Standpunkte

Nein heißt nein | Von Roland Rottenfußer

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Ein Standpunkt von Roland Rottenfußer.

Impfpflicht und Impfdruck zeugen von einem Mangel an Respekt, den man in anderem Zusammenhang als kriminell einstufen würde.

Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Es sind ausgerechnet jene Kräfte, die sich besonders für den Schutz der Frauen vor sexueller Belästigung und für die Autonomie über den eigenen Körper eingesetzt haben: Grüne, Linke und SPD hatten sich im Verein mit sich modern gebenden Konservativen besonders an die Me-too-Bewegung und die von Feministinnen erhobene Forderung „My body, my choice“ angehängt. Nun geben sie unter Verweis auf ein sattsam bekanntes Virus all diese Grundsätze auf. Plötzlich scheint das Motto zu lauten: „Mein Körper gehört dem Staat.“ Und aus dem für die Menschenwürde unverzichtbaren Motto „Nein heißt nein“ wurde: „Den klopfen wir schon noch weich, wenn wir nur hartnäckig genug sind.“ Der Staat verhält sich wie ein peinlich uneinsichtiger „Verehrer“, der alle Grenzen überrennt und letztlich selbst vor Gewalt nicht zurückschreckt, um etwas in den Körper von Bürgern einzuführen, was diese dort erklärtermaßen nicht haben wollen. Eine allgemeine Impfplicht würde diese Entwicklung auf die Spitze treiben.

Leider leben wir in einer Zeit, in der sich das pathetisch klingende Wort „Verrat“ überall aufdrängt. Was haben die 2G-Kirchen noch mit echtem Christentum zu tun, was der Ethikrat mit Ethik, was das Verfassungsgericht mit unserem Grundgesetz, was die parlamentarische Opposition mit Oppositionsarbeit? Und wo üben heutige Medien noch eine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus? Natürlich ist diese Darstellung arg pessimistisch, denn gewiss gibt es in den Kirchengemeinden und anderen derzeit ziemlich angepassten Bevölkerungsgruppen auch aufrechte Menschen. Und aus den Trümmern der Institutionen erhebt sich jetzt unbestechlich und ungebrochen — der Mensch. Immer mehr Einzelne scheinen aus monatelanger politischer Antriebslähmung zu erwachen, schließen sich zusammen, „stehen zusammen“ — was in diesem Fall buchstäblich zu verstehen ist.

Trotz einiger Hoffnungszeichen herrschen für viele jedoch noch immer Gefühle der Verzweiflung und Angst vor, stecken wir in einem Winter fest, der in vieler Hinsicht noch dunkler wirkt als der vergangene. Die Herrschenden haben es geschafft, dass sie uns — zumindest die kritischen und ungeimpften Menschen — mit einer finsteren Drohung ins neue Jahr schicken. Noch schlimmere Zahlen — „Omikron“ —, noch härtere Maßnahmen, schließlich der ultimative Zugriff auf die Körper von Millionen Widerstrebenden: die „Impfpflicht“. Der Staat will gegen unseren Willen in uns eindringen und Substanzen in uns einspritzen, die wir — aus welchen verständlichen oder unverständlichen Motiven auch immer — dort nicht haben wollen. In anderem Kontext nennt man das auch Vergewaltigung.

Übergriffige „Verehrer“

Dieser Begriff dürfte vielen übertrieben vorkommen und Abwehrreflexe auslösen. Ich bezweifle nicht, dass Menschen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, in den meisten Fällen schwerer traumatisiert sind als solche, die sich zu einer Impfung haben überreden lassen. Zum Beispiel weil sie sonst ihren Arbeitsplatz verloren hätten oder der Weg zur Arbeit für sie nicht mehr organisierbar gewesen wäre. Von denen abgesehen, die ihre Impfung mit dem Tod oder mit chronischen Krankheiten bezahlen mussten, dürfte es den meisten nur aufgrund gesellschaftlichen Drucks Geimpften besser gehen als Vergewaltigungsopfern. Dennoch sollte auch das Überrennen der Körperschranken durch einen übergriffigen Staat in seiner Wirkung auf die Psyche nicht kleingeredet werden.

