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Motive und Wege für eine Lösung des Ukraine-Konflikts | Von Bernd Murawski

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Ein Standpunkt von Bernd Murawski.

Sieben Monate sind seit Beginn der „militärischen Spezialoperation“ Russlands vergangen, und Friedensverhandlungen erscheinen weiter entfernt denn je. Was dürfte die gegnerischen Parteien zu einer Lösung des Konflikts veranlassen, und wie könnte eine Einigung aussehen?

Die nach der Intention Moskaus regional begrenzte Militäraktion hat sich mittlerweile zu einem geopolitischen Tauziehen ausgeweitet. Die kriegerischen Handlungen wurden durch einen Propagandafeldzug ergänzt, in dem sich der Westen geschlossen gegen Russland positioniert. Eine globale Dimension hat der Konflikt durch die westlichen Sanktionen im Wirtschafts- und Finanzsektor erhalten. Inzwischen zeichnet sich ab, wer auf diesen drei Konfliktfeldern Gewinner und wer Verlierer ist. Das Resultat mag manche überrascht haben.

An der militärischen Front kann von einer Pattsituation gesprochen werden - trotz der kürzlichen Territorialgewinne der Ukraine bei Charkiw und des langsamen Vordringens der russischen Militärkräfte auf dem Schlachtfeld bei Donezk. Im Informationskrieg kann der Westen für sich einen Sieg verbuchen. Er muss jedoch konstatieren, dass sich die Erfolge seiner Propaganda weitgehend auf den eigenen Machtbereich beschränken. Überdies besteht die Gefahr, dass das öffentliche Interesse nachlässt und politische Beschwörungen immer weniger Wirkung zeigen.

Westliches Interesse an einer baldigen Konfliktlösung

Was den Wirtschaftskrieg betrifft, haben sich nicht nur Annahmen einer Fragilität der russischen Volkswirtschaft als inkorrekt erwiesen, sondern die Sanktionen werden zunehmend zum Bumerang für den Westen selbst. Robert Habecks Reisen nach Katar, Norwegen und Kanada haben nicht dazu beigetragen, baldigen Ersatz für die russischen Gaslieferungen zu finden. Die vorausgegangene Deregulierung der Finanzmärkte verschärft die Lage, da die absehbare Verknappung von Gas wie auch anderer Energieträger schon heute zu massiven Preissteigerungen an den Spotmärkten führt. Die höheren Kosten für Gas und Strom strangulieren Produzenten und Konsumenten und setzen eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Gang, die kaum mehr durch staatliche Hilfspakete aufgehalten werden kann.

Augenscheinlich besteht ein objektives Interesse der betroffenen Staaten an einer baldigen Konfliktlösung, die Voraussetzung für eine zumindest partielle Aufhebung der Sanktionen ist. Allerdings haben sich die westlichen Staatslenker derart weit hinausgelehnt, dass ein Rückzug erheblich an ihrer Glaubwürdigkeit nagen würde.  Besonders Hardliner, die in den USA, in Großbritannien und in westlichen Anrainerstaaten Russlands am Machthebel sitzen, würden einen herben Gesichtsverlust erleiden. Sie müssten ihr Hauptziel aufgeben, das erklärtermaßen nicht das Wohl der Ukraine, sondern die Schwächung Russlands ist.

Im Gegensatz zu den EU-Staaten sind die USA nur geringfügig von den Sanktionen betroffen, ja der vermehrte Export von Fracking-Gas verschafft ihnen sogar Vorteile. Gleichwohl würde ein Wirtschaftseinbruch in Europa deren eigene Exportbranchen treffen. Gravierender dürfte der Tatbestand sein, dass bei einem Wettbewerbsverlust der deutschen Wirtschaft infolge steigender Energiekosten der globale Kontrahent China Hauptprofiteur ist.

Zudem sind der US-Führung die auf russisches Drängen forcierten Bemühungen zur Schwächung des westlich dominierten Finanzsystems kaum entgangen. Dessen vom Westen vorgenommene Demontage durch die Einfrierung von Auslandsvermögen der russischen Zentralbank könnte Nachahmer finden. So könnten Staaten des globalen Südens, die in US-Dollar verschuldet sind, eine Rückzahlung der Kredite verweigern. Das offensichtliche Fiasko der antirussischen Sanktionen und zu erwartende Hilfszusagen aus China würden die Angst vor einem westlichen Wirtschaftsembargo mindern. Zusammen mit der zunehmenden Fakturierung des Rohstoffhandels in Landeswährungen würde der Dollar-Dominanz ein Ende bereitet werden.

