Standpunkte

Multipolarismus im Jahr 2023 | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Die USA hatten zuletzt eine erfolgreiche RegimeChange-Operation in Pakistan durchgeführt, als der mit großer Zustimmung der Bevölkerung agierende gewählte Präsident eine zu große Nähe zu Russland zeigte, und dort, ähnlich wie Indien, billiges Öl für die Entwicklung der pakistanischen Industrialisierung bestellen wollte. Nach dem Putsch, der stattfand, indem einige Abgeordnete das Lager wechselten, wurde Imran Khan außerdem mit zahllosen Anklagen überhäuft, um zu verhindern, dass er, wie die Umfragen ergaben, mit einem Erdrutschsieg die nächsten Wahlen gewinnen würde. Nächste logische Folge: Die USA erpressen Pakistan, auch auf billiges Gas aus dem Iran zu verzichten, indem Pakistan einen bestehenden Vertrag brechen muss und vermutlich Milliarden Schadenersatz zahlen muss, um nicht unter die zerstörerischen Sanktionen der USA zu geraten. Durch diese Maßnahmen bleibt Pakistan unterentwickelt und ein Vasall der USA für längere Zeit, fällt für die multipolare Welt zunächst aus. Wie es außerhalb Pakistans aussieht, soll dieser PodCast beleuchten.

Offensichtlich hatten Viele, mich eingeschlossen, die Fähigkeiten der USA, erfolgreiche RegimeChange-Projekte durchzuführen, unterschätzt. Das nächste Projekt scheint nun Kirgistan zu betreffen. Andrew Korybko beschreibt in einem Artikel(1), dass der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des US-Senats, Bob Menendez, die Absichten seines Landes übermittelte, die kirgisische Regierung zu stürzen. Dies habe er in einem Brief, den er letzte Woche an Präsident Sadyr Japarov schickte, erklärt. 

Kirgistan und Kasachstan

Dieser Brief sei dem zunächst vereitelten Putschversuch in Kirgisistan Anfang Juni gefolgt, über den die Washington Post (WaPo) berichtet hatte. Gleich zu Beginn habe der US-Politiker in dem Brief erklärt: 

"Ich schreibe Ihnen mit großer Besorgnis über die Behauptungen, die Regierung der Kirgisischen Republik unterstütze die Russische Föderation oder ihre Stellvertreter bei der Umgehung internationaler Sanktionen, die im Zusammenhang mit Russlands unrechtmäßigem Einmarsch in die Ukraine verhängt wurden. Darüber hinaus befürchte ich, dass Kirgisistans Versäumnis, die internationalen Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten, lediglich ein Symptom für seinen anhaltenden demokratischen Rückschritt und die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen ist. Ihre Regierung hat die Institutionen geschwächt, wiederholt die Rechte von Journalisten und unabhängigen Medien verletzt, Menschenrechtsaktivisten schikaniert und zivilgesellschaftlichen Akteuren Einschränkungen auferlegt. Die Kirgisische Republik, einst ein leuchtendes Beispiel für Demokratie in Zentralasien, befindet sich auf einem gefährlichen Weg in Richtung Autokratie. Ich fordere Sie dringend auf, alle Beschränkungen für unabhängige Medien und Journalisten aufzuheben, inhaftierte Menschenrechtsverteidiger freizulassen und Maßnahmen aufzuheben, die Grundfreiheiten wie die Vereinigungsfreiheit einschränken."(1)

Dies sei de facto eine Erklärung des Hybriden Krieges, meint Korybko. Was Menendez fordere, sei nichts Geringeres als ein sanfter Staatsstreich, der dadurch herbeigeführt wird, dass Kirgisistan die jüngsten Erfolge im Bereich der "demokratischen Sicherheit" freiwillig rückgängig macht und sich dem Damoklesschwert der "sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen" Konsequenzen aussetzt, wenn es sich zu weigern wagt. Der vorstehende Begriff beziehe sich auf das breite Spektrum an Taktiken und Strategien zur Bekämpfung der hybriden Kriegsführung, die Präsident Japarow eingesetzt hat, um das nationale Demokratiemodell seines Landes vor den damit verbundenen Bedrohungen zu schützen.

