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Politiker kungeln wieder im Geheimen mit den Mächtigen | Von Norbert Häring

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Ein Kommentar von Norbert Häring.

Am Wochenende, bis 21. Mai, trafen sich hochrangige Politiker, auch deutsche, ganz „privat“, also ohne demokratische Rechenschaft ablegen zu müssen, in Lissabon hinter verschlossenen Türen mit den Bilderbergern, den Mächtigen aus Medien, Konzernen, Militär und Geheimdiensten aus Nordamerika und Europa. Nur die Liste der Teilnehmer und eine knappe Agenda wird veröffentlicht. Die Teilnehmerliste gibt immerhin einen interessanten Einblick in die Machtverhältnisse im nordatlantischen Raum.

Das Treffen gibt es nun schon seit fast 70 Jahren. Vertreter wichtiger Medien waren zwar laut Teilnehmerliste dort, aber sie berichten nicht. Sie lassen sich lediglich in ihrer Berichterstattung beeinflussen. Es gilt die Chatham-House-Regel. Man darf verwenden, was man erfährt, aber nicht offenlegen, woher man es hat. Das ist natürlich maximal ungünstig für Menschen, die gerne wissen möchten, welche Interessen hinter dem stehen, was sie in der Zeitung oder Zeitschrift lesen.

Die angelsächsischen Medien mit internationaler Agenda-Setting-Macht, wie der Economist und die Financial Times, sind regelmäßig dabei, oft auch – wie in diesem Jahr, mit mehreren Vertretern. Außerdem fällt die Nachrichtenagentur Bloomberg in diese Kategorie. Anne Appelbaum von The Atlantic dürfte auch wegen ihrer sehr engen Kontakte ins Militär- und Geheimdienstmilieu dabei sein. Auch der Chef des Springer-Konzerns (u.a. Bild, Welt) ist regelmäßig dabei.

Da es bei den Bilderbergtreffen regelmäßig um die ganz großen geopolitischen und geoökonomischen Fragen geht, und zumeist nur die oberste Führungsebene dort vertreten ist, mit Ausnahme der Politik vielleicht, kann man daraus, wer eingeladen wird, durchaus Schlüsse ziehen, wer besonders wichtig ist.

Der Kanzleramtsminister war dabei

Aus Deutschland waren in diesem Jahr drei Politiker und vier Spitzenmanager von Konzernen dabei, Deutsche Bank, Axel Springer, BASF und Merck.

Die Politiker sind Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD), Bundestagsabgeordneter Norbert Röttgen (CDU), stellv. Vorsitzender der Atlantik Brücke und ein außenpolitischer Falke, und Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten des Bundestags.

An Regierungschefs waren dabei, Mark Rutte aus den Niederlanden, Mette Frederiksen aus Dänemark und Sanna Marin aus Finnland.

Viele Regierungschefs scheinen das Treffen zu scheuen, seit die Teilnehmerlisten veröffentlicht werden. Deshalb ist in der Politik die zweite Ebene der Minister weit stärker vertreten als bei den Konzernen. Es kommen im wesentlichen nur noch die Regierungschefs die in Sachen übermäßige Nähe zu Konzerninteressen ohnehin keinen Ruf mehr zu verlieren haben, wie Mark Rutte, der ganz offen und ausdrücklich die Agrar-Agenda des Weltwirtschaftsforums gegen seine Bauern umsetzt, oder Young-Global-Leader des Weltwirtschaftsforums, Sanna Marin, und natürlich Chrystia Freeland, die nichts dabei findet, neben ihren Ämtern als kanadische Finanzministerin und Vize-Regierungschefin gleichzeitig auch im Vorstand der Konzernlobby Weltwirtschaftsforum zu sitzen.

Dafür sind die Machtzentren der EU sehr gut vertreten, mit dem Vizepräsidenten und Außenbeauftragten der Kommission, Josep Borrell, dem Präsident der Eurogruppe, Paschal Donohoe, der Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola und dem Energiekommissar Paolo Gentilioni.