Fehleinschätzungen und Herausforderungen der russischen Seite

Russland ist es zwar gelungen, seine Position in internationalen Formaten wie der BRICS und der SCO zu behaupten und die meisten Staaten zu einer neutralen Haltung zu bewegen. Dennoch lassen sich wirtschaftliche Rückschläge nicht gänzlich vermeiden. China als wichtigster Wirtschaftspartner will sich verständlicherweise nicht US-Sanktionen aussetzen. Seine Unternehmen üben sich in Zurückhaltung und können nur beschränkt und mittels komplexer Firmenvehikel die russische Technologienachfrage befriedigen. Und obwohl viele Ersatzteile und andere Produkte aus dem Westen - etwa über Kirgisistan - weiterhin nach Russland gelangen, geschieht dies gegen Aufpreis und mit Verzögerung.

Gleichwohl ist Russland im militärischen Konflikt mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert. Der frühe Versuch des Kremls, die ukrainische Militärführung angesichts der schieren Übermacht der russischen Armee zu Kapitulation und Machtübernahme in Kiew zu bewegen, ist gescheitert. Ebenso wenig haben sich Erwartungen eines Aufstands der Bevölkerung in den mehrheitlich russisch-sprachigen Großstädten erfüllt. Anstatt dass die ukrainische Kampfbereitschaft durch die Drohkulisse von auf Kiew vorrückenden Panzerverbänden gebrochen wurde, entwickelte sich ein wachsender Widerstandwille, bei dessen Forcierung der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Talent bewies.

Die ursprüngliche Absicht, durch Vermeidung von zivilen Opfern und einer Zerstörung von Verkehrswegen und anderen Infrastruktureinrichtungen die Sympathien der ukrainischen Bevölkerung zu erlangen, ist nicht nur fehlgeschlagen, sondern half dem ukrainischen Militär bei dessen Gegenwehr. Zudem konnte es seine Reihen durch eine allgemeine Mobilmachung auffüllen, während die russische Seite sich auf Vertragssoldaten stützte. Die Fähigkeit, freiwillige Kämpfer zu rekrutieren, ist trotz angemessenen Solds und einer Garantie auf Rückkehr an den Arbeitsplatz begrenzt. Unweigerlich hat dies Folgen für die Kampfführung. Die derzeitige Taktik, den Gegner mit überlegener Artillerie zu zermürben, bevor die eigene Armee vorrückt, ist offenbar der Notwendigkeit geschuldet, die eigenen Verluste gering zu halten.

Nach dem Debakel bei Charkiw wurden in politischen Kreisen und Medien Russlands kritische Stimmen laut, die ein härteres Vorgehen forderten. Dass es sich um einen geplanten Rückzug russischer Einheiten gehandelt habe, wurde für wenig glaubwürdig gehalten. Die Meldung, dass die Ukraine bei ihrer Angriffsoperation erhebliche Verluste erlitten habe, war nur ein schwacher Trost.

Zunehmend wurden Forderungen nach einer Teilmobilmachung erhoben. Begründet wurde sie damit, dass sich die russische Militäroperation auf ukrainischem Boden zu einem Krieg gegen den vereinten Westen entwickelt habe. Wohl als Reaktion hat die russische Militärführung das ukrainische Stromnetz attackiert und einen Damm bei Kryvyi Rih beschädigt, um den ukrainischen Vormarsch zu bremsen. Von weiteren Maßnahmen wurde danach abgesehen, um eine Eskalation zu vermeiden und die Lasten für die eigenen Bürger gering zu halten.

Nach einer Analyse der Lage haben sich Generalstab und Verteidigungsministerium schließlich für die geforderte Teilmobilisierung entschieden. Die Kremlführung hat den Vorschlag übernommen, der am 21.9. vom russischen Präsidenten Wladimir Putin verkündet wurde. Weitergehende Schritte wie die Umstellung auf eine Kriegswirtschaft stehen aktuell nicht zur Debatte.