Wenn es nach Menendez gehe, werden mutmaßliche Farbrevolutionäre aus den Gefängnissen entlassen, westliche NRO-Geheimdienste dürfen sich ungestraft einmischen, und die mit ihnen verbündeten Propagandakanäle werden wieder unablässig staatsfeindliche Desinformationen verbreiten, um Unruhen zu provozieren. Er beendete sein Schreiben mit einer ominösen Bemerkung:

"Das Engagement Ihrer Regierung in diesen Fragen ist für die Sicherheit und den Wohlstand des kirgisischen Volkes von entscheidender Bedeutung. Wir freuen uns auf Ihre prompte Antwort.“

Das benachbarte Kasachstan, so Korybko weiter, habe bereits vor dem amerikanischen Druck kapituliert, sich im Neuen Kalten Krieg informell auf die Seite der USA und nicht auf die Russlands zu stellen, wie die teilweise Einhaltung der westlichen Sanktionen beweise. Außerdem weigere sich Kasachstan, sein von den USA finanziertes, über 100 Millionen Dollar teures Biosicherheitslabor zu schließen. Darüber hinaus sei die jüngste Nachricht, dass das Land das regionale Microsoft-Zentrum beherbergen werde, von Moskau scharf kritisiert worden, nachdem der stellvertretende Außenminister Michail Galuzin diese Pläne als den Geheimdienstinteressen der USA dienlich bezeichnet hatte.

Im Gegensatz dazu habe sich Kirgisistan jedoch geweigert, in die Fußstapfen Kasachstans zu treten, und sei nach wie vor entschlossen, den gegenseitigen Nutzen aus seiner strategischen Partnerschaft mit Russland zu maximieren, was umso beeindruckender sei, wenn man bedenkt, dass das Land kleiner, weniger entwickelt und historisch instabiler ist als sein nördlicher Nachbar. Moskau schätze diese Demonstration von Souveränität und arbeite aktiv an Umgehungslösungen, um den Handel mit Bischkek aufrechtzuerhalten, falls die Einhaltung der westlichen Sanktionen durch Astana, also Kasachstan, dies verhindern sollte.

Der Gouverneur der Region Astrachan habe im vergangenen Monat die Einrichtung des "Südlichen Transportkorridors" über das Kaspische Meer angekündigt, der zwar teurer und zeitaufwändiger ist als der Handel mit den zentralasiatischen Republiken über Kasachstan, diese Kosten aber dadurch wettmacht, dass er außerhalb des Einflussbereichs der USA liegt. Kirgisistan sei ein fester Verbündeter Russlands, so wie auch der Rest der Region, abgesehen von Kasachstan.

Aus diesen Gründen werde erwartet, dass Russland den vier bedrohten Ländern helfen werde, die "sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen" Strafen zu überstehen, welche die USA bald gegen sie verhängen könnten, weil sie sich ihrem Sanktionsdruck tapfer widersetzt haben, angefangen mit Kirgisistan. Der mögliche Abstieg in einen hybriden Krieg könnte aufgrund des hohen Risikos eines Übergreifens, weitreichende Folgen für ganz Zentralasien haben, weshalb es für Russland unerlässlich sei, die drohenden Destabilisierungspläne der USA zu vereiteln, damit keine "zweite Eindämmungsfront" entsteht.

Die Art und Weise, wie sich die Ereignisse bisher entwickelt haben, deute stark darauf hin, dass der gescheiterte Versuch, die kirgisische Regierung vor nur zwei Monaten zu stürzen, darauf abzielte, sie nun für den angeblichen Verstoß gegen das antirussische Sanktionssystem des Westens zu bestrafen.