Ich kann nur an die Opfer schwerer Verbrechen appellieren, den Opfern von vielleicht weniger gravierenden Übergriffen nicht ihre Solidarität zu verweigern — sich nicht einspannen zu lassen von der Propaganda, um Menschen, die unbequeme Vergleiche anstellen, als „Bagatellisierer“ abzukanzeln. Gewalt und Nötigung sind immer schweres Unrecht, und Menschen, die sie erlitten haben, sollten zusammenhalten.

Warum überhaupt hat sich der Slogan „Nein heißt nein“ in der öffentlichen Diskussion über Sexismus und sexuelle Belästigung derart durchgesetzt? Drückt dieser Satz nicht eine pure Selbstverständlichkeit aus? Offenbar nicht, denn für viele Männer, speziell auch in Machtpositionen, bedeutete das Nein einer Frau eher „Schauen wir mal“. Ein Nein wird von diesen als Aufforderung interpretiert, ihre „Überredungsbemühungen“ zu verstärken — so lange, bis die Betroffene lieber resigniert nachgibt als auf ihrem Widerstand zu beharren. Für ganze Kerle war und ist es eine Ehrensache, nicht zu schnell klein beizugeben: „Eigentlich will sie es doch auch — sie braucht nur etwas Zeit und Hartnäckigkeit, um sich bewusst zu werden, was gut für sie ist.“

Natürlich gab und gibt es so etwas wie ein Spiel zwischen Mann und Frau, bei dem Zögern als eine Art Stilmittel eingesetzt wird, um das zu erreichende Ziel noch begehrenswerter zu machen. Doch diese Beobachtung wurde von zudringlichen Verehrern oft bewusst missverstanden. Selbst eine klare Vergewaltigung kann so als die Exekution des „eigentlichen“ Willens einer Frau gedeutet werden, die vielleicht nur zu schüchtern ist, sich der amourösen Brillanz ihres Eroberers sofort und ohne Zögern hinzugeben. Und, ja, ich vergleiche dieses Verhalten aufdringlicher Männer mit dem gegenwärtig aufgebauten Impfdruck.

Impf-Missionare begreifen schlicht nicht, dass ihr Typ nicht immer und überall gefragt ist. Ihre Einstellung gegenüber Menschen, die ihnen nicht zu Willen sind, kann in etwa so zusammengefasst werden: „Auch wenn ich spüre, dass du es nicht willst — # ich will es, und da ich der Stärkere bin, wird dir schon nichts anderes übrigbleiben, als mich gewähren zu lassen. Wie du dich dabei fühlst, interessiert mich nicht.“

Überrannte Grenzen

Vielleicht bin ich als Mann, der nie Opfer sexueller Gewalt geworden ist, in diesen Fragen nicht kompetent. Aber ich bin sicher: Überall in Deutschland gibt es jetzt Frauen und auch Männer, die — entsprechende Erfahrungen vorausgesetzt — einfach Angst haben, dass etwas geschehen könnte, was die schlimmste Erfahrung ihres Lebens wieder aufwühlt. Etwas, von dem sie nicht gedacht hätten, dass sie noch einmal damit konfrontiert würden, schon gar nicht seitens jener Instanz, die sich selbst gern als den Inbegriff des Rechts und des Schutzes der Bürger inszeniert: des Staates.

Die Brutalität, mit der die bisherigen Maßnahmen zum „Gesundheitsschutz“ durchgesetzt und propagandistisch gerechtfertigt wurden, lässt für die Betroffenen wenig Hoffnung zu, die Impfenthusiasten würden nun vor der Körperschranke haltmachen.

