre Mütter mit deutschen Lauten, Silben und Wörtern in Kontakt kamen, sprechen, denken und träumen in der Sprache der Dichter und Denker. Weltweit beherrschen ungefähr 280 Millionen Menschen Deutsch auf unterschiedlichem Niveau.
Man könnte also meinen, die Sprache der Dichter und Denker stünde hoch im Kurs, sie wäre ein identitätsstiftender Fels in der Brandung einer gesellschaftlich aufgepeitschten See. Doch gerade die deutsche Sprache kämpft zum einen mit Vorurteilen, die lange Bärte tragen und zum anderen mit der postmodernen Lust an der Ablehnung und Fragmentierung eigener Identitäten.
Deutsche Sprache, schwere Sprache
„Deutsche Sprache, schwere Sprache“ war noch nie ein kluger Werbespruch und motivierender Zuruf für diejenigen, die Deutsch als Fremdsprache erlernen möchten.
Mark Twain, kaum um einen pointierten Spruch verlegen, meinte sinngemäß gar, dass Deutsch am besten zu den toten Sprachen abgelegt gehörte, denn nur Tote hätten Zeit, diese Sprache zu lernen. Er habe einen kalifornischen Studenten in Heidelberg sagen hören, er werde lieber zwei Drinks ausschlagen als ein deutsches Adjektiv zu deklinieren.
Deutsch mag also nicht wie ein schneller Drink zu kippen sein, aber die reichhaltige Sprache beschenkt den Lernenden mit einem großen Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten.
Der Reichtum der deutschen Sprache
Goethe benutzte vermutlich bis zu 100.000 Wörter. Der aktive Wortschatz des deutschsprachigen Durchschnittsbürgers umfasst in etwa 12.000 bis 16.000 Begriffe. Wie viele Wörter aber leuchten wie Sterne vom Firmament der deutschen Sprache? Es ist eine astronomische Zahl. 2017 sprengte die elektronische Datenbank namens Dudenkorpus alle zuvor erhobenen Analysen ob der deutschen Wortfülle. Der deutschsprachige Raum schwimmt geradezu in einem grenzenlosen Meer von sage und schreibe 23 Millionen Wörtern, wobei hier lediglich die Grundformen wie Infinitiv und Nominativ Singular gezählt wurden.
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“,
formulierte der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein. Der deutsche Sprachhimmel dünkt endlos zu sein. Zum Vergleich: Das Oxford English Dictionary, das den gesamten Wortschatz der englischen Sprache in ihrer historischen Fülle und ihren regionalen Varianten zu erfassen versucht, listet derzeit etwa 620.000 englische Wortformen auf.
Nicht alle deutschen Wortsterne leuchten aus dem deutschen Wörterbuch, die schiere Menge würde die Buchdeckel sprengen. Aus der neuen Auflage des Dudens funkeln bloß 145.000 Wörter, die die gestrengen Prüfer vom Sprachhimmel pflückten. Ein wesentliches Potential für die außergewöhnliche Wortdiversität - das ist übrigens ein gerade geborenes Neuwort - der deutschen Sprache liegt in ihrem hochkreativen Baukastensystem. Jeder Sprachheimwerker kann sich mit dieser Sprache neue Wörter bauen.
Wer kennt sie nicht, die zusammengesetzten Wörter, die bei zu großer Sprachbaubegeisterung die Aufmerksamkeit des Lesers strapazieren können, auch wenn er nicht an einer Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung leidet. Dieses 44 Buchstaben umfassende Wort gilt derzeit als das längste deutsche Wort im Duden und löste das 2013 wieder aufgehobene Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, das 63 Buchstaben umfasste, ab. Es geht aber auch kürzer: Man nehme die beiden Nomen Freude und Schaden und schon hat man ein Wort in Händen, das andere Sprachen erst gänzlich neu erfinden müssen. Man könnte dabei Schadenfreude empfinden, wäre man politisch nicht so korrekt erzogen worden.
