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Multipolare Weltwährung voraus! | Von Rüdiger Rauls

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Die Welt ist im Begriffe multipolar zu werden. Mit der politischen Vorherrschaft der USA schwindet auch die des westlichen Finanzsystems. Welche Lehren können aus den Erfahrungen mit den bisherigen Reservewährungen für die Schaffung einer neuen multipolaren Währung gezogen werden?

Ein Standpunkt von Rüdiger Rauls.

Voraussetzungen

Unterschiedliche Entwicklungen stehen an der Wiege einer neuen Reservewährung: die Finanzkrise von 2007/8 mit der anschließenden Ausweitung der Geldmengen, die Politisierung des Dollar und die exzessiven Sanktionen des sogenannten Wertewestens, besonders aber das gewachsene Misstrauen von Staaten und Privatpersonen gegenüber dem bestehenden Finanzsystem. Sie alle durchdringen einander und sind bestimmt durch die politische, militärische und finanzielle Vormachtstellung der USA. Diese Entwicklungen sollen im Folgenden genauer betrachtet werden, da sich aus ihnen heraus die Notwendigkeiten und Voraussetzungen erklären für den Aufbau eines neuen, sozusagen demokratischeren Währungssystems.

Der Beinahezusammenbruch des kapitalistischen Finanzsystems infolge der Insolvenz von Lehman Brothers im Jahre 2007/8 hatte das Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung in die Stabilität des Bankenwesens erschüttert. Viele Menschen fürchteten um ihre Lebensgrundlagen, um ihre Ersparnisse und ihren Wohlstand. Aus dem einst unverbrüchlichen Vertrauen in Geld und Banken waren Verunsicherung und zum Teil Misstrauen geworden.

Viele begannen, sich erstmals intensiver mit dem Thema Geld zu beschäftigen, und schon bald merkten sie, dass das scheinbar Selbstverständliche sich nicht von selbst verstand, sondern komplizierter war als gedacht. Das verunsicherte noch mehr, zumal die Erklärungsversuche der sogenannten Experten für die meisten Menschen unverständlich waren. Ohne die Zusammenhänge zu verstehen, begannen Visionäre, sich Alternativen zum Geldsystem auszudenken – politische wie auch finanztechnische. Einer dieser Ansätze war die Entwicklung des Bitcoin und anderer sogenannter Kryptowährungen.

Nicht alltagstauglich

Der Bitcoin(1) verfolgte das Ziel, dem Staat die Kontrolle über das private Geld zu entziehen. Das betraf einerseits die Schaffung des Geldes, aber auch seine Verwahrung und Bewegung. Denn in der ausufernden Geldschöpfung durch Banken und Notenbanken sahen viele die Ursachen der Inflation und der damit verbundenen Gefahr für die Stabilität des Geldes. Zur Vermeidung dieser Gefahren sollte die Menge der Bitcoins begrenzt sein.

Diese Beschränkung der Geldschöpfung wird durch die Blockchain gewährleistet, einer neuen Technologie, die die Vorgänge rund um die Entwicklung und Bewegung von Bitcoins dokumentierte und gleichzeitig auch nach festgelegten Grundsätzen abwickelte. Diese Dokumentation war nur für jene zugänglich, die nach den Kriterien der Blockchain dazu berechtigt waren. Dadurch waren die Besitzer der Bitcoins und deren Transaktionen der Kontrolle durch staatliche oder andere Institutionen entzogen.

Das war die Theorie. Diese aber schien die wirtschaftlichen Realitäten und Prozesse im Kapitalismus nicht zu kennen oder nicht wahrhaben zu wollen. Gute Absichten alleine reichen nicht aus, man muss auch die Grundlagen in der Wirklichkeit kennen. Denn entgegen den idealistischen Vorstellungen der Urheber des Bitcoin gab es in den vergangenen Jahren kaum eine Anlage, geschweige denn ein Zahlungsmittel, das einem solch inflationären Preisschub unterlag wie der Bitcoin.