Maria Schneider ist eine von ihnen, und sie hat mir dankenswerterweise — anonymisiert — über ihre Erfahrungen Auskunft gegeben: „Vor vielen Jahren wurde ich einmal von einem Autofahrer, der mich beim Trampen mitgenommen hatte — nein, nicht vergewaltigt, sondern sexuell genötigt. So das männerfreundliche Urteil. Ich lüge nicht, es gibt dazu Unterlagen bei Gericht. In den Jahren der Therapie habe ich gelernt, NEIN zu sagen. Und dass Nein auch Nein heißt. Selbst bei Gewaltandrohung.“

Nun fürchtet Maria, dass im Zuge der Impfkampagne und der angedrohten „Pflicht“ bei ihr alles wieder aufgewühlt werden und dass ihr mühsam errungener Therapieerfolg zunichte gemacht werden könnte.

„Beim Impfen geht es mir inzwischen genauso. Also ähnlich. Auf eine subtile, untergründige Weise erinnert mich die unablässige, penetrante Impf-Werbung — die mit immer größerem Druck einhergeht, bis hin zu Androhung von Zwang und Beuge-Haft — an mein Erlebnis. Also, da kommen sehr ungute Erinnerungen bei mir hoch.“

Dabei geht es Maria noch gar nicht um die zu befürchtenden Impfschäden — diese Gefahr schwebt zusätzlich über ihr; es geht schlicht darum, dass ein gut organisierter Machtapparat dabei ist, ihren Willen zu brechen — die Entscheidung, die sie, aus welchen guten oder schlechten Gründen auch immer, nach reiflicher Überlegung für ihren eigenen Körper getroffen hat.

„Bei mir ist es so, dass ich im Rahmen der Therapie mein Unbewusstes gut erforscht habe und mir solche Zusammenhänge bewusst werden können. Auch dieses Einspritzen einer Substanz in den Körper, die ich dort nicht haben will — das führt bei mir innerseelisch zu der Haltung, dass ich wirklich NEIN meine, wenn ich Nein gesagt habe. Auch beim Impfen. Wenn ich Ja meinen würde, dann würde ich ja freiwillig zur Impfstation gehen.“

Freiwilligkeit aber ist offenbar das rote Tuch eines Machtsystems, das zunehmend auf Fremdbestimmung setzt. Freiwilligkeit erscheint heute geradezu wie ein Relikt aus den idyllischen Tagen der „alten Bundesrepublik“, das in den Tagen eines uns schärfer ins Gesicht blasenden Winds der Geschichte auf dem Altar der Pflicht geopfert werden muss.

Vielfache Retraumatisierung

Aber stellt Maria Schneider mit ihrer Geschichte nicht eine Ausnahme dar? Der Wiener Psychiater Raphael Bonelli erzählt in seinem im Schriftartikel verlinkten Video Die Vergewaltigung von Ungeimpften von einer steigenden Zahl von ungeimpften Patientinnen und Patienten, die sich durch den auch in Österreich starken Impfdruck „vergewaltigt“ fühlen. Bonelli unterscheidet aus seiner therapeutischen Erfahrung heraus drei Gruppen: Menschen, die sich aus Überzeugung haben impfen lassen, „pragmatisch Geimpfte“, die es taten, um wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, und eine dritte Gruppe:

„Die Leute, die jetzt noch zur Impfung gedrängt werden sollen, diese Menschen empfinden das als Gewalt. Es wird sehr häufig in meiner Praxis von ‚Vergewaltigung‘ gesprochen. Das heißt: Ich muss mich impfen lassen, sonst verliere ich meinen Job. Aber ich will mich nicht impfen lassen.“

Nicht erst die in Österreich schon bald drohenden Geldbußen für „Verweigerer“ werden von vielen Patientinnen und Patienten also mit diesem schweren Straftatbestand verglichen — auch der jetzt schon bestehende Druck, speziell auch der Ungeimpften drohende Verlust der beruflichen Existenz, ist für sie ein schlimmer Übergriff. Und in der Tat sind die Kündigung im Job — mit unabsehbaren Folgen für die eigene finanzielle Sicherheit — oder auch der Verlust des bisherigen sozialen Umfelds mitunter schwerere Strafen, als es Geldzahlungen über mehrere Tausend Euro sein könnten. Die „Pflicht“ droht nicht nur in naher Zukunft, für viele existiert sie schon jetzt.

