Ein Meinungsbeitrag von Friedemann Willemer.
Zusammen mit 37 Bürgern habe ich am 13. September 2023 beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde erhoben mit dem Ziel, das Bundesverfassungsgericht möge dem Gesetzgeber gebieten, nach über 30 Jahren seit Vollendung der Einheit Deutschlands, Artikel 146 Grundgesetz zu aktivieren und damit dem deutschen Volk, alleiniger Träger der Staatsgewalt, die Gelegenheit zu geben, über seine Verfassung zu diskutieren und abzustimmen.
Bisher hat sich der Gesetzgeber unter Missachtung der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes und der vorverfassungsrechtlichen verfassungsgebenden Gewalt des deutschen Volkes mit fadenscheiniger Begründung geweigert, sein bei Abfassung des Grundgesetzes gegebenes Versprechen einzulösen, dass das deutsche Volk nach der Wiedervereinigung in Vollzug der Präambel a.F. und Artikel 146 a.F. über seine Verfassung in freier Entscheidung abstimmt.
Stattdessen hat der Gesetzgeber mit Artikel 4 Ziff. 6 des Einigungsvertrages die verfassungsgebende Gewalt des deutschen Volkes faktisch beseitigt, indem er ihre Ausübung in sein Belieben stellte. Entsprechend vorhersehbar war das Resultat der „Empfehlung“ der Regierungen der beiden Vertragsparteien des vereinten Deutschlands lt. Artikel 5 des Einigungsvertrages an die gesetzgebenden Körperschaften, sich mit der Frage der Anwendung des Artikels 146 des Grundgesetzes und in deren Rahmen einer Volksabstimmung zu befassen.
Die eher lustlose Beschäftigung mit dieser Frage durch die gemeinsame Verfassungskommission aus Bundestag und Bundesrat unter Vorsitz von Henning Voscherau (SPD) und Hubert Scholz (CDU) endete mit der Verweigerung einer Volksabstimmung. Eine Volksabstimmung über das Grundgesetz sei entbehrlich. Sie könne dessen bereits bestehender Legitimation nichts mehr hinzufügen (BT-Drs. 12/6000, S. 111 f.).
Der wahre Grund ist: Eine Volksabstimmung hat ein Destabilisierungspotential für „ihr“ bewährtes repräsentatives System.
Mit der Verfassungsbeschwerde wollen wir erreichen, dass die verfassten Gewalten – Exekutive, Legislative, Judikative – ihren demokratischen Offenbarungseid leisten.
Jeder, der sich nicht weiter dem Selbstbetrug hingeben will und den Mut aufbringt, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, kann erkennen, dass das repräsentative System keine Demokratie gewährleistet, sondern zu einem totalitären Parteienstaat mit seinen Hintermännern führt.
Inzwischen haben die Repräsentanten ihre demokratische Maske abgelegt und zeigen offen ihr wahres Gesicht. Sie setzen, geradezu fanatisch, ihre monströsen, menschenverachtenden Ideologien unter Missbrauch des staatlichen Gewaltmonopols um.
Bisher, wie zu allen Zeiten, schweigt die Mehrheit des deutschen Volkes und ergibt sich seinem Schicksal. Faulheit und Feigheit, so Immanuel Kant in seiner Schrift „Was ist Aufklärung“, 1784, sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen gern zeitlebens unmündig bleibt und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.
Die Vormünder verfügten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften. Unser Gängelwagen ist das repräsentative System, das sich als Demokratie tarnt.
„Nichts erscheint erstaunlicher als die Leichtigkeit, mit der die Vielen von Wenigen regiert werden und die stillschweigende Unterwerfung, mit der Menschen ihre eigenen Gesinnungen und Leidenschaften denen ihrer Herrscher unterordnen.“ (David Hume, 1711 bis 1776).
Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der direkt-partizipatorischen Demokratie.
Zittau, den 15. September 2023
Friedemann Willemer Rechtsanwalt
Hier der Link zur Verfassungsbeschwerde: Z 93-23-03-Verf.Beschwerde.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: nitpicker / Shutterstock.com
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