Bemerkenswert ist, dass schon der Schattenaußenminister der britischen Labour-Partei, David Lammy, eingeladen wurde und teilnahm. Die Bilderberger bauen vor, wenn ein Machtwechsel wahrscheinlich wird.

Wichtig zu wissen ist, dass es für Spitzenpolitiker, die den schlechten Ruf der Bilderberg-Treffen scheuen und trotzdem mit den mächtigsten Konzernen kungeln möchten, eine gute Alternative gibt. Das Weltwirtschaftsforum hat für sie eine Kungelrunde mit Konzernchefs im Rahmen der jährlichen Davoser Jahrestagungen organisiert, die fast niemand kennt und über die niemand berichtet: die IGWEL. Das ist die englische Abkürzung für Informelle Zusammenkunft (Gathering) der Weltwirtschafts-Führungskräfte.

Zur Verzahnung der beiden Kungelrunden trägt bei, dass neben Forumsvorständin Freeland auch der Präsident des Weltwirtschaftsforums, Børge Brende, am Bilderbergertreffen teilnahm.

Was ich letztes Jahr aus gleichem Anlass schrieb, gilt unvermindert:

„Sollen wir wirklich glauben, dass die Amtsträger mit gebotener Entschlossenheit und Unabhängigkeit die finanziellen, Steuer- und Datenschutzinteressen der EU-Bürger gegenüber Konzernen wie Pfizer, Facebook und Goldman Sachs vertreten, nachdem sie gerade mit diesen gekungelt haben und sich dabei mutmaßlich haben nahebringen lassen, wie wichtig die US-Digital-, Pharma- und Finanzkonzerne für die Bewahrung der geopolitischen Dominanz des Wertewestens sind? Klar müssen die Chefs von CIA und Nato mit EU-Vertretern auch mal Dinge im Geheimen besprechen können. Aber sollten dann wirklich Facebook, Pfizer, Goldman Sachs, BP und Palantir dabei sein? Es gibt keine Demokratietheorie, die ein solches Format rechtfertigt.“

Die Machtzentren

Welche Konzerne (regelmäßig) vertreten sind, gibt ein ganz gutes Bild davon, welche Branchen und Konzerne entweder besonders mächtig sind, oder für die Mächtigen besonders wichtig. Traditionell die mit Abstand meisten Teilnehmer kommen regelmäßig aus der Finanzbranche. Das leuchtet ein, ist doch mit der Zuteilung und dem Vorenthalten von Finanzmitteln, über die dieser Sektor entscheidet, ein sehr großes Machtpotential verbunden.

Goldman Sachs ist regelmäßig mit mehreren Vertretern präsent, diesmal mit zweien. Auch die Deutsche Bank und die französische Axa haben ein Abo. Die Rating-Agentur S&P war ebenso dabei, wie die IFRS, eine Stiftung zur Normierung von Buchführungsregeln. Die Macht beider Organisationen ist kaum zu überschätzen, wird aber meist weit unterschätzt. Mit dabei auch der libertäre Tech-Investor Peter Thiel.

Zahlenmäßig die zweitgrößte Branche sind direkt die Medien. Würde man allerdings die riesige Marktkapitalisierung, sprich: Macht, von Konzernen wie Google und Microsoft berücksichtigen, so käme die digitale Überwachungsbranche auf den ersten oder zweiten Platz. Neben den beiden genannten, waren auch die Shooting-Stars der Künstlichen Intelligenz, Open AI und Deep Mind, vertreten, daneben Palantir, eine Firma, die noch enger als die anderen mit Militär und Geheimdiensten zusammenarbeitet.

Militär und Geheimdienste, vor allem der USA, sind denn auch ebenfalls sehr stark und hochkarätig bei den Bilderbergtreffen vertreten.