Schließlich habe die Washington Post einen Bericht veröffentlicht, um der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass Kirgisistan sich in einen Schurkenstaat verwandelt habe, was das Zielpublikum dazu bringen sollte, Menendez' Drohbrief und die darauf folgende, von den USA orchestrierte Destabilisierungskampagne zu akzeptieren. Dann zitiert Korybko weiter aus dem Brief des Senators:

"Ich fordere die kirgisische Regierung auf, diese Anschuldigungen rasch zu untersuchen und zuverlässigere Verfahren einzuführen, um den illegalen Warenfluss durch Ihr Hoheitsgebiet nach Russland zu verhindern. Ich bin auch besorgt darüber, dass die Nichteinhaltung der internationalen Sanktionen durch die Kirgisische Republik die alarmierende Aushöhlung der demokratischen Regierungsführung und die umfassenden Menschenrechtsverletzungen im Land widerspiegelt."(1)

Kirgisistan muss nicht auf Verlangen irgendeines Landes eine Untersuchung einleiten, aber selbst wenn es von dem Wunsch getrieben würde, die sich rapide verschärfenden politischen Spannungen mit den USA zu deeskalieren, wäre dies zwecklos, wenn es sich nicht der Darstellung anschließt, es habe angeblich gegen die antirussischen Sanktionen des Westens verstoßen. Alles andere würde als Täuschung abgetan und als Vorwand genutzt, um noch mehr Druck auf das Land auszuüben, was die Analyse zum nächsten Teil der Erklärung von Menendez bringe, schreibt Korybko.

Sein unaufgeforderter Kommentar zu den inneren Angelegenheiten Kirgisistans treibe die Vorbedingungen der Washington Post noch weiter voran, indem er explizit mache, was zuvor nur angedeutet worden sei, nämlich zu behaupten, dass das Land ein Schurkenstaat sei. Nachdem er Kirgisistan erneut für die angebliche Verletzung der einseitigen Restriktionen des Westens gegeißelt habe, verteidigte er letztere mit der Begründung, sie seien

"ein wichtiges Instrument, um Wladimir Putin zur Rechenschaft zu ziehen und die Bedrohung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität anderer Nationen, einschließlich derjenigen in Zentralasien, zu verringern".

All dies habe zu der Drohung geführt, die er in seinem Brief aussprach, und wieder zitiert Korybko: "[dass] die Vereinigten Staaten angesichts potenzieller Bedrohungen durch Russland die Aufrechterhaltung der Souveränität und Unabhängigkeit von Nationen wie der Kirgisischen Republik weiterhin standhaft unterstützen. Die Unterstützung oder Genehmigung der systematischen Umgehung von Sanktionen durch Russland schwächt jedoch deren Wirksamkeit, was die Sicherheit und die wirtschaftlichen Interessen des kirgisischen Volkes gefährden könnte."

Menendez' verdrehte Logik bestehe darin, dass die USA ihre antirussischen Sanktionen teilweise unter dem Vorwand verhängt haben, angeblich die "Souveränität und Unabhängigkeit" Kirgisistans gegenüber Moskau zu verteidigen, ohne Bischkek jemals vorher gefragt zu haben, und nun zu behaupten, dass die angebliche Verletzung der Sanktionen durch Kirgisistan diese gefährden würde. Objektiv gesehen werden "die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen des kirgisischen Volkes" gefährdet, wenn man vor dem amerikanischen Druck kapituliert und den russischen Verbündeten fallen lässt, anstatt die Beziehungen zu ihm zu stärken, meint Korybko.

Die einzige realistische Möglichkeit, die genannten Interessen Kirgisistans zu gefährden, indem es sich den Forderungen der USA widersetzt, bestehe darin, dass Washington seine Unterstützung für die Agenten der farbigen Revolution und die Rebellen/Militärs/Terroristen ausweitet und gleichzeitig als Reaktion darauf vernichtende Sekundärsanktionen verhängt. Diese Szenarien wären spekulativ geblieben, und die Mainstream-Medien hätten sie als Verschwörungstheorien abtun können, wenn Menendez nicht damit gedroht hätte, dass dieselben Interessen bald geschädigt werden könnten.

Soweit Korybko. Nach wir vor versuchen die USA mit ihren inzwischen allgemein bekannten Mitteln wie Erpressung, Korruption und notfalls Bomben, anderen Ländern ihren Willen aufzuzwingen. Dabei hätten sie doch längst erkennen können, dass sie zwar immer wieder damit Erfolg haben, aber in der Fläche das Gegenteil erreichen. Warum drängen sich heute dutzende von Länder, BRICS beizutreten? Und warum rückte Lukaschenko Weißrussland so nahe an Moskau, dass kein Blatt mehr dazwischen passt, obwohl bekannt ist, dass er eigentlich kein Freund Putins ist? 