Bonelli weiter:

„Wir dürfen nicht vergessen, dass die Impfung — also allein der Stich — eine Körperverletzung ist. Dann gibt‘s diese Substanz, von der man nicht weiß, welche Langzeitwirkung sie hat. Das alles empfinden Menschen eben als Vergewaltigung. Ich warne davor, diese Menschen zu stark in die Enge zu treiben. Da kommt‘s zu Verzweiflung, da kommt’s zu Wut, und da kommt‘s wirklich zu Ausfallshandlungen.“

Für Bonelli folgt diese Politik dem Prinzip „Der Zweck heiligt die Mittel“. Für eine vielleicht geringere Ansteckungsgefahr werden schwere Eingriffe in die Freiheit beschlossen, die bisher in unserer Gesellschaft als illegitim angesehen wurden.

„Die Leute, die in der Politik geglaubt haben, dass sie durch unlautere Mittel zu einem richtigen Ziel kommen, die haben immer Schiffbruch erlitten. Ich finde es politisch respektlos, mit Menschen so umzugehen.“

Eine Bemerkung am Rande: „Respekt“ war das Motto, das im Wahlkampf 2021 auf allen Plakaten des damaligen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz prangte. Die Verweigerung dieses Respekts gegenüber Millionen ungeimpfter Menschen erwies sich dann aber nicht nur als eines von vielen Projekten der frisch errungenen Kanzlerschaft — Scholz sah das Niederringen des Widerstands von noch nicht Gefügigen geradezu als seine vordringliche Aufgabe an.

„Mein Körper gehört mir“

Raphael Bonelli berichtete schon Anfang November 2021 von sich häufenden Verwendungen des Wortes „Vergewaltigung“ seitens seiner Patienten. Er gibt deren Gefühle zusammenfassend so wieder: „Es wird mir Gewalt angetan. Man will, dass ich mich selbst schädige durch diese Körperverletzung. Man will, dass ich mir eine Substanz spritzen lasse, die ich nicht in meinem Körper haben will. Mein Körper gehört mir.“ Und wenn es schon zu spät ist? „Die, die es gemacht haben, bereuen es teilweise. Ich habe Patienten, die sagen: eine dritte Impfung ganz sicher nicht.“

Dieser Bericht Dr. Bonellis ist jedoch schon einige Monate alt. Mittlerweile wissen wir, dass „Ungeboosterte“ teilweise schon die gleiche brutale Ausgrenzung erdulden müssen wie Ungeimpfte. Gewiss, jeder von uns kennt viele Menschen, die von völlig unkompliziert verlaufenen Impfungen berichten. Dies wird in den meisten Fällen der Wahrheit entsprechen — oder auch ein wenig eingefärbt sein durch den Wunsch, die einmal getroffene, irreversible Entscheidung, sich impfen zu lassen, bestätigt zu sehen.

Aber selbst wenn die gut verlaufene Impfung den Normalfall darstellt: Wer übernimmt die Verantwortung für die nicht wenigen Ausnahmen? Den Betroffenen selbst spricht man die Verantwortung ja offenbar ab.

Was ist mit den auf die eine oder andere Art Traumatisierten, die mit dem Impfzwang ein „Déjà-vu“ erleben? Den Veganern, die gezwungen werden sollen, sich eine mithilfe von Tierversuchen entwickelte Substanz zu spritzen? Den Opfern der brutalen Zurichtung von Rekruten in Zeiten der Wehrpflicht, die ihren Staat nun wieder als übergriffig und absolut respektlos erleben müssen? Was ist mit den Menschen, die in Diktaturen gelebt haben — in der ehemaligen DDR oder auch als Migrierte in verschiedenen Unrechtsstaaten der Welt? Schließlich:

Was soll mit Menschen geschehen, die mit ihrer ersten oder zweiten Spritze erlebt haben, was es ja angeblich gar nicht gibt: schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen; die diese Erfahrung aus verständlichen Gründen nicht wiederholen wollen und sich nun als „Ungeboosterte“ oder einmal Geimpfte wie Ungeimpfte ausgegrenzt sehen?