Bei einer ersten Notierung im März 2010 betrug sein Wert nur 0,003 US-Cent, in seiner Spitze Ende 2021 waren es 65.000 Dollar. Das entspricht einem Zuwachs von etwa 2,166 Milliarden Prozent. Kein anderes Zahlungsmittel außer der Reichsmark im Jahre 1923 kann eine ähnliche Inflation innerhalb so kurzer Zeit vorweisen. Das Zahlungsmittel, das der Spekulation hatte die Stirn bieten sollen, wurde selbst zu einem der größten jemals dagewesenen Spekulationsobjekte.

Es war gerade das Fehlen eines staatlichen Rahmens, das diese von Spekulation getriebene Inflation begünstigte. Staatliche Regulierung des Marktgeschehens bedeutet nicht nur Kontrolle, sondern auch Sicherheit. Im unregulierten Raum der Kryptowährungen konnte eine einzelne Person wie Elon Musk durch seine Käufe oder Verkäufe sowie Ankündigungen und Äußerungen zum Bitcoin unkontrollierbare Verwerfungen und Manipulationen der Marktvorgänge auslösen. Durch das Fehlen von Eingriffsmöglichkeiten war es weder den Staaten noch den Notenbanken möglich, beruhigend auf die Kursentwicklungen einzuwirken.

Diese enormen Schwankungen und Manipulationsmöglichkeiten jedoch machen den Bitcoin untauglich als Zahlungsmittel für den alltäglichen Gebrauch. Allein im Zeitraum von nur vier Jahren, bewegte er sich von ca. 19.500 USD Ende 2017 auf Werte um 65.000 USD Ende 2021, um dann aber bis Ende 2022 wieder auf ca. 17.000 Dollar einzubrechen.

Unter diesen Umständen sind langfristige Investitionen und Preiskalkulationen mit einem unüberschaubaren Risiko verbunden, weshalb kaum ein Einzelhandelsgeschäft die Kryptowährung als Zahlungsmittel entgegennahm. Wie will man bei Werten von 65.000 Dollar noch den Preis einer Tasse Kaffee berechnen? Im normalen Leben konnte kaum jemand mit Bitcoin bezahlen. In den meisten Staaten war er als Zahlungsmittel gar nicht zugelassen, und noch unterliegt die Festlegung der Zahlungsmittel allein staatlicher Hoheit.

Aus dem Beispiel des Bitcoin werden die Schwierigkeiten deutlich, mit denen sich jede Währung, so auch eine neue Reservewährung als Alternative zum Dollar gegenüber sehen wird: der Anerkennung durch die Marktteilnehmer. Diese wird sehr wesentlich abhängen von der Werthaltigkeit und Stabilität eines neuen Zahlungsmittels. Wie diese Anforderungen im Falle einer neuen Reservewährung erfüllt werden sollen, ist im Moment noch nicht absehbar.

Der Euro

Die jüngste Reservewährung, die als alltagstaugliches Zahlungsmittel geschaffen worden war, war der Euro. Die Einführung des Euro hatte zur Abschaffung der bisherigen nationalen Währungen geführt und damit wesentliche Hoheitsrechte der Nationalstaaten beschnitten. Übernationale Institutionen wie die EZB haben die Geldpolitik für den neu geschaffen Währungsraum übernommen.

Ob das der Weg einer neuen Reservewährung sein wird, ist bisher nicht erkennbar. Derzeit deutet sich eine vergleichbare Konstruktion, in der nationale Währungen in einer neuen Reservewährung aufgehen, nicht einmal in Ansätzen an. Erkennbar ist eine verstärkte Zusammenarbeit von China, Russland und dem Iran in Währungsfragen und Zahlungsmechanismen. Auch wünschen sich immer mehr Staaten die Überwindung der Dollar-Vorherrschaft.