Die Antwort ist offensichtlich: Politiker, die es satt sind erpresst zu werden, suchen sich eine Gruppe, in der sie sich irgendwann hoffentlich vor der Erpressung schützen können. Die Außenstehenden, werden irgendwann gezwungen werden, entweder Vasall der USA zu werden, wie gerade mit Pakistan zu beobachten, oder Schutz zu suchen in einem Staatenbund, der vielleicht in einigen Jahren in der Lage sein wird, auch seinen schwächeren Mitgliedern Schutz gegen Erpressung zu bieten. 

Bevorstehendes BRICS Gipfeltreffen

Auch wenn ich in einem vorhergehenden PodCast die Analyse eines Afrikaners teilte, dass BRICS die Erfindung des Finanzkapitals mit Hauptsitz in den USA war, heißt das nicht, dass die politischen Kräfte, die derzeit die Regierungspolitik der USA bestimmen, nicht alles versuchen, um die Absichten von BRICS, eine multipolare Weltordnung herzustellen, zu verzögern oder gar zu verhindern.

Einen ersten Rückschlag dürften die Versuche erlebt haben, als der Wunsch nach einer Einladung durch den französischen Präsidenten Macron unbeachtet gelassen wurde. Aber so schnell gibt sich ein Hegemon mit noch vielen Vasallen nicht geschlagen. Und so berichtet(2) der indische Ex-Diplomat M.K. Bhadrakumar auch über Medienberichte im Westen, die versuchen, einen Keil zwischen BRICS und Indien zu treiben.

Er schreibt, dass diese kurzzeitig für einige Verwirrung gesorgt habe. Südafrika sei sich bewusst, dass angesichts des aktuellen Stands seiner bilateralen Beziehungen zu den USA, der ausgezeichneten persönlichen Beziehungen von Präsident Cyril Rampaphosa zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, des Aufenthalts der BRICS auf dem Weg zur "Entdollarisierung" und ihrer Expansionspläne, hohe Erwartungen an Modis konstruktive Rolle bestehen, um die bevorstehende Veranstaltung in Johannesburg zu einem historischen Meilenstein der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts werden zu lassen. 

Die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor habe treffende Kommentare zu dem Reuter-Artikel abgegeben, und er zitiert sie:

"Ich habe mit verschiedenen Kollegen in der Regierung und außerhalb gesprochen, und alle waren über dieses Gerücht erstaunt. Ich glaube, dass jemand versucht, unseren Gipfel zu verderben, indem er alle möglichen Geschichten erfindet, die darauf hindeuten, dass er nicht erfolgreich sein wird. Der indische Premierminister hat nie gesagt, dass er nicht an dem Gipfel teilnehmen wird. Ich stehe in ständigem Kontakt mit Außenminister Jaishankar. Er hat das nie gesagt. Unsere Sherpas sind in Kontakt, und sie haben es nie gesagt. Wir haben also alle versucht, die Nadel im Heuhaufen zu finden, die dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat."

Es ist noch gar nicht so lange her, so der Artikel weiter, dass der Westen die BRICS als einen unwirksamen Schmetterling verspottet habe, der in einer von der G7 dominierten Weltordnung mit den Flügeln schlägt. Aber der "Schmetterlingseffekt" sei heute bei der Neugestaltung der Weltordnung deutlich zu spüren. 

Vereinfacht gesagt, habe die Flut von Ereignissen im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Ukraine den existenziellen Kampf Russlands gegenüber den USA an die Oberfläche gebracht, was wiederum eine tektonische Verschiebung in der internationalen Landschaft ausgelöst habe. Dabei sei ein transformierender Aspekt der Aufstieg des globalen Südens und seine zunehmend wichtige Rolle in der internationalen Politik gewesen. 