Die dritte Partei neben dem Westen und Russland ist die ukrainische Führung, die als Ziel die Rückeroberung der verlorenen Gebiete inklusive der Krim postuliert. Wie in den Verhandlungen gegen Ende März erkennbar war, wäre Kiew durchaus kompromissbereit, sobald sich die Lage als hoffnungslos erweisen würde. Wurde zu jener Zeit Druck ausgeübt, den bewaffneten Kampf fortzusetzen, so könnte der Westen aktuell eine gegenteilige Orientierung erzwingen.

Ein Plebiszit als Ausweg

Grundlage für einen Ausweg könnte die bei beiden Konfliktparteien bestehende Überzeugung sein, dass die Bürger gegen ihren Willen unter der Macht der gegnerischen Seite gehalten werden. Laut Putin besteht das Ziel der russischen Militäraktion darin, die ukrainischen Bürger von der Drangsalierung durch ultranationalistische Kräfte zu befreien. Selenskyj spricht seinerseits von einer Unterdrückung der Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten und klagt deren vermeintliche Verschleppung nach Russland an. Beide Seiten glauben offenbar, dass die vom Kriegsgeschehen betroffene Bevölkerung hinter ihnen steht.

Naheliegend wäre in diesem Fall ein allgemein anerkanntes Plebiszit. Damit es als repräsentativ angesehen werden kann, bedarf es gründlicher Vorbereitungen. Unabdingbar ist ein Waffenstillstand, der jedoch voraussetzt, dass über das weitere Vorgehen weitgehend Einigkeit besteht. Zu diesem Zweck müssen zunächst die Gebiete markiert werden, in denen Referenden abgehalten werden sollen. Es würde sich hierbei um die gesamten Oblaste Donezk und Lugansk sowie die von Russland gehaltenen Regionen der Oblaste Cherson, Saporischschja und Charkiw handeln. Auch die Krim sollte einbezogen werden.

Ein Abzug der russischen und ukrainischen Truppen und deren Ersatz durch UN-Friedenstruppen wären wünschenswert, dürfte aber angesichts des verbreiteten Misstrauens nicht realisierbar sein. Die Vereinten Nationen wären dennoch der geeignete Akteur für die Gewährleistung eines Waffenstillstands und die Durchführung eines Referendums, da die OSZE als mögliche Alternative an Glaubwürdigkeit verloren hat.

Entscheidend für den Erfolg der Friedensoperation ist die Zusammensetzung des UN-Beobachterteams. Seine Vertreter sollten aus Staaten kommen, die über geopolitisches Gewicht verfügen und sich weitgehend neutral verhalten haben. Dazu gehören die Türkei und Indien, weitere Kandidaten wären Mexiko und Brasilien. Schließlich könnten Italien als Vertreter der westlichen und der Iran als Fürsprecher der russischen Konfliktpartei einbezogen werden.

Die Vorbereitung eines Plebiszits würde mehrere Monate in Anspruch nehmen. In diesem Zeitraum sollte zum einen eine Rückkehr der Bewohner der betroffenen Gebiete ermöglicht werden, zum anderen ein medialer Zugang zu den Positionen und Argumenten beider Seiten geschaffen werden. Es könnten etwa ins Fernsehprogramm Spots der Kontrahenten wie auch Debatten aufgenommen werden, in denen die unterschiedlichen Standpunkte offengelegt werden.

Beide Konfliktparteien müssen bereit sein, ihr Militär innerhalb einer festgelegten Frist aus Gebieten abzuziehen, die sich in Referenden für die andere Seite entschieden haben. Über deren Ausgang kann spekuliert werden, jedoch dürfte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit für die russische Seite entscheiden. Da die Ergebnisse unter UN-Aufsicht zustande kommen würden, könnte der Westen sie ohne Gesichtsverlust akzeptieren. Bundeskanzler Olaf Scholz könnte seine Drohung, eine russische Annexion ukrainischen Territoriums nicht anzuerkennen, zurücknehmen, da sie gegenstandslos wäre.