Hier könnte mit der Impfpflicht eine Retraumatisierung stattfinden, die weitaus schlimmere psychische Abstürze mit sich bringt, als sie im Normalfall bei Zwangsgeimpften zu erwarten sind.

Erschreckender Niveauverlust

Und, ja, den Vergleich mit sexueller Nötigung müssen sich die Verfechter von Zwangsimpfungen anhören. Selbst wenn der momentane Zeitgeist Übertreibungen der Männerfeindlichkeit hervorgebracht hat, die es schwierig machen, bei der Partnersuche überhaupt die Initiative zu ergreifen — es war und ist richtig, dass eine breite Bewegung auf dem Grundsatz „Nein heißt nein“ besteht. Auf der linken Seite des Parteienspektrums — also in Kreisen, in denen zum Beispiel Minderheitenschutz und Feminismus besonders gepflegt werden — gilt das körperliche Selbstbestimmungsrecht von physisch oder sozial schwächeren Personen als besonders schützenswert.

Eben aus den Parteien, die dieses „Milieu“ vertreten, vernehmen wir aber nun einige der krudesten Äußerungen zur Impfpflicht. Baden-Württembergs Ministerpräsident Wilfried Kretschmann etwa ließ im Predigtton verlauten: „Das Impfen ist der Moses, der uns aus der Lage herausführt“. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer drohte einer Impfkritikerin auf Facebook offen: Für Leute wie Sie muss die Impfpflicht her. Wenn nötig, bis zur Beugehaft“.

Hier zeigt sich nicht nur die Arroganz, sondern auch die Brutalität der Macht, wenn im Rahmen einer zunächst sachlichen Auseinandersetzung einer der Diskutanten droht, er könne seinen Meinungsgegner in einen kleinen Raum sperren lassen — so lange, bis dieser unter der psychischen Folter tut, was von ihm verlangt wurde.

Frankreichs Präsident Macron indes ließ eine schon sadistisch zu nennende Lust erkennen, ungeimpfte Menschen durch Zufügen von Qualen in die Impfbereitschaft hineinzuzwingen. Sein Satz heißt im Original: „Les non-vaccinés, j'ai très envie de les emmerder. Et donc on va continuer de le faire, jusqu‘au bout. C‘est ça, la stratégie.“ Er werde die Ungeimpften also bis zum Ende nerven (wörtlich ungefähr: ankacken), und zwar — das ist fast der schockierendste Teil an diesem Satz — weil er Lust („envie“) darauf hat.

Auf diesem Niveau agieren auch deutsche Akteure wie der Talkshow-Punk Sascha Lobo. Der verglich Corona-Andersdenkende nicht nur mit der Pest, sondern warf ihnen auch vor, quasi geistig zu stinken.

„Die unbewusste Ideologie der Denkpest ist wie unangenehmer Körpergeruch, Betroffene sind nicht ohne Weiteres in der Lage, es zu riechen — aber alle anderen leiden darunter.“

Mit solchen Äußerungen kommt man nur durch, wenn es der Führung eines Landes gelungen ist, fast die gesamte Medienlandschaft auf ihr eigenes geistiges und ethisches Niveau herabzudrücken. Wer derart auf die Würde vieler seiner Bürger „scheißt“, der wird auch nicht zögern, die Verfügungsgewalt über deren Körper für sich zu beanspruchen.