Die deutsche Sprache, welche zur indogermanischen Sprachfamilie zählt, lädt jedoch auch zum Bilden von Wörtern voller Poesie ein. „Flockenherde“ und „lichterheilig“ finden sich zum Beispiel im Adventsgedicht des österreichischen Dichtergenius Rainer Maria Rilke.
Die Struktur und Intelligenz der deutschen Sprache
Inmitten all der Vielfalt bemängeln Kritiker gerne den komplizierten Satzbau der deutschen Sprache. Der Wohlgesonnene nimmt den deutschen Satzbau jedoch als gelenkig und flexibel wahr. Satzglieder können verschoben werden und betonen damit Inhalte äußerst differenziert. Das sprunghafte Verb und besonders die Teilung von diesem trainieren geistige Disziplin. Der Sinn des Satzes erschließt sich oftmals erst am Ende, dadurch ist auch eine rückwirkende Gesamtschau möglich. 36 Phoneme und 30 Grapheme sowie 4 Fälle sind kaum der Rede wert. Allein die finnische Sprache leistet sich 15 Fälle, Kambodschanisch provoziert gar mit 74 Buchstaben.
Die Groß- und Kleinschreibung verleiht der geschriebenen Sprache eine übersichtliche Struktur, Nomen und Nominalisierungen ragen im Schriftbild heraus. Auch die Beistrichsetzung trägt zur Klarheit bei. Es macht einfach einen Unterschied, ob man schreibt: „Wir essen, Opa!“ oder „Wir essen Opa!“
Die pseudo-progressive Forderung von manchem Politiker, die Vermittlung von Orthografie und Interpunktion an den Schulen zu vernachlässigen, da es ohnehin Korrekturprogramme gebe, kann nur einer fatalen Unkenntnis ob der Natur des Denkens entspringen.
„Die Sprache ist der Leib des Denkens“,
formulierte Hegel, der Philosoph der Freiheit. Wenn wir also sogar die schriftliche Struktur und Form der Sprache schwächen, so schwächen wir klares und folgerichtiges Denken und somit unseren Geist. Gerade die deutsche Sprache war und ist jener Nährboden, in dem die herausragenden kulturellen, geistigen und wissenschaftlichen Errungenschaften des deutschen Sprachraums wurzeln.
Der beflügelnde Klang der deutschen Sprache
Deutsch ist mit seiner Vielzahl an liebenswürdigen und die Sprache charmant abfedernden Partikeln eine erstaunlich freundliche Sprache. Bloß, halt, überhaupt, ja, mal, nur, etwa usw. sind beziehungsfördernde Schmiermittel in jeder Kommunikation. Die deutsche Sprache sei die Orgel unter den Sprachen, erklärte der deutsche Dichter Jean Paul. Sie sei eine der musikalischsten Sprachen und käme der Klangfülle eines Orchesters vielleicht am nächsten, schwärmte ebenso der spanische Schriftsteller Salvador de Madariaga. Schopenhauer hielt sie gar für eine der drei vollkommensten Sprachen der Welt.
Deutsch – eine widerständige Sprache aus dem Volk
Die Sprache der Germanen ist im Gegensatz zu manch anderen Sprachen mehrfach vom Volk gegen den Widerstand der Herrschenden erkämpft und durchgesetzt worden. Die Entwicklung der deutschen Sprache kann demnach als eine regelrechte Gras- bzw. Sprachwurzelbewegung verstanden werden.
Wesentliche Personen der deutschen Sprachgeschichte
Johannes Gutenberg verhalf später mittels des revolutionären Buchdrucks nicht nur der deutschen Sprache, sondern auch unzähligen anderen zu neuen Höhenflügen. Er trug gemeinsam mit dem Mönch und Theologen Martin Luther, der die Bibel für das Volk ins Deutsche übersetzte, zu einer Demokratisierung des Wissens und der Bildung bei. Der Rebell und Reformator Luther erfand auch Wörter wie Herzenslust, geistreich, Schauplatz und Feuereifer. Zuvor war es bereits der Mönch und geniale Hauptvertreter der Deutschen Mystik, Meister Eckhart, der seine Predigten nicht nur in der Sprache der Leute hielt, sondern unzählige neue deutsche Wörter formte: Gelassenheit, begreifen, bilden, einleuchten, Eindruck, Einfluss, Empfänglichkeit, Erleuchtung, Wirklichkeit und Geistigkeit zählen etwa zu seinen Wortschöpfungen.