Offen bleibt die Frage der künftigen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Für die Kiewer Führung wäre dies weiterhin eine Option, weil dadurch das Bedürfnis nach Sicherheitsgarantien befriedigen würde. Auch gäbe es keinen Territorialkonflikt mehr, der laut NATO-Statut ein Hindernis wäre. Ein Nachgeben Russlands könnte unter zwei Prämissen geschehen. Erstens müsste sich das westliche Verteidigungsbündnis verpflichten, keine ausländischen Truppen in der Ukraine zu stationieren. Und da Russland explizit als Feind bezeichnet wird, sollten zweitens die prorussischen Oblaste in einem Referendum darüber befinden können, ob sie nach einem NATO-Beitritt weiter dem ukrainischen Staatsverband angehören wollen.

Vertrauensmangel als zentrales Problem

Das größte Problem dürfte der Mangel an Vertrauen sein, wofür die russische Seite gewichtigere Gründe hat. Nicht nur wurde die Schwäche Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch den Westen rigoros ausgenutzt, sondern es wurde seit dessen Stabilisierung unter Putin eine Hetzkampagne nach der anderen gestartet, um das Land zu demütigen und zu schwächen. Alle jene Fälle - erwähnt seien Magnitzky, Litvinenko, Skripal und Nawalny, der Doping-Skandal und der Abschuss der MH-17, Butscha und Isjum - zeichnen sich durch westliche Schuldzuweisungen aus, die bereits erhoben wurden, ehe es zu Ermittlungen kam, welche - wenn überhaupt - nie transparent und durch neutrale Instanzen erfolgten.

Doch auch die russische Führung ist nicht ohne Makel. So verstieß die Übernahme der Krim in den russischen Staatsverband internationalem Recht und - gemäß den gängigen Interpretationen - dem Budapester Abkommen von 1994. Allerdings ging dem ein Vertrauensbruch des Westens voraus, der den Maidan-Umsturz begrüßte und zugleich das von Deutschland, Frankreich und Polen garantierte Abkommen zwischen dem Präsidenten Wiktor Janukowytsch und der Opposition verwarf. Kein Historiker würde bezweifeln, dass die Krim ohne den gewaltsamen Regierungswechsel in Kiew Teil der Ukraine geblieben wäre.

Der völkerrechtlich bedenkliche russische Ukraine-Feldzug folgte auf die Nichterfüllung von Minsk II, wobei der frühere Präsident Petro Poroschenko kürzlich äußerte, dass das Abkommen allein dazu diente, Zeit zu kaufen. Die Erwartung des Kremls, dass Deutschland und Frankreich als Garantiemächte Druck ausüben würden, löste sich in deren Stellungnahme Ende letzten Jahres auf, als sie das Dokument selbst in Frage stellten. Zudem war der Westen - nach der Kündigung bzw. Nicht-Ratifizierung mehrerer Abrüstungsabkommen - nicht bereit, die im Pariser Vertrag 1990 vereinbarte „Unteilbarkeit der Sicherheit“ auf dem europäischen Kontinent auch für Russland gelten zu lassen.

Wenn auch beiden Seiten Vertrauensbrüche vorzuwerfen sind, haben die USA und ihre Verbündeten jedes Mal den ersten Schritt unternommen. Dass der Kreml der reagierende Part war, veranschaulichen die Reduzierungen der diplomatischen Vertretungen und die Gegensanktionen, die von russischer Seite jeweils zu einem späteren Zeitpunkt „spiegelbildlich“ erfolgten. Die  Kremlführung übte sich nicht nur in Zurückhaltung, sondern artikulierte fortwährend ein Interesse an diplomatischen Lösungen. Allerdings ist in letzter Zeit eine andere Tonart aus Moskau zu vernehmen, die nicht mehr durch Rücksichtnahme und Wohlwollen geprägt ist.

Kann Russland darauf vertrauen, dass der Westen sich an die Vereinbarungen hält? Bei dem hier vorgestellten Kompromissvorschlag wäre der erste Stolperstein die mögliche Weigerung Kiews, seine Truppen aus dem Donbass abzuziehen, nachdem eine Mehrheit der Bürger für einen Anschluss an Russland votiert hätte. Noch größer wäre das Risiko, dass den prorussischen Oblasten bei einem NATO-Beitritt nicht die Chance geboten würde, die Ukraine über den Weg eines Referendums zu verlassen. Der Westen könnte die Position Kiews unterstützen und darüber hinaus - entgegen der getroffenen Vereinbarung - NATO-Truppen auf ukrainischem Boden stationieren.