Wofür aber die Entwicklung des Euro als Beispiel dienen kann, ist die Bewertung der wirtschaftlichen Leistungskraft und Stärke der Einzelstaaten bei der Schaffung der Gemeinschaftswährung. Diese Festlegung der Gewichtung der Einzelwährungen untereinander war der Ausgangspunkt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung aber war den Einzelstaaten durch die gemeinsame Währung die Möglichkeit genommen, durch währungspolitische Maßnahmen für ihre nationalen Unternehmen wirtschaftliche Vorteile gegenüber denen anderer europäischer Nationen zu erringen.

Die Leistungskraft der Unternehmen war allein über den Preis ihrer Produkte vergleichbar. Das unterscheidet den Euro vom früheren System von Bretton Woods und dessen Weiterentwicklung unter dem Diktat des Dollars. In dieser politisch nicht beeinflussbaren Vergleichbarkeit der Warenpreise und der Leistungskraft der Unternehmen mittels Zöllen oder Sanktionen dürfte ein grundlegendes Merkmal einer multipolaren Währung liegen.

Das Dollar-System

Die Macht kommt aus den Gewehrläufen, wie Mao Zedong einmal feststellte. Das gilt auch für den Dollar. Die militärische Überlegenheit der USA kann die meisten Staaten der Welt zu wirtschaftlichen Zugeständnissen zwingen. Das ist aber in den meisten Fällen gar nicht notwendig. Denn neben der militärischen Macht wird der Dollar vor allem gestützt durch die Stärke der amerikanischen Wirtschaft und des gewaltigen US-Binnenmarktes.

Alle großen Unternehmen wollen in den USA präsent sein, denn sie sind der größte Markt der Welt. Das ist die wirtschaftliche Grundlage der Dollarstärke – zumindest war sie es über lange Zeit. Egal ob der Austausch von Waren, Direktinvestitionen in Produktionsanlagen oder Finanzinvestitionen in Form von US-Anleihen oder Aktien, jede wirtschaftliche Aktivität auf dem US-Markt findet auf der Basis von Dollars statt.

Durch die beiden Weltkriege waren die USA zur unumstrittenen wirtschaftlichen Führungsmacht aufgestiegen. Sie verfügten über gewaltige Produktionsanlagen, die im Gegensatz zu den europäischen Konkurrenten nicht zerstört worden waren. Davon profitierten die USA beim Wiederaufbau in Europa.

Zur Stärkung des Dollars trug zusätzlich das System von Bretton Woods bei, das schon während des Zweiten Weltkriegs geschaffen worden war. In diesem System erhielt die US-Währung die Funktion einer Ankerwährung zur Abwicklung und Regulierung der internationalen Handelsströme. Es bestanden feste Austauschverhältnisse der anderen Währungen gegenüber dem Dollar, der selbst mit einem Wert von 35 Dollar an die Feinunze (31,1g) Gold gebunden war.

Diese Konstruktion galt durch die Golddeckung als stabil. Denn überall auf der Welt konnten Dollars gegen Gold und umgekehrt in einem garantierten Verhältnis getauscht werden. Damit war die US-Währung zu einem weltweit und einfach verwendbaren Zahlungsmittel geworden, ähnlich dem Gold, nur leichter zu handhaben. Wer Dollar besaß, konnte überall auf der Welt Handel betreiben zu klaren Wechselkursen.

Da der Vorteil dieser Regelung für den Welthandel auf der Hand lag, schlossen sich bei seiner Gründung im Jahre 1944 bereits 44 Staaten diesem System an. Sogar die UdSSR als sozialistischer Staat nahm daran teil. Später kam auch die Bundesrepublik Deutschland hinzu. Damit war der Dollar zum Maßstab geworden nicht nur für die unterschiedlichen nationalen Währungen, sondern auch für die Leistungskraft der verschiedenen Volkswirtschaften und die Vergleichbarkeit einzelner Waren auf dem Weltmarkt. Der Preis einer Tonne Stahl war transparent, unabhängig von der Herkunft des Anbieters und dessen Währung. Der Vorteil der leichteren Berechenbarkeit festigte die Stellung des Dollars im Weltfinanzsystem.