Neben Christian Wolff, Johann Gottsched, Maria Theresia, Immanuel Kant, Konrad Duden, den Gebrüdern Grimm und vielen anderen bedeutenden Personen der deutschen Sprachgeschichte, gilt Joachim Heinrich Campe als beeindruckender Aufklärer und Worterfinder. Schmückte und schmückt sich so manch Gebildeter und auch Eingebildeter je nach Zeitgeist gerne mit griechischen, lateinischen, französischen und italienischen Begriffen, so deutschte der aufklärerisch und nicht nationalistisch motivierte Campe im Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert Tausende Fremdwörter ein. Aus der Universität wurde die Hochschule, aus der Debatte das Streitgespräch, antik wurde zu altertümlich, Rendezvous zu einem Stelldichein, insolvent zu zahlungsunfähig usw.
Im 21. Jahrhundert, in dem der vermeintlich Progressive mit Anglizismen jongliert, wäre diese Rückbesinnung wohl eine revolutionäre Tat. Sie müsste jedoch in großer Offenheit und frei von negativem Purismus geschehen. Schiller und Goethe stürmten und drängten als Zeitgenossen von Campe mit der deutschen Sprache in gänzlich neue Dimensionen vor. Die rebellische Epoche des Sturm und Drang mit seinem Geniekult ist in der Literaturgeschichte beispiellos und existierte nur im deutschen Sprachraum. Ja, Deutschlands Genius kann sich auch wie seine Sprache rebellisch und ungehorsam zeigen.
Bedrohungen, Eingriffe und gendergerechte Sprache
Die hauptsächlich aus dem Volk entsprungene deutsche Sprache wird aktuell jedoch nicht bloß durch ein Übermaß an Anglizismen bedrängt.
Eine Bildungspolitik, die aufgrund eines neoliberalen und immer offener zu Tage tretenden militarisierten Zeitgeistes die Form über den Inhalt stellt, die sich an Kompetenz statt Bildung orientiert, da Kompetenz mess-, kontrollier- und verkaufbar ist, ist an der Bildung des ganzheitlichen Menschen nicht interessiert. Es geht um Human Ressources statt um humanistische Bildung im Geiste Humboldts, um kriegerische Ausbeutung auf allen nur erdenklichen Ebenen statt um Frieden.
Das Gehirn und die Sprache selbst werden vermehrt zum Kriegsschauplatz einer hypermodernen Kriegsführung. Inhalte werden dabei vielfach mittels Ideologie bloß simuliert oder durch sie ersetzt. Selbstredend wird hiermit auch in die Sprachform eingegriffen. Im Zuge dessen wird Kunstsprache aufgelegt, statt natürliche Sprachwurzeln zu pflegen. Top-down statt bottom-up, um es mit Anglizismen auszudrücken.
Ein Teil dieser postmodernen Entwicklung ist die gendergerechte Sprache, die in die Struktur und den Klang der Sprache, in ihren natürlichen Fluss eingreift, diesen anhält und ihn in ein feminines bzw. regenbogenfarbenes Gewand zu zwängen versucht. Man will die deutsche Sprache angeblich in eine diskriminierungsfreie Sprachzone transformieren, steht sie doch seit Jahren unter dem unverdienten Generalverdacht des Sexismus und neuerdings der Queerfeindlichkeit.