„Die Regierung Biden hätte nicht erwartet, dass eine Polarisierung zur Isolierung Russlands und Chinas so enden würde. Paradoxerweise markiert Washingtons ‚doppelte Eindämmung‘ Russlands und Chinas, wie sie in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Biden-Administration verankert ist, den Beginn des Aufbruchs des Globalen Südens aus der Kontrolle der Großmächte, der Neupositionierung seines internationalen Status und seiner Rolle sowie des Strebens nach strategischem Selbstbewusstsein und Autonomie.“(2)

Saudi-Arabien sei ein hervorragendes Beispiel dafür - es verfolge einen unabhängigen Kurs in regionalen Krisenherden wie dem Sudan oder Syrien, kalibriere den Weltölmarkt über das OPEC-Plus-Format, anstatt sich dem Diktat aus Washington zu beugen, und strebe die Mitgliedschaft in BRICS an.

Die Entwicklungsländer, so Bhadrakumar weiter, gewinnen an Handlungsspielraum im Spiel der Großmächte, und ihr politischer Einfluss habe rapide zugenommen. Ihre diplomatische Unabhängigkeit und strategische Eigenständigkeit vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise habe ihren Aufstieg zu einer aufstrebenden Kraft in der Weltpolitik in bemerkenswert kurzer Zeit beschleunigt.

Was die 23 nicht-westlichen Länder dazu veranlasst habe, die BRICS-Mitgliedschaft offiziell zu beantragen - obwohl die Gruppierung noch nicht einmal ein Sekretariat hat -, sei, dass die Gruppierung heute als wichtigste Plattform des globalen Südens wahrgenommen werde, die sich für eine gerechte Weltordnung einsetzt und daher ein Rendezvous mit dem Schicksal der Menschheit habe. 

Von Anfang an waren die BRICS-Länder klug genug, ihrer Agenda keinen Anti-Westen-Anspruch einzuverleiben - in der Tat hat keines ihrer Gründungsmitglieder eine Blockmentalität. Das hat den Westen jedoch nicht daran gehindert, sich bedroht zu fühlen. In Wirklichkeit sei diese Bedrohungswahrnehmung einer krankhaften Angst vor dem Aussterben der vier Jahrhunderte alten westlichen Vorherrschaft in der politischen und wirtschaftlichen Ordnung und im internationalen System entsprungen. 

Der Neo-Merkantilismus, der entscheidend sei, um den Niedergang der westlichen Volkswirtschaften aufzuhalten, werde nun frontal in Frage gestellt, wie man in Niger in Echtzeit erleben könne. Ohne den massiven Transfer von Ressourcen aus Afrika sehe der Westen einer düsteren Zukunft entgegen. Der außenpolitische Chef der Europäischen Union, Josep Borrell, sagte in einem schwachen Moment, dass der Westen, ein gepflegter Garten, vom Dschungel bedroht ist. Die atavistischen Ängste und Instinkte, die in Borrells Metapher mitschwingen, seien einfach umwerfend. 

Daher, so Bhadrakumar, sehe man diesen Eifer, BRICS zu Fall zu bringen, die Entschlossenheit BRICS zu schwächen, das Image und Ansehen zu trüben und die Staatengruppe daran zu hindern, an Fahrt zu gewinnen. Es sei bedauerlich, dass man diese alte koloniale "Teile und herrsche"-Mentalität am Werk sehe, um die Differenzen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den BRICS-Mitgliedstaaten zu verstärken. Die Kontroverse über die indische Haltung zur BRICS-Erweiterung könne nur in diesem Sinne gesehen werden. 

Letzte Woche habe sich der Sprecher des indischen Außenministeriums nach der Gerüchteküche von Reuters gezwungen gesehen, erneut klarzustellen: "Lassen Sie mich noch einmal wiederholen. Wir haben unseren Standpunkt bereits in der Vergangenheit klargestellt. Wie von den Staats- und Regierungschefs im vergangenen Jahr angeordnet, diskutieren die BRICS-Mitglieder intern die Leitprinzipien, Standards, Kriterien und Verfahren für den BRICS-Erweiterungsprozess auf der Grundlage umfassender Konsultationen und eines Konsenses. Wie unser Außenminister bereits sagte, gehen wir offen und mit einer positiven Einstellung an die Sache heran. Wir haben einige unbegründete Spekulationen gesehen,... dass Indien Vorbehalte gegen die Erweiterung hat. Das ist einfach nicht wahr. Lassen Sie mich das also ganz klar sagen.“