Es bleibt dabei: Übergriffigkeiten der Art „Dein Körper gehört mir“ erinnern an die Zustände in Sklavenhaltergesellschaften. Sie gehören in die Kriminalstatistik, nicht in die Diskurse demokratisch gewählter „Volksvertreter“.

Die Grenzverletzungen von „Staatsorganen“ nämlich sind schlimmer als die von Privatpersonen, weil die Geschädigten im ersteren Fall auf keinerlei Schutz des Gesetzes und auf keinerlei Anerkennung ihres Opferstatus hoffen dürfen. Sie sind vielmehr einem überlegenen Apparat völlig hilflos ausgeliefert und dürfen nicht einmal auf das Mitgefühl der meisten ihrer Mitbürger hoffen, denn das Volksbewusstsein ist bekanntlich ein Fähnlein im Wind der Macht.

Eine Politik der Respektlosigkeit

Der ganze Vorgang der „Impf-Überredungskunst“ und der Impfnötigung, dem Skeptiker nun seit einem vollen Jahr ausgesetzt sind, zeugt von einem tiefgreifenden Mangel an Respekt. Selbst Kommentatoren, die sich gegen eine allgemeine Impfpflicht aussprechen, betonen meist beflissen, wie wichtig es ihnen sei, dass die von der Pflicht noch einmal gnädig Verschonten ersatzweise mit allen anderen zur Verfügung stehenden Mitteln weichgekocht werden müssten. Dies könnte uns in jedem Fall blühen, falls sich die jetzt verschobene Impfpflicht als doch nicht durchsetzbar erweisen sollte. Man müsse dann eben die konventionellen Mittel der Aufklärung verstärken, wird es heißen, müsse „noch Impfunwilligen“ die Segnungen der Spritze noch eindringlicher vor Augen führen.

Von Impfbussen an jeder Straßenecke, über Werbespots täglich vor dem „heute journal“ bis hin zu ungebetenen Anrufen in jedem Haushalt reicht die Palette der Vorschläge. Auf diese Weise könnten auch noch die letzten bockigen Impfverweigerer in ihren Verstecken aufgescheucht und an ihre vaterländische Pflicht erinnert werden. Selbst gemäßigte Kommentatoren des Geschehens unterscheiden meist rhetorisch zwischen zwei Gruppen: „Wir“ und „Die Ungeimpften“, die man zwar tolereren, jedoch auch mit sanfter Eindringlichkeit im Sinne der herrschenden Agenda bearbeiten müsse. Der Ungeimpfte selbst gehört niemals zur „Wir“-Gruppe.

Ganz offenbar entspringt diese Einstellung einer zutiefst totalitären und antipluralistischen Geisteshaltung, die in einem demokratischen Gemeinwesen nichts zu suchen hat. Nicht „Impfunwillige“ sollten — wie es jetzt in Deutschland vielfach geschieht — das Land verlassen; umgekehrt sollten Menschen mit einem gestörten Verhältnis zu den Grundrechten, zu Toleranz und Pluralismus die von ihnen präferierte andere Republik besser anderswo errichten.

Die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls war von ihren Architekten und von den Generationen derer, die das Land über Jahrzehnte im demokratischen Geist am Leben gehalten haben, so nicht gedacht gewesen. Nicht als eine Republik der Einschüchterer, Denunzianten und Duckmäuser, sondern als ein Ort, an dem freie Bürger ihre Verantwortung gegenüber den dunklen Perioden der deutschen Geschichte wirklich ernst nehmen und etwas Neues erschaffen. Etwas, was gerade in unserem Land offenbar so furchtbar schwerfällt. Ein Land sollte entstehen, in dem der Grundsatz „Leben und leben lassen“ gilt, in dem das Verschiedenartige in gegenseitigem Respekt koexistieren kann.

Freiheit ist deshalb heute nicht zuletzt auch die Freiheit des — über Impfung — Andersdenkenden

+++Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 29. Januar 2022 im Rubikon – Magazin für die kritische Masse. +++ Bildquelle: fizkes / shutterstock


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