Eine sortierte Liste

Ich habe zur besseren Übersicht einen Großteil der ca. 130 Teilnehmer in stärker vertretene Branchen und Gruppen einsortiert. Nicht berücksichtigt sind Professoren (hier ist natürlich Harvard besonders wichtig), Stiftungen (Carnegie Endowment u.a.) und Konzerne von schwächer vertretenen Branchen. Das war aber keine Forschungsarbeit, sondern nur eine relativ schnelle und nicht unbedingt ganz systematische und fehlerfreie Sortierung.

Finanzbranche

Deutsche Bank AG: Achleitner, Paul M. Goldman Sachs: Barroso, José Manuel Goldman Sachs Waldron, John (USA) S&P Global; Yergin, Daniel (USA) Prudential plc;; Vadera, Shriti (GBR), Chair, Thiel Capital LLC; Thiel, Peter (USA) Banco Santander SA: Botín, Ana P. DNB ASA: Braathen, Kjerstin AXA SA: Buberl, Thomas Newbridge Advisory Ltd.; Sawers, John (GBR) CVC Capital Partners; Rappard, Rolly van (NLD), Co-Founder and Co-Chair PSP Investments; Orida, Deborah (CAN) IFRS Foundation Trustees; Liikanen, Erkki (FIN) Skandinaviska Enskilda Banken AB; Wallenberg, Marcus (SWE) Brookfield Asset Management: Carney, Mark Institut Montaigne: Castries, Henri de (FR) KBC Group NV: Debackere, Koenraad (BEL) Acciona SA: Entrecanales, José M. (ESP) Aker ASA: Eriksen, Øyvind (NOR) AXA: Gosset-Grainville, Antoine (FRA), Chair, Nova Credit Inc.: Goulimis, Nicky (GRC) Citadel LLC: Griffin, Kenneth (USA) Zeno Partners; Moreira, Duarte (PRT) ASML Holding NV; Wennink, Peter (NLD) Überwachungstechnik (IT, AI) Palantir Technologies Inc., Karp, Alex (USA) OpenAI, Altman, Sam (USA) DeepMind, Hassabis, Demis (GBR) Microsoft Corporation; Nadella, Satya (USA) Google LLC; Schmidt, Eric E. (USA) Medien Axel Springer SE: Döpfner, Mathias (DEU) Kurier; Salomon, Martina (AUT) Bloomberg LP; Micklethwait, John (USA) The Economist, Joshi, Shashank (GBR) The Economist; Minton Beddoes, Zanny (GBR) Financial Times; Rachman, Gideon (GBR) Financial Times; Yang, Yuan (GBR) The Atlantic; Applebaum, Anne (USA) T24 News Website; Yinanç, Barçin (TUR) La7 TV, Gruber, Lilli (ITA), Le Temps, Holzen, Madeleine von (CHE) Warner Bros. Discovery Poland, Kieli, Kasia (POL) Umicore and Mediahuis; Leysen, Thomas (BEL) El Español; Ramírez, Pedro J. (ESP) Militär/Geheimdienste Director of National Intelligence, Haines, Avril D. (USA), Supreme Allied Commander Europe: Cavoli, Christopher National Security Council (USA): Chhabra, Tarun Cybersecurity and Infrastructure Security Agency: Easterly, Jen (USA) GCHQ: Fleming, Jeremy (GBR) Kissinger Associates Inc., Kissinger, Henry A. (USA) Kravis, Henry R. (USA), Co-Chairman, KKR & Co. Inc. NATO; Stoltenberg, Jens, Secretary General, National Security Council; Wright, Thomas (USA), Senior Director for Strategic Planning, Energie Shell plc; Beurden, Ben van (NLD) Vattenfall AB: Borg, Anna BP plc; Looney, Bernard (GBR) TotalEnergies SE; Pouyanné, Patrick (FRA) Green Power Denmark, Jensen, Kristian (DNK)

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 22. Mai 2023 bei norberthaering.de +++ Bildquelle:  Portrait Image Asia / shutterstock


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