Russland hätte in Konfliktsituationen keine andere Wahl, als auf entspannungswillige Kräfte im Westen zu setzen. Sollte die wirtschaftliche Vernunft in Westeuropa eine Renaissance erleben, dann besteht durchaus Hoffnung auf die Wiederherstellung vertraulicher Beziehungen.

Fragwürdige Alternative eines einseitigen Referendums 

Die zwischen dem 23. und 27. September geplanten einseitigen Referenden in den von Russland kontrollierten Gebieten der Ukraine dürften zwar ermöglichen, die Stimmung in der Bevölkerung zu erfassen. Eine Akzeptanz der Resultate durch den Westen ist jedoch nicht zu erwarten, und auch andere Staaten dürften sich mit einer Anerkennung vorerst zurückhalten. Voraussichtlich wird die ukrainische Regierung alles in ihrer Macht stehende tun, um die Referenden zu verhindern. Sie muss damit rechnen, dass Russland nach einer Übernahme der umstrittenen Regionen in seinen Staatsverband jeden Angriff als auf sein eigenes Territorium gerichtet interpretiert.

Doch es droht nicht nur eine Intensivierung der kriegerischen Aktivitäten. Je höher die Zustimmung für einen Anschluss an Russland ausfällt, desto geringer dürfte die Bereitschaft Kiews zu einer Wiederholung der Referenden unter internationaler Aufsicht sein, damit das eigene Narrativ nicht gefährdet wird. Desgleichen dürfte es für den Kreml kaum möglich sein, im Zuge einer Übereinkunft mit dem Westen die Ergebnisse der Referenden zu annullieren und die Übernahme der betroffenen Gebiete durch Russland rückgängig zu machen.

Die Existenz eines ungelösten Territorialkonflikts sowie fortgesetzte russische Militärschläge  würden eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO zwar dauerhaft verhindern. Diesen Vorteil müsste Russland jedoch bitter erkaufen. Die Kämpfe in der Oblast Donezk dürften noch monatelang dauern und würden Tausende von Todesopfern sowie die Zerstörung zahlreicher Ortschaften, darunter der Großstädte Slawjansk und Kramatorsk, zur Folge haben. Ebenso würde der ukrainische Beschuss russischer Militäreinrichtungen wie auch von Infrastruktur und Wohnvierteln in den „befreiten“ Gebieten auf unbestimmte Zeit anhalten.

Indem Moskau mit seiner Entscheidung vollendete Tatsachen schafft, erschwert es gemeinsame Konfliktlösungen unter Einbeziehung neutraler Staaten und kooperationswilliger Kräfte im Westen. Daher sollte sich die EU in ihrem eigenen Interesse möglichst bald für ein international anerkanntes anstelle des durch Russland organisierten Referendums einsetzen. Höchstwahrscheinlich würde der Kreml einen solchen Vorschlag begrüßen und Entgegenkommen signalisieren. Die Gefahr einer Eskalation der Kampfhandlungen in der Ukraine würde eingedämmt und die Versorgung der EU-Volkswirtschaften mit Gas und anderen Rohstoffen im Folgenden sichergestellt werden. Den Bürgern in den umkämpften Gebieten die freie Entscheidung über ihre Zukunft zu erlauben, sollte eigentlich dem westlichen Werteverständnis entsprechen.

Eine Übereinkunft zwischen Russland und der EU, etwa auf Grundlage des hier vorgeschlagenen Referendumskonzepts, verschafft zweifellos beiden Seiten Vorteile. Russland müsste nicht unter immensen Kosten eines starken militärischen Engagements und anhaltenden Angriffen in den Grenzgebieten zur Ukraine leiden. Die EU-Staaten hätten ihrerseits Zugang zu preiswerten Energieträgern und anderen Rohstoffen, die eine wesentliche Voraussetzung für ihre globale Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Kaum wünschenswert ist die Alternative eines Wettstreits darüber, wer die aktuellen Belastungen über einen längeren Zeitraum besser stemmen kann.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: SARYMSAKOV ANDREY/ shutterstock


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