Auf die Behauptung, Modi wolle die Reise nach Johannesburg nicht antreten, habe ein indischer Sprecher wie folgt reagiert: "Ich möchte Sie dringend bitten, sich nicht auf spekulative Medienberichte zu verlassen. Wenn wir in der Lage sind, über solche hochrangigen Besuche zu sprechen und sie anzukündigen, werden wir das sicherlich tun, und Sie werden wissen, dass das unsere Praxis ist. Im Moment bitte ich Sie alle um etwas Geduld, damit wir es zum richtigen Zeitpunkt bekannt geben können.“

Auch die anglo-amerikanische Verschwörung, die hinter dem Haftbefehl des IStGH gegen Putin stecke, sei offensichtlich. Russland war der Pionier der BRICS-Staaten, und der erste Gipfel der Gruppe habe 2008 in Jekaterinburg stattgefunden [wo übrigens eine gemeinsame Erklärung abgegeben wurde, in der vor der globalen Vorherrschaft des US-Dollars als Standardreservewährung gewarnt wurde]. 

Putin habe sich unermüdlich für eine Entdollarisierung eingesetzt und ist heute die lauteste Stimme zu diesem Thema auf der internationalen Bühne. Putins Prognose habe im globalen Süden breite Akzeptanz gefunden, wie der Exodus der Länder zeige, die sich für nationale Währungen zur Begleichung ihrer gegenseitigen Zahlungen entscheiden. Washington sei zunehmend besorgt darüber, dass sich im internationalen Finanzsystem ein Prozess der Entdollarisierung abzeichnet, nachdem es übermäßig Sanktionen verhängt und willkürlich Dollarreserven von Ländern beschlagnahmt hat, mit denen es nicht zurechtkomme. 

Interessanterweise habe Bloomberg einen Artikel über den BRICS-Gipfel mit dem Titel "Dieser Club ist nicht groß genug für China und Indien" veröffentlicht. Darin wird die These vertreten, dass "die Spannungen zwischen den asiatischen Rivalen den BRICS-Block wahrscheinlich daran hindern werden, jemals eine kohärente Herausforderung für den Westen darzustellen". Es sei ein abgedroschener Versuch, meint Bhadrakumar, sich auf die Widersprüche zwischen China und Indien zu versteifen, um einen Keil zu treiben und die Einheit von BRICS zu untergraben.

Dann schränkt der Autor ein, dass es stimme, dass Indien Bedenken habe, dass China die BRICS-Gruppe dominieren könnte. Aber andererseits sei China auch ein starker Befürworter der BRICS-Erweiterung und einer stärkeren Vertretung der Entwicklungsländer. Er fragt, ob dies nicht der Beweis für eine strategische Konvergenz sei? 

Grundsätzlich hätten Indien und China trotz ihres ungelösten Grenzstreits die gemeinsame Vision, dass BRICS eine wesentliche Rolle auf der globalen multilateralen Bühne spielen solle. Beide Länder sähen in BRICS auch eine Plattform, um ihren internationalen Status und Einfluss zu stärken. Diese Gemeinsamkeit der Interessen sei es, die den Westen beunruhigt. 

Für Indien sei BRICS eine günstige instrumentelle Plattform, um sein Streben nach einer stärkeren Vertretung auf der internationalen Bühne zu verwirklichen. Daher könne der Erfolg der BRICS Indiens Außenpolitik nur stärken - und möglicherweise sogar eine positive Energie und Atmosphäre in seinen Beziehungen zu China schaffen.

Fazit

Diese ganze geopolitische Schachspielerei könnte ja ganz unterhaltsam sein. Wären da nicht die ungeheuren Folgen für Millionen von Menschen. Die nun in der Sahelzone wieder einmal von Hunger und fehlender Medizinversorgung, und sogar von Krieg, bedroht werden, oder die Menschen in Pakistan, die mit sogar 12-stündingen Stromausfällen leben müssen, und denen nicht erlaubt wird, ihre Industrialisierung voran zu bringen. 

Quellen und Zusatzinformationen

Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka 

1) https://korybko.substack.com/p/kyrgyzstan-is-the-us-next-regime  2) https://www.indianpunchline.com/west-is-paranoid-about-brics-summit/ 

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Oleg Elkov / shutterstock


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