Die Sprengkraft des Dollars

Diese leichtere Vergleichbarkeit der Produkte auf dem Weltmarkt wurde aber gerade dem System von Bretton Woods zum Verhängnis. Mit dem Wiederaufbau der europäischen Industrie nach dem 2. Weltkrieg stieg auch deren Konkurrenzfähigkeit gegenüber der US-Wirtschaft. Europäische Waren aber mussten mit europäischen Währungen bezahlt werden, was zu einer zunehmenden Stärke der europäischen Währungen gegenüber dem Dollar führte. Gleiches galt für den japanischen Yen.

Das setzte die vereinbarten Spielräume der Wechselkurse zunehmend unter Druck. Diese bildeten nicht mehr die tatsächliche Leistungskraft der unterschiedlichen nationalen Wirtschaften ab. Außerdem verschlangen die Kriege der USA in Südostasien Unsummen. Die Folge war ein steigender Finanzbedarf der USA. Die Bindung des Dollars an das Gold aber setzte der Ausweitung der Kreditaufnahme immer engere Grenzen. In der Folge stiegen die Zinsen.

Die USA konnten zwar theoretisch unbegrenzt Geld drucken, konnten aber nicht mehr unbegrenzt die Dollars zum vereinbarten Kurs gegen Gold eintauschen. Dessen Bestände wuchsen langsamer als die Dollarmengen und konnten zudem nicht beliebig vermehrt werden. Diese Einschränkungen begrenzten die Möglichkeiten der Kreditaufnahme und stellten damit eine Gefahr für das Wirtschaftswachstum dar. Denn Wirtschaftsexpansion braucht Kredite.

1973 kündigten die USA das Abkommen von Bretton Woods auf und damit auch ihre eingegangene Verpflichtung, Dollars in Gold umzutauschen. Nicht zuletzt aufgrund der militärischen Stärke der USA fügten sich die anderen Staaten in diese für sie nachteilige Entscheidung. Zwar wurde der Dollar weltweit genutzt, unterlag aber als nationale Währung alleine den Interessen und Entscheidungen der amerikanischen Politik. „Der US-Dollar ist unsere Währung, aber Euer Problem”, kommentierte 1971 der US-Finanzminister John Connally diese Situation.

Dieser Widerspruch hat sich durch die enorme Verschuldung der USA, vor allem aber durch den Einsatz des Dollars als politisches Druckmittel in der Folgezeit immer weiter verschärft. Die meisten Staaten der Welt hätten einen unpolitischen Dollar sicherlich weiterhin geduldet. Aber aufgrund der inflationär betriebenen Sanktionspolitik der USA wächst in der Welt der Druck zugunsten eines Zahlungsmittels und Abrechnungssystems, die nicht im politischen Interesse eines Staates oder einer Gruppe von Staaten eingesetzt werden können.

Sanktionen und die Politisierung der Zahlungsmittel schaden der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung. Der Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand, die China für sich als nächstes Entwicklungsziel anstrebt, entspricht nicht nur dem Interesse der chinesischen Bevölkerung sondern dem der gesamten Menschheit.

Diesem Interesse werden sowohl die USA wie auch der Westen und deren Zahlungssysteme immer weniger gerecht. Die westlichen Sanktionen machen eine multipolare Reservewährung nötig und die stetig wachsende Zahl sanktionierter Staaten macht sie möglich. Die westlichen Währungen sägen sich den Ast ab, auf dem sie sitzen.

Quellen und Hinweise:

Redaktionelle Anmerkung: Rüdiger Rauls ist Buchautor und betreibt den Blog Politische Analyse. Dieser Text erschien am 13.04.2023 unter dem Titel „Multipolare Weltwährung voraus!" auf dem Blog Politische Analyse.(1 ) Rüdiger Rauls: Schöne neue Bitcoin-Welt +++

Danke an den Autoren für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle:  Pla2na / shutterstock


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