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Plump und entlarvend – wie die Staatsanwaltschaft Regierungskritiker zu gängeln versucht

Plump und entlarvend – wie die Staatsanwaltschaft Regierungskritiker zu gängeln versucht


Ein Meinungsbeitrag von Eugen Zentner.

Die Hausdurchsuchung bei dem Freiheits- und Friedensaktivisten Captain Future stellt bislang den Höhepunkt einer Serie von Schikanen dar, die Regierungskritiker seit der Corona-Krise über sich ergehen lassen müssen. Federführend ist oftmals die Berliner Staatsanwaltschaft. Dabei geht sie zuweilen so plump vor, dass ihre wahren Absichten geradezu ins Auge springen. Captain Future beispielsweise erhielt Polizei-Besuch wegen eines hochgeladenen Videos vom Oktober letzten Jahres. Dieses trage die Beschreibung „Lauterbach muss weg“ und die Überschrift „Lauterbach zum Rückzug gezwungen“, so der Wortlaut in der Begründung für die Hausdurchsuchung.

„Bei der Wiedergabe sind schussähnliche Knallgeräusche zu vernehmen, die als Aufforderung zur gewaltsamen Entfernung des Bundesministers für Gesundheit verstanden werden sollten.“

Wer sich das Video jedoch anschaut, muss wiederholt die Ohren prüfen. Ein Knall ist nicht zu hören, stattdessen Geräusche, die aus „Looney Tunes“ stammen, einer bekannten Trickfilmreihe von Warner Bros. – mit Figuren wie Bugs Bunny oder Daffy Duck. Die Geräusche im Hintergrund kommen so harmlos daher, dass sich die Berliner Staatsanwaltschaft schon fragen muss, wie sie aus ihnen einen Knall ableitet. Die Schlussfolgerung macht sie unglaubwürdig. Dass sie diese Deutung als Grund für die Hausdurchsuchung angibt, spricht nicht nur dem Rechtsstaat Hohn, sondern wirkt glattweg lächerlich, ja überaus entlarvend. Wer nur ein bisschen Verstand und Realitätssinn hat, wird darin eine verkrampfte Konstruktion einer Schuld erkennen. Sie ist so grotesk, dass man sie nicht ernst nehmen kann, sondern lachen muss. Dementsprechend gelassen nahm es Captain Future in seinem Statement, das er kurz nach der Hausdurchsuchung per Video abgab.

Das Vorgehen ist geradezu verdächtig. Es erinnert an perfide Methoden aus Staaten, die hierzulande gerne als autoritär bezeichnet werden. Russland zum Bespiel. Als etwa der Geheimdienstmitarbeiter Alexander Litwinenko 1998 erstmals öffentlich darüber sprach, wie der FSB im Hintergrund agiert und sich bereichert, landete er schon bald vor Gericht. Die Straftat war fabriziert, aus Lappalien, die dem Knallgeräusch aus Captain Futures Video ähneln. Im Gefängnis sitzt heute auch Alexei Nawalny, ein weiterer Regierungskritiker, der zuvor oftmals Besuch von der Polizei bekam. Die hiesige Politik und Presse überbietet sich in Anschuldigungen, dass der Kreml Regierungskritiker drangsaliere und alles andere als rechtstaatlich vorgehe. Nach der Hausdurchsuchung bei Captain Future herrscht jedoch Stille, obwohl die Parallelen offensichtlich sind.

Die Justiz wird auch hierzulande instrumentalisiert, wenn es um Regierungskritiker geht. Nur bekommen es breite Teile der Bevölkerung nicht mit, weil die Leitmedien schweigen oder das perfide Vorgehen verharmlosen. Die Doppelstandards der Staatsanwaltschaft schaffen es einfach nicht in die Schlagzeilen, zumindest werden sie dort nicht als solche thematisiert. Beispiele gibt es genug. Vor wenigen Wochen musste sich etwa der Arzt und Medienunternehmer Paul Brandenburg vor Gericht verantworten, weil er im August 2020 auf seinem Telegram-Kanal eine Grafik mit dem Wort „Mitläufer*innen“ gepostet hatte. Das Sternchen war jedoch durch ein „Genderhakenkreuzchen“ ersetzt worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin sah darin ein verfassungsfeindliches Symbol und demonstrierte mal wieder ihre Interpretationsflexibilität.

Wenn es um Regierungskritiker geht, bezieht sie sich gerne auf den Paragraphen 86 Abs. (1) Nr. und 4 des Strafgesetzbuches (StGB), demzufolge es verboten sei, Propagandamittel „einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung“ zu verbreiten, „von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist“ (Nr. 1). Gleiches gilt für Propagandamittel, „die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen“ (Nr. 4). Unterschlagen wird jedoch Absatz (4), der klar definiert, dass Absatz (1) nicht gilt,

„wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient“.

Brandenburgs „Mitläufer*innen“-Grafik war Satire und somit Kunst, wie auch dessen Anwältin vor Gericht erläuterte. Doch die Richterin sah es anders. Sie sprach den Kunstcharakter lapidar ab und verurteilte Brandenburg zu 30 Tagessätzen á 100 Euro. Das gleiche Schicksal droht dem in Berlin lebenden US-Amerikaner C. J. Hopkins. Der Autor und Satiriker hat ein Buch geschrieben, das sich kritisch mit der deutschen Corona-Politik auseinandersetzt. „The Rise oft the New Normal Reich“ heißt es und enthält auf dem Cover eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung mit einem weißen und kaum sichtbaren Hakenkreuz. Dieses dient der Überspitzung des Buchinhalts, und Hopkins hat sogar öffentlich betont, dass er damit nicht den Nationalsozialismus unterstütze.

Dennoch hat die Berliner Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, obwohl dessen Art und Weise der Hakenkreuz-Verwendung unter die zitierte Definition des Absatzes (4) im Paragraph 86 (StGB) fällt. Wenn sie sich derart daran stört, müsste sie konsequenterweise auch Helge Schneider für seine Rolle in dem Film „Mein Führer“ belangen, und Bruno Ganz für die Mitwirkung in „Der Untergang“ sowie Charlie Chaplin für sein Parodie des „Diktators“, posthum natürlich. Wenn schon, denn schon! Schließlich hat die Berliner Polizei auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Pink-Floyd-Gründer Roger Waters eingeleitet, weil dieser auf seinem Konzert in der Hauptstadt die bereits seit Jahren bekannte Figur des „faschistischen Demagogen“ darstellte. Dass er damit ein Statement gegen Faschismus, Ungerechtigkeit und Bigotterie setzt, fällt nicht ins Gewicht.

Die Staatsanwaltschaft Berlin sieht das, was sie sehen will. Mal sieht sie Kunst, mal nicht. Oder sie hört, wie im Fall Captain Future, einen Knall, obwohl es sich um ein „Meep-Meep“-Geräusch handelt. Gemessen wird mit zweierlei Maß. Die Praxis gleicht einer Satire. Die Gängelung ist so überspitzt, dass man irritiert zurückbleibt. Selbst den Polizisten vor Ort soll es peinlich gewesen sein, wie Captain Future in seinem Statement berichtet. Es bleibt abzuwarten, wann es der Staatsanwaltschaft selbst peinlich wird, so unbeholfen gegen Regierungskritiker vorzugehen. Eines Rechtsstaates ist das nun wirklich nicht würdig.

Hier der Link zum Interview mit Michael Bründel ("Captain Future") bei apolut: https://staging.apolut.net/im-gespraech-michael-bruendel/

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: apolut


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