Die drei Geschlechter – Sexus, Genus und Gender
Dabei werden das biologische Geschlecht, auch Sexus genannt, das grammatikalische Geschlecht, als Genus bezeichnet, und das soziale Geschlecht, ebenso Gender genannt, für die Anklage oft wild durcheinandergeworfen.
Das grammatikalische Geschlecht verweist nicht auf das biologische
Die drei grammatikalischen Geschlechter der deutschen Sprache - feminin, maskulin und neutrum - korrelieren zum Beispiel keineswegs automatisch mit den zwei biologischen Geschlechtern. Die grammatikalischen Geschlechter von die Eichel, das Glied, das Mädchen, der Muttermund, das Hymen, die Vorhaut, das Weib und der Busen zeigen offensichtlich keinen biologischen Hintergrund. Ebenso werden in der deutschen Sprache Dingen bzw. Objekten ungefragt Geschlechter zugewiesen, ohne auch hier diskriminieren zu wollen.
Zum Beispiel besitzen das Haus, der Stuhl und die Mappe willkürlich zugeschriebene Genera. Dass diese willkürliche Zuschreibung das Erlernen der deutschen Sprache durchaus erschweren kann, muss auch ein Liebhaber des Deutschen widerwillig einräumen. Hier gilt es einfach zu büffeln und zu pauken.
Wenn sich nun ein Mädchen als Junge fühlt, ein Transjunge also, dann ist sein biologisches Geschlecht weiblich, sein grammatikalisches sächlich und sein soziales Geschlecht männlich.
Übergeschlechtlichkeit und generisches Maskulinum
Im Plural jedoch löst sich der Knoten der grammatikalischen Geschlechter und der weibliche Artikel „die“ wird zur Vorlage für den Artikel im Plural. Hier könnten engstirnige Männer von einer Benachteiligung sprechen, wenn im Plural der weibliche Artikel „die“ herangezogen wird, zumal auch 46 % der deutschen Substantive das grammatisch weibliche Geschlecht besitzen, nur 34 % das männliche und 20 % das sächliche. Eine ähnliche Bewandtnis hat es übrigens mit dem Personalpronomen „sie“.
Mit die Lehrer sind natürlich aufgrund des Artikels nicht nur die Frauen gemeint, genauso wenig wie das Wort Lehrer hier ausschließlich Männer mutmaßt. Beides ist in Wahrheit übergeschlechtlich zu verstehen. Aus neun Lehrerinnen und einem Lehrer werden zusammen zehn Lehrer. Bei einer gemischten Gruppe wurde bis jetzt das generische Maskulinum als grammatikalischer Oberbegriff, als übergeschlechtliche Klammer, verwendet.
Ähnlich verhält es sich bei der Einzahl. Die weibliche Sprachform die Katze ist ebenso Überbegriff für das biologisch weibliche und männliche Tier, ebenso wie der Tag mit seinen 24 Stunden Tag und Nacht gemeinsam meint. Wer genauer benennen möchte, kann sich des Begriffes der Kater bedienen.
Ohne den Oberbegriff lassen sich gewisse Inhalte auch nicht formulieren, wie: Jeder dritte Berufsschullehrer in Österreich ist eine Frau. Oder: Wir wissen um das Geschlecht des Mörders nicht Bescheid.
Letztendlich wird das Genus übergeschlechtlich verwendet, somit ist ihm der Gedanke einer Diskriminierung fremd. Erst die Reduktion des grammatikalischen Geschlechts auf ein biologisches Niveau, was jedoch als Erweiterung propagiert wird, führt zu jenem Sexismus, der weder durch Gendersternchen, - unterstriche und -doppelpunkte, noch durch ein generisches Femininum überwunden werden kann. Auch der künstliche Rückgriff auf zu Nomen konvertierte Mittelwörter, um ja nicht mit einem echten Nomen irgendeinem biologischen oder sozialen Geschlecht auf die Füße zu treten, entpuppt sich als Holzweg: Ein Flüchtling bedeutet etwas anderes als ein Geflüchteter oder ein Flüchtender, auch wenn Letztere gegendert werden können. Feiernde Studierende studieren während des Feierns, derweil feiernde Studenten sich zum Glück auf das Feiern konzentrieren dürfen und feiernde Studierte einer vom Aussterben bedrohten Gattung angehören.
Gerne bin ich an der Schule übrigens die Supplierung, die Vertretung und die Aushilfe für Kolleg:innen und außen, ohne mich dabei als Mann diskriminiert und weiblich gelesen zu fühlen.
Die Zeiten haben sich gegendert
In einer Zeit jedoch, in der das soziale Geschlecht zum Maß aller Dinge erhoben wurde, gilt folgende neue Regel: Gefühltes Geschlecht steht über Biologie, Biologie steht über grammatikalischem Geschlecht. Die Zeiten haben sich nun mal gegendert.
Folgerichtig könnte sich innerhalb dieser Hierarchie der kreative Bürger im Namen der Selbstbestimmung übrigens als altersfluid oder transgeimpft oder als ein in Europa lebender Trans-Inuit deklarieren, während ihm der moderne deutsche Staat einen Joint reicht.
Neben dem Sexus soll nun auch das zur Maxime hochgejazzte Gender in der Sprache abgebildet werden. Mit mittlerweile 72 aufgelisteten sozialen Geschlechtern steht einer babylonischen Sprachverwirrung nichts mehr im Wege, noch dazu, wenn sich das Gegenüber seine Neopronomen nach persönlichen Vorlieben bestellen darf.
Findige und mit mächtig viel Zeit ausgestattete Gender-Linguisten erfanden neue, geschlechtsneutrale Pronomen, um intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen mit diesen auszustatten. Statt er/sie/es, mein/dein/sein heißt es nun etwa xier, xie, nin, sier, sif, es, per oder dey.
Auch Fragewörter und Artikel sollten nonbinär verwendet werden. Aus der und die wird dann ganz locker mal dier. Beispiel gefällig? In xiesem Wok-Restaurant aß Elvin gestern Insekten. Danach hielt xier eine woke Rede für den Transhumanismus. Oder: Sänger Nemo, dier den Songcontest gewonnen hat, will als nonbinär gelesen werden.
Der stets rückwärts laufende Werbespruch Deutsche Sprache, schwere Sprache erfährt somit eine bizarr-technokratische Aktualisierung. Gerade in Zeiten zunehmender Spracharmut inmitten eines um Qualität ringenden Bildungssystems und in Hinblick auf Kinder mit Migrationshintergrund sind immer kompliziertere Sprachregelungen zusätzliche Hürden für das Erlernen der Sprache. Folgende Worte des Freigeistes und Philosophen Friedrich Nietzsche können in diesem Zusammenhang als Warnung verstanden werden:
„Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden!“
Wokeness und postmoderne Autoaggression
Der deutsche Sprachraum braucht keine weiteren Identitätsblocker und schon gar keine Hormonbehandlungen und Geschlechtsumwandlungen seiner Sprache. Nur mit großer Weisheit und einer breiten Zustimmung der Bevölkerung dürfen kleine Änderungen an jener Sprache vorgenommen werden, die 103 Millionen Menschen täglich sprechen.
Der Schutz von Minderheiten jedweder Art muss für uns eine Selbstverständlichkeit sein, diesen aber als trojanisches Pferd zu verwenden, um gänzlich andere Ziele unbemerkt zu verfolgen, ist strikt abzulehnen. Die woke Ideologie entpuppt sich immer deutlicher als eine enorm expansive, dogmatisch durchgeregelte, humorbefreite, säkulare und spießbürgerliche Pseudoreligion, in das unverdächtige Kleid der Progressivität gehüllt.
Innerhalb dieses geistigen Umfeldes veröffentlichten zwei Wissenschaftler bewusst eine Spaßstudie mit der Bezeichnung „Der konzeptuelle Penis als soziales Konstrukt“, welche mit Bestbeurteilungen Eingang in ein renommiertes Fachblatt fand. Die beiden Forscher erklärten, sie hätten sich bemüht, 3000 Wörter „völligen Unsinns im poststrukturalistischen Stil diskursiver Gendertheorie" auszudrücken. Sie kamen in ihrer simulierten Studie letztendlich sogar zu dem Schluss, der toxische Penis sei "der konzeptionelle Treiber für einen Großteil des Klimawandels". Bewusst gewählter woker Sprachjargon und die Vorspiegelung von Inhalt mittels angesagter Ideologie waren das Rezept für eine erfolgreiche Peer-Review und die Veröffentlichung dieses genial konstruierten Blendwerks.
Postmoderne und die Abwertung ins Niemandsland
War die Moderne oftmals noch geprägt von der Aufwertung der eigenen und der Abwertung fremder Identitäten, so wendet die Postmoderne allzu schnell das Schwert gegen sich selbst. Die Ablehnung und Abwertung eigener kultureller, regionaler, psychologischer, nationaler, religiöser, spiritueller, sexueller, sozialer, biologischer und sprachlicher Identitäten gilt als Zeichen der Toleranz und des Fortschritts.
Autoaggression bleibt jedoch Aggression. Ein Krieg gegen sich selbst zerstört das Immunsystem einer Gesellschaft. Die Diskriminierungsverbote haben auch für die eigene Identität zu gelten. Der Krieg gegen sich selbst und eigene Identitäten, befeuert von nicht aufgearbeiteten transgenerationalen Traumata, führt in ein identitätsloses Niemandsland, eine Terra Nullius, die von neuen transhumanen Identitäten besiedelt werden könnte. Man möchte fast meinen, es dräue ein biotechnologisches Freiluftgefängnis, in dem Sprache und Mensch in ein KI-gesteuertes Netzwerk einspeist werden, um als entwurzelte, digitale Identitäten und Informationspakete verarbeitet zu werden.
Selbstverständlich unter der Fahne einer instrumentalisierten und Regenbogenfahnen schwingenden Diversität, die sich interessanterweise fast ausschließlich auf Geschlechtsidentitäten bezieht. „Hoch lebe die Poesie!“, möchte man rufen und „hoch lebe das Dichten und Denken!“, denn es sind die Gedichte, die Geschichte schreiben und nicht Diktate. Diese führen seelen- und geistlos in die Diktatur.
Eine Liebeserklärung an die Sprache der Dichter und Denker
Die deutsche Sprache mit ihrem Zauber und ihrer Poesie sollte gefeiert und vor technokratischen Eingriffen geschützt werden. Vielleicht benötigen wir Sprachschutzgebiete, wo keine gentechnisch veränderten Wörter ausgesät werden dürfen.
Wir sollten der deutschen Sprache eine Liebeserklärung schreiben, denn derjenige, der die eigene Größe erkennt, erkennt auch die Größe des anderen. Es ist die Selbstliebe, welche überfließt und das Gegenüber beschenkt. Nicht die Selbstablehnung.
Ja, wir können ein wenig stolz und noch viel dankbarer sein, in der Heimat einer der schönsten, kreativsten, edelsten und vielfältigsten Sprachen der Welt mit ihren etwa 23 Millionen Wörtern leben zu dürfen.
"Wie menschlich Menschen sind, zeigt ihr Umgang mit der Muttersprache“,
erklärte Friedrich Schiller, dessen Herzenswärme, Intelligenz und lichter Geist mehr denn je Antworten in dieser dunkelkalten Zeit schenken können.
So lassen wir uns vom Zauber der deutschen Sprache inspirieren. Stehen wir auf, wir schlafenden Riesen, im Land einer der großartigsten und seelenvollsten Sprachen der Welt, die uns Heimat ist. Es ist Zeit für den deutschsprachigen Raum, seine Würde und Größe wiederzuerkennen und zu leben, ohne dabei die Macht anzubeten. Die Sprache der Dichter und Denker erdet und himmelt uns zugleich.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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